Vorbereitung - Institut für Experimentelle Kernphysik

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Kapitel 2
Das CMS-Experiment
2.1
Der Large Hadron Collider
Der LHC(1) ist ein Protonenbeschleuniger mit einer Schwerpunktsenergie von 14TeV, der 2007
am CERN(2) seinen Betrieb aufnimmt.
Im LHC werden Protonenpakete beschleunigt und in vier Wechselwirkungspunkten mit einer
Rate von 40 MHz zur Kollision gebracht. Der Speicherring hat einen Umfang von 26, 7 km und ist
damit der größte Teilchenbeschleuniger weltweit. Man möchte mit dem LHC das Higgs-Boson
nachweisen, das nach heutigem Verständnis allen Teilchen ihre Masse gibt.
Der LHC soll eine Luminosität von 1034 cm12 s erreichen. Im Mittel erhält man 20 Ereignisse
pro Kollision.
In der Abbildung 2.1 des LHCs sieht man deutlich die Lage der vier Experimente, an denen
Proben zur Kollision gelenkt werden. Die unterschiedlichen Detektoren sind auf die jeweilige
Physik spezialisiert.
• ALICE(3) ist ein Detektor, der zur Studie exotischer Materiezustände gebaut wird. Ziel
ist es, die Physik von stark wechselwirkender Materie bei sehr hohen Energiedichten zu
studieren, die zur Bildung einer neuen Zustandsphase führt, dem so genannten QuarkGluonen-Plasma. Dessen Existenz ist ein Schlüsselpunkt im Verständnis der starken Wechselwirkung, insbesondere dem Konfinement und der wiedergefundenen Chiralitätssymmetrie. Für die Studie exotischer Materialzustände benötigt man sehr hohe Schwerpunktsenergien. Diese werden vorallem nach dem Umbau des LHCs auf Schwerionen-Physik erreicht. Im Schwerionenbetrieb werden hauptsächlich Bleiionen beschleunigt. Dies ermöglicht
Schwerpunktsenergien von bis zu 1350 TeV .
• CMS(4) sucht nach Signaturen von Higgs-Bosonen und supersymmetrischen Teilchen. Um
dieses Ziel zu erreichen, benötigt man eine genaue Spurrekonstruktion innerhalb eines starken magnetischen Feldes zur präzisen Impulsbestimmung und eine Minimierung des hohen Untergrunds bei den grundlegenden Ereignissen [Die03]. Das Magnetfeld wird durch
einen Solenoid aufgebaut.
(1) LHC
: Large Hadron Collider
: Centre Européenne pour la Recherche Nucléaire
(3) ALICE : A Large Collider Experiment
(4) CMS : Compact Muon Solenoid
(2) CERN
3
4
DAS CMS-E XPERIMENT
Abbildung 2.1: Die Graphik zeigt den LHC am CERN und die vier Wechselwirkungspunkte und
deren Experimente.
• ATLAS(1) verfolgt die gleiche Aufgabe wie CMS, allerdings wird ein torodiales Magnetfeld verwendet.
• LHC-B(2) ist ein Vorwärtsspektrometer mit einem einfachen Dipol. Dies resultiert aus der
Tatsache, dass es sich hier um ein Kolliderexperiment handelt, in dem die produzierten
B-Mesonen in Vorwärtsrichtung gestreut werden. Der Detektor besteht aus einem Siliziumvertexdetektor, einem Spurdetektorsystem, Aerogel- und einem Gas-RICH(3) -Detektor,
einem elektromagnetischen und einem hadronischen Kalorimeter und einem Myonfilter.
LHC-B arbeitet im Bereich der B-Quark-Physik und untersucht CP-Verletzung in B-MesonZerfällen.
2.2
Der CMS-Detektor
Der CMS-Detektor ist in Abbildung 2.2 abgebildet. Er hat eine Länge von 21, 6 m und einen
Durchmesser von 15 m. Damit ist er nach dem ATLAS-Detektor der zweitgrößte Detektor am
LHC.
Entscheidend für die Identifizierung von Teilchen und für die Suche nach neuer Physik ist
es, möglichst alle Sekundärteilchen zu detektieren. Deshalb muß der Detektor möglichst den
gesamten Raumwinkel um die Teilchenkollision herum abdecken.
(1) ATLAS
: A Toroidal LHC ApparatuS
B : LHC Beauty Experiment
(3) RICH : Ring Image CHerenkov
(2) LHC
2.2 D ER CMS-D ETEKTOR
5
Abbildung 2.2: Der CMS-Detektor, hier im Überblick dargestellt, zeigt einen zylinderförmigen
Aufbau. Dies ermöglicht es, eine Spurrekonstruktion sowie Energie- und Impulsmessungen durch
zuführen. Die Spurrekonstruktion geladener Teilchen findet im Silizium-Spurdetektor statt. Die
beiden Kalorimeter dienen der Energiemessung von geladenen Teilchen und Hadronen. Aus der
Krümmung der Teilchenspur im Magnetfeld der superleitenden Spulen kann man auf den Impuls
schließen.
6
DAS CMS-E XPERIMENT
Im CMS-Detektor wird dies durch einen Zylindermantel erreicht, das sog. Barrel und zwei Endkappen. Im Barrel, des Spurdetektor, das in Abbildung 2.3 skizziert ist, sind die Detektormodule
parallel zur Strahlrichtung ausgerichtet und in Endkappen senkrecht.
Im Wesentlichen besteht der CMS-Detektor (Abbildung 2.2) von innen nach außen gesehen
aus folgenden Detektorelementen:
• Der Spurdetektor dient dazu, die Ladung des Teilchens mit Hilfe seiner Teilchenspur zu
bestimmen. Aus der Krümmung der Bahn in dem 4 T starken Magnetfeld kann man auf
den Impuls zurückschließen. Hierbei ist vor allem die genaue Auflösung des Transversalimpulses entscheidend. Im Spurdetektor unterscheidet man zwischen einem inneren Bereich, der aus Silizium-Pixeldetektoren aufgebaut ist und dem äußeren, der aus SiliziumStreifendetektoren besteht.
• Umgeben wird der Spurdetektor von einem elektromagnetischen Kalorimeter bestehend
aus [Col97a] PbWO4 -Szintillatordetektor [Col97a]. Dieses dient zur Energiemessung von
Photonen, Elektronen und Positronen ab typischerweise 100 MeV . Die Detektion erfolgt
im Kalorimetermaterial durch sukzessive Bremsstrahlung und Paarbildung, die eine Kaskade von Sekundärteilchen erzeugt. Diese liefern ein messbares Ionisations- oder
p Lichtsignal. Typische Werte für die relative Energieauflösung betragen δE
E[GeV ].
≈
1
−
2%/
E
• Die Energie und Spuren der Hadronen werden von den hadronischen Kalorimetern bestimmt. Die Hadronen erzeugen in dem Detektormaterial ebenfalls einen Schauer aus vielen Sekundärteilchen, allerdings durch eine Serie von inelastischen Reaktionen. Im Unterschied zum elektromagnetischen Kalorimeter hat der hadronische Schauer eine viel
größere räumliche Ausdehnung und unterliegt wesentlich höheren Fluktuationen in Anzahl und Art der Sekundärteilchen. Man verwendet ein Sampling-Kalorimeter zur Messung der Hadronenenergie, die aus alternierenden Ebenen von reinem Absorbermaterial
(Edelstahl und Kupferlegierung) und Nachweismaterial (z.B. Plastikszintillator) bestehen
[Col97b]. Im Nachweismaterial wird nur ein geringer Teil der ursprünglichen Teilchenenergie deponiert. Aus diesem Grund und wegen der größeren Teilchenfluktuationen der
Sekundärteilchenzahl liegtpdie Energieauflösung von Hadronenkalorimetern nur im Bereich von δE
E ≈ 30 − 80%/ E[GeV ].
• Der Spurdetektor und die beiden Kalorimeter befinden sich innerhalb einer supraleitenden
Spule, die ein Feld der Stärke 4 T erzeugt. Das Magnetfeld sorgt dafür, dass die geladenen
Teilchen auf eine gekrümmte Bahn abgelenkt werden, aus deren Helixparameter man auf
den Impuls der Teilchen schließen kann.
• Der äußerste Bereich des Detektors besteht aus dem Eisenjoch des Magneten, in dem die
Myonenkammern angeordnet werden. Myonen haben eine geringe Wechselwirkung mit
Materie. Alle anderen Teilchen werden in den elektromagnetischen- und den hadronischen
Kalorimetern absorbiert. Myonen geben ihre Energie im Wesentlichen durch Ionisation
ab und können daher mit Ionisationskammern nachgewiesen werden, die sich hinter den
Kalorimetern befinden. Durch das Ansprechen der Myonenkammern läßt sich die Signatur
der Myonen von Elektronen oder Hadronen trennen.
