UNTERNEHMENSFÜHRUNG zfo wissen Implementierung einer kundenorientierten Unternehmensführung Ansatzpunkte einer Integrierten Kundenorientierung Manfred Bruhn Einleitung 1. Grundlagen einer kundenorientierten 2. Konzept der Internen Kundenorientierung 3. Organisatorisch-strukturelle Perspektiven Bezug auf organisatorisch-strukturelle sowie personell-kulturelle Perspektiven thematisiert. Unternehmensführung 1. Grundlagen einer kundenorientierten Unternehmensführung der Internen Kundenorientierung 3.1 Kundenorientierte Aufbau- und Prozessorganisation 3.2 Kundenorientierte Informations- und Kommunikationssysteme 3.3 Kundenorientierte Steuerungssysteme 4. Personell-kulturelle Perspektiven der Internen Kundenorientierung 4.1 Kundenorientierte Personalmanagementsysteme 4.2 Kundenorientierte Unternehmenskultur Zusammenfassung/Summary Anmerkungen Einleitung In Wissenschaft und Praxis besteht heute weitgehend Einigkeit darüber, dass die Fähigkeit von Unternehmen, kundenorientierte Strategien intern und extern durchzusetzen, einen zentralen Erfolgsfaktor der Unternehmensführung darstellt. Vielfach ist aber in der Praxis festzustellen, dass die eigentliche Umsetzung der geplanten Unternehmensstrategien und Konzepte nur sporadisch erfolgt bzw. der erhoffte Erfolg nicht erzielt wird. Die Gründe für das Scheitern von kundenorientierten Strategien sind vor allem in Mängeln bei der internen Ausrichtung der Unternehmensstrukturen, Unternehmenssysteme sowie der Unternehmenskultur am Kundeninteresse zu suchen. Die auftretende Implementierungslücke entsteht aufgrund von fehlenden internen Rahmenbedingungen, die notwendig sind, damit die erarbeiteten kundenorientierten Strategien von den Mitarbeitern umgesetzt werden können. Im Folgenden werden die zentralen internen Anforderungen und Gestaltungsmerkmale in zfo 1/2003 (72. Jg.), Seite 13–19 Als wesentlicher Erfolgsgarant für die Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen gilt auch im neuen Millennium, dass alle Unternehmensaktivitäten konsequent am Absatzmarkt ausgerichtet werden müssen. Während im Bereich der Wissenschaft mehrere empirisch fundierte Untersuchungen einen positiven Zusammenhang zwischen dem Grad der Kundenbzw. Marktorientierung und dem Geschäftserfolg nachweisen1, wird der Kundenorientierung auch in der Unternehmenspraxis eine höhere Bedeutung beigemessen als noch vor einigen Jahren2. Die starke Ausrichtung auf die Kundenwünsche und -bedürfnisse ist nicht zuletzt auf die Veränderungen der Märkte zurückzuführen. Im Rahmen einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Kundenorientierung sind inzwischen zahlreiche Konzepte entwickelt worden, die von der Messung der Kundenzufriedenheit, aufwändigen Beschwerdemanagementsystemen und Kundenbindungsprogrammen bis hin zu umfangreichen Restrukturierungsvorhaben reichen. Seit einigen Jahren versprechen zunehmend auch neue Schlagworte wie Customer Relationship Management (CRM ), Business Intelligence, Data Mining usw. Lösungsansätze, mit deren Hilfe die Ausrichtung aller Unternehmensaktivitäten an den Kundenanforderungen optimiert werden soll. Nach wie vor bestehen in der Unternehmenspraxis starke Diskrepanzen zwischen Anspruch und Realität der Kundenorientierung. Dies bestätigt u. a. die neueste Studie der Unternehmensberatung Droege & Comp., die zum Teil gravierende Unterschiede zwischen der Selbsteinschätzung der Kundenorientierung und tatsächlich gemessener operativer Umsetzung von Einzelmaßnahmen festgestellt hat.3 Ein wesentlicher Grund für die Implementierungsprobleme der Praxis liegt darin, dass Rahmenbedingungen, die notwendig sind, damit die erarbeiteten kundenorientierten Strategien durch die Mitarbeiter umgesetzt werden können, nicht geschaffen wurden. 