Georgsmarienhuette optimiert Schmelzprozess

Werbung
Innovation
Internet-PDF aus „stahl und eisen“ (2012), Heft 4, Seiten 88 – 90
© Verlag Stahleisen GmbH, Düsseldorf
Automationslösung ermöglicht effizientere Stahlerzeugung
Georgsmarienhütte optimiert ihren
Schmelzprozess
Bei der Georgsmarienhütte GmbH sollten die Arbeiten im Bereich der Verfahrenstechnik mithilfe des FactoryTalk
VantagePoint EMI von Rockwell Automation und einer Infrastruktur auf Basis der Microsoft Business Intelligence
(BI) erleichtert werden. Zudem sollten die Ergebnisse den Mitarbeitern in der Produktion über einen Webbrowser
zur Verfügung stehen, um den Schmelzvorgang langfristig und nachhaltig zu optimieren.
Lars Eyckmann und Udo Duske
D
i e G e o r g s m a r i e n hü t t e
GmbH zählt zu den führenden europäischen Anbietern für Stabstahl, Halbzeug,
Rohstahl und Blankstahl aus
Qualitätsstahl und Edelbaustahl. Sie ist Teil der Georgsmarienhütte Holding GmbH (GMH
Gruppe), einem Verbund aus 49
mittelständisch ausgerichteten
Unternehmen in Deutschland,
Österreich, Belgien, Brasilien,
Australien und in den USA. Die
Kunden des Elektrostahlwerks,
Bild 1 , fertigen Kurbelwellen,
Pleuel, Nockenwellen, Antriebswellen, Getriebeteile, Fahrwerksteile und mehr. Täglich fallen
große Datenmengen an, die manuell nur schwer zu verarbeiten
sind, wie Gasanalysen und Prozesswerte des Ofens, Produktionsvorgaben und Schrottanalysen.
1
Vom Elektrolichtbogenofen, in dem zu 100 % Schrott als Ausgangsprodukt verwertet wird, gelangt der
geschmolzene Stahl zur Sekundärmetallurgie
Foto: gmh
Die Arbeiten der Abteilung
Verfahrenstechnik sollten mithilfe einer Automationslösung
erleichtert werden und die Ergebnisse über einen Webbrowser
den Mitarbeitern in der Produktion zur Verfügung stehen, um den
Schmelzvorgang langfristig und
nachhaltig zu optimieren.
Herausforderungen im
Projekt
Rund 80 % des Umsatzes erzielt die Georgsmarienhütte
GmbH heute mit der Automobilindustrie und ihren Zulieferern. Die Anforderungen an die
Produkte sind daher sehr vielfältig. Alle Produkte der Georgsmarienhütte müssen höchsten
Qualitätsansprüchen genügen,
weshalb das Unternehmen mit
technisch hoch anspruchsvollen
Anlagen auf dem neuesten Entwicklungsstand arbeitet. Alle
Prozesse, die die Endprodukte
von der Erschmelzung bis zum
Versand durchlaufen, erfüllen
die hohen Anforderungen eines
umfangreichen Qualitätsmanagementsystems. Die Kundenwünsche und Anforderungen des
Stahlwerks werden umgesetzt in
Sollwerte für Fertigungs-, Prüfund Versandanweisungen. Die
jeweiligen Fertigungs- und Prüfdaten werden in EDV-Systemen
erfasst und gespeichert; so kann
stahl und eisen 132 (2012) Nr. 4
der Fertigungsprozess jederzeit
zurückverfolgt werden. An allen
Arbeitsplätzen wird qualitätsgesichert nach einem einheitlichen
integrierten Managementsystem
gearbeitet. Dieses ausgeklügelte
Zusammenspiel von Daten aus
der Werkshalle, aus Produktions- und Qualitätsprozessen
und deren Auswertung und
Umsetzung war der Zündfunke
für ein Projekt mit Rockwell Automation.
