FITNESS-SPEZIAL | ABNEHMEN DIÄTMASCHINE RENNRAD Rennrad fahren, Natur genießen, Biergartenstopp einlegen – und dabei abnehmen. Rennradfahren ist, in Verbindung mit der richtigen Ernährung, ein perfekter Sport, um mit Spaß ein paar Pfunde loszuwerden TEXT: JUTTA MLNARSCHIK FOTOS: JAN GREUNE, PICTURE-ALLIANCE/DPA A bnehmen – vor manch einem baut sich das Wort auf wie ein unglaublich hoher Berg. Riesig, angsteinflößend, scheinbar unüberwindlich. Die Marke „fünf Kilo weniger“ hat für manchen Hobbyradler ähnliche Bedeutung wie der Gipfel des Mont Ventoux: schier unerreichbar. Doch wer schon einmal in den Bergen unterwegs war, der weiß auch: Jeder Gipfel scheint aus der Entfernung viel höher. Wer sich erst einmal auf den Weg gemacht hat, erreicht sein Ziel auf kurvigen Pfaden und mit kleinen Schritten (oder in kleinen Gängen), aber stetig und sicher. Abnehmen funktioniert im Prinzip ebenso einfach, und zwar nach zwei Regeln. 1. Man muss dem Körper weniger Energie zuführen als er verbraucht. 2. Sportliche Bewegung verbraucht mehr Energie als Herumsitzen, steigert den Grundumsatz – und die Zufriedenheit. Wissenschaftler sind sich seit geraumer Zeit einig: Das Prinzip FdH – „Friss die Hälfte“ – taugt zum Abnehmen alleine nicht, da sich der Körper an die reduzierte Kalorienzufuhr gewöhnt und der Grundumsatz sinkt. Wer nach der Diät wieder normal isst, nimmt umso schneller wieder zu. Ideal ist also die Kombination aus Ernährungsumstellung und Au s d a u e r s p o r t . Jo gge n , Schwimmen oder Radfahren verbrauchen im Vergleich zu Fitnesstraining oder Wandern relativ viele Kalorien. Und eine dazu passende Ernährung bewirkt, dass dabei der Verlust an Körperfett so hoch wie möglich ist. Wie soll man den Berg nun angehen? „Ich mache ungern pauschale Aussagen, da jeder Mensch anders ist“, gibt Ernährungsberaterin, Fitnesstrainerin Enthalten „gute Kohlen- und Radreise-Guide Nicole Macke zu hydrate“: Obst und Gemüse bedenken. Alter, Geschlecht, Trainings26 TOUR 2/ 2007 zustand, Ausgangsgewicht – alles spielt eine Rolle. Dennoch gibt es einige Prinzipien für Training und Ernährung, nach denen sich jeder richten kann. Das vielleicht Wichtigste: nicht übertreiben. Ein halbes bis allerhöchstens ein Kilo Gewichtsabnahme pro Woche ist schon ein hohes Ziel. Beginnen wir mit der Ernährung: Wer abnehmen möchte, sollte wenig Kohlenhydrate essen, dafür viel Eiweiß. Also Fisch, fettarmes Fleisch und Geflügel, viel Obst, Gemüse, Salat. „Ab zwei Stunden vor dem Training sollte man keine Hauptmahlzeit mehr essen. Wer vor dem Sport Hunger hat, kann ein Stück Obst oder einen Eiweiß-Shake zu sich nehmen“, rät Nicole Macke. Nach dem Training steht eine eiweißreiche und fettarme Mahlzeit auf dem Plan. Kohlenhydrate wie Brot, Nudeln, oder Reis sind auch nach dem Sport nur in kleinen Mengen angesagt. Ganz wichtig dagegen: ausreichend Vitamine und Mineralstoffe sowie gesunde (also pflanzliche, keine tierischen) Fette. Denn: Ohne diese kann der Körper kein Fett verbrennen! Zum Sport: Um abzunehmen, sollte man auch effektiv trainieren. Und dafür sollte man seine individuellen Trainingsbereiche kennen. Diese lassen sich über eine professionelle Leistungsdiagnose feststellen. Unsere folgenden Empfehlungen sind also als Richtlinien zu verstehen. Rennrad-Einsteiger sollten zwei- bis dreimal pro Woche Ausfahrten von zwei bis drei Stunden unternehmen. Dabei geht es gemütlich zu: Die Herzfrequenz (HF) sollte im Grundlagenausdauer(GA)-1-Bereich liegen – (bis zu 75 Prozent der maximalen HF). Wer noch keine Leistungsdiagnose gemacht hat: Im GA1-Bereich hat man während der Fahrt noch genug Luft, sich zu unterhalten. Ein- oder zweimal in der Woche dürfen Sie Gas geben: Fahren Sie eine Stunde im intensiveren GA2-Bereich (bis zu 80 Prozent der HF max) – Anhaltspunkt: tiefe Atmung, aber noch genug Luft für ein paar Worte, also nicht am Leistungslimit. Einige kurze Belastungsspitzen (etwa 3- bis 4-mal 30 Sekunden bis eine Minute) dürfen auch dabei sein. So bringen Sie Abwechslung