g ig Una b h G E S U N D H E I T S R AT G E B E R än U tenExper üft gepr gig b Una hän Euro 4,95 n ab häng ig Rheuma verstehen Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis, Fibromyalgie, Morbus Bechterew, Arthrose, Schmerztherapie Zweite, erweiterte Neuauflage Wissenschaftlicher Beirat dieser Ausgabe: Prim. Dr. Gabriele Eberl, MBA; Ärztliche Direktorin des Klinikums Malcherhof Baden, Baden bei Wien Prim. Univ.-Doz. Dr. Ludwig Erlacher; Leiter der 2. Medizinischen Abteilung im SMZ Süd, Wien Univ.-Prof. Dr. Winfried Graninger; Leiter der Klinischen Abteilung für Rheumatologie am LKH-Universitätsklinikum Graz, Graz Prim. Doz. Dr. Günter Höfle; Leiter der Abteilung für Innere Medizin, LKH Hohenems, Hohenems Mitwirkende dieser Ausgabe: Ao. Univ.-Prof. Dr. Martin Aigner; Leiter der verhaltensmedizinischen Schmerzambulanz, AKH Wien Ao. Univ.-Prof. Dr. Michael Frass; Leiter der Abteilung Homöopathie bei malignen Erkrankungen, AKH Wien Ao. Univ.-Prof. Dr. Burkhard Gustorff, DEAA; Vorstand der Abteilungen für Anästhesie und Intensivmedizin, Wilhelminenspital und Kaiserin-Elisabeth-Spital, Wien Prim. Univ.-Doz. Dr. Christian Huemer; Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, LKH Bregenz Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Knoflach; Leiter der Abteilung für Innere Medizin am 1. Klinikum Wels-Grieskirchen Prim. Dr. Burkhard Leeb; Leiter der 1. und 2. Medizinischen Abteilung, Niederösterreichisches Zentrum für Rheumatologie, Landesklinik Weinviertel-Stockerau Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert R. Müllegger; Vorstand der Abteilung für Dermatologie am Landesklinikum Wiener Neustadt (NÖ) Priv. Doz. Dr. Tanja Stamm, PhD, MSc, MBA; Universitätsklinik für Innere Medizin III, Abteilung für Rheumatologie, AKH Wien Univ.-Prof. Dr. Reinhard Windhager; Vorstand der Universitätsklinik für Orthopädie - Medizinische Universität Wien und Leiter des Österreichischen Endoprothesenregisters Prof. Dr. Andrea Dungl-Zauner; Dungl Zentren Wien, 1010 Wien IMPRESSUM: Herausgeber und Medieninhaber: MedMedia Verlags- und Mediaservice GesmbH, 1070 Wien‚ Seidengasse 9/Top 1.1; Verleger: Mag. Wolfgang Maierhofer; Projektleitung: Mag. Barbara Koller, [email protected]; Redaktionsteam: Mag. Silvia Feffer-Holik, Mag. Barbara Koller, Hannelore Mezei, MedMedia Verlags- und Mediaservice GesmbH; Layout und Grafik: Walter Moraru, www.panthera7.at; Michael Weber, MedMedia Verlags- und Mediaservice GesmbH; Lektorat: Mag. Andrea Crevato, 1230 Wien; Druck: Bauer Druckerei; Bildagenturen: Foto Begsteiger, Fotolia, Waldhäusl Alle Texte in „Rheuma verstehen“ sind nach bestem Wissen recherchiert. Irrtümer sind vorbehalten. Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmen Verlag und Medieninhaber keine Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird jeweils nur die männliche Form der Bezeichnung von Personen (z.B. der Patient) verwendet. Damit ist aber sowohl die weibliche als auch die männliche Form gemeint. 2 I N H A LT 4 Editorial EDITORIAL 6 Rheuma – mein täglicher Begleiter KAPITEL 1 15 Chronisch-entzündliches Rheuma KAPITEL 2 16 Rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis) KAPITEL 2A 24 Juvenile idiopathische Arthritis KAPITEL 2B 30 Morbus Bechterew KAPITEL 2C 36 Psoriasis-Arthritis KAPITEL 2D 41 Nicht-entzündliches Rheuma KAPITEL 3 42 Arthrose KAPITEL 3A 50 Fibromyalgie KAPITEL 3B 54 Medikamentöse Behandlung KAPITEL 4 64 Nicht-medikamentöse Behandlung KAPITEL 5 72 Schmerz: Ursache und Therapie KAPITEL 6 80 Rezeptfreie Präparate KAPITEL 7 87 Bewegung, Ernährung, Selbsthilfe KAPITEL 8 98 Selbsttest zu Rheuma SELBSTTEST 3 Mag. pharm. Dr. Christiane Körner, Vizepräsidentin der Österreichischen Apothekerkammer, wünscht der großen Serie „Gesundheit verstehen“ mit der ersten Ausgabe „Rheuma verstehen“ viel Erfolg. Sehr geehrte Kundinnen und Kunden! Das Konzept der 2008 gestarteten Bücher-Serie von Gesundheitsratgebern für unsere Apothekenkundinnen und -kunden hat sich bewährt. Die Nachfrage nach den Gesundheitsratgebern ist so groß, dass viele Ausgaben bereits vergriffen sind. Denn vor allem chronisch kranke Menschen wollen Informationen über ihre Krankheit haben und alle damit zusammenhängenden Antworten erfahren. Aus diesem Grund wird der erste „Bestseller“ zum Thema „Rheuma verstehen“ ganz neu aufgelegt. Der Patientenratgeber ist nach dem Frage-Antwort-Prinzip aufgebaut, wodurch er optimal auf die Bedürfnisse der Apothekenkundinnen und -kunden eingeht. Fragen wie zum Beispiel „Vergeht Rheuma von selbst wieder?“ oder „Woran erkenne ich eine rheumatische Erkrankung bei meinem Kind?