50 Wald & Jagd BAUERNBLATT l 19. September 2015 ■ ganz allein auf den Weg. Leider: Bei der Überquerung von Syrien, dem Libanon und dem Süden der Türkei sind Schreiadler immer wieder vom Abschuss durch Wilderer gefährdet. Mittel- und Kurzstreckenzieher wie Kraniche und Gänse fliegen sehr spät los. Sie sind tagsüber in typischer V-Formation am Himmel zu beobachten. Dabei unterstützen sich die Vögel gegenseitig: Kraftaufwendige Flugpositionen werden re- gelmäßig gewechselt. Das ist clever. Wer lange vorne geflogen ist, kann an anderer Stelle weiter hinten Energie sparen und sich erholen. Ende Oktober sind die meisten Zugvögel aus Deutschland abgereist. Einsam wird es trotzdem nicht, denn einige Arten harren den Winter bei uns aus. Dazu gehört der Eichelhäher. Er hat im Herbst vorgesorgt und Eicheln im Boden vergraben, damit er auch im Winter zu fressen hat. Der Kleiber versteckt Samen und Nüsse unter Baumrinden. Andere Arten kommen aus dem Norden hinzu. Blau- und Kohlmeisen stellen im Winter ihre Ernährung um. Da sie im Winter kaum noch Insekten finden, weichen sie zusätzlich auf Samen und Körner aus. „Während die heimischen Vögel Deutschland verlassen haben, kommen aus dem hohen Norden neue Gäste hinzu“, sagt Peer Cyriacks. „Im heimischen Garten be- merkt man den Unterschied kaum – genaues Hinschauen lohnt sich.“ Auch Raufußbussard, Saatgänse oder die bunten Seidenschwänze kommen aus dem Nordosten Europas zu uns, um der nordischen Kälte und dem Nahrungsmangel zu entgehen. Eva Goris Deutsche Wildtier Stiftung Tel.: 040-9 70 78 69-13 [email protected] Marderhunde in Schleswig-Holstein: Der „Obstfuchs“ ist auf dem Vormarsch Der Marderhund, Tanuki oder Enok, seltener auch Obstfuchs genannt, (Nyctereutes procyonoides) ähnelt in seiner Gestalt einer Mischform aus Mardern und Hunden. So lässt sich sein Name erklären. Man hielt ihn lange Zeit für einen besonders primitiven Wildhund. Diese Ansicht wird heute kaum noch von Zoologen geteilt. Er gilt nun als Mitglied der Hundefamilie, das durch die Evolution das Aussehen von Marderartigen erworben hat. Merkmale Im Aussehen ähnelt der Marderhund dem Waschbären, unterscheidet sich jedoch insbesondere in der geteilten Gesichtsmaske. Seine Länge beträgt etwa 50 bis 68 cm, hinzu kommen 13 bis 25 cm Schwanz. Die Höhe beträgt bis zu 0,5 m, das Gewicht liegt zwischen 4 und 10 kg. Das weiche Fell ist beigegrau an den Flanken, am Bauch und am Rücken schwarzbraun. Die Laute der Marderhunde ähneln eher einem katzenartigen Geräusch als einem Bellen. Die Welpen geben oft ein leises Fiepen von sich, und die Muttertiere knurren bei Gefahr. Lebensraum Der Marderhund ist ein sehr scheuer und nachtaktiver Bewohner von Wäldern und Regionen mit viel Unterholz. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des Marderhunds umfasst das östliche Sibirien, das nordöstliche China und Japan. Für Europa ist er ein Neozoon, eine Neueinbürgerung, in der Vergangenheit ausgesetzt, um das Marderhundfell wirtschaftlich zu nutzen. Im 19. Jahrhundert führte man Marderhunde in Westrussland ein. Zwischen 1928 und 1950 wurden in der Ukraine nahezu 10.000 Tiere ausgesetzt. Diese vermehrten sich im westlichen Teil des Landes, tauchten 1931 in Finnland, 20 Jahre später in Rumänien und in Polen auf, später auch in Österreich und in der Schweiz. liegt; die mittlere Jahrestemperatur sollte über 1 bis 2 ºC liegen. Die Streifgebiete sind, abhängig vom Nahrungsangebot und Klima, unterschiedlich groß: Hierzulande sind das etwa 150 ha. Marderhunde sind dämmerungs- und