13 zfo wissen UNTERNEHMENSFÜHRUNG Hier setzt das Konzept der Integrierten Kundenorientierung4 an. Ihr Ausgangspunkt ist die Idee, die Kundenorientierung auch nach innen zu tragen. Die unternehmensinternen Strukturen und Systeme sowie die Unternehmenskultur werden demnach auf der Basis externer Anforderungen auf ihre Defizite hin überprüft. Im Kern geht es dabei um folgende Fragestellung5: Wie muss sich ein Unternehmen intern, d. h., in Bezug auf seine Struktur, seine Systeme mit den darin ablaufenden Prozessen und seine Kultur, ausrichten, damit es den externen Anforderungen einer kundenorientierten Unternehmensführung gerecht werden kann? Die Thematik beinhaltet somit nicht nur eine Betrachtung von internen Kunden-Lieferanten-Beziehungen oder dem Internen Marketing. Vielmehr umfasst sie neben einer Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation sowie der Unternehmenskultur insbesondere die verschiedenen Aspekte des marktorientierten Personalmanagements, der Informations- und Kommunikationssysteme sowie zielführender Steuerungssysteme. 2. Konzept der Internen Kundenorientierung Im Rahmen der Integrierten Kundenorientierung, bei der zwei Perspektiven der Kundenorientierung – nach innen (= Unternehmen) und nach außen (= Markt) – integriert werden (vgl. Abbildung 1), muss das besondere Augenmerk auf die Interne Kundenorientierung gelegt werden. Eine systematische Auseinandersetzung mit Forschungsbeiträgen zum Thema Kundenorientierung führt jedoch zu der Feststellung, dass sich zum einen trotz der Aktualität des Themas nur sehr wenige Beiträge explizit mit der Internen Kundenorientierung auseinander setzen und zum anderen der Begriff noch in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet wird.6 Abb. 1 I n t e g r a t i o n d e r I n t e r n e n u n d E x t e r n e n Kundenorientierung Integrierte Interne Kundenorientierung Externe Kundenorientierung Unternehmen Markt Kundenorientierte Unternehmensführung fit fit fit Kundenorientierte Strukturen Kundenorientierte Systeme Kundenorientierte Kultur Aufbauorganisation Informationssysteme Unternehmenskultur Ablauforganisation (Prozessorganisation) Kommunikationssysteme Subkulturen (z. B. Abteilungsebene) Steuerungssysteme Individuelle Perspektive Personalmanagementsysteme Abb. 2 G e s t a l t u n g s a n s ä t z e d e r I n t e r n e n Kundenorientierung Unternehmen sind somit gefordert, funktionsübergreifend die notwendigen Rahmenbedingungen zur Umsetzung von Kundenorientierung zu schaffen. Allerdings geht es dabei nicht nur um einzelne Aspekte, wie etwa den Einsatz von Informationstechnologien oder die Regelmäßigkeit von Kundenzufriedenheitsstudien, sondern darum, dass die Entscheidungsträger die Bedürfnisse der Kunden in der Alltagssituation wirklich verstehen.7 Hierzu bedarf es einer integrierten Gestaltung der Strukturen, Systeme und der Kultur in Bezug auf das Unternehmensziel. Zur Bewältigung dieser Herausforderung kann der in Abbildung 2 dargestellte Bezugsrahmen herangezogen werden. Er beschreibt im Zusammenhang mit der Realisierung der externen Kundenorientierung durch interne Kundenorientierung drei Bereiche. Zunächst ist es für eine erfolgreiche Umsetzung einer externen Kundenorientierung erforderlich, dass intern kundenorientierte Unternehmensstrukturen bestehen (Strategie-Struktur-Fit). Weiterhin kann die Umsetzung der Kundenorientierung dadurch behindert werden, dass im Unternehmen Systeme fehlen, die das Management der Kundenbeziehungen steuern (StrategieSystem-Fit). Als dritte Dimension des Bezugsrahmens ist die Umsetzung einer kundenorientierten Kultur zu nennen (Strategie-Kultur-Fit). Der Bezugsrahmen der Internen Kundenorientierung zeigt ein breites Spektrum möglicher Maßnahmen auf, die teilweise relativ leicht, mitunter jedoch auch nur langfristig und gegen erhebliche Widerstände, umgesetzt werden können. Im Folgenden werden die zentralen