“ werden ebenso behandelt wie komplexe Themen rund um die Frage der Medikation. Darüber hinaus werden Informationen zu Ansuchen um finanzielle Unterstützung, zu Selbsthilfegruppen oder zu wichtigen Kontaktadressen gegeben. Die sinnvoll strukturierte Gliederung in die einzelnen Kapitel macht dieses Buch für Leserinnen und Leser gut und einfach verständlich. Der neue Ratgeber „Rheuma verstehen“ wurde um die wichtigen Kapitel „Fibromyalgie“ und „juvenile idiopathische Arthritis“ erweitert. Außerdem wurden viele Inputs von Betroffenen eingebaut, um den Ratgeber noch praxisorientierter und verständlicher zu machen. Ich gratuliere den AutorInnen zu der gelungenen vorliegenden Arbeit. In diesem Sinne wünsche ich auch dieses Mal wieder – mittlerweile zum siebenten Mal – allen interessierten Lesern viele zufrieden stellende Antworten auf die Fragen zu ihrer Gesundheit. Ihre Christiane Körner Vizepräsidentin der Österreichischen Apothekerkammer 4 EDITORIAL Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Wir freuen uns, Ihnen die Neuauflage des Patientenratgebers „Rheuma verstehen“ vorstellen zu dürfen. Aufgrund des enorm großen Anklangs sowohl bei Betroffenen als auch in der Kollegenschaft haben wir uns – gemeinsam mit dem MedMedia Verlag – entschlossen, eine erweiterte und verbesserte Ausgabe zu gestalten, denn: Wissen ist alles! Nur mit ausreichendem Wissen kann man als Patient die Fähigkeit erwerben, mit sich selbst und mit der Krankheit richtig umzugehen, um schmerzfrei zu sein und eine gute Funktion des gesamten Organismus zu behalten. Mit dieser Broschüre wird Ihnen eine umfassende Information zu vielen rheumatischen Erkrankungen des Bewegungsapparates angeboten. Die einzelnen Kapitel wurden von Medizinjournalisten nach ausführlichen Interviews mit den mitwirkenden Fachleuten erstellt. In einem sorgfältigen Überarbeitungsprozess haben dann die Mitglieder des ärztlichen Beirates Korrekturen und Ergänzungen vorgenommen und darauf geachtet, die Balance zwischen dem Reichtum an Detailinformationen und der Verständlichkeit zu halten. Wir sind bemüht, eine ausgewogene und unabhängige Darstellung der Behandlungsmöglichkeiten zu erreichen, insbesondere angesichts der fehlenden wissenschaftlichen Daten zu vielen Methoden der Komplementärmedizin und der Nahrungsergänzungsmittel. Dieses Kompendium ist eine Mischung aus vielen Expertenmeinungen und darf daher nicht als Grundlage für medizinische Streitfragen angesehen werden. Wir sind aber überzeugt, dass es für Sie eine große Hilfe für das in jedem Fall notwendige Gespräch mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt darstellt, wenn Sie mit dieser Broschüre schon ein Grundwissen für sich selbst erworben haben. Mit den besten Wünschen für Ihr Wohlbefinden Univ.-Prof. Dr. Winfried Graninger, Graz Prim. Univ.-Doz. Dr. Ludwig Erlacher, Wien 5 Rheuma – mein täglicher Begleiter Habe ich Rheuma – und heilt das von allein wieder? Rheuma bedeutet Schmerzen im Bewegungsapparat. Obwohl diese manchmal ohne besondere Behandlung besser werden, ist die Ursache nicht geheilt und sie kommen wieder. Leider setzen sich Betroffene erst zu spät nach dem Auftreten der ersten Warnsignale mit der Möglichkeit, an Rheuma erkrankt zu sein, auseinander. Es ist jedoch für die Gesunderhaltung der Gelenke wertvolle Zeit, die hier verstreicht. Optimismus liegt in der Natur des Menschen. „Es wird schon wieder vergehen!“ ist eine häufige Aussage von Erkrankten vor Diagnosestellung. Sie hoffen darauf, dass sich die Schmerzen oder Bewegungsein6 schränkungen mit der nötigen Schonung von allein wieder auflösen werden. Dem ist leider nicht so. Für alle Formen von Rheuma gilt: Wer einmal an Rheuma erkrankt ist, der ist oft mit einer Therapie auf Dauer konfrontiert. Insbesondere der Entzündungsrheumatismus schreitet, wenn nicht entsprechend behandelt, in jedem Fall fort, führt zu einer Beeinträchtigung des Bewegungsapparates und verursacht irreversible (nicht umkehrbare) Gelenkszerstörungen. Bei mangelnder Achtsamkeit drohen Behinderung, Arbeitsunfähigkeit und in schweren Fällen auch Frühpensionierung. Nicht berücksichtigt ist hier die massive seelische Belastung im Hinblick auf die Schmerzen, die diese Erkrankung für die Betroffenen mit sich bringt. KAPITEL 1 Rheuma ist doch was für alte Leute? Irrtum! Viel zu oft sitzen Menschen immer noch dem Trugschluss auf, dass sie für eine rheumatische Erkrankung noch zu jung seien. Rheuma ist nicht zwangsläufig an ein hohes Lebensalter gekoppelt. Der typische Patient, der an einer chronischen entzündlich-rheumatischen Systemerkrankung wie rheumatoide Arthritis leidet, ist um die 40 Jahre jung und weiblich. Bewegungseinschränkungen können auf Rheuma hinweisen. Patienten, die an einer Fibromyalgie erkranken, sind im Schnitt 35 Jahre alt. Morbus Bechterew, eine weitere entzündliche rheumatoide Erkrankung, tritt mit seinen ersten Symptomen um das 23. Lebensjahr in Erscheinung. Ebenso wenig ist aber auch Arthrose eine Alterserscheinung, der man notgedrungen ausgeliefert ist. Was ist Rheuma? Unter diesem Begriff fasst man alle länger anhaltenden Schmerzen und Funktionsstörungen am Bewegungsapparat (sprich an Knochen, Gelenken und Muskeln) ungeachtet ihrer Ursache zusammen. Rheuma – als die Krankheit mit den „vielen Gesichtern“ – dient sozusagen als Oberbegriff für rund 400 Erkrankungen, hinter denen sich eine unendliche Vielzahl an Beschwerden verbirgt. Eine