nachtaktiv, ihre Lebenserwartung liegt in der freien Natur bei sechs bis acht Jahren. Ernährung Marderhunde sind Allesfresser: Sie fressen Mäuse, Vögel, Eier, Fische, Kröten, Schnecken und Insekten ebenso wie Eicheln, Nüsse, BeeMarderhund. Foto: landpixel ren und Obst, auch Aas. In 77 % aller JungtierSeit 1960 breitet sich der Marder- mägen fanden sich 2006 in einer Unhund in Deutschland aus. Mittlerwei- tersuchung Insekten und nur in gele kommt er deutschlandweit vor, ringem Umfang Säugetiere und Voauch bei uns in Schleswig-Holstein ist gelreste. Gut gefüllte Mägen enthieldas Tier kein seltener Gast mehr. So ten vor allem Früchte. Bei Alttieren wurde sein Vorkommen in einem war der Anteil kleiner Wirbeltiere Drittel aller Jagdreviere bestätigt. deutlich höher, neben Fröschen und Kröten waren insbesondere Mäuse, Spitzmäuse und Maulwürfe in der Lebensweise Nahrung häufig vertreten. Der Anteil Der Marderhund ist monogam an aufgenommenem Aas war hoch. und bleibt ein Leben lang im Paar zu- Die Hälfte der Mägen enthielt Inseksammen. Beide Partner kümmern ten. Im Sommer und Herbst ist der sich um die sechs bis zehn Welpen. Anteil an Pflanzenkost besonders Als einzige Vertreter der Hunde hal- hoch. Der Marderhund ist demnach ten Marderhunde in Gegenden mit kein Jäger wie der Rotfuchs, sondern harten Wintern eine Winterruhe, in eher ein gemächlicher Sammler wie Finnland beispielsweise beziehen sie der Dachs. Zum Klettern ist er nicht ihre Winterhöhlen etwa von Novem- in der Lage, deshalb sucht er seine ber bis März. Bei milder Witterung Beute unter Sträuchern und oft auch verlassen sie dort gelegentlich ihren am Wasserufer. Bau oder ziehen sogar in einen anderen um. In Gegenden mit milden Fressfeinde und Parasiten Wintern sind sie das ganze Jahr über aktiv. Marderhunde können in BereiZu den natürlichen Feinden der chen überleben, in denen an nicht Marderhunde zählen Luchs, Wolf, mehr als etwa 175 Tagen Schnee Braunbär und für Jungtiere der Uhu. Als Parasit befällt der Fuchsbandwurm den Marderhund. Der Marderhund als Neozoon Während der Marderhund in Japan selten geworden ist, nimmt seine Zahl in Europa stetig zu. Weil derartige Neozoen, die in der neuen Umgebung keine natürlichen Feinde besitzen, das Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen können, wird die Ausbreitung des Marderhundes oft kritisch gesehen. Es wird vor allem befürchtet, dass er auf Wiesen, in Küstenschutzgebieten und in Höhlen brütende Vogelarten verdrängen könnte. Nach der Berner Konvention von 1999 soll die Ausbreitung invasiver Tierarten wie des Marderhunds kontrolliert werden. Seit 1996 wurde der Marderhund nach und nach von den einzelnen Bundesländern ins Jagdrecht aufgenommen. Bereits auf dem Bundesjägertag 2005 forderte die Jägerschaft eine „nationale Strategie gegen invasive gebietsfremde Arten“. Das Umweltministerium SchleswigHolstein gibt in seinem Jahresbericht für 2014 „Jagd und Artenschutz“ dazu an: „Waschbär und Marderhund haben sich in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahrzehnt stark ausgebreitet.“ Besonderes Augenmerk sei auf die Marderhundstrecke zu legen. Sie habe im vergangenen Jagdjahr nochmals um 31 % auf nunmehr 2.017 Stück zugenommen (Vorjahr 1.542 Stück). Die Strecke der Waschbären bewegt sich im Gegensatz dazu auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Die Waschbärstrecke habe um 26 % auf 40 Stück abgenommen. Als Trendwende könne dieses rückläufige Ergebnis noch nicht gewertet werden. Isa-Maria Kuhn Landwirtschaftskammer