2.3 D ER S PURDETEKTOR
2.3
7
Der Spurdetektor
Abbildung 2.3: Gezeigt wird der schematischen Aufbau des Spurdetektors. Im Inneren befinden
sich 3 Lagen Pixeldetektoren, die von 10 Lagen Barreldetektoren parallel zur Strahlrichtung
umgeben sind. An den beiden Enden schließen sog. Endkappen mit jeweils 9 Scheiben den Spurdetektor ab. Deren Detektormodule sind senkrecht zur Strahlrichtung zu erkennen. [Col00]
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
z view
1200
1.7
1.8
1100
OB2
W7
1000
900
800
OB1
700
IB2
500
IB1
300
600
W3
W2
400
W1
W1TID
200
100
0
0
Pixel400
200
600
800
1000
1200
1400
1600
W3
W2
1800
2000
2200
2400
2600
W6
W5
W4
1.9
2
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2800
Abbildung 2.4: Hier ist ein Schnitt in der r-z-Ebene durch den Spurdetektor dargestellt, der
die Lage der unterschiedlichen Detektormodulgeometrien und deren Entfernung vom Strahlrohr
zeigt. Nach [Har01].
Insgesamt besteht der Spurdetektor aus 206 m2 Halbleitersensoren und wird der größte Siliziumhalbleiterdetektor sein. Der derzeit größte Spurdetektor mit 7, 5 m2 befindet sich z. Zt im CDF
2-Detektor am Tevatron-Beschleuniger in Chicago am Fermi-Lab.
8
DAS CMS-E XPERIMENT
Der Spurdetektor besteht insgesamt aus 3 Lagen Pixeldetektoren im Inneren, die außen von
10 Lagen Barreldetektoren umgeben sind und an den beiden Enden mit jeweils 9 Lagen EndkappenDetektoren begrenzt werden.
Durch die Endkappen des Detektors wird ein Pseudorapiditätsbereich von |η| ≤ 2, 5 (1) abgedeckt.
Die Sensoren im innersten Bereich des Spurdetektors sind 320 µm (IB1, IB2, W1, W2, W3
und W4) dick und werden von 500 µm dicken Sensoren (OB1, OB2, W5, W6 und W7) im
äußeren Bereich umgeben, siehe Abbildung 2.4. Die Strahlenbelastung nimmt von innen nach
außen hin ab. Die Auswirkung der Strahlenschäden werden in Kapitel 3.5 ausführlich behandelt.
Durch die Wechselwirkung geladener Teilchen mit Materie kommt es zu Ionisierungen des
Mediums, der sog. Teilchenspur. Die entstehenden Elektron-Loch-Paare werden dann durch ein
externes Feld voneinander getrennt und detektiert.
Um eine zweidimensionale Koordinateninformation zu erhalten, werden doppelseitige Detektorstrukturen eingesetzt, die aus zwei miteinander montierten Detektormodulen bestehen, die
um 100 mrad gegeneinander verdreht sind.
Der Aufbau der CMS-Halbleitersensoren wird im Kapitel 3 genauer beschrieben.
n (1MeV )
Die hohe Strahlenbelastung im LHC von 1, 6 · 1014 eq cm2
stellt große Anforderungen an
die Qualität und die Stabilität der Sensoren. Aus diesem Grund sind mehrere Institute an der
Qualifizierung und dem Bau der Detektoren beteiligt.
2.3.1 Logistik
Abbildung 2.5 gibt ein Flussdiagramm für den Bau von Detektormodulen wieder [Har03a].
Zur Überprüfung der Sensoren wurden vier sog. Qualitäts-Test-Zentren (QTC(2) ) eingerichtet,
eines davon am Institut für Experimentelle Kernphysik (IEKP) an der UNiversität Karlsruhe
(TH). Aufgabe dieser QTCs ist es, an 1% der Sensoren die Qualität zu überprüfen. Desweiteren
wurden zwei Bestrahlungszentren, sog. IQCs(3) eingerichtet, die die Strahlenhärte des Materials überprüfen. Aus diesem Grund werden 1% der Sensoren und 5% der Halbmonde“ mit den
”
im CMS-Experiment zu erwartenden Teilchenraten bestrahlt und vorher und nachher gemessen,
um die Laufzeit von bis zu 10 Jahren LHC zu garantieren. Am Forschungszentrum Karlsruhe
(FZK) finden die Bestrahlungen mit Protonen an einem Zyklotron statt, außerdem werden in
Louvain-la-Neuve Bestrahlungen mit Neutronen durch geführt. Die Bestrahlung mit Protonen
ermöglicht, neben der Studien an Bulkschäden auch Oberflächenschäden durch Ionisation zu untersuchen und ist somit eine gute Ergänzung zur Neutronenbestrahlung in Louvain, welche nur
die Untersuchung von Bulkeffekten zuläßt.
In den Prozess & Qualitäts-Test-Zentren (PQC(4) ) werden die Sensoren im Hinblick auf ihre
gleichbleibende Prozeßqualität und ihre Stabilität während des Betriebs untersucht. Mit den Teststationen in Wien, Straßburg und Florenz ist es möglich, die Sensoren für längere Zeit unter
elektrischer Spannung zu halten, um ihr Langzeitverhalten zu studieren.
Nach der Qualifizierung durch die QTC und PQC werden die Sensoren auf mehrere Institute
aufgeteilt, in denen dann die verschiedenen Detektorgeometrien gebaut werden.
(1) Rapidität
(2) QTC
: η = − ln tan( θ2 ) mit cos θ =
pz
p
: Quality-Test-Center
: Irradiation Qualification Center
(4) PQC : Process Qualification & Stability Centers
(3) IQC
2.3 D ER S PURDETEKTOR
9
Abbildung 2.5: Die große Anzahl der Sensoren macht eine Verteilung vom CERN ausgehend auf
vier QTCs nötig. Ein kleiner Teil wird in den IQCs bestrahlt, um die Qualität der Sensoren zu
überprüfen. Die gleichbleibende Prozessqualität wird in den PQCs untersucht. [Har01]
Das QTC-/ IQC-Labor in Karlsruhe wird in Kapitel 4 genauer beschrieben. Kapitel 6 beschäftigt
sich mit dem Bau und der Qualifizierung eines Ring 6 Detektormoduls.
Kapitel 3
Theoretische Grundlagen
Heutzutage bestehen die meisten Halbleiterbauelemente aus Silizium, dem zweit häufigsten Element der Erdrinde. Silizium ist ein Element der vierten Hauptgruppe.
In der Natur kommt es nicht in reiner Form vor, sondern ist in Silikaten und Siliziumoxid zu
finden. Die Struktur des elementaren Silizium ähnelt der eines Diamanten, da die Siliziumatome
tetraedrische gebunden sind. Diese tetraedrische Anordnung der vier nächsten Nachbarn um ein
Gitteratom ist in Abbildung 3.1 dargestellt.
Das Silizium geht mit seinen Nachbarn sp3 -Hybridisierungs-Bindungen ein.
3.1
Das Bändermodell
Das Bändermodell dient der Beschreibung des elektronischen Spektrums im Festkörper mittels
Energiebänder [Lex98]. In Abbildung 3.2 ist die Bandaufweitung in Abhängigkeit des Gitterabstands dargestellt.
Während bei freien Atomen nur diskrete Energiezustände zugelassen sind, können sie in
Festkörpern in Bandstrukturen angeordnetet werden, die ein Kontinuum von Zuständen enthalten. Diese kommen durch das Überlappen der Elektronenwellenfunktionen der jeweils benach-
Abbildung 3.1: Silizium befindet sich in der vierten Hauptgruppe des Periodensystems und hat
vier Valenzelektronen die kovalente Bindungen eingehen. Diese sind tretagonal angeordnet.
11
12
T HEORETISCHE G RUNDLAGEN
barten Atome zustande [Sch02].
Aus der Struktur der Energiebänder und dem Grad ihrer Besetzung lassen sich wichtige Informationen über die elektrischen Eigenschaften eines Festkörpers gewinnen. Nach dem PauliPrinzip kann ein einzelnes Energieband maximal 2N Elektronen aufnehmen. Am absoluten Nullpunkt der Temperatur sind alle Energieniveaus bis zu einem maximalen Energiewert, der Fermienergie, mit Elektronen besetzt [Kop93]. In einem vollbesetzten Band ist keine Bewegung des
Ladungsschwerpunkts und somit auch kein Ladungstransport möglich, da zu jedem Impuls auch
der entgegengesetzte Impuls vorhanden ist.
Abbildung 3.2: Abhängigkeit der Bänderstruktur von dem Gitterabstand der Atome.
Hier ist der Bandabstand für Silizium von 5,43 Å eingezeichnet, dies entspricht einer Bandlücke
von Eg = 1, 17 eV . [uHL95]
Ist bei der Energie, bis zu der Elektronen in die Bänder gefüllt werden, dem Fermi-Niveau,
ein Band nicht abgeschlossen, oder besteht ein Überlappen zwischen den Bänder, kann auch bei
0K beim Anlegen einer elektrischen Spannung Strom fließen, siehe Abbildung 3.3. Die Elektronen werden in die nächst höheren Energiezustände im Band angeregt, wozu keine Aktivierungsenergie nötig ist. Im Gegensatz dazu muß bei abgeschlossenen Bändern eine Aktivierungsenergie aufgewendet werden, damit Strom fließen kann; das Material leitet also bei 0K nicht. Für
Nichtmetalle erfolgt die Beschreibung der Energiezustände durch Leitungs- und Valenzbänder,
in denen sich die Elektronen befinden können und die durch eine Energielücke (Bandlücke) voneinander getrennt sind, die für Elektronen eine verbotene Zone darstellt. Die Fermienergie liegt
für Nichtmetalle innerhalb dieser Energielücke. Bei Isolatoren ist diese Bandlücke sehr groß,
aus diesem Grund sind sie nichtleitend. Bei Halbleitern reicht die thermische Energie bei Raumtemperatur aus, um die Bandlücke zu überwinden und Eigenleitung (intrinsische Halbleitung) zu
erzeugen. Elektronen können in diesem Fall aus dem Valenzband in das nächst höhere Leitungsband aktiviert werden. [Lex98]
Im Gegensatz zum Halbmetall, das auch bei tiefen Temperaturen seine elektrische Leitfähigkeit behält, da sich Valenz- und Leitungsband teilweise energetisch überlappen, wird ein reiner
Halbleiter am absoluten Nullpunkt der Temperatur zum Isolator. Bei Metallen liegt das FermiNiveau im teilbesetzten Band. Dadurch sind sie elektrische Leiter. [Kop93]
3.1 DAS B ÄNDERMODELL
13
Diese Unterscheidung zwischen Metall, Halbleiter und Isolator ist in Abbildung 3.3 deutlich
zu erkennen.