Einteilung rheumatischer Erkrankungen kann anhand des rheumatischen Formenkreises nach den Ursachen getroffen werden: 1. Entzündungsrheumatismus: entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung (z.B. rheumatoide Arthritis , juvenile idiopathische Arthritis, Psoriasis-Arthritis) 2. Verschleißrheumatismus: degenerative Gelenk- und Wirbelsäulenveränderung (z.B. Arthrose) 3. Weichteilrheumatismus – auch extraartikulärer Rheumatismus (z.B. Fibromyalgie) 4. Stoffwechselbedingte Gelenkerkrankungen – auch pararheumatische Erkrankungen (z.B. Gicht) Bei Entzündungsrheuma kommt es in unterschiedlichen Gelenken des Körpers zu immer wiederkehrenden oder ständig bestehenden (chronischen) Entzündungen eines (Arthritis) oder mehrerer Gelenke (Polyarthritis). Der Grund liegt in einer überschießenden 7 Reaktion des Immunsystems, das sich gegen den eigenen Körper richtet. Häufigkeit von rheumatoider Arthritis in Österreich: 70.000–80.000 Bei Verschleißrheuma nutzt sich der Gelenkknorpel ab, was so weit gehen kann, dass die Knochen aneinander reiben. Abgelöste Knorpelstücke können die Gelenkschleimhaut reizen, was starke Schmerzen hervorruft. Häufigkeit: rund 1,3 Mio. Arthrose-Erkrankte in Österreich Unter Weichteilrheumatismus werden sowohl entzündliche als auch nichtentzündliche Erkrankungen zusammengefasst. Sie betreffen das Unterhautbindegewebe, Sehnen, Sehnenscheiden, Muskeln, Bänder und Schleimbeutel ebenso wie innere Organe (z.B. Fibromyalgie oder Polymyalgie). Häufigkeit: im Schnitt 5% der Bevölkerung Bei stoffwechselbedingten rheumatischen Erkrankungen handelt es sich um Veränderungen im Knochen- oder Gelenkstoffwechsel, die zu Beschwerden führen. Dazu zählen Gicht, Osteoporose oder Rachitis. Bei Gicht kommt es beispielsweise zu einer Ansammlung von Harnsäure im Blut, wodurch sich Harnsäurekristalle ausbilden, die sich in den Gelenken ablagern. Sie ist eine Autoimmunerkrankung und kann vom Säugling bis zum Jugendlichen jeden treffen. Die Ursachen für die Fehlreaktion des Immunsystems sind bisher nicht gänzlich geklärt. Eine wichtige Rolle spielt eine vererbte Veranlagung, die mit bestimmten Umweltfaktoren wie Viren, Bakterien, Verletzungen etc. zusammentrifft. Was sind die ersten Symptome bei Rheuma? Die Beschwerden werden von Betroffenen oft als diffus und schwer zuzuordnen dargestellt. Meist denken sie, sie hätten nur wieder schlecht gelegen oder ihren Körper überanstrengt. Wie sich mitunter nach monatelangen Schmerzen herausstellt, waren dies jedoch die Vorboten einer rheumatischen Erkrankung. Es gilt gerade bei rheumatischen Erkrankungen: Je früher diagnostiziert und mit einer entsprechenden Therapie begonnen wird, desto besser sind die Behandlungserfolge und es kann damit bleibenden Schäden vorgebeugt werden. Können schon Kinder an Rheuma erkranken? Ja, diese Form von Rheuma nennt man juvenile idiopathische Arthritis (JIA). 8 Müdigkeit: mögliches Symptom bei Rheuma KAPITEL 1 Mögliche erste Symptome bei: 1. einer chronisch-entzündlichen rheumatischen Erkrankung: • Gelenkschmerzen und -schwellung ohne nachvollziehbaren Grund an mehr als zwei Gelenkregionen • Nachtschweiß • Müdigkeit • Morgensteifigkeit in den Fingern, Händen oder auch den großen Gelenken • Symmetrische Schwellungen der gleichen Gelenke auf beiden Körperseiten 2. einer degenerativen Erkrankung: • Schmerzen, die am Beginn einer körperlichen Tätigkeit auftreten und nach kurzer Zeit der Bewegung wieder nachlassen; sogenannte Anlaufschmerzen • Gefühl der Spannung in den Gelenken vor allem bei Wetterumschwung zu nasskalten Perioden 3. Weichteilrheumatismus: • bohrender Schmerz in Muskeln und Bindegewebe • die Schmerzattacken betreffen ein mal diese, einmal jene Körperregion 4. stoffwechselbedingten, rheumatischen Erkrankungen (hier Gicht): • Schmerz, Druckempfindlichkeit und Schwellung über Nacht • mitunter vorangegangen: intensiver Alkoholkonsum kurz vor dem Gichtanfall Was hat mein Immunsystem mit Rheuma zu tun? Unser Immunsystem ist dafür verantwortlich, mittels Lymphozyten (weiße Blutkörperchen) und Makrophagen (Fresszellen) Fremdsubstanzen, die in unseren Körper eindringen, wirksam zu eliminieren. Bei entzündlich- rheumatischen Erkrankungen kommt es jedoch zu einer Störung des Immunsystems. Es kann nicht zwischen fremden und eigenen Substanzen unterscheiden und somit greift der Körper mit Killerzellen und Eiweißen seine eigenen Strukturen, wie zum Beispiel die Gelenkinnenhaut (bei der rheumatoiden Arthritis) an. Es werden fälschlicherweise auf den Zellen des Körpers bestimmte Andockstellen ausgebildet, die dem Immunsystem als Ziel dargeboten werden. So meint das Immunsystem die körpereigenen Zellen als Feind zu erkennen. Das Immunsystem läuft in der Folge sozusagen Amok. Die Entzündungsreaktion nimmt ihren Lauf, das betroffene Gelenk schwillt an, wird unter Umständen warm und es kommt zur Auswirkung auf das gesamte Organsystem, man spricht von einer entzündlich rheumatischen Systemerkrankung. Die Gelenksveränderungen bei Arthrosen sind überwiegend nicht entzündlich bedingt, das heißt, hier ist das Immunsystem nicht involviert. 