ZfWG 2016, 94 ff.

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April 2016
11. Jahrg.
71732
Seite 77-172
Zf WG
Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht
European Journal of Gambling Law
2
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Dr. Manfred Hecker
10 Jahre ZfWG
Prof. Dr. Johannes Dietlein und Sascha D. Peters
Unionsrechtliche Anforderungen an den Übergang zum Konzessionsmodell für die Veranstaltung von Sportwetten nach dem
GlüStV 2012
Prof. Dr. Jörg Ennuschat
Bekämpfung der Geldwäsche in Spielhallen
Prof. Dr. Marco Mansdörfer
Strafbarkeit der Fernseh- und Internetwerbung für
unionseuropäische Internetsportwetten und -lotterieangebote
in Deutschland
Prof. Dr. Jens M. Schmittmann
Update: Besteuerung von Umsätzen und Gewinnen aus Glücksund Geschicklichkeitsspielen 2015
Dr. Volker Heeg
105 Lotterie-Steuerfalle für Veranstalter von Gewinnspielen
Dr. Walther Michl, LL.M.
110 Das Kohärenzkriterium in der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs
115 Strafrechtliche Konsequenzen der Unionsrechtswidrigkeit eines
(faktischen) staatlichen Sportwettmonopols
EuGH, Urt. v. 4.2.2016 – C-336/14 – Ince
Herausgeber
Prof. Dr. Johannes Dietlein
Prof. Dr. Jörg Ennuschat
Prof. Dr. Ulrich Haltern, LL.M.
RA Dr. Manfred Hecker
Prof. Dr. Christian Koenig, LL.M.
Schriftleiter
RiVG Dr. Felix B. Hüsken
126 Anmerkung von Prof. Dr. Hans Kudlich und Dr. Bernd Berberich
Vorrang des Unionsrechts
133 Zur Erdrosselungswirkung einer auf den Betrieb von Spielgeräten erhobenen Vergnügungssteuer
BVerwG, Urt. v. 14.10.2015 – 9 C 22.14
139 Anmerkung von Dr. Dirk Uwer, LL.M., und Dr. Martin Radtke,
LL.M.
Belastungskumulation im regulatorischen Mehrebenensystem
.
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ZfWG 2/16
schebekämpfung zusätzlich der Aufsicht der Geldwäschebehörden unterstellt werden sollten.
Bei der Prüfung, welche Vorgaben der vierten GeldwäscheRichtlinie wie umgesetzt werden müssen, ist stets der risikobasierte Regulierungsansatz zu berücksichtigen. Bei
Spielhallen spricht etwa einiges dafür, dass die Risiken der
Geldwäsche weniger auf Seiten der Spieler und mehr auf
Seiten der Betreiber liegen – mit entsprechenden Konsequenzen für die Geldwäscheregulierung.
Soweit zusätzlicher Umsetzungsbedarf identifiziert werden
sollte, wäre schließlich zu klären, ob der Bundesgesetzgeber
oder die Landesgesetzgeber zuständig sind. Als erstmals
diskutiert wurde, ob Spielhallen in das GwG einbezogen
werden sollten, wurden kompetentielle Bedenken geäußert
(oben D. IV. 1.), die aber bei der Einbeziehung des OnlineGlücksspiels in das GwG offenbar nicht erneuert wurden,83
obwohl auch dieses im Übrigen der Landesgesetzgebung
unterstellt wird. Hintergrund etwaiger kompetentieller Bedenken ist die Zuordnung des GwG zum Gewerberecht
(oben B. VI.). Das Gewerberecht wird durch Art. 74 Abs. 1
Nr. 11 GG teils der konkurrierenden Zuständigkeit, teils der
Landeskompetenz zugewiesen. Bei einer spielhallenspezifischen Geldwäschebekämpfung läge womöglich die Subsumtion unter das „Recht der Spielhallen“ nahe, sodass die
Landeszuständigkeit eröffnet wäre. Stellt man hingegen auf
das allgemeine und alle Wirtschaftsbereiche übergreifende
Ziel der Geldwäschebekämpfung oder auf die spezifischen
automatenbezogenen Geldwäschegefahren ab, hätte man
wiederum Anknüpfungspunkte zur Annahme einer konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit. Selbst dann
könnte die Erforderlichkeit (Art. 72 Abs. 2 GG) einer Bundesregelung in Zweifel gezogen werden, zumal auch der
Bundesgesetzgeber eine Aufnahme von Geldwäschebekämpfungsvorschriften in den GlüStV für denkbar und
Mansdörfer, Strafbarkeit der Fernseh- und Internetwerbung
dann wohl für ausreichend hält.84 Kurz, es sind noch einige
Unsicherheiten zu registrieren.85
E. Fazit und Ausblick
Es ist noch vieles unsicher, gerade auch in tatsächlicher
Hinsicht – wie groß ist das Geldwäscherisiko bei Spielhallen nun wirklich? Ungeachtet dieser Unsicherheiten dürfte
zu erwarten sein, dass Spielhallen künftig verstärkt in die
Geldwäschebekämpfung einbezogen werden, insbesondere
auch der Aufsicht der Geldwäschebehörden unterstellt werden.
