Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 1 UMfahren oder umFAHren? das war die letzte Frage. Bisheriger Befund: Zur Berechnung der Wortbetonung in allerlei Sprachen muss man sich (als Grammatiker und natürlich als kompetenter Sprecher einer solchen Sprache selbst —eine Grammatik ist das, was kompetente Sprecher/Hörer im Kopf haben (und was die Mitglieder einer Sprachgemeinschaft diesbezüglich gemeinsam in den Köpfen haben), so dass sie kompetent, "richtig" sprechen/hören/verstehen können, gerade auch das, was sie möglicherweise noch nie zuvor gesprochen/gehört haben —was dafür spricht, dass es REGELN der Grammatik gibt und nicht nur dem Gedächtnis einverleibtes und bei Bedarf wieder abrufbares sprachliches Wissen) auf die Lautstruktur beziehen, d.h. auf lautliche Einheiten und ihre Grammatik. Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 2 Worin besteht lautliche Struktur nach unserem bisherigen Wissensstand? Um knapp wichtige Erinnerungsstücke aufzurufen: Phonetik psychophysikalische Eigenschaften des (segmentierbaren) Lautstroms — wie er vom Menschen produziert wird (artikulatorisch), wie er physikalisch existiert (auditiv), wie er vom Menschen wahrgenommen wird (akustisch) Phonologie wie in Sprachen psychophysikalische Eigenschaften von Lauten und besonders die lautlichen Unterscheidungsmöglichkeiten genutzt werden zur Unterscheidung von Bedeutungen oder auch wie sie anderweitig systematisch verwendet werden Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 3 Einheiten von Einfach zu Komplex: Merkmale lassen Klassen von Lauten zusammenfassen, möglichst solche, die sich auch bei phonologischen Prozessen gleich verhalten; Regeln der Merkmalskombination, in einem Segment und über Segmente hinweg Laute (Segmente) Phone (phonetisch) Phoneme (phonologisch), wenn Kontrast (siehe Minimalpaare) möglicherweise realisiert durch verschiedene Allophone (in freier Variation oder komplementärer Distribution) Silben intern strukturierte Folgen von Lauten um ein Sonoritätsmaximum herum: Onset + Rhyme (Nucleus + Coda) offene vs. geschlossene Silben leichte vs. schwere Silben (Mora als Maßeinheit für Silbengewicht) Regeln der Silbenstruktur: Onset-Maximierung; Phonotaktik (zB engl. */bnık/) Füße rhythmische Einheiten der Rede (nicht nur der Dichtung) Parameter der Fuß-Bildung • Fuß-Typen: Jambus (. x), Trochäus (x .) • Richtung des Parsing: L→R, R→L • End Rule: L, R • Extrametrikalität: –, C(C...), σ am Rand (was da ist, aber nicht zählt) • Katalexis (was nicht da ist, aber zählt) Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 4 und (bisher nicht behandelt) Wörter Phrasen im phonologischen Sinn im phonologischen Sinn Beachte: Das Wort Wort ist mehrdeutig. Am naheliegendsten ist das Verständnis von Wort als lexikalisches Wort — als eine Einheit, die im Lexikon (dem mentalen wie dem gedruckten) gelistet ist, einer bestimmten Wortart angehört und eine selbständige Bedeutung hat (z.B. das lateinische Wort populus ist ein Substantiv/Nomen und bedeutet ‘Volk’). Es gibt aber auch Wort als morphologische, syntaktische und — was uns hier interessiert — phonologische Einheit. Die Regeln der Betonung, Teil der Grammatik der Laute, z.B. nehmen auf die phonologische Einheit Wort Bezug: das phonologische Wort ist die DOMÄNE, innerhalb derer die Regeln der Betonung operieren; pro phonologischem Wort gibt es nur EINE hauptbetonte Silbe. Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 5 Aus dem Lateinischen illustriert: (x .) [ ] po . pu . lus weil: letzte Silbe extrametrisch, von hinten parsen, moraischer Trochäus, rechter Fuß geht vor (hier irrelevant) Und aus wievielen Wörtern besteht se . na: . tu:s . po . pu . lus . que . ro . ma: . nus ??? Aus vier lexikalischen Wörtern, sen:atu:s ‘Senat’, populus ‘Volk’, que ‘und’, roma:nus ‘römisch’ — genauso wie sena:tu:s et populus roma:nus auch. Aber nur aus drei phonologischen Wörtern, denn anders als et is que kein phonologisches Wort: es ist ein “Anlehner” (Klitikon), d.h. ein lexikalisches Wort, das phonologisch zu wenig eigenständig ist und sich mit einem anderen Wort zusammentun muss und mit ihm zusammen ein einziges phonologisches Wort bildet. Das sehen bzw. hören wir daraus, dass der ganze Ausdruck eben nur drei hauptbetonte Silben hat, wobei populus=que betonungsmäßig wie ein einziges Wort behandelt wird (und die Hauptbetonung folglich auf einer anderen Silbe liegt als bei populus allein, s.o.): (x ) (x .) x (x) (x) [ ] [ ] [ ] se . na: . tu:s . po . pu . lus . que . ro . ma: . nus Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 6 Übungsmaterial zur Fuß-Bildung (unter Anleitung des Kollegen aus der Phon-etik/-ologie) TRA la la RIN tin tin ruck ZUCK TICK tack toi toi TOI bim bam BUM sim sala BIM FIR le fanz TO hu wa BO hu hipp HIPP hurRA DEUTSCHland vor NOCH’n tor HO HO HO chi minh Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 7 Zurück zur Frage: UMfahren oder umFAHren? Die Bezugnahme auf lautliche Strukturen reicht offenbar nicht aus, um diese zwei deutschen Wörter (?) richtig zu betonen. Aber worauf kann man sich noch beziehen? In den nächsten Vorlesungen dreht es sich immer um diese Frage, irgendwie. Sprachen sind komplex strukturiert: ausser einer phonetischen und phonologischen besitzen sie noch eine morphologische und syntaktische Struktur (Wort-Struktur und Satz-Struktur, bzw. dazwischen noch, noch weiter differenziert, Phrasen-Struktur). (Alle 6-7000? Auch Mohawk, Grönländisches Eskimo, Tschuktschisch und andere "einverleibende" Sprachen mit ihren "Satzwörtern"?) Darum geht es in den nächsten paar Wochen. Heute soll aber zunächst betont werden, dass diese verschiedenen Strukturen eng miteinander zusammenhängen, speziell die phonologische mit der morphologischen. Wer will, kann Phonetik und Phonologie als LAUT-Struktur, Morphologie und Syntax als FORM-Struktur zusammenfassen. Mit geformtem Laut wird was ausgedrückt und übermittelt, was uns sehr wichtig ist: BEDEUTUNG. Davon handelt dann der dritte Teil dieser Einführung, betitelt Semantik und Pragmatik (obwohl, eigentlich dreht sich die Pragmatik um den GEBRAUCH der Sprache —aber wie könnte man sie nicht gebrauchen?) Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 8 Also, jetzt endlich zur Frage: Worauf kann sich noch beziehen, wenn man UMfahren und umFAHren richtig betonen will? Erste Möglichkeit: Man muss die Betonung für jedes Wort extra lernen, so wie man ja auch eigens lernen muss, welche Folgen von Lautsegmenten welchen Bedeutungen entsprechen. Es gibt keine REGEL, aus der folgen würde, dass im Deutschen /ba¨m/ 'Baum' bedeutet, oder dass im Englischen diese gleiche Bedeutung durch /tri/ ausgedrückt wird. (Bei /'k¨kk¨k/, /'mamma/ u.ä. ist die Laut-BedeutungsZuordnung vielleicht eher erahnbar. Stichworte “Lautmalerei”, “Onomatopoetika”, “Ikonizität”.) Was spricht dagegen? Dass es haufenweise Wortpaare wie UMfahren und umFAHren gibt, die alle der gleichen Regel zu gehorchen scheinen. UMlaufen und umLAUfen UMpflügen und umPFLÜgen Übersetzen und überSETZen DURCHdenken und durchDENken UNterstellen und unterSTELlen usw. Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 9 Zweite Möglichkeit ... aber schauen wir erst, ob mit der unterschiedlichen Betonung noch andere Unterschiede einhergehen. (a) Er will ihn UMfahren. (b) Er will ihn umFAHren. • Trennbarkeit und Stellung der Wort-Teile, wenn das Wort nicht am Satzende steht. (a) Er fährt ihn UM. (b) Er umFÄHRT ihn. (a) Fährt er ihn UM? (b) UmFÄHRT er ihn? (a) UM will er ihn fahren! (Emphase!) (b) UmFAHren will er ihn! also: Warum? betontes UM ist trennbar, irgendwie selbständiger unbetontes um nicht. Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 10 Vermutung: Wenn etwas allein vorkommt, im Satz einen eigenen Platz beanspruchen und allein umgestellt werden kann, ist es vielleicht selber sowas wie ein Wort. Vielleicht muss man sich bei der Betonung auf solche Einheiten wie eben 'Wort' (in diesem Sinn: was allein stehen kann, was umgestellt werden kann) beziehen. Wenn Wörter ihrerseits aus Wörtern zusammengesetzt sind? Dann wird im Deutschen anscheinend (immer/gern) das ERSTE Wort (das linke) (haupt)betont: HAUSdach, RADfahren, BLAUmachen, GRAUgrün, SAUGbohnern, DREIteilen, VIERzehn, HIMbeeren, GARaus also genauso: UMfahren, UMpflügen, Übersetzen, DURCHdenken, UNterstellen Ebenso wird das erste/linkeste Wort betont in diesen Wörtern, wo eben die ersten Bestandteile selber keine Wörter sind (nach Maßgabe obiger Umstellungstests): umFAHren, umPFLÜgen, überSETZen, durchDENken, unterSTELlen Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 11 Frage schon mal: Wenn ein Wort aus mehreren Silben besteht, welche wird dann betont? UN.ter, Ü.ber, FAH.ren, PFLÜ.gen, SE.tz.en, DEN.ken a.ME.ri.ka, KA.na.da, MAG.ma, an.TEN.ne, AL.to.na, lin.GUIS.tik, zi.TRO.ne, DO.nau, rhi.NO.ze.ros, fu.TUR, u.ni.ver.si.TÄT, se.mi.NAR, po.po.ca.te.PETL, ne.bu.kad.NE.zar, kan.ni.BA.le, CHA.os, cha.O.tisch, BÄC.ker, u.RIN, u.ri.NAL Bitte beim Kollegen von der Phonologie/Phonetik nachfragen. Hier nur ein paar Hinweise. Zum Teil funktioniert die Wortbetonung im Deutschen wie im Lateinischen. Also: letzte Silbe extrametrisch, von hinten parsen, moraischer Trochäus; superschwere letzte Silbe (...V:C, ...VCC) ist wie zwei Silben. Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 12 noch’n paralleler Unterschied: • Bildung des Partizip II (Perfekt Passiv, bzw. Resultativ) (a) Er hat ihn UMgefahren. (b) Er hat ihn umFAHren. (a) Er wird UMgefahren. (b) Er wird umFAHren. also: Verben mit betontem, trennbarem UM nehmen im Partizip II ein ge- dazwischen (was heisst "dazwischen"? zwischen die zwei Wörter?); Verben mit unbetontem, untrennbarem um nicht. Warum? Dass trennbares UM von seinem Verb durch etwas anderes, nämlich ge-, getrennt werden kann, ist nach den bisherigen Überlegungen einigermaßen verständlich. Dieses UM ist eben so selbständig, dass es nicht an seinem Verb klebt. Aber warum gibt's überhaupt kein ge- bei unbetontem, untrennbarem um? Würden wir hier nicht erwarten, dass das Partizip II so lautet: *geumFAHren Erforschen wir die Regeln zur Bildung des Partizip II ein wenig tiefer. Wobei wir allerlei vernachlässigen, wie z.B. dass am Wortende manchmal -en, manchmal -t auftritt (gefahren, gesagt; noch komplexer gebracht) Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 Deutsch (Germanisch, Indoeuropäisch): Partizip II lachen gelacht teilen geteilt bringen gebracht fahren gefahren gehen gegangen singen gesungen essen gegessen backen gebackt / gebacken auslachen ausgelacht spazierengehen spazierengegangen dreiteilen dreigeteilt vierteilen viergeteilt gevierteilt übersetzen übergesetzt übersetzt besingen besungen verteilen verteilt transportieren transportiert trompeten trompetet sinnieren sinniert 13 Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 14 Also: Manchmal steht ge-, manchmal nicht. Gibt's dafür eine Regel? [nachschauen, still nachdenken -- 2 Minuten] Ja: Es hängt von der Betonung ab. ge- steht nur vor Verben mit betonter erster Silbe, nicht vor solchen mit unbetonter erster Silbe. (Einzige mir bekannte mögliche Ausnahme: gebeneDEIT; oder betet man heutzutage: Du bist beneDEIT unter den Weibern, pardon, Frauen?) Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 15 Was wieder zur Frage zurückführt, wovon die Betonung ihrerseits eigentlich abhängt. Vermutungen? Anscheinend müssen bestimmte Wortteile betont werden, die nicht (allein) nach ihren phonologischen Eigenschaften ausgesucht werden, sondern danach, welchen Status sie letztlich für das Wortbedeutungsganze haben. sin.NIE.ren, trans.por.TIE.ren: mit -ier bildet man Verben aus Nomina (Sinn, Transport); die Silbe, die dieses -ier enthält, zieht die Hauptbetonung auf sich. In diesen Wörtern hat die Lautfolge /i:r/ einen anderen Status als z.B. in Tier, wo mit /i:r/ keinerlei Bedeutung sinnvoll verbunden werden kann. bäc.ke.REI, bac.ke.REI: mit -ei bildet man Nomina aus anderen Nomina (Bäcker) oder aus Verben (backen); die Silbe, die dieses -ei enthält, zieht die Hauptbetonung auf sich. In diesen Wörtern hat die Lautfolge /ai/ einen anderen Status als z.B. in SAL.bei, PA.pa.gei, NAC.ke.dei, AL.ler.lei, also Wörtern, die nach den normalen deutschen Betonungsregeln betont werden (letzte Silbe extrametrisch, von hinten parsen, moraischer Trochäus): sie hat eine Bedeutung, zwei verschiedene sogar, nämlich sowas wie ‘Ort wo der Bäcker wirkt’, ‘dauernde Tätigkeit des Backens’. Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 16 BÄC.ker.(÷)ei Bedeutung: ‘Ei, das irgendwas mit dem Bäcker zu tun hat’ Nach Ausweis der Betonung — hier auf erster Silbe — liegt hier eine andere Art von nicht-phonologischer Einheit ei vor: selber ein Wort (oder “Wortstamm”) nämlich, so dass als reguläre Betonung die eines zusammengesetzten Wortes resultiert (Bäcker-Ei). Übrigens macht das auch einen Unterschied für die Silbifizierung: -ei ein “Suffix” Bäcker-ei bäc.ke.REI Maximierung des Ansatzes der letzten Silbe Ei ein Wort (oder Wortstamm) Bäcker-ei BÄC.ker.(÷)ei keine Silbifizierung von auslautendem /r/ mit der letzten Silbe verteilen, besingen usw: mit ver-, be- usw. bildet man Verben aus einfacheren Verben (teilen, singen), der bedeutungsmäßige Kern wird betont (=Stamm). In diesen Wörtern haben die Lautfolgen /f´á/ und /be/ einen anderen Status als zB in Versund Benzin, wo mit /f´á/ und /be/ keinerlei Bedeutungen sinnvoll verbunden werden können. Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 17 Die Vermutung, dass für Zwecke der Wortbetonung im Deutschen auch nicht-phonologische Eingenschaften von Wortbestandteilen eine Rolle spielen, erscheint plausibel; sie passt auch gut zu unseren Überlegungen in Sachen UMgefahren vs. (*ge)umFAHren. Bei ersterem steht ge-, weil eben UM irgendwie den Status eines selbständigen Wortes hat und das eigentliche Verb erst danach anfängt, und FAHren selbst ist auf der ersten Silbe betont. Bei letzterem steht kein ge-, weil um eng zum Verb gehört und dieses komplexe Verb nicht auf der ersten Silbe, sondern auf der Stamm-Silbe betont ist (umFAHren); ein ge- wäre hier ebenso regelwidrig wie bei tromPEten (*getromPEtet, *geumFAHren). Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 18 Weil wir gerade beim Partizip II sind, hier noch ein Beispiel für eine weitere Art des Zusammenspiels von Lautstruktur und Wortstruktur — zum eigenen Üben. Bairisch: Gelten dort die gleichen Gesetze? (Die für’s Bairische verwendete Privat-Orthographie sollte durchsichtig genug sein.) (1) Bavarian: a. K-SUFf-à K-REN-T K-AKkà-t K-WAKkl-t K-WUNtà-t AUF-K-FRESs-n Standard German: meaning: ge-SOFf-en ge-RANN-T ge-ACker-t ge-WACkel-t ge-WUNder-t AUF-ge-FRESs-en 'drunk' 'run' 'ploughed' 'shaken' 'wondered' 'eaten up' b. (*k-)fà-SUFf-à (*ge-)ver-SOFf-en 'wasted in drinking' (*k-)eà-LEtik-t (*ge-)erLEdig-t 'settled' (*k-)schtuTIÀ-T (*ge-)stuDIER-T 'studied' (*k-)schmaROTS-T (*ge-)schmaROTZ-T 'sponged (on)' Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 (2) Bavarian: 19 Standard German: meaning: a. K-SUFf-à K-REN-T K-WAKkl-t K-WUNtà-t K-HEÀ-T ☞ K-AKkhà-t K-EÀ-T AUF-K-FRESs-n ge-SOFf-en ge-RANN-T ge-WACkel-t ge-WUNder-t ge-HÖR-T ge-ACker-t ge-EHR-T AUF-ge-FRESs-en 'drunk' 'run' 'shaken' 'wondered' 'heard' 'ploughed' 'honoured' 'eaten up' b. PUNTt-n PFIFf-à TAUFF-T TSOÀK-T KÄÀ-T ☞ KAKkhà-t KRACH-T KNAPpà-t ge-BUNd-en ge-PFIFf-en ge-TAUF-T ge-ZEIG-T ge-GÄR-T ge-GACkert-t ge-KRACH-T ge-KNABber-t ge-QUIETSCH-T ge-KEHR-T 'bound' 'whistled' 'christened' 'shown' 'fermented' 'cackled' 'crashed' 'nibbled' 'squeaked' 'sweeped' KWIETSCH-T KHEÀ-T Das besondere Augenmerk ist auf (2b) zu richten. Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 20 Diesen Übergangsteil von Teil 1 zu Teil 2 der Einführung zusammengefasst: Ausser der Lautstruktur gibt es also anscheinend noch solche Strukturen, die es mit Einheiten wie WORT und WORTTEILEN (MORPHEME: STAMM, AFFIX) und deren Grammatik zu tun haben, Einheiten, die Bedeutung tragen bzw. beitragen. In der Phonologie hatten wir es auch schon mit Einheiten zu tun, die was mit Bedeutung zu tun haben: Phoneme, die Bedeutungen unterscheiden (siehe Minimalpaare). Aber zwischen "Bedeutung tragen" und "Bedeutung unterscheiden" ist ein Unterschied. Vorausblick: Hierarchie von Einheiten welche nicht gottgegeben (bzw. evolutionsgegeben) sind und in allen Sprachen notwendigerweise eine Rolle spielen müssen; das zeigt sich erst in der grammatischen Beschreibung jeder einzelnen Sprache — wobei grammatische Beschreibungen selbst selten auf der Hand liegen und oft genug zwischen alternativen Beschreibungen zu entscheiden ist, nach Kriterien wie Einfachheit, Erfassen der weitestreichenden Verallgemeinerungen. Plank, WS 03/04, EinfLing, Morph&Synt 1 21 Und noch eine Frage zum stillen Nachdenken: Alle natürlichen menschlichen Sprachen (die von Kindern erworben werden) zeichnen sich durch eine "doppelte Artikulation" aus, d.h. dadurch, dass sie sowohl eine Laut-Struktur als auch eine Form-Struktur (Morphologie, Syntax) haben. Warum eigentlich dieser Aufwand? Wäre es nicht einfacher, nur eine Lautstruktur zu haben und dadurch direkt, ohne Vermittlung durch eine Form-Struktur, Bedeutungen auszudrücken? — also etwa jedem Merkmal, oder jedem Lautsegment, oder jeder Silbe direkt, in ordentlicher eins-zu-einsEntsprechung eine Bedeutung zu geben. Die Grammatik wäre in gewisser Weise einfacher, weil es dann nämlich keine gäbe, bzw nur eine solche der Laute. Aber eine solche einfach artikulierte Sprache bräuchte ein Lexikon (=Fundus aller als ganzer gespeicherter bedeutungstragender Einheiten), das ziemlich groß sein würde, und/oder die einzelnen lexikalischen Einheiten müssten ziemlich lang sein, damit all das ausgedrückt und mitgeteilt werden könnte, was der Sprechergemeinschaft so an Bedeutungen alles in den Sinn kommen möchte.