Abbildung 3.3: Das Bändermodell unterscheidet zwischen Metall, Halbleiter und Isolator, die
eine unterschiedlich große Bandlücke haben. Dies charakterisiert die elektrische Leitfähigkeit.
Nur ein teilweise besetztes Band ermöglicht die elektrische Leitung. [uHL95]
Die Bandlücke des Halbleiters ist sehr stark temperaturabhängig. Silizium hat bei 300 K eine
Bandlücke von 1, 12 eV und eine Ladungsträgerkonzentration durch thermische Anregung von
1, 5 · 1010 cm−3 .
Die Ladungsträgerkonzentration und somit die elektrische Leitfähigkeit σ eines Halbleiters
ist temperaturabhängig und wird definiert als:
σ = |e| (nµn + pµ p )
(3.1)
n und p sind die Volumenkonzentrationen der negativen und positiven Ladungsträger mit den
entsprechenden Beweglichkeiten µn und µ p und e entspricht der elementar Ladung.
n=
Z∞
DL (E) f (E, T )dE
(3.2)
DV (E)(1 − f (E, T ))dE
(3.3)
EL
p=
ZEV
−∞
f (E, T ) =
1
1+e
E−EF
kB T
(3.4)
Metalle haben im Allgemeinen einen spezifischen Widerstand von 10−7 Ωm, bei Isolatoren
liegt er dagegen bei über 1010 Ωm. Bei Halbleitern schwankt der spezifische Widerstand über
weite Bereiche, etwa von 10−4 Ωm bis 107 Ωm.
14
3.2
T HEORETISCHE G RUNDLAGEN
Dotierung und der pn-Übergang
Abbildung 3.4: Silizium wird mit zwei verschiedenen Sorten von Fremdatomen verunreinigt.
Phosphor liegt im Periodensystem in der fünften Hauptgruppe und sorgt für n-leitendes Silizium.
Bor aus der dritten Hauptgruppe des Periodensystems führt zum p-leitenden Silizium. [uHL95]
Die physikalischen und elektrischen Eigenschaften eines Halbleiters kann man durch gezieltes
Einbringen von Fremdatomen ändern. Dieses Verfahren bezeichnet man als dotieren. Bei der
Dotierung unterscheidet man zwei Arten, die in Abbildung 3.4 dargestellt sind.
Bei der n-Dotierung werden Siliziumatome durch Elemente aus der fünften Hauptgruppe
des Periodensystems ersetzt, z.B. Phosphor. Von den fünf Valenzelektronen des Fremdatoms
werden nur vier für die kovalente Bindung im Siliziumgitter gebraucht. Das fünfte Elektron
kann unter Aufwendung einer sehr kleinen Energie vom Atomrumpf abgetrennt werden und steht
dann im Leitungsband für den Stromtransport zur Verfügung. Fremdatome, die leicht Elektronen
abgeben, bezeichnet man als Donatoren. [Kop93]
Dotiert man allerdings mit einem Element der dritten Hauptgruppe des Periodensystems,
z.B. mit Bor, so bezeichnet man dies als p-Dotierung. Diese Fremdatome haben nur drei Valenzelektronen, so dass bei der Bindung mit dem vierwertigen Siliziumgitter eine Bindungslücke
entsteht, die sich sehr leicht als Loch von dem Fremdatom trennen läßt. Dies geschieht durch die
Aufnahme eines Elektrons aus dem Valenzband. Fremdatome, die leicht Elektronen aufnehmen,
bezeichnet man als Akzeptoren.
Im Bändermodell werden die Donatoren als Elektronenspender für das Leitungsband um die
Ionisationsenergie unter die Leistungsbandkante eingetragen. Die Akzeptoren in Analogie dazu
über der Valenzbandkante, wie in Abbildung 3.5 gezeigt.
Als pn-Übergang bezeichnet man den Übergang zwischen einer n-dotierten und einer pdotierten Zone in einem Halbleiter. Er ist die Grundlage für die moderne Elektronik und findet
vielfältige Anwendung, z.B bei Dioden und Halbleitersensoren. In Abbildung 3.6 ist er schematisch dargestellt.
Entscheidend für das Verhalten eines pn-Übergangs ist das Ausbilden einer Raumladungszone im Bereich des Übergangs. Die unterschiedlichen Fermi-Niveaus in den beiden Schichten müssen sich beim Kontakt miteinander ausgleichen, dies führt zu einer Bandverbiegung im
Bereich des pn-Übergangs. Physikalisch erfolgt der Ausgleich über einen Diffusionsstrom von
Ladungsträgern in die jeweils entgegengesetzte Schicht erfolgt [Lex98].
3.2 D OTIERUNG UND DER PN - Ü BERGANG
15
Abbildung 3.5: Grundzustandsniveau von Donatoren und Akzeptoren in bezug auf Leitung- und
Valenzband. Ed und Ea sind die Ionisierungsenergien von Donatoren und Akzeptoren.[uHL95]
Die zurückbleibenden ionisierten Atomrümpfe bauen ein elektrisches Gegenfeld auf, das
einen entgegengesetzten Driftstrom zur Folge hat, der im Gleichgewicht die Diffusion kompensiert. Da sich in dieser Zone nun fast keine Ladungsträger (deshalb als Verarmungsschicht
bezeichnet) mehr befinden, besitzt sie einen wesentlichen höheren Widerstand als der übrige
Halbleiter. Ein von außen angelegtes Feld fällt daher fast ausschließlich darüber ab. Der Driftstrom ist näherungsweise nicht von der Stärke des Feldes in der Raumladungszone abhängig. Der
Diffusionsstrom wird davon bestimmt, ob es den Ladungsträgern gelingt, die Potentialschwelle
zu überwinden [Lex98]. Je nach Polung des Feldes stellt sich demnach entweder der Sperrfall,
in dem der Diffusionsstrom fast verschwindet, oder der Durchlaßfall ein.
Im Fall der Sperrichtung wird das positive Potential an die n-dotierte Seite angelegt und das
negative Potential an die p-dotierte Seite. In Sperrichtung erhält man eine Strom-SpannungsKurve, wie in Abbildung 3.7.
Da die einzelnen Komponenten vorher elektrisch neutral waren, ist nun, da die freien Ladungsträger abgewandert sind, eine räumliche Ladungsverteilung vorhanden, deren elektrisches
Feld den Diffusionsströmen entgegenwirkt. Auf beiden Seiten des pn-Übergangs gleicht sich das
elektrochemische Potential
η = µ − eφ
(3.5)
mit dem chemischen Potential (µ) und dem elektrischen Potential (eφ) aus. Es bildet sich eine
Verarmungszone. Im thermischen Gleichgewicht entspricht der pn-Übergang der Abbildung 3.6.
s
2εsiUbi NA /ND
dn =
(3.6)
e NA + ND
s
2εsiUbi ND /NA
(3.7)
dp =
e NA + ND
16
T HEORETISCHE G RUNDLAGEN
p, NA
n, ND
a)
x
Dotierungskonzentration
NA
ND
b)
x
Raumladungsdichte
qND
c)
x
qNA
Elektrisches Feld
d)
x
Elektrisches Potential
V dif f
e)
x
dp
dn
Abbildung 3.6: Bringt man den p- und n-dotierten Siliziumbereich zusammen, erhält man einen
pn-Übergang. (a) In dieser Graphik sind die Dotierungskonzentration (b), die Raumladungsdichte im Gleichgewichtszustand (c), das elektrische Feld (d) und das dazugehörige elektrische
Potential (e) schematisch dargestellt. [Hau00]
Die Breite der Verarmungszone errechnet sich aus der Summe (d) der einzelnen Dotierungszonen dn und d p .
r
2εsiUbi ND + NA
d=
(3.8)
e
NA · ND
NA und ND bezeichnet man als Dotierungskonzentrationen. Ubi entspricht der von außen angelegten Spannung und εsi der Dielektrizitätskonstante von Silizium und ε0 die elektrische Feldkonstante. [Fur02]
Jeder Halbleiter hat eine effektive Dotierungskonzentration Ne f f , für die gilt:
Ne f f = |ND − NA |
(3.9)
Aus der effektiven Dotierungskonzentration ergibt sich der spezifische Widerstand ρ eines
elektrischen Leiters (z.B. Draht) mit homogenem Stromfluß, der Querschnittsfläche A und Länge
3.2 D OTIERUNG UND DER PN - Ü BERGANG
17
IV − Kurve
Strom [A]
2e−09
Leckstrom
1e−09
0
500
1000
Spannung [V]
Abbildung 3.7: Simulierte Strom-Spannungs-Kurve einer Diode in Sperrichtung mit Durchbruch
bei hohen Spannungen.
l. Er ist definiert als:
ρ=
1
(3.10)
eNe f f µ
Hierbei ist µ die Mobilität der Ladungsträger. Die Einheit von ρ ist Ohmmeter (Ωm). Der Kehrwert von ρ ist die elektrische Leitfähigkeit σ [Lex98]. Zwischen dem Widerstand R und ρ gilt
dann die Beziehung:
l
R=ρ
(3.11)
A
Die Resistivität, bzw. der spezifische Widerstand der Halbleiterstruktur läßt sich aus ihrer Depletionsspannung berechnen.