Summary
So far it hasn’t been clarified how great the risk of money
laundering in German amusement arcades (Spielhallen) really is. Some evidence suggests that arcades, if at all, can be
used by operators rather than customers for money laundering purposes. So far the German Money Laundering Act
does not apply to amusement arcades, but they are generally
covered by the Fourth Money Laundering Directive (EU)
2015/849. Some but not all of the directive’s requirements
are already fulfilled by German law (e. g. by § 33c (2) of the
German Trade Regulation Act).
83 Vgl. die Begründung des GwGErgG, BR-Drs. 459/12, S. 9 (vom
10.8.2012): Die Gesetzgebungszuständigkeit folge aus Art. 74 Abs. 1
Nrn. 1 und 11 GG.
84 Begründung des GwGErgG, BR-Drs. 459/12, S. 10 (vom 10.8.2012). –
Zu Zweifeln an der Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung im Regelungsbereich der §§ 33 c ff. GewO siehe zuletzt Krüper,
ZfWG 2015, 294 (297 ff.).
85 Für eine Einbeziehung von Spielhallen in das GwG Ruttig, Zum Umsetzungsbedarf bei der 4. Geldwäsche-Richtlinie für terrestrisch vertriebene Lotterien, Rechtsgutachten vom 9.9.2015, S. 34.
Prof. Dr. Marco Mansdörfer, Saarbrücken*
Strafbarkeit der Fernseh- und Internetwerbung für
unionseuropäische Internetsportwetten und -lotterieangebote in
Deutschland
Der geltende GlüStV enthält seinem Wortlaut nach ein weitreichendes und scheinbar strafbewehrtes Internet- und
Fernsehwerbeverbot für Internetsportwetten, -casinos und
-lotterien. Eine europarechtskonforme Auslegung dieser
Normen zeigt dagegen, dass jedenfalls die Werbung für im
EU-Ausland zugelassenes Glücksspiel weithin straffrei ist
und entgegen dem Wortlaut des Gesetzes erhebliche Handlungsspielräume bestehen.
net und über Telekommunikationsanlagen generell.1 Verboten war zudem jede Werbung für „unerlaubtes“ Glücksspiel. Unerlaubt ist bis heute jedes Glücksspiel, das nicht
von einer deutschen Behörde ausdrücklich gestattet wurde.2 Der geltende Glücksspielstaatsvertrag hat diese Werbebeschränkungen etwas gelockert.3 Die Werbung für unerlaubtes Glücksspiel bleibt zwar weiter verboten. 4 Das Werbeverbot in Internet und Fernsehen wurde dagegen in § 5
*
I. Verbot der Internet- und Fernsehwerbung nach
GlüStV und StGB
1
2
Internet- und Fernsehwerbung für Glücksspiele unterliegen
im deutschen Recht traditionell sehr restriktiven Schranken. Der Glücksspielstaatsvertrag 2008 verbot in § 5 Abs. 3
Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen, Inter-
3
4
Der Beitrag beruht auf einem vom Verfasser erstellten Rechtsgutachten. Auf Seite III erfahren Sie mehr über den Autor.
Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland, Inkrafttreten am
1.1.2008.
