Muridismus in Tschetschenien im 19. Jahrhundert

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Jahrbuch 2006
Muridismus in Tschetschenien
im 19. Jahrhundert
ein Vortrag von
Mikheil Samkharadze
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Der Muridenkrieg in Tschetschenien im 19. Jahrhundert
In den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts hatte Russland fast
Mikheil Samkharadze
ganz Kaukasien erobert, es blieben nur noch die „Gorzen“, die
Bergvölker in den höchsten Bergen Nordkaukasiens. Die Ver-
Einleitung
bindungswege waren in der gesamten Region sehr schmal, so
Ende des 18. Jahrhunderts richtete sich Russlands Interesse auf
dass die Dörfer für eine große Armee fast unzugänglich waren.
Kaukasien. Das kaukasische Gebiet war immer ein Streitpunk
Die kleineren Truppen der russischen Armee, die an Kämpfe
der Großmächte. Viele große Länder wollten diese Region
im Gebirge nicht gewöhnt waren, boten den Einheimischen
kontrollieren. Hier haben sich die Interessen Russlands und
ein leichtes Angriffsziel.
eines anderen mächtigen Reiches, der Türkei, getroffen. Aus
Im Vergleich zu anderen Regionen Kaukasiens war die feu-
diesem Zusammenstoß von Interessen resultierten die russisch-
dale Gesellschaftsbildung unter den Bergvölkern nicht so stark
türkischen Kriege. Diese Kriege wurden im Jahr 1829 mit dem
ausgeprägt. Die größte gesellschaftliche Schicht bildeten die so
Friedensvertrag von Adrianopel beendet, und so stand Russ-
genannten „Usdenen“, d. h. freie Bauern. Eine höhere Position
land fast das ganze Nord- und Ost-Kaukasien zur Verfügung.
in der Gesellschaft genossen die Scheiche (Fürsten) und ihre
Aber dieses Gebiet war schon immer schwer zu kontrollieren.
Helfer (Naiben). Dem Scheich kam im sozialen Zusammen-
Durch die Vielzahl kleiner Länder mit verschiedenen Spra-
leben der Bergvölker eine Schlüsselrolle zu: Er traf die wich-
chen, unterschiedlicher Kultur und Religion war die koloni-
tigsten politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen.
satorische Aufgabe für Russland schwer zu verwirklichen. So
Im 19. Jahrhundert versuchte Russland Nordkaukaukasien
führte Russland seine Politik mit Zuckerbrot und Peitsche.
zu seinem Vorposten zu machen, um die Kontrolle auf die
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ganze Region zu erstrecken. Im Zuge dieser Bestrebungen
für alle Muslime. Aber die zweite Stufe, Tarikat, galt nur für
wurden hier viele russische Festungen errichtet. Die Truppen
wenige. Im Tarikat spielten Murschiden, die die Gesetze des
der russischen Armee überwachten ständig Durchfahrtswege
Tarikat lehrten, eine besondere Rolle. Ihre Schüler nannte man
und Kreuzungen. In dieser permanenten Kontrolle sahen die
Muriden. Um die Normen des Tarikats für die Bevölkerung
tschetschenischen und dagestanischen Bergvölker eine Gefahr
zugänglich zu machen, haben Tschetschenen sie umgeformt.
für ihren Lebensstil und eine direkte Provokation.
Diese Erneuerungsbewegung erhielt den Namen Muridismus.
Die Bergvölker betrieben Viehzucht, weil der Ackerbau in ho-
In Dagestan und Tschetschenien hat sich eine militärisch-theo-
hen Bergen nicht möglich war. Die Viehzucht erforderte aber
kratische Einheit unter der Führung des Imams, des geistlichen
viel Platz, woran es in den Bergen mangelte. Zur Sicherung
Führers, herausgebildet. Den Russen wurde Djihad, der heilige
der eigenen Ernährung überfielen die Bergvölker umliegende
Krieg, erklärt. So begann der Kampf um die Freiheit.
Dörfer. Russland konnte ein solches Verhalten nicht zulassen.