9 Was ist der Auslöser für mein fehlgeleitetes Immunsystem? Ein eindeutiger Auslöser für das „Verrücktspielen“ des Immunsystems bei entzündlich-rheumathischen Erkrankungen konnte noch nicht dingfest gemacht werden. In einigen Fällen sind jedoch familiäre und geschlechtsspezifische Häufungen festgestellt worden. Der Einfluss genetischer Faktoren kann also nicht ausgeschlossen werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine rheumatische Erkrankung direkt vererbt wird, sondern lediglich die Disposition, d.h. die Neigung, zu erkranken, ist erhöht. Welche Ursachen gibt es bei Verschleißrheumatismus? Zu den Ursachen für degenerative Erkrankungen gehören Gelenkfehlstellungen, Überlastung der Gelenke durch Übergewicht, Bewegungsmangel oder Leistungssport (siehe Kapitel 3a). Kann eine anderweitige Entzündung schuld an Arthritis sein? Grundsätzlich ja, hier muss jedoch klar unterschieden werden. Es kann beispielsweise bei der direkt bakteriellen Arthritis eine Infektion eine eitrig-bakterielle Gelenksentzündung hervorrufen – nachgewiesen in der Gelenkflüssigkeit. Diese Akuterkrankung lässt sich 10 in der Regel nach dem Ansetzen einer Kultur gut mittels Antibiotika sanieren. Davon zu unterscheiden ist die reaktive Arthritis, eine postinfektiöse Gelenkerkrankung (also Gelenkerkrankung infolge einer Infektion), wo ein Infekt als Auslöser für eine Arthritis zu nennen ist. Dabei können in den betroffenen Gelenken selbst keine Keime festgestellt, sehr wohl aber Keime im Harn oder in einer Stuhlprobe gut nachgewiesen werden. Auch in diesem Fall ist eine Antibiotikatherapie angezeigt. Problematisch, aber nicht sehr häufig beobachtet, ist der Übergang zu einer chronischen Arthritis. Was ist eine Anamnese und wozu dient sie? Sie soll die Krankengeschichte der einzelnen Person widerspiegeln und Aufschlüsse für eine richtige Diagnose geben. Sie ist der erste Schritt in jeder Diagnosefindung. Sinnvoll ist es für den Betroffenen, die folgenden „W“-Fragen schon vor dem ersten Arztbesuch für sich zu beantworten. Drei „W“-Fragen vor dem Arztbesuch beantworten: • Wann – sprich, zu welcher Tageszeit, bei welchem Wetter – tritt der Schmerz auf? • Wo – an welchen Gelenken, Groß-/Klein- gelenken – tritt der Schmerz auf? • Wie kann man eine Schwellung bemerken – wird das Gelenk warm, ist das Gelenk am Morgen steif etc.? KAPITEL 1 Bewegungsapparat zu korrigieren versuchen. Orthopäden können die Zusatzspezialisierung für Rheumatologie haben. Zu wem gehe ich, wenn ich Gelenkschmerzen habe? Der Praktiker, praktische Arzt, Allgemeinmediziner oder Hausarzt ist der Arzt des Vertrauens und sollte seine Patienten „weiterleiten“ und führen. So er dies für notwenig erachtet und die Befunde auf eine rheumatische Erkrankung hinweisen, muss er den Patienten im Sinne der optimalen Betreuung einem Facharzt, in diesem Fall einem Rheumatologen, zuweisen. Orthopäden sind ausgebildete Fachärzte, die einerseits operativ, andererseits konservativ mittels Infiltrationen, Injektionen, Fehlhaltungskorrekturen oder Schuheinlagen die Beschwerden am Ein Rheumatologe ist ein Facharzt für Innere Medizin mit einer dreijährigen Zusatzausbildung im Bereich der Rheumatologie. Er hat spezielle Kenntnisse in der Diagnose und der Therapie von Patienten mit entzündlichen und degenerativen Skelett-, Weichteil- und Autoimmunerkrankungen. Rheumatologen sind ausgebildet, gezielte körperliche, laborchemische, radiologische Untersuchungen durchzuführen oder zu veranlassen. Darauf aufbauend erstellen sie einen Befund und besprechen geeignete Maßnahmen mit dem Patienten. Nach der Einstellung auf eine für den Patien- Sinnvoller Diagnoseverlauf: Patient beobachtet Gelenkschmerz Labor Praktischer Arzt Bildgebende Verfahren (Röntgen) kein eindeutiger Befund (über 70% der Fälle) degenerativ MRT, hochauflösender Ultraschall Rheumatologe entzündlich 11 ten optimalen Therapie kann dieser die nachfolgenden Routinekontrollen oftmals beim Praktiker durchführen lassen. Wie sollte der Diagnoseablauf vor sich gehen? Die erste Anlaufstelle wird in der Regel der Praktiker sein. Dieser wird die Krankengeschichte aufnehmen und einen Patienten mit Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung in ein Labor zu einem Blutbefund und zum Röntgen weiterverweisen. So sich der Verdacht durch die Laborwerte und den Röntgenbefund erhärtet, soll der Patient an einen Rheumatologen weitergeleitet werden, damit umgehend mit einer medikamentösen Therapie begonnen werden kann. Sind diese Werte nicht aussagekräftig genug, um eine klare Entscheidung zu treffen – was zu 80% in einem frühen Stadium der Fall ist –, der Patient aber weiterhin über Gelenkschmerzen klagt, müssen genauere Untersuchungen angeordnet werden. Was heißt „moderne Rheumatherapie“? Wichtigstes Element in der Therapie ist die enge Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient. Der Betroffene muss sich von seinem