Elemente näher charakterisiert. Kundenorientierung 14 zfo 1/2003 UNTERNEHMENSFÜHRUNG 3. Organisatorisch-strukturelle Perspektiven der Internen Kundenorientierung gemeinsamen Entwicklung von ECR (Efficient-ConsumerResponse)-Konzepten.11 3.2 Mit der Verschiebung der Akzentuierung im Marketing von der Transaktions- zur Beziehungsorientierung haben sich auch die Anforderungen an die Organisationsstrukturen geändert.8 Vor dem Hintergrund einer kundenorientierten Unternehmensführung ist festzustellen, dass traditionelle Organisationsformen erhebliche Nachteile in Bezug auf Flexibilität und das Reaktionsvermögen aufweisen. Das gilt z. B. aufgrund hoher Formalisierung, geringer Entscheidungsdelegation und zu vieler Hierarchiestufen für die Spartenoder Produktorganisation. Es stellt sich somit die Frage, wie sich ein Unternehmen intern organisieren muss, damit die externen Ziele (u. a. Qualität, Prozessorientierung, Effizienz) erreicht werden können. 3.1 Kundenorientierte Aufbauund Prozessorganisation Die Ausrichtung am Kunden erfordert eine Anpassung bzw. Umgestaltung der bisherigen Unternehmensstrukturen.9 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine getrennte Behandlung aufbau- und ablauforganisatorischer Fragestellungen sich allein auf die Berücksichtigung von Teilproblemen in unterschiedlichen Phasen des Gestaltungsprozesses bezieht. In der Praxis umfassen Organisationsstrukturen jedoch immer sowohl aufbau- als auch ablauforganisatorische Komponenten. Aufbauorganisatorisch ist es u. a. erforderlich, eine starke Hierarchisierung im Unternehmen zu verringern (Bildung dezentraler Einheiten) bzw. Kontaktstellen für die Kunden einzurichten, um so einen besseren und direkteren Informationsfluss und entsprechend eine höhere Flexibilität zur Lösung der kundenseitigen Probleme zu ermöglichen. Der Hierarchieabbau ist jedoch nicht gleichbedeutend mit einer vollständigen Auflösung der bisherigen Unternehmensstruktur. Vielmehr bilden sich hybride Organisationsformen, die – je nach Bedarf – unterschiedlich ausgerichtete organisatorische Lösungen hervorbringen.10 Ablauforganisatorisch geht es um Fragen der übergreifenden Zusammenarbeit von Abteilungen. In diesem Zusammenhang gewinnt eine konsequente Prozessorganisation zunehmend an Bedeutung. Dabei werden die organisatorischen Abläufe unter dem Aspekt der Wertschöpfungskette betrachtet – vom Zulieferer über die verschiedenen Stufen im Unternehmen bis hin zum Handel –, mit dem Ziel, sämtliche kundenbezogenen Prozesse zu optimieren. Folglich ist eine bestmögliche Zusammenarbeit der einzelnen Wertschöpfungspartner anzustreben, um schnell und flexibel auf Kundenwünsche reagieren zu können. Ein Beispiel für eine Wertschöpfungspartnerschaft im Konsumgüterbereich ist der Zusammenschluss mehrerer Händler und Hersteller zur zfo 1/2003 zfo wissen Kundenorientierte Informationsund Kommunikationssysteme Die konsequente Orientierung am Kunden führt zu einer Neugestaltung der Informations- und Kommunikationssysteme. Zur zielgerichteten Steuerung des Informationsflusses im Unternehmen bedarf es der Integration sämtlicher in einem Unternehmen anfallender kundenrelevanter Informationen. Hierzu zählen z. B. Informationen über zuletzt getätigte Umsätze, eingegangene Beschwerden oder besondere Wünsche eines Kunden. Aus den hieraus resultierenden Aufgaben (Kundenanalyse, Kundenbearbeitung und Kundenkommunikation) ergibt sich für Unternehmen die Notwendigkeit, die vorhandenen Technologien bzw. die IT -Infrastruktur zu evaluieren und zielgerichtet analytische, operative und kommunikative Informationssysteme einzusetzen. Zentrale Gestaltungsaspekte sind hierbei der Aufbau einer integrierten Kundendatenbank sowie die Sammlung, Speicherung, Auswertung und Weiterleitung aller relevanten Kundeninformationen. Der Aufbau und die Pflege