Global Marketing → Brief aus China Carl Crows China bleibt aktuell Autor: Tom Ramoser Autoren von Chinabüchern erliegen oft ihren Wunschvorstellungen. „400 Millionen Kunden“ von Carl Crow hat nichts von seiner Aktualität eingebüßt, obwohl er es vor 70 Jahren geschrieben hat. Die Regale der Buchhändler bersten seit Jahren unter dem Gewicht der Neuerscheinungen mit allen möglichen Erklärungen über Land und Leute sowie zahllosen Vorschlägen, warum und wie erfolgreich in China Geschäfte gemacht werden. Orientierung verspricht eine kürzlich veröffentliche Liste der besten und schlechtesten Chinabücher von „Access Asia“ in Shanghai. Überraschend ist, dass sich die besten Titel nahezu ausnahmslos mit Chinas schwieriger Vergangenheit auseinandersetzen, während die schlechtesten Titel allesamt von Chinas Zukunft und schnellem Geldverdienen handeln. Die Liste der schlechtesten Bücher führen an: Kunal Sinha mit „Chinas kreativer Imperativ: Wie Kreativität die Gesellschaft und das Business transformiert“, James Yuann/Jason Inch mit „Supertrends im zukünftigen China: Milliarden-Dollar-Geschäftschancen in Chinas olympischem Jahrzehnt“ und Robert Hsu mit „Chinas Feuerwerk: Wie man zu dramatischem Reichtum in der am schnellsten wachsenden Wirtschaft 20 absatzwirtschaft 1/2009 2/2009 Der Klassiker: „400 Millionen Kunden“ von Carl Crow ist in einer Neuauflage erschienen und aktuell wie eh und je. der Welt kommt“. Es wäre zum Verzweifeln, gäbe es nicht die Neuauf lage von Carl Crows legendärem Titel „400 Millionen Kunden“ aus dem Jahr 1937. Crow eröffnete in den 1920er-Jahren die erste westliche Werbeagentur in Shanghai – zu einer Zeit, als die Stadt noch ein langweiliges koloniales Provinznest war. Sein Buch wurde in den Jahren bis 1949 zum internationalen Bestseller mit zahlreichen Übersetzungen und Nachdrucken. Erst nach der kommunistischen Revolution 1949 geriet das Werk in Vergessenheit, als aus Kunden Genossen wurden. Carl Crow schreibt aus der Sicht der Menschen in China und erkennt die Motivation der Akteure im Geschäftsleben. Deshalb ist das Buch aktuell wie eh und je. Er erklärt beispielhaft: „Wann immer ein Artikel in China populär wird, entweder aus eigenem Verdienst oder durch Werbung, können wir sicher sein, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis dieser Artikel unter Preis angeboten wird. Preisnachlässe entwickeln und verbreiten sich rasant. Die Läden sind zur Straße hin offen, so dass der Händler alles sieht. Wenn der Händler sieht, dass sich eine Seifen­ marke schneller verkauft, bringt er seine Ware nach vorne und hängt ein Schild mit einem geringeren Preis auf. Die anderen Händler kontern, und bald verkauft die ganze Stadt die Seife unter Kosten. Der Händler verdient nun nichts mehr an der Seife und ist deshalb nicht mehr daran interessiert, diese Seife weiter zu verkaufen. Wenn nun ein Kunde in das Geschäft kommt, wird er versuchen ihm eine andere Seifenmarke zu verkaufen. Der Händler sagt unter Umständen, dass die beworbene Seife nicht mehr so gut wie früher ist, dass er die Marke nicht länger empfehlen kann und dass dies der Grund für die Preisreduktion ist. Schließlich erwirbt sich die Marke den schlechten Ruf, keinen Profit mehr erzeugen zu können.“ Wir brauchen keine teuren Berater, sondern nur unsere Augen, Neugier, Humor und Zurückhaltung. Das betont Paul French in seinem Vorwort zur Crow-Neuauf lage treffend. Falls Sie also nur ein Buch über China kaufen wollen, dann ist „400 Millionen Kunden“ nach wie vor der richtige Ratgeber. ← tom ramoser Unser Autor arbeitet als Managing Partner von „Rosebud – The Strategic Brand Development Group“ in Peking. Sie erreichen ihn unter [email protected].