Aktuelle Entwicklungen an der Schnittstelle Medien- und Glücksspielrecht Vortrag beim Symposium Glücksspiel 2015 der Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim am 12. März 2015 von Dr. Jörg Ukrow Stellvertretender Direktor der LMS Gliederung Zur Einführung: Dimensionen der Schnittstellen Medien- und Glücksspielrecht Organisatorische und verfahrensrechtliche Aspekte Werberechtliche Aspekte Jugendschutzrechtliche Aspekte Ausblick Zur Einführung Dimensionen der Schnittstellen Medien- und Glücksspielrecht Die ordnungsrechtliche Dimension der Schnittstelle Die EU-integrationskritische Dimension der Schnittstelle Die organisationskonzeptionelle Vorbildfunktion der Medienaufsicht Die werberechtliche Dimension der Schnittstelle Die jugendschutzrechtliche Dimension der Schnittstelle Zur Einführung Die EU-rechtliche Dimension der Schnittstellen-Thematik (bislang) keine bereichsspezifische Rechtsetzung der EU auf dem Sektor der Glücksspielwerbung und des diesbezüglichen Jugendschutzes Hintergrund: Bedeutung nationaler Traditionen und Wertevorstellungen gerade im Bereich des Glückspiels Aber: auch für die Glücksspielwerbung kann die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-Richtlinie) der EU bedeutsam sein Zur Einführung Die EU-rechtliche Dimension der Schnittstellen-Thematik Art. 9 der AVMD-Richtlinie: „(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die audiovisuelle kommerzielle Kommunikation, die von den ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbietern bereitgestellt wird, folgenden Anforderungen genügt: … c) Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation darf nicht … iii) Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit gefährden; … g) Audiovisuelle Kommunikation darf nicht zur körperlichen oder seelischen Beeinträchtigung Minderjähriger führen. …“ Gliederung Zur Einführung: Dimensionen der Schnittstellen Medien- und Glücksspielrecht Organisatorische und verfahrensrechtliche Aspekte Werberechtliche Aspekte Jugendschutzrechtliche Aspekte Ausblick Organisatorische und verfahrensrechtliche Aspekte (1) Ausgangspunkt: Die organisationskonzeptionelle Vorbildfunktion der Medienaufsicht Amtliche Begründung zu § 9a GlüStV („Ländereinheitliches Verfahren“) „Mit den Absätzen 1 bis 3 wird der Grundsatz verankert, dass für die dort genannten Entscheidungen nur jeweils eine bestimmte Landesbehörde für alle Länder zuständig ist, für die dann nach den Absätzen 5 bis 8 das Glücksspielkollegium entscheidet. Diese Lösung bildet das Modell der Kommission für Jugendmedienschutz nach dem JugendmedienschutzStaatsvertrag und der Kommission für Zulassung und Aufsicht nach dem Rundfunkstaatsvertrag nach.“ Organisatorische und verfahrensrechtliche Aspekte (2) Teil-Abbildung der Organisationsstruktur der Medienaufsicht Verwaltungsvereinbarung Glücksspielstaatsvertrag (VwVGlüStV) vom 23. Mai 2012 über die Zusammenarbeit der Länder bei der Glücksspielaufsicht § 2 Abs. 5 VwVGlüStV: „Zur Vorbereitung der Entscheidungen des Glücksspielkollegiums kann der oder die Vorsitzende des Glücksspielkollegiums Prüfgruppen einsetzen. Die Prüfgruppen bereiten die Entscheidungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf und geben Entscheidungsempfehlungen.“ § 7 Abs. 2 VVGlüStV: Möglichkeit zur Einrichtung länder- und fachübergreifender Arbeitsgruppen Organisatorische und verfahrensrechtliche Aspekte (3) Medienregulierung als Vorbild für verfahrensrechtliche Anforderungen an Vollzug des GlüStV sich ggf. entwickelnde verwaltungsgerichtliche Praxis, wonach die Judikatur zu rundfunkstaatsvertraglichen Parallelnormen auf die betreffenden Regelungen des GlüStV entsprechend anwendbar ist (vice versa) Organisatorische und verfahrensrechtliche Aspekte (4) bedeutsam z.B. Art und Umfang der Begründungs- und Dokumentationspflicht bei Befassung des Glücksspielkollegiums mit Vorlage einer Aufsichtsbehörde vgl. z.B. Urt. des BayVGH vom 19.09.2013 (Az. 7 BV 13.196) Urt. des OVG Koblenz vom 29.04.2014 (Az. 2 A 10894/13) Gliederung Zur Einführung: Dimensionen der Schnittstellen Medien- und Glücksspielrecht Organisatorische und verfahrensrechtliche Aspekte Werberechtliche Aspekte Jugendschutzrechtliche Aspekte Ausblick Werberechtliche Aspekte (1) Glücksspielrechtliche Ausgangspunkte: § 5 GlüStV, u.a. - grundsätzliches Verbot der Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen und im Internet - davon abweichend können die Länder zur besseren Erreichung der Ziele