Udepl =
q0 d 2 |Ne f f |
2ε0 εSi
(3.12)
Hieraus ergibt sich folgender Zusammenhang:
Ne f f ∝ Udepl ∝
1
ρ
(3.13)
Die Depletionsspannung kann aus der doppellogarithmischen Auftragung der Kapazitätskennlinie eines pn-Übergangs bestimmt werden. Bei einem räumlich begrenzten pn-Übergang,
z.B. Dicke der Materie, nimmt die Kapazität bei voller Depletion ihren Minimalwert an.
C≡
d(q0 |Ne f f |dSperr A)
dQ
ε0 εSi A
=
=
2
dU
dSperr
d[(q0 |Ne f f |/2ε0 εSi )dSperr ]
Im Prinzip liegt hier ein Plattenkondensator vor.
(3.14)
18
T HEORETISCHE G RUNDLAGEN
Der Schottky-Kontakt
Abbildung 3.8: Dargestellt ist das Bänderschema eines Al-n++ -n-Übergangs im Gleichgewicht.
Aufgrund der dünnen Schottky-Barriere können Elektronen vom Halbleiter zum Aluminium und
in die umkehrte Richtung durchtunneln. [Sze85]
Unter einem Schottky-Kontakt versteht man einen Metall-Halbleiter-Kontakt-Übergang, der
ähnlich wie der pn-Übergang ein gleichrichtendes Verhalten aufweist. Die Ursache liegt in der
sog. Schottky-Barriere. Die Elektronen können nur in eine Richtung fließen. In der Gegenrichtung muß die Schottky-Barriere φB überwunden werden. Für die Sensoren des CMS-Experiments,
die eine niedrige Resistivität besitzt und eine relativ geringe Schottky-Barriere haben, wird Aluminium als Metallkontaktierung verwendet. Wird die Zone zwischen Aluminium und dem ndotierten Silizium extrem hoch dotiert, siehe Abbildung 3.8 , erhält man einen Al-n++ -n-Übergang. Es handelt sich hierbei um einen ohmschen Kontakt, die Elektronen können vom Aluminium zum Silizium durchtunneln. [Hau00]
3.2.1 Durchbruchverhalten und Lawineneffekt
Bei zu hohen Spannungen in Sperrrichtung wird die Diode auch hier stark leitfähig. Die hohen
elektrischen Felder erzeugen in der Verarmungszone sehr schnelle Ladungsträger. Diese verursachen über den Lawineneffekt oder den Zenereffekt einen sehr starken Stromanstieg. [Sze85]
Ladungsträger nehmen soviel Energie auf, dass sie bei einem Stoß mit gebundenen Ladungsträgern neue freie Ladungsträger erzeugen können (Lawineneffekt). Dieser reversible Effekt tritt
ab einer bestimmten Feldstärke abrupt auf. Der Zenereffekt beschreibt die Feldionisation in der
Verarmungszone.
Der Stromanstieg ist wegen der Leistungsaufnahme und der daraus resultierenden Erhöhung
des Rauschens des Sensors unerwünscht. Die Temperatur hat hauptsächlich Einfluß auf die Anzahl der freien Ladungsträger, ändert aber nichts an ihrer kinetischen Energie. Aus diesem Grund
ist der Durchbruch des Stroms nur schwach temperaturabhängig.
3.3 MOS-S TRUKTUREN
3.3
19
MOS-Strukturen
MOS(1) -Struktur bezeichnet einen Metall-Oxid-Halbleiter Übergang. MOS-Übergänge können
beispielsweise in Form von Leiterbahnen auf einem Detektor vorhanden sein. Sie werden aber
auch für die Messung verschiedener Oxidparameter als Kontrollelement verwendet.
Durch das angelegte Potential an der Metallelektrode wird das Verhalten der MOS Struktur bestimmt. Die Energiebänder des Halbleiters werden beeinflußt, dies ist in Abbildung 3.9
schematisch dargestellt. Ohne angelegte Spannung tritt im Idealfall keine Bandverbiegung auf.
Diesen Fall bezeichnet man als Flachbandfall.
Bei MOS Strukturen muß zwischen dem Fall des p- und n- leitenden Halbleiters unterschieden werden.
Legt man eine negative Spannung an das Metall an, wird bei einem p-leitenden Halbleiter die
Fermienergie nach unten verschoben und freie Ladungsträger (Löcher) sammeln sich am Oxid.
Es bildet sich eine positive Ladungszone an der Grenze von Oxid und Halbleiter aus. Dieser Fall
wird als Akkumulation bezeichnet.
Wird an das Metall eine positive Spannung angelegt, verschiebt sich die Fermienergie nach oben
und es bildet sich eine negativ geladene Fläche an der Grenzfläche aus. Ist die angelegte Spannung sehr klein, handelt es sich um eine stabile Situation und dieser Prozess wird als Depleti”
on“ oder Verarmung bezeichnet (deep depletion). Legt man hingegen eine sehr große positive
Spannung an, kommt es erst zur Verbreiterung der Depletionszone und schließlich zur Überdepletierung. Diese Situation ist nicht stabil. Die thermisch generierten Elektronen-Loch-Paare
werden durch das elektrische Feld in der Flächenladungszone getrennt, und es kann sich kein
Gleichgewicht ausbilden (Raumladungszone). Die Elektronen sammeln sich an der Grenzfläche
Oxid/Halbleiter und die Löcher wandern ab. Diese schmale negativ geladene Fläche nennt sich
Inversionsschicht“, und es handelt sich somit um den Fall der Inversion. [Sze85]
”
In diesem Zustand kann man die MOS-Struktur als Detektor nutzen. Elektronen, die durch
ionisierende Strahlung innerhalb der Raumladungszone entstehen, wandern in Richtung OxidHalbleiter-Grenzfläche und induzieren Ladung in der Metallelektrode (Kondensator).
Ladungen im Oxid oder an der Oxid-Silizium-Grenzfläche führen zu einer Verschiebung der
Flachbandspannung (U f b ). Diese Verschiebung ist abhängig von dem Ort und der Ladungsmenge in der SiO2 -Schicht. Um von der Ortskoordinate unabhängig zu werden, berechnet man die
Flächenladungsdichte Ni an der Si − SiO2 -Grenzfläche aus der über das Oxid verteilten Ladungsdichte ρi (x), wobei x der Abstand von der Metallelektrode ist, dox die Dicke der Oxidschicht und
q0 die Ladung.
Z dox
1
Ni =
xρi (x)dx
(3.15)
dox q0 0
Die daraus resultierende Verschiebung der Flachbandspannung ist
∆U f b =
q0 A
Ni
Cox
(3.16)
Cox steht für die Kapazität der Oxidschicht einer MOS-Struktur mit der Leiterfläche A. Über
die experimentelle Bestimmung der Flachbandspannung an MOS-Strukturen kann man die insgesamt im Oxid vorhandene Ladungsmenge berechnen. Für unbestrahlte Detektoren ist sie ein
(1) MOS
: Metall Oxid Semiconductor
20
T HEORETISCHE G RUNDLAGEN
Maß für die Qualität des Herstellungsprozesses. Geringe Ladungsmengen im Oxid deuten auf
eine saubere Prozeßführung hin. [Pet99]
Abbildung 3.9: Bandverbiegung des n-dotierten Silizium in einer MOS-Struktur beim Anlegen
einer äußeren Spannung. (a) Depletion, (b) Inversion und (c) Akkumulation
Die Kapazitätskennlinie einer MOS-Struktur gibt Aufschluß über die Oxidkapazität sowie
die Flachbandspannung. Die Oxidkapazität, die von der Dicke der Oxidschicht abhängig ist,
bestimmt beispielsweise die Auslesekapazität bei AC-gekoppelten Strukturen. [Pet99] Kapitel 8
wird sich genauer mit der Qualität der Oxidschicht beschäftigen.
3.4
Wechselwirkung zwischen Teilchen und Materie
Geladene Teilchen verlieren aufgrund der elektromagnetischen Wechselwirkung beim Durchqueren von Materie Energie. Gebundene Elektronen im Festkörper können in höher energetische
Zustände angeregt oder ionisiert werden. Den Energieverlust für schwere geladene Teilchen beschreibt die Bethe-Bloch-Formel:
¸
·
dE
4me Ekin
Zz2 e4 NAvo mi
)
(3.17)
−
ln( ¯
=
dx
Imi
8πε20 me Ekin MA
Z bezeichnet die Ordnungszahl des Zielatoms, z die Ladungszahl des Teilchens, NAvo die
Avogadrokonstante. Das Teilchen wird durch die Masse mi und die kinetische Energie Ekin bestimmt, ε0 ist die elektrischen Feldkonstante, me die Elektronenruhemasse, MA die Molmasse
und I¯ die mittlere Ionisierungsenergie. Ungeladene Teilchen, wie z.B. Neutronen können nicht
über die elektromagnetische Wechselwirkung nachgewiesen werden.