behandelnden Arzt verstanden fühlen. Das Therapiekonzept soll maßgeschneidert sein, Medikamente und Behandlungen werden dazu miteinander kombiniert. Die Auswahl der Medikation hängt ganz wesentlich von der Ursache und dem Verlauf der rheumatischen Erkrankung ab. Ziel einer rechtzeitigen und richtigen Therapie ist es, die Gelenkszerstörungen zu verhindern und die Funktionen zu erhalten. In einem ersten Schritt ist es natürlich auch wesentlich, die Schmerzen der Betroffenen in den Griff zu bekommen. In einem zweiten Schritt kann man heute das Fortschreiten der Erkrankung verzögeren, im besten Fall sogar stoppen. Wird jedoch nicht oder unzureichend behandelt, bedeutet das für den Patienten ein Leben mit Schmerzen und fortschreitender körperlicher Behinderung. Welche Rolle spielt meine Psyche im Krankheitsverlauf? Klären Sie mit Ihrem Arzt Fragen, die Ihnen wichtig sind. 12 An Rheuma Erkrankte unterschätzen zu Beginn oft die psychische Belastung, die diese chronische – also lebenslange – Erkrankung mit sich bringt. Viel Selbstdisziplin ist für die oft jahrelange Medikamenten- und Physiotherapie KAPITEL 1 vonnöten. Schmerz- und Stressmanagement gewinnen zunehmend an Bedeutung, denn bei Rheuma haben psychische Faktoren einen hohen Stellenwert für den Krankheitsverlauf. Chronischer Stress kann direkte Auswirkungen auf den Hormonspiegel und damit auf das Immunsystem haben. Psychologische Hilfe – vom Stresstraining über autogenes Training bis hin zur Verhaltenstherapie – kann sich vorteilhaft auf den Krankheitsverlauf auswirken. wirksame Medikamente zur Verfügung, die den Krankheitsverlauf Warum gelten in Österreich so viele Menschen mit Rheuma als nicht therapiert? In Österreich ist die Versorgung mit den entsprechenden Medikamenten, Physiotherapie und alternativen Hilfestellungen sehr gut bis ausgezeichnet. Das Problem ist woanders zu suchen: Jeder zweite Rheumatiker war mit seinen Beschwerden noch nie beim Arzt! Die Betroffenen ordnen ihre Beschwerden oft nicht einer rheumatischen Erkrankung zu. Somit kann der Allgemeinmediziner die Zuweisung zu einer Laboruntersuchung oder zu einem Rheumatologen gar nicht veranlassen. Was ist das Therapieziel bei chronisch-entzündlichem Rheuma? Eine dauerhafte Remission (= Abwesenheit von Krankheitszeichen) ist das Ziel der Behandlung. Es stehen dazu Umfassende Therapie gewährleistet bessere Lebensqualiät. stark verlangsamen oder das Fortschreiten völlig eindämmen können. Damit kann die Beweglichkeit und die Lebensqualität bis ins hohe Alter erhalten bleiben. Entzündungshemmende Präparate bremsen die Zerstörung der Gelenke, und Schmerzmittel bessern die Bewegungseinschränkungen. Zusätzlich kann mit ergotherapeutischen Übungen, physikalischen Anwendungen, Kuren, aber unter gegebenen Umständen auch mit einer Operation heutzutage sehr gut geholfen werden. 13 Übersicht Symptome Therapie – medikamentös Therapie – nicht-medikamentös Seite 1. Chronisch-entzündliche Erkrankungen a. Rheumatoide Arthritis (= CP; chronische Polyarthritis) Gelenkschmerzen oder -schwellungen, Druckschmerz, Morgensteifigkeit von mindestens einer Stunde NSAR (= nicht-steroidale Antirheumatika), Basistherapeutika (z.B. Methotrexat, Sulfasalazin, Leflunomid), Kortison, Biologika (TNF-alphaBlocker, B-Zell-Antikörper, T-Zellen-Hemmer, Interleukin-1-RezeptorBlocker, Interleukin-6Rezeptor-Blocker) Heilgymnastik, Ergotherapie, Thermotherapie, Elektrotherapie, Ultraschall, Homöopathie 16 b. Juvenile idiopathische Arthritis (= JIA) Schmerzen, Schwellung/ Überwärmung der Gelenke, Morgensteifigkeit, Müdigkeit, Weinerlichkeit NSAR, Kortison, Basistherapeutika, TNF-alphaBlocker, T-Zellen Hemmer, Methotrexat Physiotherapie, Ergotherapie, gelenkschonende Sportarten 24 c. Morbus Bechterew tief sitzende Kreuzschmerzen, morgendliche Steifigkeit der Wirbelsäule, Brustkorboder Rückenschmerzen, Hüftschmerzen in der Leiste, Versteifung der Wirbelsäule NSAR, TNF-alphaBlocker tägliche Gymnastik, Homöopathie, Wärme-, Kältetherapie, Massagen 30 d. Psoriasis-Arthritis (= PsA; Schuppenflechte mit Gelenkerkrankung) strahlenförmige Entzündung der Gelenke von Händen und Zehen, einhergehende Hautprobleme, Sehnenansatzentzündung mit Schwellung NSAR, Kortison bei Schüben, Basistherapeutika, TNF-alpha-Blocker Physiotherapie 36 2. Nicht-entzündliche rheumatische Erkrankungen 14 a. Arthrose (= Abnutzungserkrankung der Gelenke) Schmerzen bei Beginn einer Bewegung, Bewegungseinschränkungen, Muskelverspannungen, Gelenksverformungen Rheumasalben/-gels, NSAR (= nicht-steroidale Antirheumatika), Kortison, Diacerein, Hyaluronsäure ausreichend Bewegung, Gelenkschutz, Abbau von Übergewicht, Ergo-, Wärme- und Kältetherapie, Elektrotherapie, Aquatraining, Alltagshilfen (Stöcke oder festes Schuhwerk) 42 b. Fibromyalgie (= „Weichteilrheumatismus“) großflächige Muskelschmerzen von Kopf bis Fuß, Schlaf- oder Angststörungen, chronische Müdigkeit, Depressionen, u.U. Schwellungsgefühle in Händen, Füßen und Gesicht, Geräusch-, Licht- und Kälteempfindlichkeit