Ganz h. M. BT-Drs. 13/9064 Nr. 74; Heine/Hecker, in: Schönke/
Schröder, StGB; 29. Aufl, 2014, Rn. 29 m. ausf. Nachweisen.
Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in der Fassung des Ersten Staatsvertrags zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in
Deutschland, Inkrafttreten am 1.7.2012.
§ 5 Abs. 5 GlüStV 2012.
Mansdörfer, Strafbarkeit der Fernseh- und Internetwerbung
Abs. 3 S. 2 GlüStV gelockert, sodass die Länder Werbung
für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten erlauben können, um in Einklang mit § 1 GlüStV die vorhandene natürliche Nachfrage5 in geordnete und überwachte Bahnen zu
lenken.
Flankiert wird dieses Verbot durch zahlreiche Bußgeldnormen in den Ausführungsgesetzen der Länder6 sowie das
strafrechtliche Verbot der Werbung für unerlaubtes Glücksspiel in §§ 284 Abs. 2, 287 Abs. 2 StGB.
Das strafbewehrte Werbeverbot in den §§ 284 Abs. 4, 287
Abs. 2 StGB wurde erst mit dem 6. Strafrechtsreformgesetz
vom 26.1.1998 (6. StRRG) eingeführt. Hintergrund war, dass
für deutsche Verbraucher über die elektronischen Medien
und Telefernkommunikation eine direkte Teilnahme an
ausländischen Glücksspielen, deren Angebote nach deutschem Glücksspielrecht nicht genehmigungsfähig7 gewesen
wären, möglich geworden war. Bei diesen Angeboten war
zum einen fraglich, ob sie überhaupt von den Verbotstatbeständen der §§ 284 Abs. 1, 287 Abs. 1 StGB erfasst waren.
Zum anderen wäre ein entsprechendes Verbot faktisch
nicht durchsetzbar gewesen. Schlussendlich sollte jedenfalls die werbende Aktivität der im Ausland ansässigen Anbieter unterbunden werden.8
II. Schranken des absoluten Werbeverbots
1. Wett- und Lotterien als Dienstleistungen i. S. v. Art. 56
AEUV
Entgegen dem ersten Anschein gilt das Verbot der Internetund Fernsehwerbung freilich keineswegs umfassend. Gerade Angebote für Sportwetten und Lotterien aus dem EUAusland, die in Deutschland etwa über das Internet gespielt
werden können, können sich grundsätzlich auf die europarechtliche Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 ff. AEUV berufen. Das Veranstalten von Erst- und Zweitlotterien sowie
Sportwetten unterliegt in den einzelnen Mitgliedstaaten der
Europäischen Union zwar unterschiedlichen Beschränkungen. Indessen handelt es sich nicht um eine in allen Mitgliedstaaten per se verbotene Dienstleistung, die aus dem
Bereich der Dienstleistungsfreiheit herausfallen würde.9
Das Glücksspiel muss freilich mit dem allgemeinen sittlichen, religiösen oder kulturellen Ordre-public und mit
zwingenden Gründen des Allgemeinwohls vereinbar sein.
Das nationale Recht, und namentlich auch das nationale
Strafrecht, muss umgekehrt stets im Licht des Rechts der
Europäischen Union interpretiert werden.10 Das sehr restriktive deutsche Recht, das in wesentlichen Bereichen ein
staatliches Glücksspielmonopol etabliert hat, verträgt sich
hier mit dem liberalen europäischen Ansatz nur schwer.
2. Die Spruchpraxis des EuGH und die Folgen für das
Verbot öffentlicher Glückspiele
Der EuGH hat in seiner Leitentscheidung in der Sache Gambelli darauf hingewiesen, dass
[e]„ine nationale Regelung, die – strafbewehrte – Verbote der Entfaltung der Tätigkeit des Sammelns, der
Annahme, der Bestellung und der Übertragung von
Wetten, insbesondere über Sportereignisse, enthält,
[...] eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit
und des freien Dienstleistungsverkehrs [...] dar [ergänze: stellt], wenn der betreffende Mitgliedstaat
keine Konzession oder Genehmigung [ergänze: für
private Anbieter] erteilt.“11
ZfWG 2/16 95
Die Interpretation des Gambelli-Urteils hatte auf die
Rechtslage in Deutschland erhebliche Auswirkungen. Die
Literatur spaltete sich im Wesentlichen in zwei Lager:12 Eine
traditionalistische Auffassung war der Ansicht, das Urteil
ändere nichts an der grundsätzlichen Rechtslage. Eine progressive Ansicht war der Auffassung, ein unerlaubtes
Glücksspiel scheide nunmehr auch dann aus, wenn ein Anbieter über die Lizenz eines ausländischen Wettanbieters
verfüge.