Eine ähnliche Gleichung wie 3.14 findet man für die Wechselwirkung leichter Teilchen mit
Materie. Die Wechselwirkung mit den Hüllelektronen führt zu Anregungen oder Ionisationen der
Atome. Auf Grund der geringen Masse müssen relativistische Korrekturen eingeführt werden.
Folgender Ausdruck ergibt sich dann für den Energieverlust durch Ionisation:
4π nz2
dE
=
−
dx
me c2 β2
µ
e2
4πε0
¸
¶2 ·
2me c2 β2
2
−β
ln ¯
I · (1 − β2 )
(3.18)
3.5 S TRAHLENSCH ÄDEN IN S ILIZIUMSENSOREN
mit
β=
21
v
c
(3.19)
wobei z Ladung und v Geschwindigkeit des Teilchens bedeuten, n die Elektronendichte ist
und I¯ das mittlere Anregungspotential der Atome (typischerweise 16 eV · Z 0.9 für Kernladungszahlen Z>1 ). Der Energieverlust hängt also von der Geschwindigkeit und der Ladung des Teilchens ab, nicht aber von seiner Masse. [uRuSuZ99]
10
dE
dx
keV
µm
1
0,1
0,01
0,1
1
E / MeV
10
Abbildung 3.10: Energieverlust von einem Elektron in Silizium nach der Bethe-Bloch-Formel.
[uHL95]
Abbildung 3.10 zeigt den Energieverlust eines Elektrons in Silizium. Das Minimum liegt bei
einer Elektronenenergie von 1, 5 MeV und wird als Referenz zur Definition eines MIP (Minimal
Ionizing Particle) verwendet. Die Detektoren in CMS sollen auf ein MIP sensitiv sein, das beim
Flug durch den Sensor 108 Elektronen-Loch-Paare pro µm Silizium erzeugt.
3.5
Strahlenschäden in Siliziumsensoren
Während der Kollision von Protonen im Beschleuniger entstehen sehr viele Sekundärteilchen.
Sie unterscheiden sich in ihrer Wechselwirkung mit der Materie des Sensors, je nachdem, ob sie
elektrisch geladen oder neutral sind.
Geladene Hadronen wechselwirken mit den Atomen im Siliziumgitter hauptsächlich über Ionisation. Dagegen wechselwirken langsame Hadronen über elastische Streuung mit den Siliziumatomen. Die Bindungsenergie der Siliziumatome im Gitter beträgt nur 25 eV , aus diesem Grund
kann bereits ein niederenergetisches Teilchen die Ordnung im Gitter großflächig stören. Ab einer
bestimmten kinetischen Energie, bei Neutronen beispielsweise 1, 8 MeV , treten Kernreaktionen
auf. Diese Kernreaktionen können zum einen Siliziumatome aus ihren Gitterplätzen herausschlagen, aber auch Siliziumatome durch eine Kernreaktion in ein anderes Atom überführen. In Abbildung 3.11 sind die häufigsten Schäden dargestellt. Die Anzahl der Gitterschäden, die durch
dieselben Teilchen mit derselben Energie verursacht werden, ist proportional zum Teilchenfluß
[Sch02].
22
T HEORETISCHE G RUNDLAGEN
Teilchensorte
Protonen
Neutronen
Elektronen
Emin für Punktdefekte
190 eV
190 eV
260 keV
Emin für Clusterdefekte
15 keV
15 keV
4, 6 MeV
Tabelle 3.1: Mindestenergie zur Erzeugung punktförmiger, bzw. clusterförmiger Gitterfehler in
Silizium. [Lut99]
Abbildung 3.11: Darstellung der möglichen Gitterdefekte in Silizium durch Bestrahlung.[Wun92]
Diese Defekte können Energiezustände innerhalb der Bandlücke bilden. Sie können Ladungsträger einfangen, die dann nicht mehr zur Signalbildung beitragen können oder ElektronenLoch-Paare erzeugen, die zum Leckstrom beitragen.
Die Schädigungen des Siliziumgitters werden somit in der Strom-Spannungs- und in der
Kapazität-Spannungs-Kennlinie deutlich [Hau00].
3.5 S TRAHLENSCH ÄDEN IN S ILIZIUMSENSOREN
23
3.5.1 Stromverhalten unter Bestrahlung
Defekte im Siliziumkristall, deren Energieniveaus innerhalb der Bandlücke des Halbleiters lokalisiert sind, vereinfachen die thermische Erzeugung von Elektron-Loch-Paaren. Sie erhöhen die
Leitfähigkeit. Bei sehr starker Bestrahlung ändert sich die Kennlinie der Diode. Ein hoher Sperrstrom bedeutet zusätzliche Rauschanteile für den Detektor und muß im Hinblick auf den Wärmehaushalt des Gesamtdetektors, insbesondere nach Strahlenschädigung, beachtet werden [Pet99].
Mit sinkender Temperatur fällt der Leckstrom stark ab, daher wird der CMS-Spurdetektor bei
-10◦ C betrieben werden.
3.5.2 Verhalten der Depletionsspannung unter Bestrahlung
Eine weitere Folge der Defektbildung ist die Veränderung der effektiven Dotierung Ne f f (siehe
Gleichung 3.9). Durch die Bestrahlung von n-dotierten Detektoren werden Akzeptoren erzeugt,
die die ursprüngliche effektive Dotierung sinken lassen bis der Halbleiter intrinsisch wird. Weitere Bestrahlung führt dazu, dass die effektive Dotierung wieder zunimmt, aus dem n-dotierten
Detektor wird ein p-dotierter. Dieser Vorgang, den man als Typinversion bezeichnet, ist in Abbildung 3.12 dargestellt. Nach der Typinversion ist der Feldverlauf im Sensor verändert. In Abbildung 3.13 oben ist die Verschiebung des pn-Übergangs dargestellt. Bei Kenntnis der Detektordicke d kann die Verarmungsspannung aus der effektiven Dotierungskonzentration Ne f f mit
Gleichung 3.12 berechnet werden. [Pet99] Bis zum Punkt der Typinversion sinkt die Depletionsspannung, steigt danach jedoch wieder stark an.
Abbildung 3.12: Aufgetragen ist die Veränderung der Depletionsspannung, bzw. der effektiven
Dotierungskonzentration in Abhängigkeit vom Bestrahlungsfluß. Die Anfangsdepletionsspannung ergibt sich aus der Resistivität des Halbleiters. [Mol99]
3.5.3 Verhalten der Depletionsspannung während der Ausheilungsphase
Die Depletionsspannung verändert sich während der Ausheilungsphase, siehe Abbildung 3.14.
Diese Veränderung wird durch das Hamburger Modell beschrieben. [Mol99]
24
T HEORETISCHE G RUNDLAGEN
p+
350
Typinversion
p+
n
p
n+
n+
1.5xF
Depletionsspannung [V]
300
250
r = 1 kW •cm
200
150
1.5xF
100
r = 4 kW •cm
50
0
0 1
2 3
4 5 6
7 8
9
10
Zeit in Jahren
Abbildung 3.13: Auswirkung der Bestrahlung auf einen Siliziumdetektor. Die Bestrahlung sorgt
dafür, dass der n-leitende Festkörper zusätzliche positive Störstellen erhält, bis der n-leitende
Sensor schließlich p-leitend wird. Dieser Vorgang wird Typinversion genannt. Durch die Verwendung von Sensoren mit niedriger Resistivität im inneren Tracker tritt der Punkt der Typinversion erst zu einem späteren Zeitpunkt ein, d.h. bei höheren Bestrahlungen. Nach dieser Inversion
verschiebt sich der pn-Übergang zur Unterseite der Detektoren.[Fur02]
Mit den Auswirkung der Strahlung auf Silizium und dem Einfluss der temperaturabhängigen
Zeitkonstanten auf die Depletionsspannung beschäftigt sich die ROSE(1) -Kollaboration. Entscheidend ist die Tatsache, dass sich die effektive Ladungsträgerkonzentration Ne f f nach Bestrahlung mit der Zeit ändert. Bei einer Temperaturen um −10oC ist dieser Prozess eingefroren.
Auf der anderen Seite ändert sich die effektive Ladungsträgerkonzentration, umso schneller, je
höher die Temperatur ist. Die Beobachtungen zeigen, daß sich die Änderung von Ne f f nach Bestrahlung in drei Komponenten aufteilen lassen, deren Zeitverhalten in Abbildung 3.15 skizziert
ist.
Abbildung 3.14: Die Skizze zeigt die Änderung der Depletionsspannung während der Bestrahlung, der Ausheilphase bei Raumtemperatur und des Stillstands des Detektors bei tiefen Temperaturen (-10◦ C).