Es wollte die ganze Region unter Kontrolle halten und kei-
Muridismus
nerlei Willkür der „Gorzen“ mehr dulden. Deswegen kam es
Der Islam als Religion besteht aus zwei Teilen: „Ussul-ad-din“
ständig zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Russen
ist eine dogmatische Glaubenslehre des Islams. Der zweite
und Tschetschenen. Die Bergvölker konnten dem russischen
Teil, „Ussul-al-fikh“, bildet die Grundlagen des islamischen
Reich nur die islamische Ideologie entgegensetzen.
Rechtssystems. Dieser Teil enthält die praktische Lehre des
In Dagestan und Tschetschenien war der Islam bereits ver-
Islams und gilt als Richtschnur der islamischen Lebensweise.
breitet. Die erste Stufe des suffistischen Islams, Schariat, galt
Die Hauptquellen des islamischen Rechtssystems (Schariat)
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sind der „Koran“, die „Sunna“ (Beispiele aus dem Leben des
Der Zustand religiöser Entrücktheit konnte sowohl durch das
Propheten), die „Idschma“ (Gelehrtenaussprüche über die
Schweigen, als auch durch laute Schreie und ekstatische Tänze
Gesetze des Korans) und „Kijas“ (Deutung der im Koran und
erreicht werden.
in der Sunna nicht geregelten Gesetze durch islamische Rechts-
In den islamischen Ländern entstanden viele sufistische Or-
gelehrte). Über die Deutung dieser Quellen gibt es bis heute
den nach unterschiedlichem Ritus. Der älteste von ihnen war
keinen Konsens zwischen den konkurrierenden muslimischen
der Orden der Kadiriten, der bereits im 12. Jahrhundert von
Schulen.
Abd-al-Kadir in Bagdad gegründet wurde. Diese Lehre war in
Im Islam gibt es verschiedene Richtungen. In den Lehren wird
Mittelasien im 14. Jahrhundert sehr populär. Genau diese vom
die unmittelbare Nähe zu Gott gepredigt. Daher kommt der
Propheten Becha-ad-din-Nahschbendi in Buchara gepredigte
Bettler- und Heiligenkult, der in der islamischen Welt ver-
Lehre fand im 19. Jahrhundert in Kaukasien eine weite Ver-
schiedene Ausprägungen hat. Auf dieser Grundlage entstand
breitung.
die mystische Lehre, der Sufismus (Tassavvuf- die Lehre über
Schariat ist die erste Stufe des Islams, und jeder Muslim muss
das Geheime), die formal auf dem Koran gründete, sich aber
sie erreichen. Aber die Normen von Schariat können unter-
vom orthodoxen Islam unterschied. Das Ziel des Sufismus
schiedlich ausgelegt werden. Deswegen sind die Gläubigen in
war, mit Hilfe verschiedener religiöser Übungen, wie etwa
einer schwierigen Lage. Um ihre Seele zu retten, müssen die
dem Gebet und eine besondere Lebensweise, nicht nur nach
Muslime die zweite Stufe des Islams erreichen, die den Namen
den wahren islamischen Regeln zu leben, sondern sich auch
Tarikat trägt. Im Tarikat müssen sie sich immer ausschließlich
auf dem Weg der mystischen Ekstase mit Gott zu vereinen.
nach dem Koran richten und alles andere, was außerhalb der
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Religion existiert, ignorieren. Über dem Tarikat gibt es im Is-
lich politischen Charakter. Das Hauptziel des Tarikats war die
lam noch zwei Stufen, Maarafat und Charikat. Charikat ist die
Vereinigung des Menschen mit Gott. Aber das Tarikat in Kau-
oberste Stufe, die nur von Heiligen erreicht werden kann.
kasien forderte seine Gläubigen zum heiligen Krieg (Djihad
Die Normen des Schariats müssen von allen Muslimen befolgt
bzw. Hasavat) gegen die Ungläubigen auf. Für den Islam ist die
werden. Da die Vollkommenheit, die Tarikat verlangt, nur
Welt in zwei Teile geteilt: Dar-al-islam (Welt des Islams) und
von wenigen Erwählten erreicht werden kann, konnte derje-
Dar-al-chabr (Welt der Feinde). Mit der zweiten Welt muss der
nige, der sich Gott widmen wollte, zum Murschid gehen und
gläubige Muslim einen Krieg führen, solange bis die Ungläubi-
ihn bitten, als sein Schüler (Murid) aufgenommen zu werden.
gen unterworfen sind.