einer zentralen Datenbank im so genannten Data Warehouse12, wobei Einträge aus den operativen Systemen gesammelt, geordnet und verdichtet werden, um sie letztlich als Wissensgrundlage für sämtliche Mitarbeiter zur Verfügung stellen zu können, hilft z. B. bei der Individualisierung des Stammkundengeschäfts. Die operativen Daten werden i. d. R. speziell für Fragestellungen der einzelnen Fachabteilungen aufbereitet. So können z. B. die im Kundenkontakt ermittelten Kundenwünsche von den Mitarbeitern der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bei der Produktentwicklung berücksichtigt oder von der Marketingabteilung als Grundlage für individualisierte Produktvorschläge herangezogen werden. Je detaillierter die gespeicherten Informationen über den Kunden sind, desto persönlicher kann die Beziehung gestaltet werden. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe ist der Einsatz von Data-Mining-Werkzeugen von besonderem Interesse.13 Diese können mittels komplexer Methoden aus den Bereichen der wissensbasierten Systeme und der Statistik helfen, wirtschaftlich wertvolle Informationen aus Massendaten zu extrahieren.14 Um auch den Austausch kundenrelevanter Daten zwischen den Wertschöpfungspartnern sicherzustellen, ist das Informationssystem so zu gestalten, dass nicht nur unternehmenseigene Daten gespeichert und verarbeitet werden, sondern vor- und nachgelagerte Partner ebenfalls in das System einbezogen werden.15 Kundenorientierte Kommunikationssysteme zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine deutliche Nähe zwischen Unternehmen bzw. dessen Mitarbeitern und Kunden ermöglichen. Der Begriff der »externen Kommunikation« fasst die Kontakte des Unternehmens bzw. seiner Mitarbeiter mit den 15 zfo wissen UNTERNEHMENSFÜHRUNG Ansprechpartnern außerhalb des Unternehmens (z. B. Kunden, Absatzmittler, Lieferanten) zusammen. Die interne Kommunikation läuft innerhalb des Unternehmens ab und beinhaltet zum einen die horizontale Kommunikation der Mitarbeiter untereinander und zum anderen die vertikale Kommunikation der Vorgesetzten mit ihren Mitarbeitern16. Bei der Implementierung kundenorientierter Kommunikationssysteme ist auf die Möglichkeit der zweiseitigen Kommunikation mit den jeweiligen Ansprechpartnernn zu achten. Die externen und internen asynchronen Formen der Kommunikation ermöglichen dem Adressaten, durch Response-Elemente mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten. Jedoch führen erst die synchronen Formen der externen und internen Kommunikation zu einem wirklichen Dialog zwischen beiden Kommunikationspartnern. Der Einsatz multimedialer Kommunikationssysteme öffnet einen zusätzlichen wichtigen Kommunikationskanal zur Interaktion mit den externen und internen Anspruchsgruppen. Hierzu zählen z. B. Direct Mailing, Internet, Intranet und Business TV.17 3.3 Kundenbindungs- und das Value Management zur personenbezogenen Unterstützung der Kundenorientierung. Durch den Einsatz dieser Instrumente kann die Realisierung der so genannten »Erfolgskette der Kundenorientierung« positiv beeinflusst werden. 4. Personell-kulturelle Perspektiven der Internen Kundenorientierung Zum Erfolg einer kundenorientierten Unternehmensführung trägt das Personal eines Unternehmens entscheidend bei. Das Verhalten der Mitarbeiter, das u. a. durch die gesamte Unternehmenskultur geprägt wird, beeinflusst die wahrgenommene Qualität der Leistung und damit auch die Zufriedenheit der Kunden. Deswegen wird ein Unternehmen großen Wert darauf legen, dass die Mitarbeiter kundenorientiert denken und handeln. Vor diesem Hintergrund ergeben sich Konsequenzen für das Personalmanagement und für die Unternehmenskultur. Kundenorientierte Steuerungssysteme 4.1 Kundenorientierte Personalmanagementsysteme Neben der Einführung von Informations- und