(1) R&D
On Silicon for future Experiments ,dt. F&E für Silizium bei zukünftigen Experimenten
3.5 S TRAHLENSCH ÄDEN IN S ILIZIUMSENSOREN
Parameter
ga [cm−1 ]
τa [h]
gc [cm−1 ]
c [cm−1 ]/Ne f f
gy [cm−1 ]
τy [d]
25
Wert bei Raumtemperatur
(1, 81 ± 0, 14) · 10−2
55
(1, 49 ± 0, 04) · 10−2
(10, 9 ± 0, 8) · 10−2
(5, 16 ± 0, 09) · 10−2
475
Tabelle 3.2: Die Parameter des Hamburg-Modells bei Raumtemperatur. [Mol99]
∆Ne f f (Φeq ,t) = Na (Φeq ,t) + Nc (Φeq ) + Ny (Φeq ,t)
(3.20)
• Bleibende Schäden (Stable Damage) Diese Art von Schäden sind stabiler Natur und
verändern sich nicht mit der Zeit. Sie werden durch den Nc - Anteil beschrieben und enthalten keinen Zeitanteil.
Nc (Φeq ) = Nc0 (1 − e−cΦeq ) + gc Φeq
(3.21)
mit rc = Nc0 /Ne f f ,0 , dem Anteil der zerstörten Donatoren.
• Kurzzeitiges Heilen (short term annealing) Dieser Anteil akzeptorartiger Zustände zerfällt
nach kurzer Zeit. Im wesentlichen handelt es um Siliziumatome, die aus ihren Gitterplätzen
rausgeschlagen wurden und in diese wieder zurückdiffundieren. Aus diesem Grund wird
der Na -Anteil durch einen exponetiellen Anteil beschrieben.
t
Na (Φeq ,t) = Φeq ∑ gai e τai
(3.22)
i
• Langzeitige Schädigung (long term reverse annealing) Nach längerer Zeit steigt die
Anzahl der akzeptorartigen Störstellen wieder stark an. Dieses Zeitverhalten wird durch
den Ny -Term beschrieben.
Ny (Φeq ,t) = Ny,∞ (1 −
1
)
1 + τty
(3.23)
Gleichung 3.20 beschreibt die Parametrisierung aller drei Komponenten nach [ros00]. Nach
[Mol99] gelten für die einzelnen Parameter des Hamburg-Modells bei Raumtemperatur die Werte
aus Tabelle 3.2.
In Abbildung 3.15 ist das unterschiedliche Zeitverhalten der drei Komponenten und die dadurch bedingte Veränderung der Depletionsspannung skizziert. Diese Darstellung ist nur bei
einer konstanten Temperatur und nach einer festen Bestrahlung möglich.
Die Zeitkonstante τa des short term annealing zeigt eine starke Temperaturabhängigkeit und
sinkt bei steigender Temperatur. Je höher die Temperatur ist, desto schneller läuft der Ausheilprozess ab.
Unter der Annahme daß der Detektor nach jedem Bestrahlungsintervall jedes Jahr 14 Tage
bei Raumtemperatur ausheilt, erwartet man einen Verlauf der Depletionsspannung gemäß Abbildung 3.13. Der Startpunkt der Depletionsspannung von den Sensoren ist abhängig von ihrer
Ausgangsresistivität.
26
T HEORETISCHE G RUNDLAGEN
Abbildung 3.15: Zeitliches Verhalten der Änderung der effektiven Ladungsträgerkonzentration
∆Ne f f während der Ausheilungsphase bei 60◦ C und einem konstanten Bestrahlungsfluß. Das
unterschiedliche Zeitverhalten der drei Terme, aus denen sich ∆Ne f f zusammen setzt, ist ebenfalls
skizziert. [Fur02]
Die gestrichelten Linien zeigen den Verlauf der Depletionspannungen bei höheren Flüssen. Durch
die frühere Typinversion steigt die Depletionsspannung nach 10 Jahren auf zu große Werte an.
Die Bestrahlungsintervalle vor der Typinversion zeigen jeweils ein Abfallen der Depletionsspannung, dem ein Anstieg durch das Ausheilen folgt. Nach der Typinversion zeigt das Ansteigen
die Bestrahlungsintervalle und das Absinken das Ausheilen an. Die langzeitige Schädigung (sog.
longterm reverse annealing) ist bei diesem Bild aufgrund des relativ geringen Beitrags nicht zu
erkennen. Die Plateaus zeigen die Phasen des Detektors bei −10oC außerhalb der Bestrahlungsintervalle.
Das Hamburger Modell wird in [Mol99] ausführlicher behandelt.
Kapitel 4
Der CMS-Sensor
4.1
Funktionsweise eines Halbleitersensors
Das Funktionsprinzip von Halbleiterdetektoren (Silizium, Germanium) zum Nachweis geladener Teilchen basiert in der Regel auf pn-Übergängen (siehe Kapitel 3.2). Bei Verbindung des
n-Bereichs mit der Anode und des p-Bereichs mit der Kathode, d.h. dem Betrieb in Sperrrichtung, ergibt sich eine Vergrößerung der an freien Ladungsträgern verarmten (depletierten) Zone.
Beim Durchgang eines ionisierten Teilchens durch diese Depletionszone werden Ladungsträgerpaare erzeugt, die durch das äußere Feld getrennt werden und sich auf die Anode bzw. Kathode
zu bewegen, siehe Abbildung 4.1. Durch dieses elektrische Signal kann der Durchgang eines
Teilchens nachgewiesen werden.
Vorteile dieser Detektoren gegenüber Gasdetektoren sind die größere Dichte des empfindlichen Volumens und der geringere Energiebedarf von nur 3, 6 eV pro Elektron-Loch-Paar, im
Vergleich zu 30 eV im Gasdetektor oder ∼ 300 eV bei Szintillatoren. Man erhält eine sehr gute
Energieauflösung und geringe Sammel- bzw. Antwortzeiten des Detektors. [Lex98]
Al-Auslese
SiO2 Isolation
p++ Streifen
HV
Diode
n-dot. Si
n++
R
Al
Abbildung 4.1: Funktionsweise eines Halbleiterdetektors
27
CC
28
4.2
D ER CMS-S ENSOR
Aufbau der CMS-Sensoren
Die CMS-Sensoren werden auf einem 6′′ Siliziumwafer lithographisch erzeugt. Der Wafer besteht aus einem Sensor (Abbildung 4.2) und weiteren Strukturen für die Qualitätskontrolle erzeugt. Auf dem sogenannten Standard-Halbmond (Abbildung 4.3) befindet sich ein Mini-Sensor,
eine Diode und zwei MOS-Strukturen.
Abbildung 4.2: STM-Sensor der Geometrie W6A
Abbildung 4.3: Aus einem Wafer werden neben dem Sensor, siehe Abbildung 4.2, auch noch vier
Halbmonde herausgeschnitten. In dieser Abbildung erkennt man den Standard-Halbmond mit
den entsprechenden Strukturen, die zur Qualitätskontrolle verwendet werden. Im wesentlichen
verwendet man den MiniSensor (1), der für alle Geometrien identisch ist, eine Diode (2) und
zwei MOS-Strukturen (3). [Fur02]
Die Halbleitersensoren des CMS-Experiments bestehen aus negativ dotiertem Silizium, dem
sog. Bulk. In Abbildung 4.4 ist schematisch ein Schnitt durch einen CMS-Sensor dargestellt.
Das untere Ende des Sensors wird mit Phosphor negativ dotiert und an der Oberseite werden
die Streifen segmentiert positiv dotiert (p+ ) mit Bor, so dass man einen pn-Übergang erhält. Die
p+ -Streifen des Sensors werden kapazitiv über sog. AC(1) -Pads ausgelesen.
Die Abtrennung des Gleichspannungsanteils des Streifens wird durch eine Isolation des p+ Streifens zum darüber liegenden Aluminiumstreifen realisiert. Jeder p+ -dotierte Streifen wird
(1) AC
: Alternating Current, dt. Wechselspannung
4.2 AUFBAU DER CMS-S ENSOREN
29
Abbildung 4.4: Schnitt durch einen CMS-Sensor. Dargestellt ist der p+ -dotierte Streifen mit seiner kapazitiven Auslese (AC-Pad) und die Durchkontaktierung zum p+ -Streifen (DC-Pad). Der
p+ -Streifen wird über den Biaswiderstand (Rbias ) mit dem Biasring verbunden. Der Biasring wird
von dem Guardring umgeben, die beide aus einem p+ -Ring bestehen. Der Rand des Sensors ist
hoch n+ -dotiert.
durch einen Polysiliziumwiderstand mit dem Biasring verbunden. Die Biaswiderstände entkoppeln die Streifen voneinander.
Über dem gesamten Siliziumbulk befindet sich eine Isolationsschicht, dass sog. Dielektrikum, aus Siliziumoxid (SiO2 0, 2µm) und Siliziumnitrid (Si3 Ni4 0, 07µm).
Der Übergang vom Aluminium-n++ -n an der Unterseite des Sensors bildet einen ohmschen
Kontakt, die sog. Backplane.
Zum Schutz vor möglichen Oberflächenbeschädigungen befindet sich auf der gesamten Oberseite des Sensor eine zusätzliche, 1, 2 µm dicke Passivierungsschicht aus SiO2 .