Murschid führte ihn in die Geheimnisse des Tarikats ein. Da-
In Kaukasien war die Forderung nach dem Djihad durch die
nach musste der Schüler das Wort „Allah“ tief in sein Herz
damalige politische Situation bedingt. Das kaukasische Volk
prägen. So konnte ein Muslim die Tarikat-Stufe erreichen.
kämpfte gegen das russische Reich, und dieser Krieg verlangte
In verschiedenen islamischen Ländern gibt es verschiedene
strengere Maßnahmen. Die Propheten des Tarikats versuchten,
Schulen des Tarikats. Die Besonderheit des kaukasischen Tari-
die breiten Massen der Bevölkerung unter ihrer Lehre zu ver-
kats war, dass es keine Derwische und deren Orden anerkann-
einigen. Eine besondere Rolle spielte dabei der Imam: Er hatte
te. Die Muriden gruppierten sich um ihre Lehrer (Murschide)
unbegrenzte Macht und wurde als Prophet Mohammeds be-
oder um den Scheich. Der Scheich wirkte in einem bestimmten
zeichnet. Der kaukasische Tarikat forderte von seinen Gläu-
Gebiet oder Khanat und hatte seine Helfer (Masunen oder
bigen nicht nur religiöse Aktivität, sondern auch Handlungen
Naiben) um sich. Der Tarikat hatte in Kaukasien einen deut-
auf militärischer Ebene. Die Gläubigen wurden als Muriden
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bezeichnet und hatten nicht einen Murschiden zum Führer,
kasien verstärken sollten; sie mobilisierten die Bergbevölke-
wie es in anderen muslimischen Ländern üblich war, sondern
rung für den Bau der Wege und Festungen und erhoben hohe
den Imam.
Steuern. Die stolzen „Gorzen“ wollten diese Maßnahmen nicht
gelten lassen, und folglich gab es immer wieder Aufstände gegen
Die Auseinandersetzungen zwischen Russland und den
die russische Macht. Die Russen antworteten darauf mit harten
„Gorzen“ im 19. Jahrhundert
Repressalien: Sie vernichteten ganze Aulen (Bergdörfer), ver-
Die historische Erfahrung hat dem russischen Reich gezeigt,
brannten die Ernte, schenkten den Kosaken die rare Ackerbau-
dass Nordkaukasien ein Schlüssel zur Kontrolle von ganz Kau-
fläche. Das folgende Beispiel vom Bericht des Generals Ermoliv
kasien war. Aber dieses Gebiet hatte eine schwierige ethnische
mag die Zustände im Kaukasus in jener Zeit veranschaulichen:
und geographische Lage. Besonders kompliziert war die Situ-
„Am 20. Dezember 1819 kam unsere Armee zum Dorf Ullu-
ation in Tschetschenien und Dagestan. Hohe Berge und enge
Aija. Die Bewohner versteckten ihre Sachen und das Vieh in den
Schluchten erschwerten die Kontrolle noch mehr.
