Umweltschutz in China - Umweltpolitik, Umweltplanung, Umwelt

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Umweltschutz in China - Umweltpolitik, Umweltplanung, Umweltrecht und Rahmenbedingungen in der Volksrepublik China
Von Professor Dr.-Ing. habil. Yeong Heui Lee
Berlin: Universitätsverlag der TU Berlin, 1999, XXIX, 376 Seiten, ISBN 3-7983-1813-1.
Abstract
Die Volksrepublik China ist ein Land gigantischen Ausmaßes mit unendlichen Unterschiedlichkeiten in vielfacher Hinsicht und einer Vielzahl kaum lösbarer Entwicklungsproblemen. Zu diesen gehören dramatische Umweltprobleme, hervorgerufen
durch eine ungünstige Konstellation von ökologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungsfaktoren, den Unbilden einer sich verschlechternden globalen Umweltsituation, anhaltendem Bevölkerungsdruck, inneren Problemen der verschiedensten Art, kaum gebremsten Ressourcenverbrauch und einem rationalen
Umgang mit dem knappen Gut Umwelt. Alles dies steht vor dem Hintergrund mangelnder Ressourcen zur Meisterung der Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung, zur Steuerung der bisherigen ökologischen Fehlentwicklung und zu der in Planungen und Programmen beschworenen, freilich aus einem bestimmten ideologischen Sichtwinkel als notwendig wahrgenommenen Wende, insgesamt zu einer
wirksamen Harmonisierung von Umwelt und positiver sozio-ökonomischer Entwicklung.
In der Literatur wird der asiatische Kulturkreis zutreffend als der weltgeschichtlich
wichtigste für das 21. Jahrhundert bezeichnet und vorgetragen, die asiatische Herausforderung komme in sämtlichen ostasiatischen Kulturkreisen zum Ausdruck und
betone die kulturellen Unterschiede zum Westen und manchmal auch die eigenen
Gemeinsamkeiten. Die Renaissance der asiatischen Kulturen äußere sich in der zunehmenden Betonung sowohl der besonderen kulturellen Identität einzelner asiatischer Länder als auch der Gemeinsamkeiten, die asiatische Kulturen von der westlichen Kultur unterscheiden.
Zur Annäherung an das Thema wird in der Veröffentlichung von den Rahmenbedingungen, den Rahmenbedingungen von Politik, Recht und Planung unter besonderer Berücksichtigung der ökologischen Gegebenheiten ausgegangen und die chinesische Umweltmisere als Folge der forcierten industriewirtschaftlichen Entwicklung geschildert. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht dabei der zunehmende Verlust der Wasser- und Bodenressourcen, der sich einerseits als hausgemachtes Prob-
lem darstellt, darüber hinaus aber auch als Resultante der globalen Umweltveränderungen. Im Mittelpunkt der Interesses Chinas stehen die landwirtschaftlichen Nutzflächen, die für die Versorgung der nach wie vor wachsenden chinesischen Bevölkerung essentiell sind, was die landwirtschaftlichen Genossenschaften einerseits und
die ländliche Industrie andererseits nach wie vor nicht daran hindert, mit den knapper werdenden Gütern recht sorglos umzugehen, die Umweltmedien zu kontaminieren und den Flächenverbrauch fortzusetzen.
Probleme globalen Ausmaßes sind gleichzeitig damit die anhaltende Desertifikation,
der Rückgang der Forst- und Weideflächen und die sich immer mehr öffnende Schere zwischen Wasserverbrauch und Wasserdargebot. Der aktuelle Umweltbericht der
chinesischen Regierung für das Jahr 1998 listet in konventioneller Manier die Probleme auf, vermeldet Erfolge und nennt Maßnahmen zur Abhilfe. Was in dem Bericht
nicht thematisiert ist, ist die übergreifende Umweltproblematik, die nur mit umwälzenden Maßnahmen in allen Bereichen im echten Sinne und einem generellen Umdenken, einem Umdenken in der Politik, der Wirtschaft und in der Gesellschaft beherrscht werden könnte. Der nicht eben gerade sehr innovative Bericht glaubt, dass
die zahlreichen Umweltgefährdungen, insbesondere der Verlust an Flächen, mit dem
konventionellen Instrumentarium beherrscht werden könnte. Überlegungen dieser
Art werden im Empfehlungsteil noch einmal aufgenommen.