Antidepressiva, Analgetika, muskelentspannende Präparate, Substanzen gegen neuropathischen Schmerz psychologische Betreuung, Bewegungs- / Trainingstherapie 50 KAPITEL 2 Chronischentzündliches Rheuma 15 Rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis) Was ist RA oder CP und wen betrifft es? ider Arthritis. Jährlich gibt es zwischen 2.400 und 4.800 Neuerkrankungen. Rheumatoide Arthritis (Abk.: RA) oder auch chronische Polyarthritis (Abk.: CP) ist eine oftmals schubweise verlaufende, entzündliche Erkrankung des Binde-, Stütz- und Muskelgewebes mit Hauptmanifestation an der Gelenkinnenhaut und an gelenknahen Strukturen (z.B. Schleimbeutel). Gibt es einen Auslöser, der für RA verantwortlich gemacht werden kann? Die rheumatoide Arthritis ist die häufigste und bekannteste der entzündlichrheumatischen Erkrankungen und betrifft Frauen dreimal häufiger als Männer mit einem Altersgipfel im 40. Lebensjahr. Speziell in Österreich leiden rund 70.000-80.000 Menschen an rheumato16 Die Mediziner können nach bisherigem Erkenntnisstand keinen einzelnen Auslöser für den Ausbruch von RA verantwortlich machen. Bei vorhandener erblicher Veranlagung und unter Einwirkung von äußeren Faktoren führt das Zusammenspiel mehrerer Faktoren zu einer Fehlleistung des Immun- oder Abwehrsystems. Das heißt, das Immunsystem richtet sich gegen den eigenen Körper, in diesem Fall gegen das Gelenkgewebe. Äußere Faktoren können KAPITEL 2a Stress – bewirkt eine Schwächung des Immunsystems – oder hormonelle Komponenten sein. In den letzten Jahren der Erkenntnis gelangt, dass in Tiermodellen Retroviren am Ausbruch der Erkrankung beteiligt sein dürften. Allerdings gibt es dazu beim Menschen noch keine beweisenden Untersuchungsergebnisse, sodass eine ursächliche Behandlung derzeit noch nicht existiert. Was passiert bei der RA? Normalerweise produziert die Gelenkinnenhaut (= Synovialis oder Membran) die Gelenkschmiere, die für reibungsarme Bewegungen des Gelenks verantwortlich ist und das Knorpelgewebe versorgt. Bei RA kommt es durch das überschießende Immunsystem zu einer Entzündung dieser Gelenkinnenhaut. Schlüsselrolle in dieser Entzündungskaskade spielen die so genannten proinflammatorischen (entzündungsfördernden) Zytokine. Sie sind Proteine und Botenstoffe, die im Immunsystem die körpereigene Abwehr steigern und Entzündungen verstärken oder verursachen. Zu den bekanntesten proinflammatorischen Zytokinen gehörten beispielsweise TNF-alpha (Tumor-Nekrose-Faktor alpha), Interleukin-1 oder Interleukin-6. Unter dem Einfluss dieser pro-inflammatorischen Zytokine kommt es eben zu dieser erhöhten Produktion von veränderter Gelenkschmiere. Daraus resultieren schmerzhafte Schwellungen, aber auch Überwärmungen der Gelenke und unter Umständen eine Ergussbildung (Wasser in den Gelenken). Später wächst die Gelenkinnenhaut wie ein gutartiger Tumor in das Gelenk hinein. Knorpelgewebe und auch der darunter liegende Knochen werden angegriffen und das Gelenk verformt sich. Woran merke ich, dass ich RA habe? Die RA zeigt sich individuell unterschiedlich, sie kann plötzlich ausbrechen oder sich schleichend durch unspezifischere Symptome ankündigen. Am häufigsten ist die klassische Verlaufsform: • Gelenkschmerzen oder -schwellungen, von mehr als sechs Wochen • erste Gelenkbeschwerden, wovon zunächst meist symmetrisch beide Handgelenke sowie die Fingergrundund -mittelgelenke betroffen sind, später auch größere Gelenke • Schwellung, Überwärmung und Druckschmerzhaftigkeit mehrerer Gelenke • schmerzhafte Bewegungseinschränkungen • uncharakteristische Vorboten wie Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, starkes Schwitzen, erhöhte Temperatur und Abgeschlagenheit • Morgensteifigkeit (mind. eine Stunde), die das Anziehen und Waschen erschwert; 17 Symptome verschwinden je nach Schwere und Aktivität der Erkrankung im Laufe des Tages. • Nach Jahren: Auftreten von Rheumaknoten – derbe Knötchen unter der Haut, oft an der Streckseite der Ellbogengelenke. Was passiert, wenn keine Therapie eingeleitet wird? Wenn das fehlgesteuerte Immunsystem nicht eingebremst wird, schreitet die Zerstörung unaufhaltsam voran. Entzündungen bilden sich teilweise nach Wochen zurück, um dann schubweise wieder aufzutreten und dabei die Gelenkstrukturen zu ruinieren. Da es sich bei der rheumatoiden Arthritis um eine Systemerkrankung handelt, ist bei längerer Krankheitsdauer auch ein entzündlicher Befall innerer Organe möglich, wie zum Beispiel an den Gefäßen, Herz, Nieren, Leber und Lunge. Die Krankheit birgt per se ein gesteigertes Infektionsrisiko. Ebenso steigt in der Statistik bei einer unbehandelten RA die Wahrscheinlichkeit, an Lymphdrüsenkrebs zu erkranken. Mit fortschreitender Gelenkszerstörung kann die Krankheit durch Gelenkversteifungen und Gelenkdeformitäten bis zur Invalidität führen. Was kann einen Schub auslösen? Einhellige Meinung herrscht darüber, dass psychische Aspekte oft eine Rolle spielen. Stress, Sorgen und ungelöste 18 Probleme können das Immunsystem schwächen. Für