Im weiteren Verlauf seiner Entscheidungspraxis hat der
EuGH in einer kontinuierlichen Linie die Anforderungen
an nationale Regelungen zur Rechtfertigung von nationalstaatlichen Glücksspielbeschränkungen immer enger gezogen.13 Es kann danach heute als gesicherter Stand der europäischen Rechtsprechung und der dort entwickelten sog.
Kohärenzprüfung gelten, dass nationale Verbote (gerade
auch angesichts der konkreten Verwaltungspraxis!14) im
Glücksspielrecht nur dann zulässig sind, wenn sie auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten
Kriterien beruhen. Bei der Prüfung der Verbote des in
Deutschland geltenden GlüStV hat namentlich der bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Sache Verbote, die monopolakzessorisch und damit europarechtswidrig sind, von
solchen unterschieden, die nicht monopolakzessorisch
sind.15
Die Bundesländer haben auf diese Rechtsprechung zwar
mit einer zum 1.6.2012 wirksam gewordenen Änderung
des GlüStV reagiert. Die Reaktion erweist sich indessen als
5 § 1 GlüStV spricht an dieser Stelle nicht von Nachfrage, sondern vom
„natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung“.
6 Beispielhaft § 48 Abs. 1 Nr. 3 Landesglücksspielgesetz – Baden-Württemberg „Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
[...] für unerlaubte Glücksspiele wirbt,“ ; § 20 Abs. 1 Nr. 4 Ausführungsgesetz GlüStV – Sachsen „Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig [...] entgegen § 5GlüStV Werbung betreibt“; vergleichbar, aber mit Unterschieden im Detail: Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in
Deutschland – Bayern; § 16 Abs. 1 Nr. 3 u. 4 Ausführungsgesetz zum
Glücksspielstaatsvertrag – Berlin; Abs. 1 N. 3 u. 4 § 16 Gesetz zur
Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland für öffentliche Lotterien, Ausspielungen und Sportwetten im
Land Brandenburg; § 16 Abs. 1 Nr. 3 Bremisches Glücksspielgesetz;
§ 17 Abs. 1 Nr. 3 u. 4 Glücksspielgesetz – Hessen; § 21 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertragsausführungsgesetz – Meck.-Vorpommern ; § 26
Abs. 1 Nr. 5 Glücksspielgesetz – Niedersachsen; 23 Abs. 1 Nr. 3–5
Ausführungsgesetz GLüStV – NRW; § 16 Abs. 1 Nr. 3–5 LGlücksspielG – Rheinland-Pfalz; § 11 Abs. 1 Nr. 4 u. 5 Gesetz zur Änderung
Glücksspielrechtlicher Gesetze – Schleswig Holstein; § 15 Abs. 1 Nr. 8
Ausführungsgesetz GlüStV – Saarland; § 20 Abs. 1 Nr. 4 Glücksspielgesetz Sachsen-Anhalt; § 10 Abs. 1 Nr. 3 Glücksspielgesetz Thüringen. Lediglich § 18 Glücksspieländerungsstaatsvertrags-Ausführungsgesetz – Hamburg enthält keine spezielle Sanktionierung der
Werbung für unerlaubtes Glückspiel;
7 Dazu speziell Dannecker/Pfaffendorf, NZWiSt 2012, 252, 254 li. Spalte ltzt Absatz.
8 Vgl. BT-Drs. 13/8587 S. 67 f.
9 Ganz herrschende Auffassung, stellvertretend mit Bezug zu entsprechenden Sachverhaltskonstellationen Coen, in: Beck’scher OnlineKommentar, § 7 BWLOWiG, 9. Ed, 2015, Rn. 36.1.; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 7. Aufl. 2016, Rn. 83.