Zwar hat die chinesische Agenda 21 in Übereinstimmung mit der allgemeinen Umweltplanung eine Harmonisierung von Wirtschaftsentwicklung und Umweltschutz
artikuliert. Inwieweit allerdings eine derartige Harmonisierung bisher greift, wird
mit einiger Skepsis zu betrachten sein. Während in der Theorie über Alternativen
zum westlichen Entwicklungsmodell in die Richtung nachhaltigen Wirtschaftens
nachgedacht wird, treibt die Volksrepublik in der Praxis die Industrialisierung um
der Industrialisierung willen in allen Bereichen voran und während kritisch über die
Marktrationalität nachgedacht wird, erfolgt die Umwandlung der chinesischen
Volkswirtschaft in eine Marktwirtschaft. Diese Widersprüche zu überwinden, erfordert erhebliche Bemühungen. Die Lösung müsste in tiefgreifenden Reformen liegen,
die erheblich radikaler und grundsätzlicher ausfallen müssten, als bisher angedacht.
Dies würde auf einen grundlegenden entwicklungs- und umweltpolitischen Paradigmenwechsel hinauslaufen.
Das Buch beschäftigt sich in diesem Kontext mit den sozio-ökonomischen, ökologischen, kulturellen, rechtlichen, politischen und planerischen Rahmenbedingungen
von Umweltschutz und -politik in China, insbesondere mit der sich wieder verstärkenden Ingerenz tradierter Wertstrukturen und dadurch beeinflusster Verhaltensprofile und den aus diesen folgenden Fingerzeigen zum gebotenen Umgang mit der
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Natur unter den Vorzeichen der Agenda 21 von Rio de Janeiro. Es handelt zunächst
von den Rahmenbedingungen der Umweltpolitik unter besonderer Berücksichtigung
der ökologischen Gegebenheiten. Im Zentrum des Interesses stehen die anhaltenden
Verluste ökologisch intakter Flächen und insoweit die hausgemachten Probleme, in
der Form von Umnutzungen von Forst-, Weide- und Landwirtschaftsflächen ebenso
wie das weltweit und besonders auch in China wirksame Problem der Ausbreitung
der Wüsten, durch das Chinas ohnehin knappe ökologische Potentiale in verheerender Weise betroffen sind. Die Probleme finden in dem aktuellen Umweltbericht der
chinesischen Regierung, der in diesem Jahre veröffentlicht wurde. In einem besonderen Kapitel werden die kulturellen Rahmenbedingungen erörtert, das neue kulturelle
Profil Chinas sowie die Problematik der ökonomischen Modernisierung oder der
chinaspezifischen sozialistischen Marktwirtschaft, mit der das offizielle China glaubt,
die Probleme der künftigen ökonomischen Entwicklung in einer sich wandelnden
Weltwirtschaft beherrschen zu können.
Ein eigenes Kapitel ist den tradierten wertmäßigen Grundlagen der chinesischen
Kultur gewidmet, die unter der Decke der neuformulierten Ideologie durchschimmern und anhaltend wirksam geblieben sind. Es ist der Konfuzianismus bzw. NeoKonfuzianismus, der – nach der Einschätzung der Verfasserin – nach wie vor trotz
aller zwischenzeitlichen Überlagerungen und Säuberungen die kulturelle Szenerie
beeinflusst.
In dem Kapitel über die Rechtskultur und ihre Entwicklung wird der Einfluss dieser
Tradition auf das positive Recht, das Rechtsdenken und das rechtmäßige Verhalten
in China thematisiert, wobei die Entwicklung, der wesentliche Inhalt und die Ausläufer der Jurisprudenz den Gegenstand des Interesses bilden.
In einem weiteren Kapitel wird die Rio-Agenda 21 dargestellt und die Auswirkungen derselben auf die chinesische Umweltpolitik. Im Anschluss daran wird die aktuelle Umweltpolitik und die Umweltplanung in der Volksrepublik China behandelt,
insbesondere die Nationale Agenda 21 Chinas und der aktuelle Umweltplan. Das
Kapitel mündet in einer kritischen Erörterung der Tendenzen der Politik der nachhaltigen Entwicklung Chinas, soweit sie denn nachhaltig ist, da die ökonomische
Entwicklung in China bisher deutlich den Vorrang genießt – gleichwohl: Nachhaltige
Entwicklung ist eine unabdingbare Option für China.