einen an RA Erkrankten kann dies einen neuen Schub bedeuten. Bemerkbar für den Betroffenen macht sich ein Schub an der Zunahme der Gelenkschmerzen und -schwellungen, Abgeschlagenheit und deutlich stärkeren Bewegungs- und/ oder Ruheschmerzen. Sorgen und Stress können das Immunsystem schwächen. Was zeigen meine Befunde? Laborbefunde allein liefern leider keinen eindeutig gesicherten Beweis für das Vorliegen einer RA. Ergänzend zum klinischen Befund (= Schmerzen des Patienten und Schwellungen der Gelenke) sind sie aber oft bestätigend. Weiters sind sie bei vorliegender Diagnose nützlich, um die Aktivität der Krankheit zu beurteilen. KAPITEL 2a Die Blutwerte zeigen bei einer Entzündung häufig erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit und ein erhöhtes Creaktives Protein (CRP). Der Wert der Blutsenkung und des CRP gibt jedoch lediglich an, dass eine Entzündung im Körper vorliegt, enthält aber keinerlei Aussage darüber, ob es sich um eine Entzündung der Gelenke handelt. diesen Faktor zum Nachweis einer RA verlassen. Es gibt auch Patienten mit RA, die keinen RF haben (Rheumafaktor negativ). Der Umkehrschluss ist in keinem Fall zulässig: Wer diesen Faktor im Blut hat, muss nicht zwangsläufig an Rheuma erkranken. Bis zu 20% der gesunden alten Menschen weisen einen erhöhten Rheumafaktor auf. Was sind Rheumafaktoren? Auch die modernste Labormethode zur Diagnoseabsicherung, der CCP-Test (Test zum Nachweis der Antikörper gegen zyklisches citrulliniertes Protein), ist schon sehr aussagekräftig für das Vorliegen einer RA. Bei Bestehen klinischer Beschwerden des Patienten ohne eindeutigen Blutbefund bedarf es weiterer Schritte, um eine eindeutige Diagnose zu stellen. Rheumafaktoren (RF) sind Abwehrstoffe, die sich an die eigenen Immunglobuline (= Antikörper) binden, die also gegen ihresgleichen gerichtet sind. Sie werden im Blut oder in der Gelenkflüssigkeit nachgewiesen. Der Rheumafaktor kann den ärztlichen Verdacht über das Vorliegen einer RA bestätigen, ist jedoch alleine noch nicht beweisend für eine Rheumaerkrankung. Er kann zum Beispiel auch manchmal bei alten Menschen in bester Gesundheit gefunden werden. Der Rheumafaktor ist ein Baustein, der neben den vom Patienten geäußerten Beschwerden und dem Ergebnis der körperlichen Untersuchung durch den Arzt für die Diagnose wichtig ist. Bei einer gesicherten RA-Diagnose gibt die Menge des RF im Blut im Verlauf der Erkrankung Auskunft über die Aggressivität der RA. Bei bis zu 85% der Patienten mit rheumatoider Arthritis werden im Laufe der Erkrankung im Blutserum Rheumafaktoren nachgewiesen. Der Arzt kann sich hier aber auch nicht eindeutig auf Welche Bedeutung haben bildgebende Verfahren? Im Röntgen können die für die RA typischen Veränderungen nachgewiesen und der Zustand der Gelenke sichtbar gemacht werden. Es sind dies gelenknahe Erosionen (= Defekte im Bereich der Knorpel-Knochen-Grenze) zu Beginn der Erkrankung. Im Spätstadium sehen die im Gelenkbereich aufgerauten Knochen wie zusammengewachsen aus. Mittels Röntgen können jedoch nur bereits vorhandene irreparable Zerstörungen nachgewiesen werden. Bei Frühformen einer RA und (noch) unauffälligem Röntgen ist der Einsatz einer MRT 19 (Magnetresonanztomographie oder Kernspintomographie) sinnvoll. Mittels MRT gelingt es, ohne Strahlenbelastung aktive Gelenksentzündungen frühzeitig zu erkennen, noch bevor schwer wiegende Zerstörungen an Knorpel oder Knochen eingetreten sind. Zu diesem Zwecke wird Kontrastmittel injiziert. Nachteil dieses Diagnoseinstruments ist, dass mitunter auch jene Entzündungen als massiv dargestellt werden, die der Körper allein reguliert und durch die es nie zu einer Gelenkschädigung kommen wird. Vorteil eines hochauflösenden Ultraschalls (Gelenkultraschall) ist einerseits das Fehlen jeglicher Strahlenbelastung und andererseits, dass die Beobachtung in Bewegung gemacht werden kann. Es können hier mithilfe des Schalls Entzündungen der Gelenkinnenhaut (Synovitis) aufgespürt, nachgewiesen und betroffene Bereiche genau lokalisiert werden. Ultraschalluntersuchungen kommen besonders bei Hand- und Fingergelenken, aber auch bei Vorfuß-, Fußwurzel- und Schultergelenken zum Einsatz. Welche Untersuchungen sind zur Abklärung notwendig? Einmal mehr kommt hier der Anamnese entscheidende Bedeutung zu. Die Schilderungen des Patienten lassen einen praktischen Arzt ja erst vermuten, dass es sich womöglich um RA handelt, 20 (siehe „Woran merke ich, dass ich RA habe?