Abbildung 4.5 zeigt die Aufsicht auf eine Ecke eines Mini-Sensors der Firma HPK(1) . Man
erkennt die einzelnen Aluminiumstreifen oberhalb der p+ -Streifen. Durch die mäanderförmigen
Biaswiderstände werden die p+ -Streifen auf gleiches Potential gebracht.
Der Biasring besteht aus einer p+ -dotierten Struktur, ebenso wie der Guardring, von dem
er umgeben wird. Der Guardring hat einen großen Aluminiumüberhang nach außen hin. Seine
Aufgabe ist es, das Feld am Rand des Sensors zu formen, damit der erste und letzte Streifen
des Sensors in die gleiche Feldkonfiguration gehüllt sind, wie die inneren Streifen des Sensors.
Dieser Überhang fungiert als Multiguardringe, die ansonsten für die Feldanpassung sorgen.
Der Rand, auf dem unter anderem die Streifennummern und die Markierungen für die Positionserkennung aufgebracht sind, besteht aus einem n+ -Ring. Über den Rand fließen die an
den Störstellen der Schnittkanten entstehenden freien Ladungsträger ab, so dass sie nicht den
Leckstrom des aktiven Volumen der Streifen erhöhen. [Har01]
4.2.1 Design-Parameter
Bei der Spezifikation der Sensoren war es wichtig, die Effekte infolge der Strahlenbelastung zu
berücksichtigen. Aus diesem Grund wird für das CMS-Experiment <100> Silizium verwendet. Standardmäßig wird <111> Silizium verwendet, aber dieses hat sehr viele ungebundene
Zustände an den äußersten Atomen des Gitters. Dadurch kommt es zu Strömen im Randbereich,
(1) HPK
: Hamamatsu Photonics K.K., Hamamatsu-City, Japan
30
D ER CMS-S ENSOR
Abbildung 4.5: Sicht auf einen HPK-Halbmond. Es handelt sich hierbei um einen Streifensensor.
Die einzelnen Streifen werden durch mehrere Biaswiderstände auf gleiches Potential gebracht.
Diese Biaswiderstände stellen die Verbindung zwischen dem Biasring, der die Streifen umgibt,
und den Streifen her. Der Biasring wird von einem Guardring umrandet. Beide bestehen aus p+ dotiertem Silizium. In sehr großem Abstand befindet sich dann der hoch dotierter n+ -Rand. Auf
dem Aluminiumüberhang befinden sich die Markierungen für die automatische Positionserkennung und die Streifennummern. Die DC-Pads bilden die Durchkontaktierung zu den p+ -Streifen
und die AC-Pads werden zur Auslese des jeweiligen Aluminiumstreifens verwendet. [Fur02]
die stark ins Rauschen eingehen. Durch die Verwendung von <100> Silizium läßt sich die Anzahl der ungebundenen Valenzelektronen pro cm2 von 1011 auf 1010 reduzieren.[Kra04]
Im Spurdetektor werden zwei verschiedene Dicken und Resistivitäten für die Sensoren verwendet. Im inneren Tracker verwendet man dünne Sensoren mit einer Dicke von 320 µm und
einer Resistivität von 1, 5 bis 3 kΩcm. Außerdem bestehen die Detektormodule im Inneren aus
nur einem Sensor. Im äußeren Bereich des Spurdetektors werden 500 µm dicke Sensoren verwendet, die eine Resistivität von 3, 8 bis 4, 3 kΩcm haben. Die Detektormodule bestehen hier
aus zwei Sensoren. Der Grund für diese Aufteilung liegt in der unterschiedlichen Strahlenbelastung im Spurdetektor. Die inneren Sensoren bekommen eine deutlich höhere Dosis ab. Durch die
Verwendung einer geringeren Resistivität wird der Punkt der Typinversion zu höheren Bestrahlungsflüssen hin verschoben. Die geringere Dicke wird benötigt, damit die Depletionsspannung
zu Beginn nicht zu hoch ist. Das Signal ist kleiner durch die geringere Dicke, um trotzdem ein
gutes Signal-Rausch-Verhältnis zu erhalten, besteht das Detektormodul nur aus einem Sensor.
Dadurch erhält man eine geringere Kapazität, die linear ins Rauschen eingeht.
Im äußeren Bereich verwendet man dickeres Silizium, um ein höheres Signal zu erzielen, da
man durch die beiden Sensoren eine höhere Kapazität und somit ein höheres Rauschen erwartet.
Die hohe Resistivität der Sensoren sorgt für eine geringe Anfangsdepletionsspannung, die nach
der Typinversion auf hohe Depletionsspannungen ansteigt.
Die Sensoren wurden so dimensioniert, dass die Depletionsspannungen bei allen Sensoren
(innen und außen) in etwa gleich ist. Im inneren des Trackers kann aufgrund der erhöhten Strahlenbelastung und dem damit verbundenen Leckstrom nur ein Sensor pro Detektormodul betrieben werden. Die Ursache für die Änderung der Depletionsspannung und der Leistung sind in
4.2 AUFBAU DER CMS-S ENSOREN
31
Abbildung 4.6: Durch den Metallüberhang werden die Feldlinien nach oben gezogen. Bei einem
defekten Aluminiumüberhang erhöht sich die Feldlinienkonzentration auf dem p+ .
Abschnitt 3.5 näher erläutert.
Die erhöhte Spannungsfestigkeit der CMS-Sensoren wurde durch einen Metallüberhang erreicht. [Har03a] Dieser zieht einige Feldspitzen vom p+ -Streifen nach oben auf den Aluminiumüberhang, siehe Abbildung 4.6. Die Konzentration der Feldlinien wird damit verringert und
die Durchbruchsspannung erhöht. Insbesondere der Guardring hat einen großen Aluminiumüberhang zum Rand des Sensors hin.
Für die Ortsauflösung ist der Pitch der verantwortliche Designparameter eines Streifendetektors. Der Pitch ist die Strecke, um die ein einzelner Streifen parallel verschoben werden muss,
damit dieser mit seinem Nachbarn zusammenfällt. [Pet99]
Die Abstände der Streifen auf den CMS-Sensoren variieren mit der jeweiligen Geometrie von
80 bis 183 µm. Das Verhältnis von Streifenbreite/Pitch ist für alle CMS-Sensoren 0,25. [Kra04]
4.2.2 Sensor-Kenngrößen
Die Qualität der CMS-Sensoren (Abbildung 4.2) wird durch die Überprüfung mehrerer Kenngrößen gewährleistet. Dieser Abschnitt beschäftigt sich näher mit den einzelnen Parametern und
der damit verbundenen Fehlercharakterisierung. [Har03a]
• Der Gesamtleckstrom
Der Gesamtleckstrom des Sensors wird in Abhängigkeit von der angelegten Biasspannung,
in Sperrichtung, zwischen der Backplane, d.h. der Unterseite des Sensors und dem Biasring
gemessen. Ein hoher Leckstrom erhöht das Rauschen der Auslesechips ein. Aus diesem
Grund darf der Sensor nur einen maximal erlaubten Leckstrom (10 µA bei 450 V ) haben,
der aus der IV-Kurve ermittelt wird. Nach Bestrahlung ist dieser Grenzwert deutlich höher,
da der Leckstrom während der Bestrahlung ansteigt.
• Die Gesamtkapazität
Aus der Gesamtkapazität des Sensors wird die Depletionsspannung bestimmt. Diese hängt
direkt mit der Resistivität des Bulks zusammen (Gl. 3.12). Die Resistivität des Bulks darf
nur innerhalb gewisser Grenzen liegen, damit der Sensor nach Bestrahlung noch betrieben werden kann (siehe Abschnitt 3.5). Die Depletionsspannung eines Sensors muss daher
zwischen 100 und 300 V liegen. Die Depletionsspannung Udep ergibt sich aus der doppellogarithmischen Auftragung (siehe Gleichung 3.14) der sog. CV-Kurve am Schnittpunkt
zweier Ausgleichsgeraden, siehe Abbildung 4.7.
32
D ER CMS-S ENSOR
CV − Kurve
CV − Kurve
8e−15
]
F
[
]
t
F
ä
[
t
i
t
z
ä
a
t
p
i
a
z
a
K
p
a
6e−15
K
tätizapaK
tätizapaK
4e−15
500
1000
Spannung [V]
(a)
1E1
1E2
1E3
Spannung [V]
(b)
Abbildung 4.7: Simulierte Kapazitäts-Spannungskurve (CV-Kurve) eines Siliziumsensors, aus
der man die Depletionsspannung des Sensors ablesen kann. a) lineare Darstellung b) in logarithmischer Auftragen, die Depletionsspannung im Schnittpunkt der beiden Ausgleichsgeraden
beträgt 180 V .
• Der Streifenleckstrom
Der Dunkelstrom eines einzelnen Streifens wird als Streifenleckstrom bezeichnet. Dieser
wird bei 400 V Biasspannung zwischen der Backplane und dem DC-Pad des Streifens gemessen. Er beeinflußt wie der Gesamtleckstrom das Rauschen. Aus diesem Grund gibt es
hier nur eine obere akzeptierte Grenze. Wird der Maximalwert von 100 nA überschritten,
spricht man von einem Leckstreifen, die Konsequenz ist, dass dieser Streifen nicht gebondet wird. Nach Bestrahlung liegt, der Grenzwert wesentlich höher, da es zum Anstieg des
Streifenleckstroms kommt.