ins Training und gewöhnen den Körper an intensivere Reize. Intensiveres Training führt zu schnellerer Leistungssteigerung, und durch diese nimmt man schneller ab. Fortgeschrittene Radfahrer müssen intensiver und ausdauernder trainieren als Anfänger. Da sie schon ein gutes Leistungsniveau haben, müssen sie dem Körper Reize abverlangen, an die er noch nicht gewöhnt ist. Aber auch sie trainieren überwiegend Grundlage, dreimal pro Woche drei bis GREUNE TOUR 2/ 2007 27 RUBRIK FITNESS-SPEZIAL | ABNEHMEN vier Stunden im GA-1-Bereich. Intensivere Einheiten können ein- bis zweimal pro Woche auf dem Plan stehen, je härter das Training, desto kürzer sollte es aber sein. „Um abzunehmen ist die Formel ‚Puls 130 zur Fettverbrennung‘ übrigens längst hinfällig“, erklärt Macke. „Erstens passt 130 nicht für jedes Alter und zweitens gilt: Wer im niedrigen Herzfrequenz-Bereich trainiert, verbrennt prozentual zwar mehr Fett, aber insgesamt weniger Kalorien.“ Je intensiver man trainiert, desto mehr Fett verbrennt man also. Fazit: Die richtige Mischung macht’s: Der größte Teil des Trainings sollte auf GA1-Niveau stattfinden, gezielt gesetzte intensivere Einheiten runden den Plan ab: Zusammen mit der umgestellten Ernährung werden Sie abnehmen und mehr Leistung bringen. Und: Macke empfiehlt zweimal pro Woche Krafttraining. „Mehr Muskeln verbrennen mehr Fett. Der Körper benötigt mehr Energie, um die Muskeln zu versorgen. Höhere Muskelkraft bedeutet außerdem mehr Ausdauerleistung und somit intensivere Fettverbrennung.“ ERNÄHRUNGSFEHLER IRRTU M 1 Nudeln sind ein perfektes Rennradler-Gericht Nicht ganz. Vor Wettkämpfen sind Pasta & Co. gute Kohlenhydrat-Lieferanten. Aber: Generell essen wir viel zu viele „schlechte“ Kohlenhydrate wie weiße Nudeln, helles Brot, geschälter Reis und Süßigkeiten. Wer abnehmen will, muss auf eiweißreiche und kohlenhydratarme Kost achten. „Gute“ Kohlenhydrate sind Obst, Gemüse und Salat. IRRTU M 2 Elektrolytgetränke geben Power und machen nicht dick Denkste! Zu viele Elektrolytgetränke sind beim Abnehmen kontraproduktiv, da diese Getränke immer gesüßt sind. Beim Training lieber Wasser trinken und zwischendurch eine leicht gemischte Apfelschorle (1/4 Apfelsaft, 3/4 Wasser). Und: Auch im Wettkampf besser Wasser oder sehr stark verdünnten Isodrink trinken, wenn Sie dazu noch Bananen und/ oder Energieriegel essen, denn sonst wird die Nährstoffkonzentration im Magen zu hoch. IRRTU M 3 Ein Riegel zwischendurch gehört zu jeder Trainingsrunde Leider nein! Energieriegel und -Gels sollten Sie nur als Notreserve auf Tour mitnehmen und nur dann essen, wenn Sie vor einem Hungerast stehen. Und der droht eigentlich nur dann, wenn Sie sich überanstrengt oder generell zu wenig gegessen haben. Bei Wettkämpfen dürfen – und müssen – Sie natürlich Energiegels und/oder -Riegel essen. Aber: Probieren Sie vorher aus, ob Sie diese vertragen und trinken Sie ausreichend dazu. IRRTU M 4 Vor dem Training muss ich mich stär- ken, sonst kann ich keine Leistung bringen Nicht direkt. Klar, mit Hunger kann man nicht trainieren, aber die letzte Hauptmahlzeit sollte mindestens zwei Stunden zurücklie- 28 TOUR 2/ 2007 gen. Und: Wer abnehmen will, sollte vor dem Training keine Kohlenhydrate essen. Direkt vor dem Training können Sie ein Stück Obst essen. I R RT UM 5 Ein Energieriegel gibt Power für den Anstieg Nur bedingt. Viele machen den Fehler, Riegel noch schnell vor einer Steigung reinzumampfen. Leider sind sie längst über den Berg, bevor der Riegel vom Magen in die Muskeln gewandert ist. I R RT UM 6 Müsli ist die ideale Basis für den Wettkampf Bitte nicht! Wenn Sie vor starker Anstrengung Milch oder Joghurt essen, wird Ihnen garantiert übel, außerdem dauert die Verdauung des Müslis zu lange. Besser: leicht verträgliche und vor allem leicht verdauliche Kohlenhydrate, etwa Brot mit Honig oder Marmelade. I R RT UM 7 Abends nach dem Training essen macht dick Keine Angst! Es macht keinen Unterschied, wann man die Kalorien aufnimmt, entscheidend ist, wie viel man