Kommunikationssystemen muss zur erfolgreichen Implementierung der Kundenorientierung gleichzeitig eine Etablierung von Steuerungssystemen erfolgen. Zu den in dieser Hinsicht besonders relevanten operativen Steuerungssystemen zählen das Qualitäts-, Kundenbindungs-, Beschwerde- und Value Management (vgl. Abbildung 3).18 Während das Qualitäts- und das Beschwerdemanagement auf eine leistungsbezogene Unterstützung der Kundenorientierung zielen (Sicherstellung einer hohen Leistungsqualität bzw. Reaktion auf Leistungsfehler), dienen das Der Wandel der Personalabteilung zu einem internen Dienstleister erfordert, dass das in der Vergangenheit klassischerweise nur innenorientierte Personalmanagement mit einer kundenorientierten Schwerpunktlegung neu zu gestalten ist. Die kundenorientierte Ausrichtung von Personalmanagementsystemen betrifft dabei die Gestaltung von drei Kernsystemen: Personalgewinnung, Personalentwicklung sowie Anreiz- und Vergütungssysteme.19 Bei der Mitarbeiterakquisition ist zunächst auf die Sozialkompetenz der zukünftigen Mitarbeiter zu achten.20 Während Fachwissen, der Umgang Abb. 3 I n s t r u m e n t e z u r Steuerung der Erfolgsket- Service-Instrumente te der Kundenorientierung Qualitäts-management Kundenorientierung Kundenzufriedenheit Kundenbindungsmanagement Beschwerdemanagement Kundenbindung Kundenwert Value Management Relationship-Instrumente 16 zfo 1/2003 UNTERNEHMENSFÜHRUNG mit Technik u. Ä. im Rahmen von Schulungen vermittelt oder verbessert werden können, stellt die grundsätzliche Serviceund Kommunikations- bzw. Kontaktbereitschaft einen Bestandteil der menschlichen Persönlichkeit dar und kann nur bedingt in Schulungen erlernt werden. Im Rahmen der Einstellung von Kundenkontaktmitarbeitern sind demzufolge neben schriftlichen Eignungstests und Vorstellungsgesprächen auch Verhaltenstests (Rollenspiele, Gruppendiskussionen u. Ä.) durchzuführen, bei denen die Bewerber mit »realen« Kundenkontaktsituationen konfrontiert werden.21 Des Weiteren ist eine kontinuierliche Personalentwicklung erforderlich, also die Auswahl geeigneter Entwicklungsmaßnahmen für Mitarbeiter, ihre Durchführung und Kontrolle22. Mithilfe von Personalentwicklungsmaßnahmen sind neben konzeptionellen, d. h., fachlichen und methodischen Fähigkeiten, auch die Fähigkeit zu verantwortlichem Handeln und kundenorientiertem Verhalten sowie die Eigeninitiative der Mitarbeiter zu wecken bzw. zu trainieren. Im Rahmen des Mitarbeitertrainings wird somit das Ziel verfolgt, Sozialkompetenzen wie die Fähigkeit zum aktiven Zuhören, die Beherrschung einer kundenorientierten Sprache sowie die Kommunikationskompetenz zu schulen.23 Damit Mitarbeiter auch bereit sind, die in den qualitätsbezogenen bzw. kundenorientierten Schulungen vermittelten Erkenntnisse der Kundenorientierung umzusetzen und die in den Unternehmensgrundsätzen festgelegten Standards zu erfüllen, ist es ebenfalls erforderlich, dass Unternehmen geeignete Motivationsmaßnahmen – insbesondere kundenorientierte Anreiz- und Vergütungssysteme – einsetzen (vgl. Abbildung 4). In der Literatur finden sich verschiedene Beiträge, in denen der Vergütung bei der Durchsetzung eines markt- und kundenorientierten Mitarbeiterverhaltens eine große Bedeutung beigemessen wird.24 Im Rahmen eines kundenorientierten Vergütungssystems werden z. B. monetäre Zusatzanreize in Form von variablen Lohn- oder Gehaltszahlungen angeboten, die aufgrund einer kundenorientierten Bemessungsgrundlage – z. B. der Kundenzufriedenheit – berechnet werden.25 Ein Blick in die Praxis legt allerdings offen, dass bei der Umsetzung von Anreiz- und Vergütungssystemen dieser Art Schwächen sowohl in konzeptioneller Hinsicht als auch in der praktischen Durchführung existieren. Die derzeitige Vergütungspraxis ist noch primär operativ ausgerichtet, d. h., es wird nur das taktisch-operative zfo wissen Verhalten honoriert. So erfolgt die Vergütung oft nur nach finanziellen Ergebnisindikatoren (Umsatz usw.), während die Kundenzufriedenheit und andere vorökonomische Größen nur teilweise als Indikatoren berücksichtigt werden. Notwendige Voraussetzungen für die Einführung eines kundenorientierten Vergütungssystems sind aber die Existenz variabler Vergütungskomponenten und die Durchführung regelmäßiger Kundenzufriedenheitsmessungen. 