10 Ganz herrschende Auffassung, stellvertretend EuGH, 16.6.2005 –
C-105/03; Heger, in: Böse (Hrsg.), Europäisches Strafrecht, 2013 § 5
D.
11 EuGH, 6.11.2003 – C 243/01 – Gambelli.
12 Zum Diskussionsstand etwa Hohmann, in: MüKo-StGB, 2. Aufl.,
§ 284 Rn. 21 m. umfangr. Nachweisen; Satzger, Internationales und
Europäisches Strafrecht, 7. Aufl. 2016, Rn. 83.
13 Vgl. EuGH, 8.9.2010 – C-46/08 – Carmen Media, ZfWG 2010, 344;
EuGH, 8.9.2010 – C-316/07 – Stoß, ZfWG 2010, 332; EuGH,
24.1.2013 – C-186/11 – Stanleybet, ZfWG 2013, 95; EuGH,
12.6.2014 – C-156/13 – Digibet, ZfWG 2014, 193.
14 Dies betont EuGH, 24.1.2013 – Rs. C-186/11 – Stanleybet, ZfWG
2013, 95.
15 BayVGH, 20.9.2011 – 10 BV 10.2449, ZfWG 2011, 455.
96
ZfWG 2/16
ungenügend: Kern der Änderungen war eine in den GlüStV
eingefügte sog. „Experimentierklausel“ mit der Möglichkeit
der Vergabe vereinzelter privater Glücksspielkonzessionen.
Ob mit dieser Gesetzesänderung der ernsthafte Wille zur
Vergabe von Konzessionen verbunden war oder ob tatsächlich nur Zeit gewonnen werden sollte, lässt sich nicht mit
letzter Sicherheit beantworten. Jedenfalls sind die in § 4a
GlüStV 2012 genannten Konzessionen bis heute nicht erteilt worden. Eine Konzessionierung in naher Zukunft ist
nach den aktuellen Urteilen der bundesdeutschen Gerichte
praktisch ausgeschlossen.16 Zur verwaltungsrechtlichen
Verbotspraxis von Untersagungsverfügungen gegen
Glücksspielveranstalter im Internet stellt das OVG Münster
überdies aktuell fest:17
„(a)ngesichts der Vielzahl zwischenzeitlich unbehelligt am Markt tätiger Glücksspielveranstalter im Internet ist die von einem solchen singulären Vorgehen
ausgehende Eindämmung bestehender Suchtgefahren
nicht gleichermaßen effektiv, wie sie es bei einem
systematischen und flächendeckenden Einschreiten
wäre.“
In der Literatur18 wird zudem darauf hingewiesen, dass
nach aktuellen Mitteilungen der EU-Kommission19 von
den Mitgliedstaaten keinerlei Daten vorgelegt wurden, um
den Nachweis tatsächlicher Gefährlichkeit durch OnlineCasinospiele zu erbringen. Die tatsächliche Sach- und
Rechtslage hat sich damit im Vergleich zum GlüStV 2008
nicht verbessert, sondern effektiv verschlechtert.
Im Ergebnis ist der im GlüStV verankerte Erlaubnisvorbehalt für öffentliche Glücksspiele gem. § 4 S. 1 GlüStV damit
weiterhin unionsrechtswidrig. Erst recht unionswidrig ist
angesichts der auch praktisch nicht kohärenten Aufsicht
und Strafverfolgung das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung öffentlicher Glücksspiele im Internet gem. § 4
Abs. 4 GlüStV. Gleichermaßen europarechtswidrig ist das
Verbot der Vermittlung entsprechender Glücksspiele. 20
3. Zur Unionsrechtswidrigkeit des Fernsehwerbeverbots
in § 5 GlüStV
Die Unionsrechtswidrigkeit der Glücksspielverbote in § 4
GlüStV hat Folgen für die Werbeverbote in § 5 GlüStV.