insgesamt pro Tag isst. Sie können also ruhig das Mittagessen kleiner ausfallen lassen und erst nach der Feierabendrunde ihre Hauptmahlzeit essen. Allerdings sollten Sie danach nicht sofort ins Bett gehen. Sie würden nur unruhig schlafen, weil das Essen noch verdaut werden muss. I R RT UM 8 Ein Bierchen nach der Tour schadet nichts Doch! Denn: Alkohol (schon in den geringsten Mengen) bewirkt eine drastische Senkung des Testosteronspiegels, was bedeutet, dass die Regenerationsprozesse im Körper behindert werden. So wird auch der Muskelaufbau behindert. Dazu sollte man wissen, dass beim Ausdauertraining Muskelmaterial verbraucht wird. Und wer dann zu wenig Eiweiß zu sich nimmt oder eben mit Alkohol die Regenerationsprozesse behindert, trainiert seine Muskeln weg! Biergartenstopps sind okay – aber dort sollte man besser Kartoffeln und Kräuterquark wählen statt Pommes und Spareribs Hohe Vorgaben? Lassen Sie sich nicht entmutigen! Krafttraining mit Hanteln oder Thera-Band geht zur Not auch vor dem Fernseher. Und wenn Sie mal keine Zeit für eine Drei-Stunden-Ausfahrt haben, ist eine Stunde immer noch besser als keine! Hauptsache, Sie bleiben dran und fallen nicht völlig aus dem Rhythmus. Damit sind wir schon beim gemütlichen Teil. Rennrad fahren soll ja Spaß machen. Und das bedeutet für viele nicht nur frische Luft atmen, Natur fühlen, Landschaft erleben, sondern auch Geselligkeit tanken. Ganz ehrlich: Wir wären die Letzten, die Ihnen den Biergartenstopp verbieten möchten. Aber damit Sie ihn hinterher nicht bereuen, sollten Sie ein paar Dinge beachten: „Essen Sie leicht verdauliche, gesunde Gerichte“, empfiehlt Macke. „Lassen Sie Breze, Spareribs, Obazten oder Rohkost links liegen. Ideal wäre eine Kartoffel mit Kräuterquark oder als Alternative ein Kartoffelsalat – natürlich ohne Mayonnaise –, kombiniert mit einem fettarmen Milchprodukt!“ Denn: Rohkost-Salate liegen sehr lange im Magen (siehe Kasten); Breze enthält außer minderwertigen Kohlenhydraten keine wichtigen Nährstoffe; fettiges Fleisch in dicker Soße liegt wie Blei im Magen, belastet den Stoffwechsel und bringt keine Energie für den Rest der Ausfahrt, und Obazter ist schlichtweg zu fett. Außerdem – langweilig, aber wahr: Bier wird zwar gerne als toller Sportler-Drink angepriesen, dennoch bleibt die gute alte Apfelschorle die beste Wahl. Sie versorgt den Organismus mit allen nötigen Mineralstoffen und Elektrolyten – hat wenig Kalorien und keine Nebenwirkungen. Zum Vergleich: Eine Halbe Bier enthält etwa 250 bis 300 kcal, alkoholfreies Bier etwa die Hälfte, Apfelschorle nur rund 100 kcal. Die Halbe Bier gehört für Sie zum Biergartenstopp aber unbedingt dazu? Dann drehen Sie eben noch eine Ehrenrunde von einer halben Stunde bis Stunde. Also, versuchen Sie es, halten Sie durch, und Sie werden sehen: Irgendwann stehen Sie am Gipfel des Mont Ventoux, und oben prangt ein Schild mit Ihrem Namen und der Höhenangabe „fünf Kilo unter Ausgangsniveau“. ■ Was wird wie lange verdaut bis 30 Min. kleine Mengen an Traubenzucker, Fruchtzucker, Honig, isotonische Getränke 30 bis 60 Min. 1 - 2 dl Wasser, Tee, Kaffee (mit wenig oder ohne Milch), Buttermilch, Magermilch, fettarme Bouillon, süße Mineralwasser 1 bis 2 Std. Milch, Bier, Joghurt, Magerquark, magerer Käse, Weißbrot, Zwieback, weichgekochte Eier, Reis, gekochter (magerer) Fisch, Fruchtkompott 2 bis 3 Std. 5 dl Wasser, Tee, Kaffee, Milch; mageres Fleisch, gekochtes Grüngemüse, Salzkartoffeln, Teigwaren, Eier, reife Bananen, Pudding 3 bis 4 Std. Schwarzbrot, Käse, Müsli, rohes Obst, gedünstetes Gemüse, grüner Salat, Geflügel, gegrilltes Kalbfleisch und Filet, Bratkartoffeln, Schinken 4 bis 5 Std. Braten, gebratener Fisch, gebratenes Steak oder Schnitzel, Erbsen, Linsen, weiße und grüne Bohnen, Bolognese-Sauce, Buttercremetorte ca. 6 Std. Speck, geräucherter Lachs, Thunfisch in Öl, Gurkensalat, Pommes frites, Kartoffelchips, Pilze, Schweinebraten und -kotelettes bis zu 8 Std. Ölsardinen, Gänse- und Entenbraten, Kohl, Linsen TOUR 2/ 2007 29