4.2 Kundenorientierte Unternehmenskultur Für die Implementierung einer kundenorientierten Unternehmensführung ist eine Unternehmenskultur mit stark ausgeprägter Kundenorientierung erforderlich. Denn diese Kultur kann das Mitarbeiterverhalten stärker beeinflussen als es etwa die Strukturen oder Systeme in einem Unternehmen können.26 Hieraus ergibt sich für Unternehmen die Herausforderung, die kundenorientierte Einstellung gezielt auf drei Ebenen – Unternehmen, Gruppe/Abteilungen und Individuum – zu fördern. Auf Unternehmensebene ist – im Sinne einer Konsenskultur – ein Selbstverständnis des Unternehmens zu schaffen, das zu einem kundenorientierten Verhalten aller Mitarbeiter führt. Am ehesten ist dies durch Leitsätze, Visionen oder die Philosophie eines Unternehmens mit dem Schwerpunkt auf Qualitätsführerschaft oder Kundenorientierung zu prägen. Neben der so genannten Einheitskultur, die im gesamten Unternehmen vorherrscht, können insbesondere in divisionalisierten, dezentral organisierten Unternehmen so genannte Subkulturen entstehen und neben der Einheitskultur existieren.27 Da Subkulturen die Entwicklung einer stark ausgeprägten Einheitskultur verhindern können, ist es sehr wichtig, dass auf Abteilungsebene die Unternehmensgrundsätze, Prämissen und Werte durchgesetzt werden. Auf individueller Ebene sind Entscheidungsrechte zu verlagern und autonome Handlungsspielräume auf Mitarbeiter unterer Hierarchieebenen zu übertragen. Insbesondere durch kundenorientierte Führungsstile und Empowerment28 können Kundenkontaktmitarbeiter eine verstärkte Kundennähe realisieren. Ein klassisches Beispiel für erfolgreiches Empowerment ist die Hotelkette Ritz-Carlton: Jeder Mitarbeiter des Hotels ist bei einer Beschwerdeführung befugt, über einen Betrag von bis zu 2.000 Dollar frei zu verfügen, um den Kunden wieder zufrieden zu stellen. Abb. 4 A u f b a u e i n e s kundenorientierten Administrativer Rahmen Effizienzkontrolle Ziele 5 Anreizsystem 1 zfo 1/2003 2 Ausschüttungssystem 3 Messsystem 4 Ve r g ü t u n g s s y s t e m s 6 17 zfo wissen UNTERNEHMENSFÜHRUNG Zusammenfassung/Summary Während in Wissenschaft und Praxis heute weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass die Fähigkeit von Unternehmen, kundenorientierte Strategien intern und extern durchzusetzen, einen zentralen Erfolgsfaktor der Unternehmensführung darstellt, belegen Studien weiterhin, dass viele Unternehmen an der Umsetzung von kundenorientierten Konzepten und Ansätzen scheitern. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel dieses Beitrags, sich in kompakter, systematischer Form mit den Problembereichen auseinander zu setzen und insbesondere die Aspekte der internen Anforderungen sowie die sich daraus ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten in den Vordergrund zu rücken. Als Ausgangspunkt wird das Konzept der Internen Kundenorientierung gesehen, bei dem es sich um eine systematische Verknüpfung von interner und externer Kundenorientierung handelt. Obwohl die notwendigen Veränderungen bezüglich der Strukturen, Systeme und Prozesse sowie der Unternehmenskultur erörtert wurden, ist festzustellen, dass die meisten Maßnahmen zur Überwindung der Implementierungsbarrieren einen stark normativen Charakter aufweisen. In diesem Bereich ist die Forschung noch mit zahlreichen offenen Fragestellungen konfrontiert, die