Bergen. Wir kamen ins Dorf und verbrannten alles. Die Dorf-
Die Tschetschenen haben der Expansion der russischen Armee
bewohner verließen das Dorf in solcher Eile, dass einige Mütter
nicht tatenlos zugesehen. Sie wollten ihre Freiheit nicht ohne
ihre kleinen Kinder zurückgelassen haben. Wir verbrannten 800
Kampf aufgeben. Der Widerstand der Tschetschenen wurde
Häuser. Das soll allen anderen als Beispiel dienen.“1
durch das Vorgehen der russischen Soldaten noch verstärkt. Die
Russen bauten ihre Festungen in den Bergen und gründeten
neue Dörfer für Kosaken, die die Position Russlands in Kau-
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1
N.A.Smirnov: Muridism im Kaukasus. Hrsg.: Akademie der Wissenschaft der
UdSSR, Moskau 1963, S. 38 (übers. v. Autor des vorliegenden Beitrags)
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Zuerst hatte der spontane Widerstand der Bergvölker einen
Agitation statt. Die Geistlichen haben sogar eine Cholera-Epi-
chaotischen Charakter. Doch die islamische Geistlichkeit hat
demie für ihre Interessen instrumentalisiert, indem sie diese
diese Prozesse nicht unbeteiligt beobachtet. Sie war grundsätz-
als Gottes Willen interpretierten, damit die Bevölkerung noch
lich gegen die Kolonialpolitik Russlands und stellte häufig die
stärker an Allah glaubte.
Anführer der Volksaufstände. Die ideologischen Führer, Schei-
In dieser Periode gewann Mullah Mohammed an Autorität. Er
che und Propheten, die angeblich ihre Anweisungen von Gott
wurde später erster Imam von Dagestan und bekam den Na-
empfingen, riefen das Volk zum Krieg gegen Russland auf und
men Hasse-Mohammed. Er predigte den Islam und hat durch
verkündeten, dass nach der Lehre des Korans jeder Muslim frei
seine Tätigkeit die Aufmerksamkeit des Scheiches von Dage-
sein müsse.
stan- Dschemaladdin auf sich gerichtet. Er wurde von Dsche-
Im Mai 1830 ernannte ein Lehrer namens Abdula vom Dorf
maladdin eingeladen und hatte die Möglichkeit, sein Schüler
Ischalti sich selbst zum Scheich. Dank der Verbreitung der
(Murid) zu werden. Zunächst wurde er von Hasse-Moham-
Schariat-Gesetze unter der Bevölkerung rief er alle zum Krieg
med abgewiesen, doch später begann er bei Dschemaladdin
gegen Russland auf. In demselben Jahr nahm der Scheich Scha-
die Gesetze des Tarikats zu erlernen. Dschemaladdin hat ihn
ban mit 5000 Mann das Dorf Sakatala ein. General Strelkov,
schließlich zu seinem Masun (Helfer) gemacht.
der das Dorf zurückzuerobern versuchte, hatte keinen Erfolg
Bisher nannten sich diejenigen, die in der islamischen Welt ei-
und verlor 220 Mann. Aber im November 1830, als Schaban
ner religiösen Bewegung vorstanden, Propheten oder Scheiche.
Sakatala verlassen hatte, vernichtete Strelkov das ganze Dorf.
Aber Hasse-Mohammed war der erste, der eine Idee der Ver-
Die Aufstände im Jahre 1830 fanden mit starker religiöser
einigung aller Völker von Tschetschenien und Dagestan unter
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dem Hasavat (Heiliger Krieg) eingebracht hat. Den Krieg hat
dert. Früher war der Tarikat nur für wenige erreichbar. Aber
er nicht nur den Russen, sondern auch denjenigen Tschetsche-
Hasse-Mohammed und seine Anhänger erklärten den Tarikat
nen erklärt, die keinen Kampf gegen die Russen führten. Im
zur Lehre für das ganze Volk, – die Lehre nämlich, die für das
Januar 1830 kam er in das Dorf Arakenovskaja und nahm dort
Gelingen Hasavats notwendig war. Als die Scheiche einsahen,
den einheimischen Fürsten fest. Er befahl der Bevölkerung,
dass der Tarikat für den Kampf gegen die Russen nützlich wer-
die Gesetze des Schariats im Leben zu verwirklichen und hat
den konnte, haben sie Hasse-Mohammad unterstützt. Damit
freiwillige Aufständische für die Überfälle auf russische Fes-
wurde die Position von Hasse-Mohammad deutlich verstärkt.
