Arzneimittelallergie

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Arzneimittelallergie
DR. KATALIN MÜLLNER
Arzneimittelallergie
▪Reaktionen mit Krankheitswert bezeichnet, die auf einer
Arzneimittel-bedingten Aktivierung des Immunsystems
beruhen.
▪ Meist nicht vorhersehbar sind
▪ Nicht über den pharmakologischen Wirkungsmechanismus
erklärt werden können.
▪Arzneimittelallergien sind häufig, ein Drittel der wegen UAW
hospitalisierten Patienten verantwortlich.
▪Sie sind im Allgemeinen nicht dosisabhängig, bereits durch
kleinste Wirkstoffmengen ausgelöst werden.
Einteilung
Arzneimittelallergien
Pseudoallergie
Idiosynchrasie
Pseudoallergischen (oder
anaphylaktoiden) Reaktionen
❖Nicht durch Antikörper vermittelt
❖Akute Reaktionen, durch direkte Freisetzung von Mediatoren aus Mastzellen und
Basophilen.
❖Sie werden von unterschiedlichen Arzneistoffen wie Opiaten, NSAR, kolloidalen
Plasmaersatzmitteln, Röntgenkontrastmitteln ausgelöst.
❖Die Mediatorfreisetzung bedarf keiner vorhergehenden Sensibilisierung, Bildung
spezifischer IgE-Antikörper oder Antigen-Antikörper-Reaktion an Mastzellen und kann daher
bereits bei erstmaliger Gabe auftreten.
❖Symptome entwickeln sich oft sehr rasch und können schwer sein. Meist dosisabhängig,
können jedoch bereits in niedrigen Dosen zu Zwischenfällen führen.
❖Die Behandlung pseudoallergisch-anaphylaktoider Reaktionen entspricht der Behandlung
der anaphylaktischen Reaktion bzw. des anaphylaktischen Schocks.
Idiosynkratischen
Reaktionen
▪Nicht immunologisch bedingt
▪genetisch determiniert (z. B. durch Enzymdefekte).
▪Nicht vorhersehbar
▪Nicht über den pharmakologischen
Wirkungsmechanismus erklärt werden können.
Pathogenese
In der Pathogenese von Arzneimittelallergien lassen sich
2 Phasen unterscheiden:
❖In der Sensibilisierungsphase prägt sich das Immunsystem den Kontakt mit einem
Antigen in das »immunologische Gedächtnis« ein und bildet spezifische Antikörper
(humorale Immunreaktion) bzw. spezifische reaktionsfähige T-Lymphozyten
(zelluläre Immunreaktion). In dieser Phase zeigen sich meistens noch keine
klinischen Erscheinungen.
❖Bei erneutem Kontakt mit dem Antigen wird in der Effektorphase das in der
Sensibilisierungsphase ausgebildete »Gedächtnis« reaktiviert und führt zu
klinischen Symptomen der Allergie.
Sensibilisierungsphase
•Das Immunsystem erkennt normalerweise nur »Vollantigene «, Makromoleküle
wie rekombinante Proteine (sog. Biologicals, wie humanisierte Antikörper, lösliche
Rezeptoren; Proteohormone), Heparine oder Dextrane.
•Niedermolekulare Arzneistoffe wirken erst nach fester Bindung an ein
körpereigenes Trägermolekül immunogen (Haptene; Beispiele βLactamantibiotika, Sulfonamide).
•Auch reaktionsfähige Derivate von Arzneistoffen (als Haptene dienen (z. B.
kovalente Bindung von Penicillinmolekülen nach Öffnung des β-Lactam-Ringes an
Proteine).
Effektorphase
Hypersensitivitätsreaktionen
nach Coombs and Gell
▪Bei Aktivierung des »immunologischen Gedächtnisses« durch Antigen
Re-Exposition werden Reaktionen ausgelöst, die sich durch die vier
Prototypen von immunologisch-vermittelten
Hypersensitivitätsreaktionen (Typ I–IV) nach Coombs und Gell
klassifizieren lassen.
▪Im Wesentlichen lassen sich zwei große Gruppen von immunologischen
Hypersensitivitätsreaktionen unterscheiden: Antikörper- und
zellvermittelte Reaktionen.
▪Überschneidungen oder Kombinationen dieser Reaktionstypen sind
üblich.
Andere
Hypersensitivitätsreaktionen
➢Nicht immer lassen sich die beobachteten Hypersensitivitätsreaktionen mit
den Reaktionstypen nach Coombs und Gell klassifizieren.
➢Auch ist bei vielen Reaktionen das Ausmaß der Beteiligung direkt-toxischer
Wirkungen schlecht abschätzbar.
