Molekulare Prädiktoren und ihre Pitfalls - sind - GI

Werbung
Molekulare Prädiktoren und ihre Pitfalls - sind sie schon reif für die
Praxis?
T. Seufferlein
Klinik für Innere Medizin I, Universität Ulm
Die
Einführung
der
sogenannten
„Targeted
Therapies“
in
die
Therapie
gastrointestinaler Tumore ist von großer Euphorie und großen Erwartungen begleitet.
Die mittlerweilen aus großen Studien gewonnenen Erfahrungen zeigen, dass die
Biologicals für bestimmte Gruppen von Patienten entscheidende Verbesserungen
der therapeutischen Möglichkeiten darstellen, andere Patienten jedoch nicht oder
kaum von diesen Substanzen profitieren. Da diese Therapeutika erhebliche Kosten
für das Gesundheitswesen verursachen, wird es bei limitierten Ressourcen auch
unter gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten immer wichtiger, prädiktive
Biomarker für Biologicals zu identifizieren. Dies sind Biomarker, die es erlauben, die
therapeutische Effektivität eines bestimmten Medikaments vorherzusagen – im
Vergleich zu prognostischen Marker, die eine Aussage über den natürlichen Verlauf
der Erkrankung ermöglichen. Für die Gruppe der EGFR- (für: epidermaler
Wachstumsfaktorrezeptor)
kolorektalen
Karzinom
blockierenden
ein
prädiktiver
Antikörper
Biomarker
konnte
identifiziert
erstmals
werden:
beim
Der
Mutationsstatus des kleinen G Protein K-ras im Tumor.
Ras GTPasen
K-ras gehört zusammen mit N-Ras, H-Ras und R-Ras zur Gruppe der Ras GTPasen.
Diese kleinen G Proteine werden unter anderem über Rezeptortyrosinkinasen wie
den EGFR aktiviert und induzieren eine Vielzahl intrazellulärer Signalkaskaden. In
zahlreichen Tumoren finden sich Mutationen im K-ras Gen, vor allem in den Kodons
12 und 13. Diese Mutationen führen zur konstitutiven Aktivierung des G Proteins, das
nun -unabhängig von übergeordneten Regulatoren- Signalkaskaden aktiviert, die
jedoch im einzelnen noch nicht genau charakterisiert sind. In kolorektalen
Karzinomen finden sich in etwa 40% aktivierende K-ras Mutationen. Dabei besteht
eine ca. 95%ige Übereinstimmung im K-ras Mutationsstatus zwischen Primärtumor
und Metastase. Für die K-ras Mutationsanalyse im Tumormaterial wurde von der
Deutschen Gesellschaft für Pathologie ein Qualitätssicherungsprogramm aufgelegt 1.
1
Klinische Daten
Daten zur Monotherapie mit dem anti-EGFR Antikörper Panitumumab bei Patienten
mit chemotherapierefraktären Karzinomen zeigen, dass eine anti-EGFR Therapie in
dieser Situation keine Wirkung zeigt, wenn der Tumor eine aktivierende K-ras
Mutation aufweist 2. Retrospektive Analysen von Studien, bei denen Cetuximab in
fortgeschrittenen Therapielinien beim kolorektalen Karzinom mit Irinotecan kombiniert
wurde, zeigen ebenfalls, dass der Antikörper bei Patienten mit Tumoren, die eine Kras Mutation aufweisen, keine Wirkung zeigt.
Beim diesjährigen ASCO wurden 2 große Studien, bei denen der gegen den EGFR
gerichtete Antiköper Cetuximab mit dem FOLFOX4 (OPUS) oder dem FOLFIRI
(CRYSTAL) Protokoll in der Erstlinientherapie kombiniert wurde, hinsichtlich eines
möglichen Einflusses des K-ras Mutationsstatus auf die Effektivität der Therapie
retrospektiv analysiert.
Hier
ergab
sich,
dass
die
Hinzunahme
von
Cetuximab
zu
beiden
Chemotherapieprotokollen das Tumoransprechen (RR+/- Cetuximab: OPUS: 61% vs.
