Ein Wechselspiel aus Analog- und Feldsimulation

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SERIE // EMV-SIMULATION
Ein Wechselspiel aus Analog- und
Feldsimulation
Dritter und letzter Teil der Serie zu besserem EMV-Verständnis durch
Simulation: So lernen Sie, unter Anwendung effizienter BerechnungsWorkflows abgestrahlte Emissionen korrekt zu berechnen.
CHRISTIAN RÖMELSBERGER *
I
m zweiten Teil dieser Artikelserie wurde
am Beispiel der leitungsgebundenen
Emissionen eines DC-DC-Wandlers gezeigt, wie Störsignale durch ein Wechselspiel
von Feld- und Systemsimulation berechnet
werden können. Außerdem wurden die effizienten Berechnungs-Workflows beschrieben, die in der integrierten Elektronik-Simulationsumgebung des ANSYS Electronics
Desktop dazu bereitstehen. In diesem abschließenden letzten Teil der Artikelserie
über EMV-Simulation werden diese Ideen
noch weiter entwickelt, um abgestrahlte
Emissionen zu berechnen. Dies soll anhand
des automatisierten Berechnungs-Workflows
für digitale Elektronik mit Hilfe von ANSYS
SIwave illustriert werden.
In der Digitalelektronik besteht der Schaltungsaufbau meist aus einem Versorgungssystem, in dem oft zwei Lagen der Leiterplat-
lationen schnell durchzuführen, indem das
Layout von gängigen Layout-Systemen zusammen mit der Bestückung importiert wird.
Die Spannungs- beziehungsweise Stromquellen oder zusätzliche Bauteile können auf
verschiedene Weisen definiert werden, entweder durch Positionierung in der Geometrie
oder über Netze und Reference Designators.
Dies erlaubt eine zügige Definition des Simulations-Setups, die speziell auf Leiterplatten
zugeschnitten ist. Als Ergebnisse werden
sowohl verteilte Größen – wie Spannungs-,
Stromprofile und Verlustleistungsdichten –
als auch konzentrierte Größen – wie die
Spannungen an den Verbrauchern oder die
Via-Belastungen. Die Verlustleistungen können auch automatisiert an thermische Simulationen in ANSYS Icepak weitergeleitet werden, um das thermische Management zu
untersuchen. Die Temperaturverteilung lässt
sich dann wiederum automatisch in einer
weiteren DC-Drop-Analyse verwenden, da
die elektrischen Leitfähigkeiten natürlich
auch temperaturabhängig sind.
Untersuchung des Versorgungssystems
Eine Untersuchung des Versorgungssystems beinhaltet die Betrachtung der DCSpannungsversorgung. Hierbei wird analysiert, ob der Spannungsabfall durch
Ohm’sche Verluste in den Versorgungsnetzen
von VRMs (Voltage Regulator Modules) bis
zu den ICs, die versorgt werden müssen,
klein genug ist, damit die ICs noch genügend
Spannung zur Verfügung haben. ANSYS
SIwave bietet die Möglichkeit, solche Simu-
Analyse der dynamischen
Effekte
Bilder: CADFEM
* Christian Römelsberger
... ist Experte im Bereich der hochfrequenten elektromagnetischen Simulation bei CADFEM.
te mit dem(/n) Versorgungsnetz(en) beziehungsweise dem Massenetz durchmetallisiert sind, und den Signalnetzen, auf denen
die digitalen Signale zwischen ICs (integrierte Schaltkreise/Chips) beziehungsweise auch
Ausgängen kommuniziert werden. Diese
beiden Systeme haben jeweils ihre eigenen
Herausforderungen bezüglich ihrer Funktionalität und der elektromagnetischen Verträglichkeit. In diesem Artikel soll allerdings
auch gezeigt werden, wie das Wechselspiel
dieser beiden Systeme zu neuen Herausforderungen führt.
Bild 1: Impedanzfrequenzgang des Versorgungsnetzwerks mit Limit Lines.
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Nach diesem kurzen Exkurs zur Simulation des DC-Drops sollen nun die dynamischen
Effekte der Versorgungsintegrität, der Signalintegrität und deren Auswirkungen auf
das Emissionsverhalten genauer beleuchtet
werden. Das Versorgungssystem einer digitalen Schaltung kann als Plattenkondensator
angesehen werden. Bei entsprechend hohen
Frequenzen bilden sich elektromagnetische
Wellen zwischen diesen Ebenen aus, die sich
parallel dazu ausbreiten und an den Rändern
der Power- und Ground-Netze reflektiert werden. Dies kann zu stehenden Wellen und
somit Resonanzen führen, die, falls sie angeregt werden, eventuell unerwünschte Effekte hervorrufen. Zum einen kann die Funktionalität, zum Beispiel eine gesicherte Versorgung der ICs, beeinträchtigt sein und zum
anderen besteht die Möglichkeit, dass Lei-
ELEKTRONIKPRAXIS Nr. 5 3.3.2016
SERIE // EMV-SIMULATION
DIGITAL-KOMPENDIUM
MesstechnikGrundlagen
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Bild 2: Datenauge, welches das Timing der Daten eines DDR3 Buses bezüglich der Strobe beschreibt.