Ein weiteres Kapitel thematisiert das chinesische Umweltrecht unter besonderer Berücksichtigung des Bodenschutzrechts de lege lata und de lege ferenda. Erwähnenswert sind die Empfehlungen für die weitere Gestaltung eines nachhaltigen Umweltschutzes in der Volksrepublik China. Zu den insoweit notwendigen Überlegungen
gehören Erörterungen einer innovativen Umweltpolitik in Anbetracht der globalen
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Umweltsituation ebenso wie konkrete Empfehlungen zum Einsatz umweltschonender Technologien, dem verstärkten Einsatz ökonomischer Instrumente, Empfehlungen zur Verbesserung der Umweltpolitik und auch der allgemeinen Umweltethik.
Die Agenda 21 der Volksrepublik sollte nach den Darlegungen der Verfasserin nicht
nur ein symbolischer Akt sein, sondern eine langfristige Handlungs- und Vollzugsgrundlage für die Entwicklung des Gemeinwesens im Interesse der Verbesserung
der globalen Umweltsituation. Die gesamtgesellschaftliche Wandlung erfordert in
allen Staaten eine lange Zeit und ist insbesondere in China nicht von heute auf morgen erreichbar. Die Grundphilosophie der hier nur skizzierten Empfehlungen zur
künftigen chinesischen Umweltpolitik ist, dass sich die künftigen Entwicklungs- und
Umweltprobleme mit konventionellen, wenn man so will, aus dem Arsenal des westlichen Umweltschutzes entlehnten Mitteln, in gar keinem Falle bewältigen lassen.
Lassen sich derartige Zweifel auch für die westliche Industrienationen mit wesentlich günstigeren Rahmenbedingungen und besseren Befunden und Erfolgsfaktoren
der Umweltpolitik artikulieren und begründen, so gilt dies für die Volksrepublik erst
recht.
Die Nationalen Agenda 21 Chinas enthält einige Gesichtspunkte, auf die insoweit
Bezug genommen werden könnte. Das gilt etwa für die Aussage, dass die Ressourcenmanagementsysteme reformiert und ein Ressourcenkontrollsystem entwickelt
werden müsse. Das gilt weiterhin auch für die in der Nationalen Agenda 21 Chinas
enthaltenen Aussage, die Energieeffizienz verbessern zu wollen. Im übrigen sind die
Aussagen, auch die Aussagen etwa des aktuellen chinesischen Umweltplans, Recht
und Verwaltung reformieren zu wollen, zu allgemein, um daraus unmittelbar eindeutige Leitlinien entwickeln zu können, wenn man das bereits im Rechtssystem
verankerte Leitprinzip, das Staatsziel der Verbesserung der Umweltqualität und der
Minimierung der Umweltbelastungen im Interesse des Schutzes der Lebensumwelt
berücksichtigt. Einen Gesichtspunkt an den angeknüpft werden könnte, bildet insoweit die Zielsetzung des geltenden Umweltplans, im Interesse der Wohlfahrt der
Massen, Umwelt- und Gesundheitsschutz miteinander zu verbinden und, was besonders bemerkenswert ist, die Bemühungen um die Erhaltung und Wiederherstellung der ökologischen Umwelt unter Kooperation von Staat und Wirtschaft zu forcieren.
In diesem Zusammenhang scheint eine Ausgestaltung neue Sichtweise des Kooperationsprinzip artikuliert zu werden, die über die bisherige inhaltliche Ausgestaltung
des klassischen umweltrechtlichen Kooperationsprinzips hinausgeht. Dies wäre für
das chinesische Recht eine empfehlenswerte Option.