37%, p=0.011; CRYSTAL: 59,3% vs. 43,2%, p=0,0025) und das progressionsfreie
Überleben (mPFS+/- Cetuximab; OPUS: 7,7 vs. 7,2 Monate, HR 0,57, p=0,016;
CRYSTAL: 9,9 vs. 8,7 Monate, HR = 0,68, p=0,017) bei Patienten mit K-ras WildtypTumoren signifikant verbessert. Die Hinzunahme von Cetuximab bringt allerdings
keinen zusätzlichen Benefit für die Patienten mit K-ras mutierten Tumoren
hinsichtlich Tumoransprechen (RR+/- Cetuximab: OPUS: 33% vs. 49%, p=0,106;
CRYSTAL: 36,2% vs. 40,2%, p=0,46) oder progressionfreiem Überleben (mPFS+/Cetuximab; OPUS: 5,5 vs. 8,6 Monate, HR 1,83, p=0,0192; CRYSTAL: 7,6 vs. 8,1
Monate, HR = 1,07; p = 0,47). Hinsichtlich des Parameters mPFS war in der OPUS
Studie die Kombination von FOLFOX4 plus Cetuximab der FOLFOX4 Therapie sogar
unterlegen. In beiden großen Studien zeigte sich, dass der K-ras Mutationsstatus
nicht prädiktiv für die Effektivität der FOLFOX- oder FOLFIRI-Chemotherapie ist.
Damit scheint der K-ras Mutationsstatus ein selektiver prädiktiver Marker für gegen
den EGF-Rezeptor gerichtete Therapiestrategien zu sein.
Die Ursache der Refraktärität von K-ras mutierten Tumoren gegen eine anti-EGFR
Therapie ist vielschichtig und bislang nicht ausreichend geklärt. Es ist daher von
2
Interesse, ob diese Refraktärität durch bestimmte Therapiekonzepte, wie z.B.
Blockade der Tumorangiogenese, durchbrochen werden kann.
In der CAIRO2 Studie (Punt et al., ASCO 2008, LBA4011) wurde untersucht,
inwieweit in der Erstlinientherapie durch die zusätzliche Gabe von Cetuximab (Cet)
die Effektivität einer Therapie mit Capecitabin, Oxalipalin und Bevacizumab (C+O+B)
verbessert werden kann. Hier zeigte sich, dass das Doppeltargeting (anti-VEGF +
anti-EGFR) das mediane PFS und das mediane Überleben der Gesamtpopulation
nicht verbessern konnte (mPFS/mOS: C+O+B: 10,7 Mo/20,4 Monate; C+O+B+Cet:
9,6 Monate/20,3 Monate). Bei einer Analyse des K-ras Mutationsstatus zeigen sich
die in Abb. 1 und 2 gezeigten Daten:
Medianes
(Mo)
PFS K-ras Wildtyp
n=305
K-ras
p-Wert
Mutation
n=196
C+O+B
10,7
12,5
0,92
C+O+B+Cet
10,5
8,6
0,47
p-Wert
0,10
0,043
Abb.1: Medianes progressionsfreies Überleben (PFS) in der CAIRO2 Studie,
differenziert nach K-ras Mutationsstatus.
Damit war die Doppeltargetingstrategie in der Gruppe mit K-ras mutierten Tumoren
hinsichtlich des Parameters PFS sogar weniger effektiv als die Therapie in der
Kontrollgruppe ohne Cetuximab. Dies zeigt, dass präklinisch und in kleinen Studien
sehr erfolgversprechende Konzepte, wie z.B. eine Doppeltargetingstrategie,
sorgfältig geprüft werden müssen bevor solche -wissenschaftlichen durchaus
plausiblen- Konzepte Eingang in die klinische Praxis finden.
3
Medianes OS (Mo)
K-ras Wildtyp
K-ras
n=305
Mutation
p-Wert
n=196
C+O+B
23
24,9
0,90
C+O+B+Cet
22,2
19,1
0,52
p-Wert
0,49
0,35
Abb.2: Medianes Überleben (mOS) in der CAIRO2 Studie, differenziert nach K-ras
Mutationsstatus.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Daten?