Die Werbeverbote können sachlich und inhaltlich nur noch
eine stark eingeschränkte Geltung beanspruchen:21
Infolge der Unionsrechtswidrigkeit der Glücksspielverbote
in § 4 GlüStV darf nach der insoweit gefestigten Rechtsprechung des EuGH22 eine unionsrechtswidrige Norm auch
nicht nur vorübergehend weiter angewendet werden. Diese
sog. Neutralisierungswirkung des Unionsrechts tritt sogar
bereits dann ein, wenn die tatsächliche Rechtslage nicht
hinreichend klar erkennbar ist. Die Beschränkung behördlicher Erlaubnisse für öffentliches Glücksspiel auf deutsche
Erlaubnisse ist mithin unwirksam. Das mit einer im EUAusland erteilten Genehmigung veranstaltete Glückspiel
steht einem Glücksspiel gleich, dem in Deutschland eine
Genehmigung erteilt wurde. Die strafbewehrten Werbeverbote in §§ 284 Abs. 2, 287 Abs. 2 StGB sind mithin schon
deshalb nicht anwendbar, weil kein unerlaubtes öffentliches Glücksspiel im Sinne dieser Strafnormen vorliegt.
Die Straflosigkeit der Werbung für im EU-Ausland genehmigtes und in Deutschland spielbares Internetglücksspiel
ist freilich jenseits der dargestellten Kettenverweisung
auch in der Sache gerechtfertigt. Generelle Prohibitionsstrategien für Spielmöglichkeiten im Internet haben sich
zur Bekämpfung von Spielsucht als wenig tauglich erwie-
Mansdörfer, Strafbarkeit der Fernseh- und Internetwerbung
sen und Spieler zu Ausweichstrategien bewegt. 23 Mit dem
GlüStV 2012 wurde das Fernsehwerbeverbot für Glücksspiel in einer Weise gelockert, die zusätzlich die sachliche
Berechtigung eines strafbewehrten Werbeverbots infrage
stellt. Die Änderung des GlüStV 2012 war praktisch mit
einer massiven Ausweitung der Werbung der Landes-Lotteriegesellschaften verbunden, die ihre Werbeausgaben
2013 gegenüber dem Vorjahr um etwa 50 % erhöht haben.24Jarass ist daher der Auffassung, das generelle Werbeverbot für Glücksspiele könne mit den Zielen der Suchtbekämpfung und der Reduzierung der Attraktivität des
Lotteriespielens im Interesse des Jugend- und Spielerschutzes angesichts dieser Werbeaktivität nicht mehr begründet werden. 25 Dem kann man möglicherweise noch
entgegen halten, die zunehmende Werbung der staatlichen
Glücksspielanbieter sei notwendig, um die Nachfrage gezielt auf die zuverlässigen Angebote zu lenken. Im Kontext
eines unionseuropäischen Glücksspielmarktes unter dem
Schutz der Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV würde
eine solche Beschränkung der Werbefreiheit auf das nationale Glücksspielangebot einen im unionseuropäischen
Wirtschaftsraum so nicht vorgesehenen Monopolschutz
begründen. Augenscheinlich wird dies angesichts der Ausnahmeregelung vom Verbot der Internet- und Fernsehwerbung in § 5 Abs. 3 S. 2 GlüStV, die eine Werbegenehmigung für EU- ausländische Anbieter konzeptionell nicht
vorsieht.
4. Gleichwohl bestehende Schranken des Jugend- und
Spielerschutzes
Auch wenn das im deutschen Recht verankerte Verbot für
Internet- und Fernsehwerbung in seiner absoluten Form im
unionseuropäischen Kontext keine Geltung beanspruchen
kann, so hat dies nicht zur Folge, dass Werbung nunmehr
uneingeschränkt zulässig wäre. Die allgemeinen Grundsätze zur inhaltlichen Beschränkung von Werbung für Glücksspiele in § 5 Abs. 1 GlüStV i. V. m. § 1 GlüStV lassen sich
vom absoluten Werbeverbot an sich trennen und sind mit
den Zielen des Jugend- und Spielerschutzes auch nicht
monopolakzessorisch. Als Konkretisierung dieser einfachgesetzlichen Ziele kann in der Sache, die an sich nicht einschlägige Werberichtlinie zum GlüStV2012 herangezogen
werden. Die Kommission der Europäischen Union hat ihrerseits Empfehlungen aufgestellt, wie und in welchem Umfang sie selbst Werbung für Glücksspiele für zulässig hält.26
Obwohl derartige Empfehlungen gerade keine rechtliche
16 VG Wiesbaden, 5.5.2015 –5 L 1453/14.WI, ZfWG 2015, 276, hat das
Vergabeverfahren endgültig gestoppt, da das Verfahren zur Vergabe
von Sportwetten intransparent sei und gegen die EU-Dienstleistungsfreiheit verstoße. Die Entscheidung wurde in der Zwischenzeit bestätigt vom VGH Hessen, 16.10.2015 – 8 B 1028/15, ZfWG 2015, 478.