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Nicht ohne Grund hat die Weltbank in einem 1994 erschienenen Bericht über den
Umweltschutz in China zum Ausdruck gebracht, das Prinzip des Vorrangs der Wirtschaftsentwicklung vor dem Umweltschutz sei für die weitere Entwicklung Chinas
keine zweckmäßige Strategie. Wenn China eine Gleichrangigkeit der Wirtschaftsentwicklung und des Umweltschutzes mit Hilfe notwendiger Konkretisierungen
normierte, so bestünde für die noch in den Anfängen der Entwicklung befindlichen
Volkswirtschaft durchaus noch die Chance, diesen Grundsatz, beispielsweise durch
eine entsprechende Schwerpunktsetzung in der Energiepolitik, umzusetzen und auf
umweltschonende Technologien zu bauen. Hat sich die industrielle Entwicklung
Chinas erst einmal verfestigt und die Struktur der Energiewirtschaft konsolidiert, so
ist es, wie das deutsche Beispiel zeigt, außerordentlich kompliziert und mühselig,
einen anderen, gemessen am Prinzip der Sustainability, besseren energiewirtschaftlichen Entwicklungspfad einzuschlagen. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden,
dass die Zeit für die Umsetzung dieser für die Umwelt Chinas fast lebenswichtigen
Option jetzt – da sich China noch in der Anfangsphase der Industrialisierung und
der Marktwirtschaft befindet, günstig ist und unter Berücksichtigung der derzeitigen
politischen Rahmenbedingungen auch noch als realisierbar erscheint zumal China
für diesen Fall auf den Beifall und auch die finanzielle Unterstützung durch die internationale Staatengemeinschaft rechnen könnte.
Eine Entkopplung von Wohlstand und Ressourcenverzehr wäre möglich, wenn es
gelänge, die Ressourceneffizienz stärker zu erhöhen, als die Produktion wirtschaftlicher Güter. Die Ergebnisse der Entwicklung in einer Reihe von OECD-Ländern, auch
der Bundesrepublik Deutschland, belegen, dass eine umweltfreundliche Produktion,
umweltfreundliche Verfahren und Technologien auch wirtschaftlich zu Erfolgen führen können. Um dieses Leitziel zu erreichen, ist eine integrierte Politik, eine Integration von Wirtschaftspolitik, Finanzpolitik, Technologiepolitik, Umweltpolitik und
Erziehungspolitik erforderlich. Empfehlenswert ist es deswegen, die Umweltvorsorgepolitik, technische Innovationen, Verhaltensänderungen und institutionelle Innovationen miteinander zu verbinden und in einem integrierten und systemischen Ansatz zu vereinen.
Um China davor zu bewahren, im Zuge seiner Industrialisierung die gleichen Fehler
zu machen, wie die klassischen Industrienationen, müssen rechtliche Regelungen
geändert und zweckentsprechende marktwirtschaftliche Steuerungsinstrumente eingesetzt werden, die das relative Kostenverhältnis verändern und zusätzlich ordnungspolitische Regulierungen vorsehen. Damit eine derartige Veränderung der Anreizsysteme eine ausreichende Wirkung zeigt, müssen andere vorhandene institutionelle Regelungen entsprechend geändert werden, und zwar in der Richtung, dass
diejenigen, die über Umweltbelastungen und Ressourcenverbrauch entscheiden,
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auch die finanziellen Folgen dieser Entscheidungen zu tragen haben bzw. durch geeignete Regelungen ein Interesse an den finanziellen Folgen solcher Entscheidungen
erlangen.
In der Zukunft muss also eine besondere Belastung derjenigen Systeme, Unternehmen, Betriebe und Wirtschaftszweige erfolgen, welche die Umwelt am stärksten beanspruchen. Dies muss als eine Korrektur der bisherigen ungerechtfertigten Ungleichheiten bei der Ausbeutung der Natur begriffen und definiert werden.
Abschließend ist zu bemerken, dass die positive Beziehung zwischen Lebensqualität
auf der einen und materiellem und energetischem Stoffwechsel auf der anderen Seite
stärker zu beachten ist. Der gesellschaftliche Stoffwechsel ist mindestens so groß wie
die Summe der Stoffwechsel der Menschen, die in der Gesellschaft leben. Je mehr
Menschen in einer Gesellschaft leben, desto größer ist der minimal notwendige gesellschaftliche Umsatz an Material und Energie. Dieses notwendige Minimum deckt
sich aber keineswegs mit den empirisch beobachtbaren Werten: Das Ausmaß an materiellen Gütern, das als für "Lebensqualität" erforderlich erachtet wird, wird kulturell wahrgenommen und kulturspezifisch generiert. Es ist ein Produkt der gesellschaftlichen Ausformung von Lebensstilen.
In den Anhängen zu dem Buch werden Auszüge aus dem Nationalen Umweltplan
für die Volksrepublik (1998-2002), aus der Nationalen Agenda 21 Chinas und dem
Gesetz über das Management der Landesflächen in der Fassung der Novelle von
1998 wiedergegeben.
>>www.FAGUS-Berlin.de
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