tungen rekrutiert. Hasse-Mohammeds Aufrufe trugen immer
Aber dies hatte zur Folge, dass die Scheiche, die an der Seite
einen radikal religiösen Charakter, z. B. : „Wir haben vor Gott
Aslan-Chans, des Fürsten von Awarien, standen, vertrieben
einen Eid auf den Koran geschworen, dass wir bis zum letzten
wurden. Der Nachfolger von Hasse-Mohammad, Hamsat-
Atemzug für unser Land kämpfen werden. Wir rufen euch auf,
Bek (1832–1834), hat einen Überfall auf Awarien organisiert,
für der islamischen Glauben zu sterben“2.
um die dortige Region zu vernichten. Er selbst wurde bei die-
Viele waren mit der Wirkung Hasse-Mohammeds und seiner
sem Überfall getötet.
Nachfolger nicht einverstanden. Einige Scheiche haben erklärt,
Nach Hamsat-Bek wurde Schamyl, ein anderer Schüler von
dass er gegen die echte Lehre des Korans und gegen das Scha-
Scheich Dschemaladdien, zum Anführer der tschetscheni-
riat verstoßen hat. Bald hat sich die Situation radikal verän-
schen Volksbewegung. Sein Name steht für die Vollendung des
Umformungsprozesses der Tarikat-Gesetze. Der Tarikat galt
2
Ebenda, S. 57.
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bereits früher als verbindlicher Normenkodex. Als Schamyl
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einen theokratischen Staat, das Imamat, gründete und sich zum
große Rolle. Er war ein begabter Menschenführer und Organi-
Imam ernannte, brauchte er den religiös-theoretisch fundierten
sationstalent, der auch in religiösen Fragen große Kompetenz
Tarikat und die Implementierung der Schariat-Gesetze im Leben
besaß, so dass er durch seine Kenntnis des Tarikats und per-
des Volkes zur Stärkung seiner eigenen Stellung. Er veränderte
sönliche Fähigkeiten es verstand, eine außerordentliche Wir-
deshalb die bestehenden Gesetze nach Vorstellungen des Scha-
kung auf die Menschen auszuüben.
riats und nannte sie Nisamen. Auf diese Weise konnte Schamyl
In Reaktion auf Schamyls Wirkung begann Russland 1839
seinen Staat nach diesen religiösen Normen umgestalten.
ernsthaft gegen die Bergvölker vorzugehen. Es wurden drei
Der einzige ernsthafte Konkurrent Schamyls war Taschew-
Kolonnen unter der Leitung der Generalleutnante Rajewski,
Chadji, der die Position von Hamsat-Bek offen für sich bean-
Golowin und Grabbe formiert. Sie sollten im Norden Dages-
spruchte. In dieser Auseinendersetzung spielte aber der Lehrer
tans agieren, wo Schamyl seine Festung hatte. Am 5. Juni hat
von Schamyl, Scheich Dschemaladdin, der ihn unterstützt hat,
die russische Armeee bei Aul Burtunai Schamyl mit seinen
eine große Rolle. Angesichts seiner Unterstützung hatte
5.000 Mann geschlagen. Schamyl ging nach Arghuan und stell-
Taschew-Chadji keine Chance und wurde im Jahre 1837
te sich hier mit 6.000 Aufständischen den Russen entgegen.
Schamyl unterworfen. Später wurde er von Schamyl zum
Trotz der fast unzugänglichen Lage des Dorfes erstürmten die
Naib bestimmt.