17 OVG Nordrhein-Westfalen, 13.11.2014 – 13 B 827/14, ZfWG 2015,
52.
18 Dazu Schenke, ZfWG 2015, 170, 175.
19 SG 2012 D/50777, S. 3 f.
20 So auch die Schlussanträge GA Szpunar, 22.10.2015 – C-336/14 –
Sebat Ince.
21 Für eine weitgehende Straflosigkeit der Werbung in diesem Zusammenhang bereits Mosbacher, NJW 2006, 3529.
22 EuGH, 8.9.2010 – C-409/06 – Winner Wetten, ZfWG 2010, 407.
23 Näher dazu Schenke, ZfWG 2015, 170, 171.
24 Ausführlich dazu Jarass, Gutachten, EU-rechtliche Probleme der Vorgaben für die Veranstaltung von Lotterien nach dem neuen Glückspielstaatsvertrag, Mai 2015, S. 42 ff.
25 Jarass, Gutachten, EU-rechtliche Probleme der Vorgaben für die Veranstaltung von Lotterien nach dem neuen Glückspielstaatsvertrag,
Mai 2015, S. 42 ff.
26 Empfehlung 2014/478/EU.
Schmittmann, Update: Besteuerung von Umsätzen und Gewinnen aus Glücks- und Geschicklichkeitsspielen 2015
Verbindlichkeit entfalten, können sie bei der Auslegung
defizitären nationalen Rechts der Orientierung dienen. Im
Sinne des europäischen Verbraucherschutzes sollte der
Werbetreibende sich zumindest im Rahmen der ihm möglichen Ermittlungen zuletzt der Seriosität des Glücksspielbetreibers hinsichtlich der Manipulation der Ergebnisse, der
Verlässlichkeit bei der Auszahlung der Gewinne und der
Zahlungsfähigkeit vergewissern.
III. Kein Rückgriff auf Ordnungswidrigkeitentatbestände des Landesrechts
Die Neutralisierungswirkung des europäischen Rechts erlaubt zuletzt auch keinen Rückgriff auf die mit Ordnungswidrigkeiten sanktionierten Werbeverbote in den Landesrechten.27 Einem solchen Rückgriff steht die Konkurrenzregel des Art. 4 Abs. 2 EGStGB entgegen. Art. 4 Abs. 2 StGB
erklärt im Sinne der Einheit der Rechtsordnung Ordnungswidrigkeiten des Landesrechts für nicht anwendbar, wenn
der Bundesgesetzgeber einen Bereich abschließend geregelt
hat.28 Gerade dies ist aber mit den Regelungen der §§ 284
Abs. 2, 287 Abs. 7 StGB der Fall.29 Die Gesetzgebungsgeschichte der Normen und ihre Erweiterungen bis hin insbesondere zum 6. StRRG 1998 zeigen, dass der Gesetzgeber
hier eine abschließende Regelung treffen wollte. Gerade die
Erweiterungen in §§ 284 Abs. 4, 287 Abs. 7 StGB erschienen dem Gesetzgeber erforderlich, weil ausländische kommerzielle Anbieter, deren Angebote nach deutschem
Glücksspielrecht nicht genehmigungsfähig waren, immer
intensiver versuchten, in Deutschland Teilnehmer für ihre
Glücksspielangebote zu finden und die Werbung für solche
Glücksspiele nicht ohne weiteres unter die bis dato geltenden Regeln gefasst werden konnte.