Vor einer geplanten Therapie mit EGFR-blockierenden Antikörpern muß der Tumor
hinsichtlich des K-ras Mutationsstatus untersucht werden. Nur Patienten mit K-ras
Wildtyp-kolorektalen Karzinomen sollten eine gegen den EGFR gerichtete Therapie
erhalten. Dies gilt für die Monotherapie wie auch die Kombination mit Chemotherapie
und für alle Therapielinien. Auf Grund der hohen Übereinstimmung im K-ras
Mutationsstatus zwischen Primärtumor und Metastase können beide für die
Mutationstestung herangezogen werden.
Die Kombinationschemotherapie ist bei kolorektalen Karzinomen in der palliativen
Situation unabhängig vom K-ras Mutationsstatus wirksam.
Der K-ras Mutationsstatus ist ein Biomarker mit negativer Prädiktion. D.h. wir können
durch Testung vorhersagen, welche Patienten von einer anti-EGFR Therapie nicht
profitieren. Das bedeutet nicht, dass und in welchem Umfang Patienten mit K-ras
Wildtyp-Tumoren von dieser Therapie profitieren. Der einzige positiv-prädiktive
Biomarker für anti-EGFR Strategien ist bislang die unter der Therapie auftretende
Hauttoxizität: Eine höhergradige Hauttoxizität (≥ Grad 2) korreliert mit einer höheren
Effektivität einer anti-EGFR Therapie. Dabei handelt es sich offenbar um eine
spezifische Eigenschaft des Patienten, nicht des Tumors. Dies erklärt, warum
Patienten mit K-ras mutierten Tumoren durchaus unter einer anti-EGFR Therapie
deutliche Hautreaktionen entwickeln können, auf Grund des mutierten K-ras im
Tumor trotzdem nicht von dieser Therapie profitieren (Tejpar et al., ASCO 2008,
#4001).
4
Weitere Biomarker?
Angiogenese
Für die sehr häufig eingesetzte, tumorbiologisch orientierte Therapie, die Blockade
der Tumorangiogenese durch VEGF blockierende Antikörper, gibt es bislang keine
vergleichbaren prädiktiven Biomarker. Nach den vorliegenden Daten3 ist die
Effektivität einer Therapie mit VEGF blockierenden Antikörpern wie Bevacizumab
unabhängig vom K-ras Mutationsstatus. Dies ist plausibel, da sich die Therapie nicht
direkt gegen den Tumor sondern gegen Endothel richtet, in dem keine Tumorassoziierten Mutationen vorliegen.
Als weiterer Biomarker für die Effektivität einer Kombinationstherapie von Cetuximab
und Irinotecan bei Patienten mit kolorektalen Karzinomen wurde in einer
retrospektiven Analyse von Loupakis PTEN (für: phosphatase and tensin homologue
deleted on chromosome 10) untersucht (Loupakis et al., ASCO 2008, #4003). PTEN
ist
eine
Phosphatase,
die
das
Produkt
der
PI-3
Kinase,
Phosphatidylinositoltriphosphat, dephosphoryliert und so den PI3-Kinase Signalweg
funktionell inaktiviert. Verlust von PTEN (durch mono- oder biallelische Inaktivierung
oder epigenetisches Silencing) führt zur konstitutiven Aktivierung des PI3-Kinase
Signalnetzwerks führt. Die hat u.a. eine Apoptoseresistenz der betroffenen Zellen zur
Folge. Die Tumoren wurden immunhistochemisch nach einem Scoringsystem, das
die Zahl der PTEN positiven Tumorzellen und die Färbeintensität berücksichtigt,
untersucht. In 45 von insgesamt 302 Fällen konnte Material von Primärtumor und
Metastase untersucht werden. Dabei fiel auf, dass die PTEN Expression zwischen
Primärtumor und Metastase deutlich variiert. Nur der PTEN Expressionsstatus in
Metastasen,
nicht
aber
im
Primärtumor
korrelierte
signifikant
mit
dem
Tumoransprechen und mit der Länge des progressionsfreien Überlebens unter einer
Therapie mit Irinotecan und Cetuximab (RR: PTEN+: 36%, PTEN-: 5%; mPFS:
PTEN+: 4,7 Mo; PTEN-: 3,3 Mo). Der PTEN-Expressionsstatus in Metastasen eines
kolorektalen
Karzinoms
könnte
sich
damit
in
gewissem
Umfang
zur
Therapiestratifizierung von Patienten eignen. Die aktuell vorliegenden Daten sind
aber noch zu präliminär, um PTEN als Biomarker beim KRK routinemäßig
einzusetzen.