Russen diese Festung am 13. Juni. Schamyl setzte sich nach der
Schamyl führte in seinem Imamat eine strenge Disziplin. Al-
Felsenfestung Achulgo ab. Erst am 3. September konnten die
les tat er im Namen Allahs. Nicht zuletzt die persönlichen
Russen auch diese Festung erstürmen. Schamyl entkam und
Charakterzüge Schamyls spielten bei seinem Führungsstil eine
flüchtete nach Weden, ohne dass damit der Muridismus schon
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niedergeschlagen worden wäre. Schon nach kurzer Zeit erho-
drei russische Kolonnen weiter vor, während Schamyl gegen
ben sich die Bergvölker wieder, so dass die Russen mehrere
Wladikawkas marschierte und den Aufstand auf Zentralkau-
Jahre lang keinen dauerhaften Erfolg erreichen konnten. 1843
kasien zu erweitern versuchte. General Jewdokimow eroberte
eroberte Schamyl Awarien. Das kaukasische Korps bekam
währenddessen Warandi und Schatoj, wodurch die Tschetsche-
daraufhin 1844 eine Verstärkung von 40.000 Mann aus Russ-
nen bittere Verluste erlitten.
land. Dennoch verloren die Russen im gleichen Jahr mehrere
Anfang 1859 vereinigten sich drei russische Kolonnen unter
Festungen an die Muriden und konnten den Sitz Schamyls,
Jewdokimow am Fluss Baß und begannen am 29. März die
die Festung Dargo, nicht erobern. Der Krieg gegen die Türkei
Belagerung der von Schamyls Sohn verteidigten festen Burg
(1853 bis 1856) vermehrte noch die Schwierigkeiten Russlands
Weden. Am 13. April wurde sie von General Jewdokimow
in Kaukasien.
erobert. Schamyl war nun auf Dagestan zurückgeworfen und
Nach dem Krieg übernahm der Fürst Barjatinski den Ober-
stand in einer fast unangreifbaren Stellung am Koi-su, wo er
befehl im Kaukasus. Im August 1856 wurden fünf Militär-
jedoch von Fürst Barjatinski geschlagen wurde. Der Berg Gu-
kommandos eingerichtet, und die Hauptmacht der Russen
nib war seine letzte Zufluchtstätte, bevor er sich am 6. Septem-
ging nach Ostkaukasien. Vom Süden und Osten her drangen
ber ergab. Ostkaukasien war damit von Russen erobert. Scha-
die russischen Truppen unter General Jewdokimow und Fürst
myl wurde festgenommen und nach Russland gebracht.
Orbeliani ein, unterwarfen 1857 die Große Tschetschnia und
Kachetien, nahmen 1858 den Pass Argun und erbauten am
Fuße des Gebirges die Festung Argunskoje. Im Juni drangen
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Zusammenfassung
Im Tarikat spielte die Lehre des Musridismus die Hauptrolle.
Der Muridenkrieg im 19. Jahrhundert in Kaukasien ist ein Bei-
Muriden waren Schüler, die von einem Murschid in der islami-
spiel für die Instrumentalisierung der Religion für politische
schen Lehre ausgebildet wurden. Da in Tschetschenien alle, die
Zwecke. Auf den ersten Blick war das ein Kampf den Bergvöl-
am heiligen Krieg teilnahmen, als Muriden bezeichnet wurden,
ker gegen das russische Reich. Aber während dieses Krieges ist
bekam dieser Krieg den Namen Muridenkrieg. Dieser Krieg
im Islam eine neue Bewegung entstanden, und es vollzog sich
hat gezeigt, welche Auswirkung der religiöse Fanatismus auf
eine Umformung der Gesetze des Tarikats. Die Ursache lag
die Menschen haben kann. Mit Hilfe der begabten Anführer
darin, dass das tschetschenische Volk eine wirksame Waffe im
konnten die Tschetschenen fast 14 Jahre lang gegen das russische
Kampf gegen Russland brauchte und diese in der muslimischen
Reich kämpfen, was insofern wichtig ist, als Russland damals
Ideologie erblickte.
stark genug war, das Türkische Reich niederzuschlagen. Der
In den Gesetzen des Tarikats war der heilige Krieg gegen die
Muridenkrieg in Tschetschenien ging in die Geschichte Kauka-
Ungläubigen vorgesehen. Der Tarikat war aber auch eine Lehre
siens als Musterbeispiel von Mut und Beharrlichkeit ein.