Produktionsprozess und
Lösungsstrategie
Der Produktionsprozess der Georgsmarienhütte GmbH ist komplex: Vom Elektrolichtbogenofen,
in dem zu 100 % Schrott als Ausgangsprodukt verwertet wird, gelangt der geschmolzene Stahl zur
Sekundärmetallurgie. Die aufeinanderfolgenden Bestandteile
des zweiten Produktionsschritts
sind zwei Pfannenöfen, eine
Vakuumanlage sowie eine Feinkonditionierungsanlage. Danach
wird der flüssige Stahl entweder
in einer Stranggießanlage mit
sechs Strängen vergossen oder
aber der Stahl wird als Blockguss
zu Rohblöcken von 3,5 bis zu
44 t für das Freiformschmieden
weiterverarbeitet.
Gascon ist ein Prozessanalysesystem, das die Georgsmarienhütte selbst entwickelt hat.
Herzstück ist ein vollautomatisiertes Abgasanalysesystem, das
mit einem Massenspektrometer
arbeitet. Gasproben gelangen
direkt über den Ofendeckel des
Elektrolichtbogenofens zum
Messgerät. Ein weiterer Bestandteil des Analyseverfahrens ist
die Online-Visualisierung der
tatsächlich verbrauchten sowie
der erzeugten Energie. Die Basis
hierfür schaffen unterschiedliche Datenbanken und Messsysteme, die auch Microsoft Access,
Microsoft SQL-Server, OPC und
bereits existierende Visualisierungsanwendungen von Drittanbietern einschließen. Zugang zu
den Analysen und dem System
benötigen hauptsächlich zwei
Anwendergruppen beim Stahlunternehmen, und zwar die Werker
in der Stahlwerksproduktion und
die Verfahrensingenieure. Bisher
fehlte eine gemeinsame Oberfläche, auf der all die notwendigen
Informationen zur Prozesssteuerung und -optimierung zu finden sind, ein Interface zu allen
darunterliegenden, proprietären
Systemen. Der „Graben“ zwischen Produktionsnetzwerk und
Büronetzwerk ließ diese Integration nicht zu. Mit VantagePoint
von Rockwell Automation haben
Werker und Ingenieure heute
genau dieses Interface zwischen
allen Nutzergruppen und den
unterschiedlichen Quellsystemen
der Daten zur Verfügung.
Factor yTalk Vantage Point
EMI basiert auf Microsoft-
Technologien, wie z. B. auch
.Net Services, MS SQL Server
und Web Services. Anwender
bei Georgsmarienhütte können
Daten unter Verwendung der
unterschiedlichsten Werkzeuge
zu Berichten zusammenstellen
und diese anschließend mit dem
VantagePoint-Portal betrachten.
Das gesamte physische als auch
logische Modell, die Konf iguration und die Reports werden
heute in Georgsmarienhütte
in einem Microsoft-SQL-Server
gespeichert. Zusätzlich wurde
eine MS-Access-Datenbank auf
MS SQL migriert, um die Performance zu steigern und den
Administrationsaufwand zu reduzieren.
„Es ist eine mittlerweile alte
und ebenso bekannte Wahrheit:
Wer einen Prozess optimieren
will, muss erst einmal messen“,
erklärt Dr.-Ing. Jianxiong Deng,
der für die Einführung von FactoryTalk VantagePoint EMI in der
Abteilung Verfahrenstechnik der
Georgsmarienhütte GmbH verantwortlich ist. „Dabei kommen
erhebliche Datenmengen zusammen. Es genügt allerdings nicht,
diese Daten vorrätig zu haben.
Man muss sie auch verstehen
und auswerten, um Nutzen da­
raus zu ziehen und sie zu einem
wertvollen Wirtschaftsgut für
das Unternehmen zu machen.
