Agrarräume in China Provinz Shandong 1975, ca. 1 : 20 000 In einer Parallelwirtschaft, einem Nebeneinander von Plan- und Marktwirtschaft (vgl. S. 112 – 113), besteht die Tendenz zum so genannten Rent-Seeking. Damit ist die Verlagerung der Produktionsfaktoren in den nicht vom Staat beeinflussten Sektor gemeint, in dem die Verdienste/ Gewinne höher sind als in der Planwirtschaft. Dies gilt auch für die Produktion agrarischer Güter in China. Der Bruttoproduktionswert des Pflanzenbaus ist – relativ betrachtet – seit Beginn der Wirtschaftsreformen um ca. ein Viertel zurückgegangen. Dagegen stieg der Anteil der Viehwirtschaft und der Fischzucht erheblich (M 3.24). Es wird auf hochwertige Erzeugnisse umgestellt, weil sich diese mehr rentieren als der Anbau von Weizen oder Reis. Damit verbunden ist auch eine Anbaudifferenzierung nach stadtnahen und stadtfernen Gebieten. In Stadtnähe werden Gemüse, Obst und Fleisch produziert, in stadtfernen Regionen wird das nicht so gewinnträchtige Getreide angebaut. Dieses Muster erfährt jedoch eine Differenzierung durch die Verkehrsinfrastruktur. Durch die Einführung des vertragsgebundenen Anbaus und durch das Ergreifen zahlreicher anderer produktivitätsfördernder Maßnahmen stieg die Produktion von Getreide stark an. Das ursprüngliche Bild der Agrarlandschaften Chinas hat sich auffallend verändert. Die riesigen Blockfluren der Kommunen wichen den Streifenfluren des vertragsgebundenen Anbaus (M 3.26). 1978 1995 1998 2001 Pflanzenbau 80,0 58,4 58,1 55,2 Forstwirtschaft 3,4 3,5 3,5 3,6 Viehzucht 15,0 29,7 28,5 30,4 Fischerei 1,6 8,4 9,9 10,8 M 3.24 Veränderung der Struktur des landwirtschaftlichen Bruttoproduktionswertes in China (in %) Nach China Statistical Yearbook 1999, a. a. O. 1999, S. 29 und Berechnungen nach http://www.china.com.cn/german/shuzi-ger/jj/htm/biao/12-6.htm Produkt 1978 2001 Getreide 113 305 Baumwolle 0,4 2 Ölpflanzen 2,5 5 Obst 1,2 7 Fleischwaren 2,2 9 Fisch 0,4 5 453 5 29 65 63 44 114 1949 M 3.25 Agrarproduktion in China (gerundet auf Mio. t) Nach China 2002, a. a. O., S. 94 Provinz Guanxi, Mitte der 1990er Jahre M 3.26 Veränderung der Flurformen (Blockflur und Streifenflur) in China Trotz der Reformmaßnahmen seit 1978 hat sich das Grobraster der chinesischen Agrarzonen erhalten. Der humide, vom Südostmonsun beeinflusste Osten, lässt sich in ein gelbes (Weizenanbau) und grünes (Reisanbau) China gliedern. Der trockene oder gebirgige Westen wird in ein braunes China (Steppen- und Wüstengebiete mit Vieh- und Oasenwirtschaft) und ein weißes (Hochgebirge) China eingeteilt (M 3.27). Wichtig für die Ernährung der chinesischen Bevölkerung sind die humiden östlichen Gebiete. Entsprechend den natürlichen Bedingungen – lange kalte Winter in der Mandschurei (Nord-OstGebiet) bis zu tropischem Klima im Süden – steigt die Zahl der möglichen Ernten (so genannter Cropping-Index) von Nord nach Süd von 1 bis 4. M 3.27 Agrarzonen Chinas (Differenzierung nach Anbauprodukten in der Internetbegleitung dieses Schulbuchs) Braunes China: In China gibt es ca. 323 Mio. ha Weideflächen, die wichtigsten von ihnen liegen in der Inneren Mongolei, in der Dsungarei und im Tarimbecken. In extensiver Weidewirtschaft werden hauptsächlich Schafe und Ziegen, und dort wo die natürlichen Bedingungen dies erlauben (z. B. Grasland der Mongolei), auch Rinder und Pferde gehalten. Entlang von Flüssen wird auch im Braunen China Ackerbau betrieben. In Oasen baut man neben Getreide und Baumwolle auch Sonderkulturen, z.B. Südfrüchte, an. Für die gesamte Ernährungssituation Chinas spielt dieses Gebiet trotz verschiedener Neulandprojekte (vgl. S. 118 – 119) nur eine untergeordnete Rolle, obwohl in der nordwestlichen Provinz Xinjiang zwischen 1950 und 1980 die gesamte Ackerfläche fast verdreifacht wurde. Weißes China: Die Hochlandgebiete der Provinzen Tibet und Quinghai sind landwirtschaftlich nur sehr eingeschränkt nutzbar. In den Tälern wird hauptsächlich Gerste angepflanzt. Für die Versorgung der Bevölkerung ist wie im Braunen China die Viehwirtschaft sehr wichtig. Ernährungsgrundlage der Bevölkerung sind u. a. Schafe, Ziegen und Yaks. Gelbes China: Im Nord-Ost-Gebiet (Mandschurei) dominieren Sommerweizen, Mais und Hirse. Die Nordchinesische Ebene, entstanden aus den Ablagerungen verschiedener Flusssysteme, wie dem Gelben Fluss (Huang He), ist eines der wichtigsten Ackerbaugebiete Chinas und der Schwerpunkt des Gelben Chinas. Führende Anbauprodukte sind hier Winterweizen, Mais, Hirse, Erdnüsse und Sojabohnen. Die stark erodierte Lössebene kann nur in Tälern und in den Becken ackerbaulich genutzt werden. Anbauschwerpunkte sind dort ebenfalls Weizen, Mais und Hirse. Grünes China: Das Gebiet des unteren und mittleren Jangtsekiang (Chang Jiang) ist die „Reisschüssel“ Chinas. Mehr als die Hälfte der jährlichen Reisernte stammen von dort. Pro Jahr sind 2 Ernten möglich. Neben Tee, Baumwolle und Seide gewinnt auch die Fischproduktion eine immer größere Bedeutung. Im tropischen Südchina mit 12 Monaten Vegetationszeit lassen sich 3 Reisernten erzielen. Neben Reis, Zuckerrohr und Erdnüssen werden dort auch Südfrüchte und Kautschuk produziert. 3.32 Erklären Sie den Begriff des Rent-Seeking im Zusammenhang mit M 3.24 und M 3.25. 3.33 Stellen Sie einen Vergleich der Entwicklung der Agrarzonen (so genanntes Belt-Konzept) in den USA mit der Entwicklung der Anbauzonen landwirtschaftlicher Produkte in China an. 3.34 Begründen Sie die Verteilung der Agrarzonen Chinas mithilfe naturräumlicher Faktoren. 3.35 Vergleichen Sie die natürlichen Grenzen landwirtschaftlichen Anbaus in China und Russland. 115