IV. Zusammenfassung und Schlussbemerkung
Das Verbot der Fernseh- und Internetwerbung im deutschen Glücksspielrecht kann jedenfalls für im EU-Ausland
ZfWG 2/16 97
genehmigte Glücksspiele keine Geltung beanspruchen. Seriöse Anbieter können ihre Dienstleistungen auf der Basis
der europäischen Dienstleistungsfreiheit auch deutschen
Verbrauchern anbieten. Dazu gehört auch das Bewerben
der entsprechenden Dienstleistung im Internet und im
Fernsehen. Die Verbotsnormen des deutschen Rechts verstoßen insoweit gegen höherrangiges europäisches Recht
und werden von diesem neutralisiert. Bestand haben die
Einschränkungen des deutschen Rechts lediglich insoweit,
als sie generell dem Schutz des Verbrauchers und Minderjähriger zu dienen bestimmt sind. Die Vorgaben des GlüStV
2012 können insoweit Geltung beanspruchen, obwohl der
GlüStV im Übrigen vor dem Hintergrund der zunehmenden
restriktiven Rechtsprechung des EuGH weitgehend zum
Torso geworden ist.
Summary
The German criminal law strictly prohibits commercials in
TV and Internet for not officially authorised games of pure
chance (cap. 284 sec. 4, cap. 287 sec. 2 German Criminal
Code). Authorisation in this context originally means an
authorisation given by a national German authority. An
interpretation in accordance with the law of the European
Union yet shows that commercials in TV and Internet for
games of pure chance authorised by official authorities in
Member States of the European Union are protected by the
freedom of services guaranteed by Art. 56 TFEU. In consequence criminal law cannot apply so far. Anyhow the regulations for the protection of gamblers and young people have
to be respected. These restrictions continue to be conform
with the TFEU-Law.
27 Siehe dazu die Aufzählung oben Fn. 6.
28 Reichsgericht, 27.3.1884 – 349/84, RGSt 10, 220, 223.
29 Mit konkretem Bezug zu den Ordnungswidrigkeiten des Glücksspielrechts Dannecker/Pfaffendorf, NZWist 2012, 212, 214 m. w. N.
Prof. Dr. Jens M. Schmittmann, Essen*
Update: Besteuerung von Umsätzen und Gewinnen aus
Glücks- und Geschicklichkeitsspielen 2015
Die Besteuerung von Umsätzen und Gewinnen aus Glücksund Geschicklichkeitsspielen berührt verschiedene Rechtsmaterien, die nicht nur untereinander nicht abgestimmt
sind, sondern auch sowohl nationales als auch europäisches
Recht berühren. Der nachfolgende Beitrag zeichnet die aktuelle Rechtsentwicklung nach. Er schließt an Schmittmann, Update: Besteuerung von Umsätzen und Gewinnen
aus Glücks- und Geschicklichkeitsspielen 2013/2014,
ZfWG 2015, 92 ff., an.
I. Einleitung
Der Beitrag greift die im Jahre 2015 veröffentlichten Publikationen1 auf und berücksichtigt die Rechtsprechung aus
dieser Zeit. Zunächst werden Fragen aus dem Einkommenund Körperschaftsteuerrecht sowie dem Gewerbesteuerrecht untersucht, bevor der Beitrag sich mit Fragen der
Umsatzsteuer sowie sonstigen Abgaben befasst.
Die wirtschaftliche Bedeutung der Besteuerung für die öffentliche Hand ist hoch. Im Jahre 2014 haben z. B. die Länder insgesamt 1.673.330.000 EUR an Rennwett- und Lotte*
1
Auf Seite III erfahren Sie mehr über den Autor.
Vgl. Dziadkowski, Zur Mehrfachbesteuerung von Glücksspielumsätzen in öffentlichen Spielbanken und privaten Spielbanken, BB 2015,
3094 ff.; Schmittmann, Update: Besteuerung von Umsätzen und Gewinnen aus Glücks- und Geschicklichkeitsspielen 2013/14, ZfWG
2015, 92 ff.; Schmittmann, Preisgelder aus Turnierpokerspiel führen
als Mischung aus Glücks- und Geschicklichkeitsspielgewinn zu einkommensteuerpflichtigen Einnahmen, ZfWG 2016, 43 ff.
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