von relativ eingeschränkter Wirkungsmöglichkeit, weil sie nur für
Wenige erreichbar war. Schamyl und seine Nachfolger haben den
Literatur
Tarikat so umgestaltet, dass er seine Wirkung auf die ganze mus-
1. Die Muslime in der Sowjetunion und in Jugoslawien – An-
limische Bevölkerung erstrecken konnte. Breite Menschenmassen
dreas Kappeler/ Gerhard Simon/ Georg Brunner. Markus
vereinigten sich hinter den Losungen des Hasawats und kämpften
Verlag Köln 1989 S. 213–234. (Das ist Ein Artikel von Uwe
mit fanatischer Ergriffenheit gegen die russische Übermacht.
Hallbach, über Muridenbewegungen im Kaukasus im
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19. Jahrhundert, Entstehung dieser Bewegung und ihre
1950. (In diesem Buch ist die Tätigket von Imam Schamyl,
Folgen)
die Entstehung des Muridismus in Kaukasien, seine Ent-
2. Muslim resistance to the tsar: Shamil and the conquest of Chechenia and daghestan – Gammer Mosche . London 1994. (Das
Buch beschreibt das Widerstand des Tschetschenischen und
Dagestanischen Volkes, Imam Schamyl und seine Tätigkeit.)
3. Mjuridism na kavkaze – N.A. Smirnow. Izdatelstvo akademii nauk. Moskwa 1963. (In diesem Buch ist dargestellt, wie
wicklung und der Krieg der Tschetschenen und Dagestanvölker gegen Russland dargestellt).
6. http://aleph0.clarku.edu/huxley/UnColl/WestRev/Schamyl.
html von 24.03.2006
7. http://www.iles.umn.edu/Faculty/bashiri/CentAsia/Shamil.
html von 23.03.2006
der Muridismus im Islam entstand und wie er im Kaukasus
8. http://www.duden.de/index2.html?duden-suche/werke/
verbreitet ist. Dargestellt ist auch die Struktur von Imamat
dgfw/000/043/Muridismus.43491.html von 24.03.2006
und der Kampf der Bergvölker gegen Russland)
4. Reakcionnaja sosnatellnost dvijenija Mjuridisma I Schamilja
na kavkaze – N. A. Smirnow. Izdatelstvo „Znanie“. Moskwa
1952. (Das Buch beschreibt die religiöse Seite der Muridenbewegung, Entstehung und Entwicklung des Muridismus
und seine Besonderheiten im Kaukasus)
5. K voprosu o charaktere dvijenjia mjuridisma I Schamilja –
M. D. Bagirov. Izdatelstvo polititscheskoj literaturi. Moskwa
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Muridismus i n
Tschetschen i e n i m
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Die Gesellschaftsbildung in
Tschetschenien im
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Usdenen - freie Bauern
Naiben – Helfer der Fürsten
Scheiche – Fürsten
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ISLAM
Ussul-ad-din
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Ussul-al-fikh
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Muridismus in Tschetschenien im 19. Jahrhundert
Die Hauptquellen des
islamischen Rechtssystems:
1. KORAN
2. SUNNA – Gesamtheit der überlieferten
Aussprüche und Lebensgewohnheiten aus
dem Leben des Propheten Mohammed
(Richtschnur islamischer Lebensweise)
3. IDSCHMA – Gelehrtensprüche zur Deutung
des Korans
4. KIJAS – Deutung der durch den Koran und
die Sunna nicht geregelten Gesetze durch
islamische Rechtsgelehrte
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Muridismus in Tschetschenien im 19. Jahrhundert
Na c h suphistischer L e h r e m u s s m a n
diese vier Stufen emporsteigen, um
die geistliche Vollkommenheit zu
erreichen
Maarafat
Chariqat
Tariqat
Schariat
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Gemäß dem Islam ist die Welt
zweigeteilt:
Dar-al-islam (Welt des Islam)
Dar-al-chabr (Welt der Feinde)
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Jahrbuch 2006
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Mikheil Samkharadze | Muridismus in Tschetschenien im 19. Jahrhundert
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Wissenswerte
CD 1
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