des § 1 Werbung für Lotterien und Sportund Pferdewetten im Internet und im Fernsehen erlauben. - Werbung für Sportwetten im Fernsehen unmittelbar vor oder während der Live-Übertragung von Sportereignissen auf dieses Sportereignis ist nicht zulässig. Werberichtlinie gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 GlüStV vom 7. Dezember 2012 Werberechtliche Aspekte (2) Glücksspielrechtliche Berührungspunkte zu Medienrecht: Bezugnahme auf medienrechtliche Definition (§ 5 Abs. 3 GlüStV) Einbeziehung (auch) der Medienanstalten vor Erlass und wesentlicher Änderung der Werberichtlinie (§ 5 Abs. 4 Satz 3 – „beteiligte Kreise“) Regelmäßiger Austausch zur Glücksspielwerbung zwischen Glücksspielaufsicht und Landesmedienanstalten (§ 14 Abs. 5 WerbeRL) Werberechtliche Aspekte (3) Gemeinsame Leitlinien der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder und der Landesmedienanstalten zur Zusammenarbeit bei der Aufsicht über Glücksspielwerbung im privaten Rundfunk und Telemedien privater Anbieter Die gemeinsamen Leitlinien dienen dazu, die Zusammenarbeit der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder und der Landesmedienanstalten im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben zu erleichtern. Werbung für Glückspiel im Fernsehen und Internet dürfen nur die Veranstalter oder Vermittler öffentlicher Glücksspiele in Auftrag geben, die eine Erlaubnis für Werbung im Fernsehen und Internet nach § 5 Abs. 3 GlüStV erhalten haben. Werberechtliche Aspekte (4) Für die Aufsicht über die Einhaltung der Anforderungen nach § 5 GlüStV i.V.m. der Werberichtlinie gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 GlüStV ist gegenüber den Veranstaltern und Vermittlern von öffentlichem Glücksspiel die Glücksspielaufsicht zuständig. Für die Aufsicht über die Einhaltung der Glücksspielwerbeverbote des § 5 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 GlüStV sind die Landesmedienanstalten (a) gegenüber privaten Fernsehveranstaltern und (b) im Falle entsprechend landesrechtlich verliehener Zuständigkeit gegenüber privaten Anbietern von Telemedien zuständig. Ziel der Leitlinien: ein möglichst gleichgerichtetes und gleichzeitiges Vorgehen von Glücksspiel- und Medienaufsicht zu gewährleisten Werberechtliche Aspekte (5) Rundfunkrechtlicher Anker für die Aufsicht der Landesmedienanstalten über die Einhaltung der Glücksspielwerbeverbote des § 5 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 GlüStV bislang § 41 RStV („Programmgrundsätze“) § 41 Abs. 1 Satz 3 RStV: „Die Vorschriften der allgemeinen Gesetze … sind einzuhalten.“ Aber nunmehr: Urteil des BVerwG vom 17.12.2014 (Az.: BVerwG 6 C 32.13) Werberechtliche Aspekte (6) „§ 20 Abs. 1 Satz 1 RStV unterwirft Veranstalter von Rundfunk lediglich in Bezug auf die Verbreitung redaktionell gestalteter Programminhalte einer Zulassungspflicht.“ „Soweit die Beklagte den Sinn der Zulassung auch darin sieht, dass sie die Verantwortlichkeit des Veranstalters für sämtliche gesendeten Inhalte – einschließlich der Werbeinhalte klarstelle, vermag auch diese Erwägung kein gegenteiliges Ergebnis zu rechtfertigen. Die Verantwortlichkeit des Veranstalters für die von ihm verbreiteten Werbeinhalte begründet sich bereits aus dem Gesetz, d.h. aus den werbebezogenen Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrages, die an ihn adressiert sind. Zusätzlicher Klarstellung bedarf es nicht.“ Werberechtliche Aspekte (7) Möglicher Ausweg: Ergänzung/Präzisierung des RStV im Zusammenhang mit der geplanten Novelle aus Anlass der Umsetzung der Vorgaben des ZDF-Urteils des BVerfG Ansonsten (nur) § 6 JMStV - Jugendschutz in der Werbung und im Teleshopping Werberechtliche Aspekte (8) Empfehlung (2014/478/EU) der EU-Kommission vom 14. Juli 2014 mit Grundsätzen für den Schutz von Verbrauchern und Nutzern von Online-Glücksspieldienstleistungen und für den Ausschluss Minderjähriger von Online-Glücksspielen, u.a. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass kommerzielle Kommunikation für Online-Glücksspieldienstleistungen Minderjährige nicht dazu veranlasst, Glücksspiele als natürliche Freizeitbeschäftigung anzusehen. Die Mitgliedstaaten sollten darauf hinwirken, dass a) in Medien, oder im Rahmen von Programmen, deren Zielgruppe erwartungsgemäß Minderjährige sind, b) auf Websites, die sich an Minderjährige richten, keine kommerzielle Kommunikation ausgestrahlt, angezeigt oder erleichtert wird. Werberechtliche Aspekte (9) Problem: Bestimmtheit der Verhaltensaufforderungen der Empfehlung (2014/478/EU) der EU-Kommission ? Problem: Rechtsetzungskompetenz der EU Empfehlung (2014/478/EU) der EU-Kommission ? Problem: Rechtsschutz gegenüber (2014/478/EU) der EU-Kommission ? der für die Empfehlung Gliederung Zur Einführung: Dimensionen der Schnittstellen Medien- und Glücksspielrecht Organisatorische und verfahrensrechtliche Aspekte Werberechtliche Aspekte Jugendschutzrechtliche Aspekte Ausblick Jugendschutzrechtliche Aspekte (1) Glücksspielrechtliche Ausgangspunkte: § 4 Abs. 5 Nr. 1 GlüStV: Abweichend von § 4 Abs. 4 GlüStV können die Länder zur besseren Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV den Eigenvertrieb und die Vermittlung von Lotterien sowie die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet erlauben, sofern u.a.“ der Ausschluss minderjähriger oder gesperrter Spieler durch Identifizierung und Authentifizierung gewährleistet (wird)“. In der amtlichen Erläuterung zu § 4 Abs. 5 Nr. 1 GlüStV wird in diesem Zusammenhang auf die „Richtlinien der KJM“ Bezug genommen. Jugendschutzrechtliche Aspekte (2) Glücksspielrechtliche Ausgangspunkte: Die vom Glücksspielkollegium der Länder beschlossenen Eckpunkte zu den Internetanforderungen nach § 4 Abs. 5 GlüStV sehen ebenfalls eine Orientierung an den Eckwerten und Anforderungen der KJM und an den von ihr positiv bewerteten Konzepten bzw. von so genannten „gleichwertigen Verfahren“ vor. Jugendschutzrechtliche Aspekte (3) Vor diesem Hintergrund haben sich sowohl Anbieter von AV-Systemen für den Online-Glücksspielbereich als auch eine Reihe von GlücksspielAufsichtsbehörden an die KJM mit der Bitte gewandt zu prüfen, ob bei der Glücksspiel-Aufsicht zur Genehmigung eingereichte AVS-Konzepte den etablierten AVS-Kriterien der KJM entsprechen bzw. ob die KJM zu solchen Verfahren eine Positivbewertung erteilen könne. Da die Bewertungszuständigkeit für AVS-Verfahren im Anwendungsbereich des GlüStV bei den Glücksspiel-Aufsichtsbehörden liegt, hat die KJM in Absprache mit dem Vorsitz des Glücksspielkollegiums der Länder folgendes Verfahren verabredet: Eine Einschätzung der KJM zu AVS-Konzepten für den Glücksspiel-Bereich erfolgt im Rahmen der Amtshilfe gegenüber der jeweiligen Glücksspiel-Aufsichtsbehörde und auf deren Veranlassung hin, nicht jedoch als eigenständige Bewertung gegenüber dem Anbieter eines solchen Systems. Gliederung Zur Einführung: Dimensionen der Schnittstellen Medien- und Glücksspielrecht Organisatorische und verfahrensrechtliche Aspekte Werberechtliche Aspekte Jugendschutzrechtliche Aspekte Ausblick Ausblick – mobile Herausforderungen für Glücksspielregulierung Ausblick – mobile Herausforderungen für Glücksspielregulierung Einige Ergebnisse der jüngsten JIM-Studie 2013 (Jugend, Information, (Multi-) Media) des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest Ausblick – Herausforderung Connected TV für Glücksspielregulierung Ausblick – Regulatorische Verstetigung der Zusammenarbeit zwischen Glücksspiel- und Medienaufsicht? Vorbilder: § 39a Abs. 1 RStV: „Die Landesmedienanstalten arbeiten im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben mit der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und mit dem Bundeskartellamt zusammen. Die Landesmedienanstalten haben auf Anfrage der Regulierungsbehörde für Telekommunikation oder des Bundeskartellamtes Erkenntnisse zu übermitteln, die für die Erfüllung von deren Aufgaben erforderlich sind. „ § 123 Abs. 2 TKG: „Die Bundesnetzagentur arbeitet mit den Landesmedienanstalten zusammen. Auf Anfrage übermittelt sie den Landesmedienanstalten Erkenntnisse, die für die Erfüllung von deren Aufgaben erforderlich sind.“ § 50c Abs. 2 GWB: „Die Kartellbehörden arbeiten im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben mit … den Landesmedienanstalten zusammen. Die Kartellbehörden können mit den in Satz 1 genannten Behörden auf Anfrage gegenseitig Erkenntnisse austauschen, soweit dies für die Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben erforderlich ist. Dies gilt nicht 1. für vertrauliche Informationen, insbesondere Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie 2. für Informationen, die nach § 50a oder nach Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 erlangt worden sind.“ Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Fragen? Dr. Jörg Ukrow LMS Nell-Breuning-Allee 6 66115 Saarbrücken Tel.: 0681 3898850 www.lmsaar.de [email protected]