einer intensiven theoretischen, methodischen und empirischen Durchdringung bedürfen. In science and practice, there is today agreement to a large extent over the fact that the ability of companies to transform customer-oriented strategies both internally and externally represents a central success factor of the management. However, it has to be stated that often the actual implementation of planned corporate strategies and concepts takes place only sporadically, sometimes leading to no success at all. The reasons for the failure of customer-oriented strategies can be attributed to three problem areas: corporate structures, corporate systems as well as the corporate culture. That is, the occurring implementation gap develops due to missing internal prerequisites, which are necessary, so that the customeroriented strategies can be transformed by the employees. Therefore, this article focuses on the central internal requirements and specific organizational-structural as well as personnel-cultural features that need to be considered for a successful implementation of customeroriented strategies. 18 Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Vgl. Narver, J.C./Slater, S.F.: The Effect of a Market Orientation on Business Profitability. In: Journal of Marketing, Vol. 54, 1990, H. 10, S. 20–35; Jaworski, B.J./Kohli, A.K.: Market Orientation: Antecedents and Consequences. In: Journal of Marketing, Vol. 57, 1993, H. 7, S. 53–70. Vgl. Day, G.: What Does it Mean to be Market-Driven? In: Business Strategy Review, Vol. 9, 1998, H. 1, S. 1–14. Vgl. Droege & Comp.: Triebfeder Kunde IV. Bestandskunden im Fokus, Vierte Studie von Droege & Comp. zur Kundenorientierung deutscher und internationaler Unternehmen. Düsseldorf 2000. Vgl. Bruhn, M.: Integrierte Kundenorientierung. Implementierung einer kundenorientierten Unternehmensführung, Wiesbaden 2002. Vgl. Bruhn, M.: a.a.O., S. 19. Vgl. für eine Übersicht Bruhn, M.: a.a.O., S. 27. Fournier, S./Dobscha, S./Mick, D.G.: Beziehungsmarketing. Des Guten zuviel für die Stammkäufer. In: Harvard Business Manager, 20. Jg., Nr. 3, S. 106. Vgl. Bruhn, M.: Customer-Relationship-Management – die personellen und organisatorischen Anforderungen. In: Zeitschrift Führung und Organisation, 71. Jg., 2002, Nr. 3, S. 138. Vgl. ausführlich Bruhn, M.: Integrierte Kundenorientierung, a.a.O. Ein Beispiel in diesem Zusammenhang ist das von BMW ins Leben gerufene Projekt »Arbeitsstrukturen der Zukunft«, auf dessen Basis sukzessive neue Organisationsformen eingeführt wurden. Vgl. Bihl, G./Thanner, E./Wächter, J.: Anforderungen neuer Arbeitsstrukturen an Führungskräfte und Mitarbeiter. In: Zeitschrift Führung und Organisation, 66. Jg., 1997, Nr. 3, S. 168ff. In den USA hat das Unternehmen Wal-Mart bereits in den 1980erJahren damit begonnen, ECR einzuführen. Die erfolgreiche Umsetzung hat wesentlich zur Steigerung der Flexibilität und Produktivität in der Wertschöpfungskette beigetragen. Vgl. Wilde, K.D.: Data Warehouse, OLAP und Data Mining im Marketing – Moderne Informationstechnologien im Zusammenspiel. In: Hippner, H./Küster, U./Meyer, M./Wilde, K.D. (Hrsg.): Handbuch Data Mining im Marketing. Knowledge Discovery in Marketing Databases, Wiesbaden 2001, S. 1–19. Vgl. Wiedmann, K.-P./Buckler, F./Buxel, H.: Data Mining – ein einführender Einblick. In: Wiedmann, K.