➢Inhibitorische Antikörper
➢Drug-hypersensitivity-Syndrom (DHS; auch als »drug rash with eosinophilia and
systemic symptoms«, DRESS
➢Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und toxische epidermale Nekrolyse (TEN)
➢Arzneimittel-induzierter Lupus erythematodes (ALE)
➢Serumkrankheit-ähnliches Syndrom (serum sickness-like
syndrome)
➢Agranulozytose
Drug-hypersensitivitySyndrom (DHS)
➢Auch als »drug rash with eosinophilia and systemic symptoms«, DRESS,
bezeichnet
➢Dieses lebensbedrohliche Syndrom (Häufigkeit 1:1000–10.000) aus Fieber,
makulopapulösem Exanthem, Lymphadenopathie, Eosinophilie und
Beteiligung innerer Organe (zumeist Hepatitis und Blutbildveränderungen)
tritt typischerweise innerhalb von 3–8Wochen der ersten Behandlung mit
einem Arzneistoff auf, bei Reexposition auch innerhalb eines Tages.
➢Schwere, idiosykratische Reaktion, die einerseits durch aromatische
Antikonvulsiva (Phenytoin, Phenobarbital, Carbamazepine, Lamotrigin), aber
auch durch andere Arzneimittel wie Allopurinol, Sulfasalazin, Trimethoprim,
Metronidazol, Azathioprin ausgelöst werden kann.
➢Der Auslösung von DHS scheint ein komplexes Zusammenspiel zwischen
reaktivierter Herpesvireninfektion, antiviralem Immunresponse und der
Arzneistoff-spezifischen Immunantwort zugrunde zu liegen.
Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) und
toxische epidermale Nekrolyse (TEN).
➢Schwere Hautreaktionen, denen eine Fas-Ligand (FasL) mediierte
Apoptose von Keratinozyten zugrunde liegt.
➢Mononukleäre Zellen von SJS- and TEN-Patienten sezernieren große
Mengen an FasL.
➢Die Produktion kann durch den die Krankheit auslösenden Arzneistoff
in vitro stimuliert werden. Arzneistoffspezifische zytotoxische T-Zellen
konnten in TEN-Läsionen nachgewiesen werden.
➢Immunoglobuline hemmen die Fas-mediierte Apoptose von
Keratinozyten in vitro.
➢Zahlreiche Fallberichte deuten auch auf eine klinische Wirksamkeit von
i.v.Immunglobulinen hin.
Serumkrankheit-ähnliches Syndrom
serum sickness-like syndrome
➢Durch bestimmte Antibiotika
➢Insbesondere durch Cephalosporine ausgelöst werden.
➢Sie geht mit Fieber, Hauterscheinungen (Urticaria, Erythema exsudativum
multiforme) und Arthralgien einher.
➢Die Symptome entwickeln sich 1–3 Wochen nach Exposition.
Agranulozytose
➢Atypische Neuroleptikum Clozapin ausgelöste Neutropenie:
➢3% der Patienten
➢auf eine direkte zytotoxische Wirkung eines nach Bioaktivierung
entstehenden chemisch reaktiven Nitrenium-Ions zurückgeführt.
➢Die Bildung von zytotoxischen Metaboliten durch Oxidationsprozesse
in aktivierten Neutrophilen oder deren Präkursoren im Knochenmark
➢Auch durch andere Arzneistoffe:
▪ Thrombozytenaggregationshemmer Ticlopidin (Agranulozytoserisiko 1–2%)
▪ Sulfonamide
▪ Propylthiouracil
Maßnahmen zur Therapie
anaphylaktischer
Reaktionen in der Allgemeinpraxis I.
➢Auslösendes Agens entfernen bzw. Zufuhr (z. B. Infusion eines
Arzneimittels) stoppen
➢Lagerung seitlich liegend (bei Schock) oder in halbsitzender Position
(bei Atemnot)
➢Freihalten der Atemwege, Sauerstoffgabe, i.v. Zugang und
Volumengabe
➢Reanimation
➢Rasche Einweisung in Notfallambulanz
Maßnahmen zur Therapie
anaphylaktischer
Reaktionen in der Allgemeinpraxis II.
➢Adrenalin intramuskulär: Erwachsene: 500 μg unter laufender Kontrolle von Puls, Blutdruck,
Bewusstseinszustand, Atmung; falls erforderlich Dosis nach 5 min wiederholen.
➢Inhalation von β2-Adrenozeptoragonisten (z. B. Salbutamol) bei Bronchospasmus (zusätzlich
Theophyllin i.v. bei unzureichendem Ansprechen, 5 mg/kg KG)
➢H1- und H2-Rezeptorantagonisten i.v.: Dimetinden (0,1 mg/kg KG) und Ranitidin27 (1 mg/kg KG)
➢Glucocorticosteroide (3–6 mg/kg KG Prednisolon oder Methylprednisolon) i.v., falls erforderlich
mehrmals täglich
➢Bei unmittelbar lebensbedrohlichem Zustand Adrenalin langsam i.v. (100 μg/min entsprechend 1 ml
einer 1:10.000-verdünnten Lösung); eine Maximaldosis von 1 mg Adrenalin sollte in der Regel nicht
überschritten werden
➢Alle Patienten mit Hypotension, Schock, Bronchospasmus oder Larynxödemen sollten daher
frühzeitig mit Adrenalin behandelt werden. Für die Selbstbehandlung von Patienten mit bekannter
schwerer Anaphylaxie stehen Fertigspritzen (0,3 mg/Dosis) zur Verfügung.
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