Optimierung der Versorgungsintegrität
Die ICs beziehen ihren Strom meist nicht
gleichmäßig aus dem Versorgungsnetz, sondern arbeiten vorwiegend getaktet. Diese
Taktung kann Resonanzen anregen, die möglicherweise dazu führen, dass sich das IC an
einer Stelle des Versorgungsnetzwerks befindet, an der zu manchen Zeiten die Versorgungsspannung unter die notwendigen Werte fällt und das IC somit ausfällt.
ANSYS SIwave bietet viele Möglichkeiten,
ein Leiterplattendesign auf die Versorgungsintegrität zu untersuchen und das Verhalten
durch gezieltes Platzieren von Stützkondensatoren zu verbessern. In einem ersten
Schritt wird untersucht, welche Resonanzen
des Versorgungsnetzwerkes sich bei welchen
Frequenzen ausbilden. Hierbei werden natürlich die schon platzierten passiven Bauelemente berücksichtigt.
Dies erlaubt es, kritische Frequenzen zu
identifizieren und auch günstige Positionen
für Stützkondensatoren an den Maxima der
stehenden Wellen zu bestimmen. Damit diese Stützkondensatoren die Resonanzen unterbinden können, müssen deren parasitäre
Induktivitäten so gering sein, dass die Kondensatoren bei den gegebenen Frequenzen
noch ein kapazitives Verhalten aufweisen
und entsprechend die Maxima der stehenden
Wellen reduzieren.
In einer komplementären Analyse werden
die Frequenzgänge der Impedanzen der Versorgungswege bestimmt (Bild 1). Dies gibt
Aufschluss darüber, welche Resonanzen
tatsächlich durch den getakteten Stromverbrauch bei entsprechenden Taktraten und
Schaltflanken angeregt werden können und
welche Auswirkungen diese auf die Versorgung der ICs haben: Hohe Impedanzwerte
ELEKTRONIKPRAXIS Nr. 5 3.3.2016
bei einer Frequenz bedeuten, dass kleine
Stromschwankungen mit dieser Frequenz
große Spannungsschwankungen hervorrufen. Für diese Impedanzen bestehen LimitLines, die für ein Leiterplattendesign eingehalten werden müssen. ANSYS SIwave bietet
auch die Möglichkeit, die Auswahl von Stützkondensatoren zu optimieren. Hierbei werden aus einer vorgegebenen Liste von Kondensatoren die besten Kombinationen ausgewählt, beispielsweise hinsichtlich Preis
oder Anzahl, sodass die Grenzwerte an die
Impedanzen möglichst erfüllt sind. Diese
Analysen erlauben es, Gewissheit über die
geeignete Wahl von Stützkondensatoren zu
erlangen und „Angstkondensatoren“ zu
vermeiden.
Wie zuvor schon erwähnt, ist die Versorgungsintegrität mit den Themen der Signalintegrität und der elektromagnetischen Verträglichkeit eng verwoben. Denn das Versorgungssystem beinhaltet die größten Netze,
die Störungen gut weiterleiten und als effiziente Antennen wirken können, speziell bei
Resonanzen. Folglich ist eine gute Auslegung
des Versorgungssystems eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg in der Elektronikentwicklung.
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Informationen als
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09861
terbahnen auch als Antennen wirken, was
zu abgestrahlten Emissionen beziehungsweise einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber
eingestrahlter Störungen führt.
Schnelle und fehlerfreie Datenübertragung
Die Hauptaufgabe von digitaler Elektronik
ist natürlich die schnelle und fehlerfreie Datenverarbeitung, was die fehlerfreie Übertragung von Daten zwischen verschiedenen ICs
erfordert. Hierfür sind je nach Anwendung
verschiedene Technologien und Protokolle
verfügbar, zum Beispiel die DDR3/4 (Double
Data Rate), PCI Express und USB 3.0. Bei all
diesen Technologien werden die Daten als
Bit-Folgen in Form von transienten Spannungsverläufen über die Signalleitungen
übertragen. Hierbei gelten Spannungssignale, die größer als eine gegebene Spannung
sind, als 1 und Spannungen, die kleiner als
eine andere, kleinere Spannung sind, als 0.
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SERIE // EMV-SIMULATION
den Power- oder Ground-Netzen geführt werden oder durch Via-Durchführungen. Hier
ergeben sich Unstetigkeiten in der Impedanz
der Übertragungsstrecke, die zu Reflexionen,
Übersprechen und Abstrahlung führen. Das
kann auch mit der Antennentheorie erklärt
werden, etwa als Schlitzantenne oder Apertur-Kopplung im Fall von geschlitzten Ebenen oder als λ/4 Resonator bei Via-Stubs.