-P./Buckler, F. (Hrsg.): Neuronale Netze im Marketing-Management: praxisorientierte Einführung in modernes Data-Mining, Wiesbaden 2001, S. 15–33. Beispielsweise ist es denkbar, mittels eines Vergleichs von Bestellund Interaktionsprofilen Kunden mit ähnlichen Interessen zu identifizieren. So können dem Kunden Produkte angeboten werden, die bereits von anderen Kunden mit vergleichbaren Interessen gekauft wurden. Vgl. Bruhn, M.: Customer-Relationship-Management, a. a. O., S. 139. Vgl. Bruhn, M.: Customer-Relationship-Management, a.a.O., S. 139. Insbesondere die interne Kommunikation kann dazu beitragen, die Mitarbeiter zu informieren und zu einem kundenorientiertem Verhalten zu motivieren. Dabei ist es vor allem entscheidend, den Mitarbeitern Informationen über Philosophie, Werte, Strategie usw. bereitzustellen. Vgl. ausführlich Bruhn, M.: Integrierte Kundenorientierung, a. a. O., S. 129ff. Vgl. ausführlich Bruhn, M.: Integrierte Kundenorientierung, a. a. O., S. 147ff. Vgl. ausführlich Bruhn, M.: Integrierte Kundenorientierung, a. a. O., S. 208ff. Einen zentralen Bestandteil der Sozialkompetenz stellt die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme dar. Das Konzept der Perspektivenübernahme geht davon aus, dass die Perspektivenübernahme als kognitiv-prozedurale Komponente der interpersonalen Kommunikation eine zentrale Voraussetzung für eine kompetente Interaktion ist. Übertragen auf die Mitarbeiter-Kunden-Beziehung müssen dementsprechend die Mitarbeiter in der Lage sein, sich in die Situation bzw. Rolle des jeweiligen Kunden hineinzudenken, um proaktiv Erwartungen und Probleme antizipieren zu zfo 1/2003 UNTERNEHMENSFÜHRUNG 21 22 23 24 25 26 27 können. Vgl. ausführlich Bruhn, M.: Relationship Marketing. Das Management von Geschäftsbeziehungen, München 2001, S. 53ff. Vgl. Bruhn, M.: Integrierte Kundenorientierung, a. a. O., S. 212. Vgl. Becker, M.: Personalentwicklung. Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung in Theorie und Praxis, 2. Aufl., Stuttgart 1999, S. 2ff.; Drumm, H.D.: Personalwirtschaft, 4. Aufl., Berlin u. a 1995, S. 385f. Vgl. Homburg, C./Stock, R.: Der kundenorientierte Mitarbeiter, Wiesbaden 2000. Vgl. Kohli, A.K./Jaworski, B.J.: Market Orientation: The Construct, Research Propositions, and Managerial Implications. In: Journal of Marketing, Vol. 54, 1990, Nr. 4, S. 1–18; Ruekert, R.W.: Developing a Market Orientation: An Organizational Strategy Perspective. In: International Journal of Research in Marketing, Vol. 9, 1992, S. 225–245. Vgl. Homburg, Ch./Jensen, O.: Kundenorientierte Vergütungssysteme: Voraussetzungen, Verbreitung, Determinanten. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 70. Jg., 2000, Nr. 1, S. 55–74. Vgl. Bruhn, M.: Integrierte Kundenorientierung, a. a. O., S. 231. Subkulturen ergeben sich z. B. bei Menschen gleicher ethnischer 28 zfo wissen oder nationaler Herkunft, Einstellungen, Geschlecht, Religion, Berufsausbildung oder Tätigkeit. Vgl. Staehle, W.H.: Management: eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive, 8. Aufl., München 1999, S. 514; Sackmann, S./Bissels, S./Bissels, T.: Kulturelle Vielfalt in Organisationen: Ansätze zum Umgang mit einem vernachlässigten Thema der Organisationswissenschaft. In: Die Betriebswirtschaft, 62. Jg., Januar/Februar 2002, S. 43–58. Empowerment bezeichnet eine Kompetenzerweiterung, d. h., eine Verlagerung von Entscheidungsrechten sowie die Übertragung autonomer Handlungsspielräume auf Mitarbeiter unterer Hierarchieebenen. Dadurch wird Mitarbeitern im direkten Kundenkontakt die Möglichkeit gegeben, die Beziehungen zu den Kunden bewusst zu gestalten und somit den Aufbau und die Intensivierung der Kundenbeziehungen effektiv zu unterstützen. Vgl. Brymer, R.A.: Employee Empowerment. A Guest-Driven Leadership Strategy. In: The Cornell H.R.A. Quarterly, Vol. 32, 1991, Nr. 2, S. 59; Stewart, A.M.: Mitarbeitermotivation durch Empowerment. Mehr Kompetenzen. Bessere Arbeitsergebnisse, Niedernhausen 1997; Blanchard, K./Carlos, J.P./Randolph, A.: Management durch Empowerment. Mitarbeiter bringen mehr, wenn sie mehr dürfen, Berlin 1998. Prof. Dr. Manfred Bruhn Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Marketing und Unternehmensführung, Wirtschaftswissenschaftliches Zentrum (WWZ), Universität Basel. zfo 1/2003 19