Genau hierbei unterstützt uns
die neue Lösung.“
2
Die VantagePoint-Echtzeitanzeige ermöglicht einen Liveeinblick in den Produktionsprozess: Sämtliche Daten sind zur
richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar
stahl und eisen 132 (2012) Nr. 4
Innovation
Die VantagePoint-Automationssystem stellt abstrakte Layer bereit, die das physikalische
Datenmodell mit dem logischen
Datenmodell verbinden. Die einzelnen Datenquellen werden im
physikalischen Modell über Standardkonnektoren an das System
angebunden. Im logischen Modell
werden die Daten aus dem physikalischen Modell in einen für den
Benutzer verständlichen Zusammenhang gebracht. Der Benutzer
hat im logischen Modell auf alle
Daten Zugriff, die für ihn wichtig
sind, ohne zu wissen, aus welcher
Datenquelle diese Informationen
kommen. Er kann auf alle relevanten Daten mit seinem Webbrowser zugreifen und benötigt keine
spezif ische Client-Installation,
Bild 2 . Dies erhöht zum einen
die Akzeptanz der Anwender und
reduziert zum anderen den Administrationsaufwand erheblich.
Die VantagePoint-Echzeitanzeige
ermöglicht einen Live-Einblick in
den Produktionsprozess. Mit einer Aktualisierungsrate von zehn
Sekunden wird der tatsächliche
Energieverbrauch des Lichtbogens
angezeigt. Auch Wirkungsleistung
sowie Bearbeitungszeit der aktuellen Chargen werden visualisiert.
Diese Messwerte liefert MS SQL.
Das Sicherheitssystem von VantagePoint ermöglicht jeder Nut-
zergruppe die Erstellung eigener
Reports und Trendanalysen, die
ausschließlich von definierten
Gruppenmitgliedern genutzt werden können, aber auch für andere Nutzergruppen zur Verfügung
gestellt werden können. Mithilfe
des neuen Portals können bei der
Georgsmarienhütte GmbH alle
„aktuellen“ Chargen, sprich die
letzten 100, eingesehen werden.
Ein wichtiges Element des GasconSystems ist die Analyse der chemischen Zusammensetzung des Ausgangsprodukts pro Charge. Dafür
wird eine Ergebniskalkulation
mittels Excel-Tabelle verwendet.
Das neue System nutzt durch die
perfekte und harmonische Integration mit Microsoft-Technologien
diese Tabellen zur Darstellung.
Alle Chargeninformationen aus
dem Produktionsnetzwerk werden durch das Trendmodell von
VantagePoint abgebildet. Dabei
eröffnen integrierte Zeitangaben
(Wann war die Charge in welcher
Anlage im Produktionsprozess?)
die Möglichkeit, per Klick einen
Trend zu erzeugen.
Ergebnisse und Ausblick
Mit der Implementierung von
Factory Talk VantagePoint EMI
hat die Verfahrenstechnik in Georgsmarienhütte einen Effizienzsprung gemacht. Alle benötigten
Daten stehen jedem berechtigten
Nutzer — sei er in der Produktion oder Verfahrensingenieur
— zur richtigen Zeit über den
Webbrowser zur Verfügung. Sie
haben gleichsam Zugriff auf Daten aus dem Büro- und dem Produktionsnetzwerk.
Der einfachere Zugang zu Datenquellen war eines der erklärten Ziele, das mit Einsatz der
Softwarelösung von Rockwell Automation erreicht werden sollte.
Auch die einfache und vor allem
intuitive Bedienung der zentralen
Reporting-Oberf läche, über die
sich die Mitarbeiter im Stahlwerk
positiv geäußert haben, war eine
Grundvoraussetzung für den Erfolg des Vorhabens. Das Projektziel, den Schmelzvorgang besser
zu verstehen und zu optimieren,
ist in die Tat umgesetzt worden. Zufrieden ist man auch mit
der Stabilität und Performance
des neuen Systems. Aktuell beschränkt sich das neue Automationssystem auf die Auswertung
der Daten für den Elektrolichtbogenofen. In Zukunft kann die
Lösung auf weitere Produktionsanlagen ausgedehnt werden.
[email protected]
Lars Eyckmann, Udo Duske,
Rockwell Automation,
Haan-Gruiten
Herunterladen