• Der Biaswiderstand
Die Biaswiderstände verbinden den Biasring mit den Streifen. Die Streifen werden dadurch
auf ein definiertes Potential gebracht und voneinander entkoppelt. Die Schwankung der
Biaswiderstände auf einem Sensor darf nicht zu groß sein, da sonst die einzelnen Streifen
auf unterschiedlichem Potential liegen. Ein möglichst großer Biaswiderstand verringert das
Rauschen. Bei einem zu großen Widerstand steigt jedoch das Potential des p+ -Streifens
an. Aus diesem Grund liegt der Wert bei 1, 5 ± 0, 3 MΩ, der Wert darf innerhalb eines
Sensors nur um ±0, 3 MΩ schwanken. [Kra04]
• Die Kopplungskapazität
Als Kopplungskapazität bezeichnet man die Kapazität zwischen dem p+ -Streifen (DCPad) und dem Aluminium-Streifen (AC-Pad). Bei einer zu kleinen Kopplungskapazität
koppeln die Signale auf die Nachbarstreifen und gehen damit verloren. Mit der Kapazität
des p+ -Streifens zum Aluminium-Streifen und der Kapazität zwischen zwei Nachbarn
bildet die Kopplungskapazität ein Kapazitätsnetzwerk, siehe Abbildung 4.8.
In diesem Netzwerk muss die Kopplungskapazität aus Rauschgründen dominant sein. Allerdings kann die Kapazität nicht beliebig groß werden, d.h. beliebig dünn, da die Spannungsfestigkeit des Oxids ansonsten nicht mehr gewährleistet ist. Aus diesem Grund wird
4.2 AUFBAU DER CMS-S ENSOREN
33
CInt
CC
t
C shor
+
P
1-2µm
+
P
80-205µm
Abbildung 4.8: Anordnung der Kapazitäten im Sensor und Größenvergleich ihrer Werte, die aus
den Abständen resultieren. Dadurch erhält man ein Kapazitätsnetzwerk. [Fur02]
die Messung der Kopplungskapazität grundsätzlich mit der Messung auf Kurzschlüsse im
Dielektrikum (sog. Pinholes(1) ) verbunden.
Der Wert der Kopplungskapazität wird aufgrund der verschiedenen Geometrien der Sensoren und der Mini-Sensoren auf die Länge von 1 cm und die Breite von 1 µm normiert
und liegt bei 1, 2 pF/(cmµm).
• Der Strom über das Dielektrikum
Um einen ohmschen Kontakt zwischen p+ -Streifen und Aluminiumstreifen zu erkennen,
wird der Strom über das Dielektrikum gemessen. Ist die Kopplungskapazität kurzgeschlossen geht dieser Kanal des Verstärkungschips auf dem Detektormodul sofort in Sättigung.
Dieser Streifen ist dann nicht mehr in der Lage Signale zu messen. Aus diesem Grund
gibt es auch hier einen maximal zulässigen Grenzwert für den Strom bei einer gegebenen Spannung. Ist der gemessene Strom größer als 1 nA bei 10 V , spricht man von einem
Pinhole.
• Die Zwischenstreifenkapazität
Für die Lastkapazität an der Ausleseelektrode ist die Zwischenstreifenkapazität der maß1
gebende Faktor. [Har00] Da der Widerstand für ein Wechselspannungssignal sich wie iwC
verhält und das Rauschen direkt proportional zur Kapazität ist, ist hier ein möglichst kleiner Wert wünschenswert. Die Zwischenstreifenkapazität ist auf eine Länge von 1 cm normiert und soll <1, 2 pF/cm sein. Ohne die Normierung wäre es nicht möglich, die unterschiedlichen Geometrien zu vergleichen.
• Der Zwischenstreifenwiderstand
Um zu verhindern, dass der Streifenleckstrom über die Nachbarstreifen abfließt, d.h. die Signale nicht getrennt sind, soll der Widerstand zwischen zwei Streifen möglichst hoch sein
und die Zwischenstreifenkapazität gering. Aus diesem Grund wird für den Zwischenstreifenwiderstand nur ein unterer Wert festgelegt, der nicht unterschritten werden darf. Vor der
Bestrahlung gilt Rint > 1GΩ und nach Bestrahlung Rint > 20MΩ. Bei STM(2) -Sensoren,
(1) Pinhole
(2) STM
: dt. kleines Loch
: ST Microelectronics, Catania, Italy.
34
D ER CMS-S ENSOR
die 2003 produziert wurden, traten Probleme mit dem Zwischenstreifenwiderstand auf, die
in Abschnitt 8.2 näher beleuchtet werden.
Um den Zeitaufwand zu minimieren, werden während der QTC oder der IQC nicht alle dieser
Kenngrößen gemessen. In der QTC werden standardmäßig
• IV- & CV-Kurve
• Kopplungskapazität
• Streifenleckstrom
• Biaswiderstand
• Strom über das Dielektrikum
gemessen.
In der IQC werden:
• IV- & CV-Kurve
• Kopplungskapazität
• Streifenleckstrom
• Biaswiderstände
• Strom über das Dielektrikum
• Zwischenstreifenkapazität
• Zwischenstreifenwiderstand
gemessen. Die Sensoren werden vor und nach Bestrahlung gemessen. Nach Bestrahlung werden
die Strukturen vor der Messung 80 Minuten bei 60◦ C ausgeheilt, dies bezeichnet man als vorteilhaftes Heilen (beneficial annealing).
Kapitel 5
Die Messstationen und ihre Komponenten
Die Messungen an den CMS-Strukturen in Karlsruhe werden alle in einer der drei selbst entwickelten und aufgebauten Teststationen durchgeführt. Die Qualifizierung muß bei 20◦ C und einer
relativen Luftfeuchtigkeit von < 30% durchgeführt werden. Die Sensoren sind unterhalb von
RH < 30% nicht mehr sensitiv auf RH. Die Ergebnisse der unterschiedlichen Institute werden
vergleichbar.
5.1
Die Messstation
Die Qualifizierung der CMS-Strukturen durch die Qualitäts-Test-Zentren (QTC) und Bestrahlungszentren (IQC) werden in Karlsruhe mittels zweier Messstationen realisiert. Eine dieser sog.
Probestationen ist in Abbildung 5.1 zu sehen. Der Name leitet sich von den Testnadeln, englisch
probe, ab.
Es handelt sich um lichtdichte Aluminiumboxen mit konstanten Temperatur- und Luftbedingun-
Abbildung 5.1: Die Probestation der QTC und der IQC, die zur Qualifizierung der Sensoren
verwendet wird, ist hier abgebildet. Außerhalb der Aluminiumboxen befinden sich die Meßgeräte,
die Relaisbox, das Kühlaggregat und die PCs zur Auslese. [Fur02]
35
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D IE M ESSSTATIONEN UND IHRE KOMPONENTEN
Abbildung 5.2: Abgebildet ist die umgerüstet Probestation für die Kaltmessungen. Die relative
Luftfeuchtigkeit in der Box muß gering sein, damit die Sensoren während der Messung nicht
vereisen. [Fur02]
gen. Die niedrige, relative Luftfeuchtigkeit erreicht man durch das Fluten der Aluminiumbox
mit trockener Luft. Störende Einflüße durch elektromagnetische Strahlung werden durch den
Faradayeffekt durch die Metallbox abgeschirmt. Statische Aufladungen werden durch antistatische Matten vermieden, die vor den Probestationen liegen und mit der Masse der Meßapparatur
verbunden sind. [Fur02] Alle Meßgeräte befinden sich außerhalb der Aluminiumbox. Alle elektrischen Verbindungen werden über abgeschirmte BNC-Kabel gemacht. Diese werden über 25
Relais und lichtdichte Durchkontaktierungen mit den inneren Einrichtungen der Box verbunden.
Der Sensor liegt auf einem in xyz-Richtung verfahrbaren Probehalter, Jig genannt. Über dessen leitende Oberfläche wird der Sensor auf der Rückseite mit der Biasspannung versorgt. Beide
Stationen wurden im Rahmen dieser Diplomarbeit mit einem neuen Jig ausgestattet, dessen Eigenschaften im nächsten Abschnitt genauer erläutert werden.
Die Kontaktierungen der einzelnen Elemente des Sensors erfolgen mit Mikromanipulatoren,
sog. Proben, wie in Abbildung 5.2 dargestellt. Diese halten die Mikrometernadeln fest, mit denen
der Sensor kontaktiert wird.
Die bestrahlten Strukturen werden bei -10◦ C gemessen, aus diesem Grund besteht die Möglichkeit, bei einer Probestation sog. Kaltmessungen durchzuführen. Dafür wird Kühlmittel mit einer
entsprechenden Pumpe durch den Jig geleitet und kühlt den Sensor. Die Temperatur wird durch
einen temperaturabhängigen Widerstand vom Typ PT100 ausgelesen.
5.2
Entwurf eines Probenhalters
Der Jig dient als Halterung für den Sensor und alle anderen Strukturen, z.B. Halbmonde und
Detektormodule. Wesentlich ist hierbei, dass an den Sensor elektrische Spannung angelegt wird
und er gekühlt werden kann. Der Jig positioniert die Streifen unter die Proben, indem er erst
einen Milimeter nach unten fährt, dann den Abstand zwischen den beiden Streifen horizontal
verfährt, um dann wieder einen Milimeter hoch zu fahren.
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