5
Mismatch Repair System
Der Stellenwert einer adjuvanten Chemotherapie beim Kolonkarzinom im Stadium II
wird immer noch heftig diskutiert. Letztes Jahr zeigte die Quasar Gruppe, dass in
diesem Stadium eine Therapie mit 5-FU das 5-Jahresüberleben verbessert (p = 0,02;
relatives Risiko 0.83 (95% KI: 0,71-0,97). In Kolonkarzinomen ist das Mismatch
Repair (MMR) System häufig defekt. Der MMR-Defekt ist durch das Vorhandensein
von Mikrosatelliteninstablität und Verlust der Expression von MLH1, MSH2, MSH6
oder PMS2 charakterisiert. Eine Analyse zum Einfluss des Mikrosatellitenstatus auf
das Überleben von Ribic et al. zeigte, dass Patienten mit Mikrosatelliten-stabilen
Tumoren oder Tumoren mit geringer Mikrosatelliteninstabilität ein signifikant
schlechteres 5-Jahres-Überleben (DFS) aufweisen (p=0,004; HR: 0,31 (0,14-0,72)).
Allerdings war das 5-Jahres-Überleben der Patientengruppe mit hochgradig
Mikrosatelliten-instabilen Tumoren geringer, wenn sie eine adjuvante Chemotherapie
mit 5-FU erhielten4. Sargent wertete nun in einer Sammelanalyse mehrere Studien
hinsichtlich des Einflusses eines Defekts im MMR-System auf das krankheitsfreie
Überleben (DFS) nach einer adjuvanten Therapie im Stadium II bei insgesamt 491
Patienten retrospektiv aus (Sargent et al., ASCO 2008, #4008). Hierbei zeigte sich,
dass bei Patienten mit defektem MMR-System im Tumor (definiert als hochgradige
Mikrosatelliteninstabilität oder Verlust von MLH1 oder MSH2) das 5-Jahreskrankheitsfreie Überleben geringer war, wenn sie 5-FU erhielten (5-Jahres DFS
unbehandelt: 87%; behandelt: 79%; p=0,15, HR:3,6 0,6-20,2). Bei Patienten mit
intaktem MMR-System war das 5-Jahres DFS bei behandelten und unbehandelten
Patienten in diesen Studien im Stadium II vergleichbar (73% bzw. 74%). Wenn man
das 5-Jahres-Überleben einer aus den Daten von Sargent und Ribic gepoolten
Gruppe betrachtet ergibt sich ein signifikanter Unterschied bei Patienten mit Tumoren
mit defektem MMR-System zwischen der unbehandelten Gruppe (93%) und der mit
5-FU behandelten Gruppe (75%) (p=0.03). Daher sollte bei Patienten mit
Kolonkarzinom im Stadium II, bei denen eine adjuvante Therapie mit 5-FU diskutiert
wird, der MMR-Status vor Therapiebeginn untersucht werden und bei defektem
MMR-System im Tumor keine adjuvante Chemotherapie mit 5-FU durchgeführt
werden.
6
Prof. Dr. Thomas Seufferlein
Klinik für Innere Medizin I
Universität Ulm
Literatur
1. Tannapfel A: [Molecular pathology analysis of the KRAS mutation status in
patients with metastasized colorectal carcinoma : An initial approach using
predictive pathology.]. Pathologe 29:93-6, 2008
2. Amado RG, Wolf M, Peeters M, et al: Wild-type KRAS is required for
panitumumab efficacy in patients with metastatic colorectal cancer. J Clin
Oncol 26:1626-34, 2008
3. Ince WL, Jubb AM, Holden SN, et al: Association of k-ras, b-raf, and p53
status with the treatment effect of bevacizumab. J Natl Cancer Inst 97:981-9,
2005
4. Ribic CM, Sargent DJ, Moore MJ, et al: Tumor microsatellite-instability status
as a predictor of benefit from fluorouracil-based adjuvant chemotherapy for
colon cancer. N Engl J Med 349:247-57, 2003
7
Herunterladen