Umfassende und effiziente
Simulationslösung
Bild 3: Spektrum der abgestrahlten Emissionen. Im Maximum gibt es eine Koinzidenz einer Resonanz des
Versorgungssystems und der doppelten Datenrate.
Bei sehr hohen Datenraten beeinflussen
die Übertragungswege die Signalqualität
sehr stark und die idealerweise trapezförmigen Signale degenerieren zu runderen Spannungsverläufen. Die Signalqualität kann hier
zum Beispiel mit Hilfe von Datenaugen (Bild
2), die eine Überlagerung sehr vieler Intervalle von einer Bit-Länge eines digitalen Signals darstellen, beziehungsweise mit Hilfe
von Bit-Fehler-Raten (BER).
Mittels ANSYS SIwave lassen sich äußerst
effizient Simulationen durchführen, um die
Signalintegrität zu bewerten. Hierbei werden
automatisiert sowohl die benötigten S-Parameter des Schaltungslayouts berechnet als
auch ein Schematic für eine Systemsimulation aufgebaut. Die Systemsimulation berücksichtigt das Übertragungsverhalten der
Leiterplatte. Sender und Empfänger können
in Form von IBIS-AMI-Modellen, SPICE-Modellen oder als idealisierte generische Modelle integriert werden. Außerdem wird mit
Bild 4: Feldverteilung in der
Nähe von kritischen Signalleitungen: Eine Resonanz
im Versorgungssystem wird
angeregt.
einer realistischen Spannungsversorgung
gearbeitet.
Einfluss von parasitären
Effekten
Diese Bestandteile sind wichtig für eine
realistische Bewertung der Signalintegrität
und der Emissionen: Gute Treibermodelle
stellen dar, wie beim Schalten eines digitalen
Signals die aktuellen Spannungen der Power- und Ground-Netze verwendet werden, um
entsprechende physikalische Signale zu generieren. Damit lassen sich auch die parasitären Eigenschaften des Package und die
Rückwirkungen auf das Versorgungsnetz
berücksichtigen. Hier kommen die Themen
der Versorgungsintegrität wieder ins Spiel,
da Resonanzen des Versorgungssystems angeregt werden können, die wiederum Signale und Emissionen beeinflussen (Bild 3 / 4).
Weitere Effekte entstehen etwa dadurch,
dass Signalleitungen über einen Schlitz in
Wie hier dargestellt, besteht ein enges Zusammenspiel zwischen Versorgungsintegrität, Signalintegrität und elektromagnetischer Verträglichkeit. Die ANSYS Electromagnetics Suite bietet mit SIwave und dem
ANSYS Electronics Desktop eine umfassende
und effiziente Simulationslösung, um diese
Fragestellungen unter Berücksichtigung aller wichtigen Einflüsse und Koppelmechanismen zu untersuchen. Auf diese Weise lässt
sich schon mit virtuellen Prototypen eine
sehr hohe Sicherheit bezüglich des Produktverhaltens erlangen.
In dieser Artikelserie wurde dies anhand
vielfältiger Beispiele illustriert, von Schirmmaßnahmen, die feldgebundene Koppelwege unterbinden, über die leitungsgebundene
Störungen bis hin zur Abstrahlung in der
Digitalelektronik. Hier konnte keine umfassende Darstellung der Möglichkeiten zur
EMV-Berechnung gegeben werden, es wurden nur einige Aspekte beispielhaft näher
beleuchtet. Das ANSYS Portfolio erlaubt zudem auch effiziente Berechnungen der:
„„ Störempfindlichkeit gegenüber leitungsgebundenen und eingestrahlten Störungen, dies ist zum Beispiel in der Analogelektronik sehr wichtig, da Sensoren nicht
durch andere elektronische Baugruppen
beeinflusst werden sollen,
„„ Interferenzen verschiedener Antennen,
die in einer gemeinsamen Umgebung platziert sind (Cosite-Interferenzen),
„„ schnellen transienten Störungen wie
elektrostatische Entladungen (ESD), Burst
und Surge Pulse und deren Ausbreitung in
elektronischen Baugruppen.
Bei all diesen EMV-Themen liefert die Simulation ein tiefergehendes Verständnis für
die jeweiligen Koppelmechanismen und erlaubt somit, gezielte Gegenmaßnahmen zu
treffen. Dies erspart langwierige Entwicklungsschleifen mit schwieriger Spurensuche
aufgrund von Messergebnissen aus der Messkammer oder die Durchführung überdimensionierter Gegenmaßnamen.
// SG
CADFEM
+49(0)8092 70050
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ELEKTRONIKPRAXIS Nr. 5 3.3.2016
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