“). Zur Diagnosesicherung stehen Röntgen und Laboruntersuchungen zur Verfügung, durch die der Arzt seinen Verdacht erhärten kann. Wenn die Befunde vorliegen und der Verdacht bestätigt wurde, sollte der Patient unbedingt zur Beratung und optimalen Therapieeinstellung einen Rheumatologen aufsuchen. Wann liegt nun eine RA vor? In einem Großteil der Fälle kann man nach den ersten Blutuntersuchungen und dem klassischen Röntgen keine Aussage treffen, ob der Patient an einer RA leidet. Es müssen weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Zu diesen aussagekräftigeren Untersuchungen zählen die MRT mit Kontrastmittel und/oder der hochauflösende Gelenkultraschall. Wenn ein Patient mit klinischen Beschwerden, aber ohne definitivem Befund beim Rheumatologen vorstellig wird, kann dieser aufgrund seiner speziellen Ausbildung auch weitere Fakten abklären und so die Bestätigung für eine rheumatologische Erkrankung liefern, wie zum Beispiel: • Morgensteifigkeit der Gelenke, die länger als 30 Minuten anhält, • Kompressions-, (Druck-)Schmerz der Fingergrundgelenke und • mindestens ein geschwollenes Gelenk. KAPITEL 2a Der Facharzt ist speziell darauf geschult, diese sehr individuellen Faktoren wie zum Beispiel Schwellungen (bei jedem Rheumapatienten tritt beispielsweise eine andere Art der Schwellung zu Tage), Funktionsbeeinträchtigungen, Hautveränderungen etc. zu bewerten. Typische Veränderungen am Gelenk im Röngten gut sichtbar. Welche Ziele verfolgt eine Therapie der RA? Ganz klar stehen die Schmerzlinderung und die Beseitigung der Entzündung an erster Stelle. Die abschwellenden Rheumaschmerzmittel (NSAR, nicht-steroidale Antirheumatika) sind dabei sehr wirksam. Der Rheumatologe wird unmittelbar nach Diagnosestellung versuchen, mithilfe eines so genannten Basistherapeutikums die Entzündung und das fehlgesteuerte Immunsystem in den Griff zu bekommen. Dazu ist eine monatelange Einnahme von Medikamenten aus der Gruppe der Basistherapeutika notwendig. Am häufigsten kommt hier der Wirkstoff Methotrexat (MTX) zum Einsatz. Die Wirkung des Basistherapeutikums tritt oft erst nach zwei bis drei Monaten ein, wobei nicht alle Patienten auf die Basistherapie gleich ansprechen. In der Regel tritt bei 40% der Betroffenen eine 50%ige Besserung der Entzündungsreaktion ein. In 15% der Fälle kann sogar von einer gänzlichen Remission (Wegfall der Krankheitssymptome) gesprochen werden. Aufgrund des verzögerten Wirkeintritts schlägt der Rheumatologe oft vor, das körpereigene Nebennierenhormon Kortison für die Zeit der Überbrückung bis zum Wirkeintritt der Basistherapie einzusetzen. Bei gleichzeitiger Einnahme von Kortison mit einem NSAR muss in jedem Fall ein Magenschutzpräparat gegeben werden, um das Risiko für Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre zu senken. Obwohl viele Patienten die Kortisonmedikamente zuerst zögerlich betrachten, ist die Wirkung vor allem bei ausgeprägten Gelenkschwellungen doch meist so befreiend, dass der Betroffene die Präparate gerne einige Wochen einnimmt. Was passiert, wenn die Basistherapie keinen Erfolg bringt? So es mit der Basistherapie nicht zum gewünschten Erfolg – also zu einem Aufhalten der Entzündung – kommt, kann auf ein anderes Basistherapeutikum umgestiegen oder ein zweites dazugegeben werden (Kombinations- Weitere Infos finden Sie auch auf: www.comebackinsleben.at therapie). Eine weitere viel versprechende Option bieten die so genannten Biologika, allen voran die TNF-alphaBlocker (Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab). Sie kommen zum Einsatz, wenn die Behandlungsmöglichkeiten mit herkömmlichen, chemischen Basistherapeutika oder der Kombination von Basistherapeutika nicht erfolgreich sind. Die Biologika wirken aber auch am besten in Kombination mit herkömmlichen Basistherapeutika. Innerhalb von wenigen Wochen weiß man, ob die gewünschte Wirkung eintritt. Sollte dies nicht der Fall sein, besteht die Möglichkeit, noch ein anderes Biologikum zu probieren. Wird die Entzündung dauerhaft nicht reduziert oder gestoppt, stehen dem Rheumatologen noch drei ganz moderne immuntherapeutische Konzepte zur Verfügung: • Hemmung der B-Zellen mittels der Substanz Rituximab • Einsatz der Substanz Abatacept, welche die Aktivierung von T-Zellen bremst und so die zerstörende Immunreaktion an den Gelenken hemmt • Interleukin-6-Rezeptor-Blocker Tocilizumab Langfristig gesehen, sollte es zu einer dauerhaften Stabilisierung der erreichten Erfolge, also dem Eindämmen der Gelenkszerstörung durch Herabsetzen der Entzündungsparameter und Schmerzfreiheit kommen. 22 Was ist entscheidend für eine erfolgreiche Therapie? Der Behandlungserfolg ist abhängig vom Behandlungsbeginn: Ein optimales Behandlungsergebnis ist bei Frühtherapie schon 12–16 Wochen nach Krankheitsbeginn zu erwarten. Die Entwicklung der Erkrankung hängt von der Mitwirkung des Patienten ab, sprich, konsequente Einnahme der Medikamente, regelmäßige Kontrolltermine beim Facharzt, Einhaltung der vereinbarten physiotherapeutischen und ergotherapeutischen Maßnahmen. Wichtig: Arztkontrolltermine Welche Zusatzbehandlungen gibt es? Bei der Schmerzbehandlung gibt es zusätzlich die Möglichkeit der Thermotherapie, Homöopathie, verhaltenstherapeutische Maßnahmen, Traditionelle Chinesische Medizin, Heilgymnastik, Ultraschall, Elektrotherapie im Niederfrequenzbereich und Akupunktur. KAPITEL 2a Bewegungsstörungen können effektiv mit Heilgymnastik und Ergotherapie gebessert werden. Eine Kräftigung der Muskulatur wird mit Physiotherapie und gezielter Heilgymnastik erzielt. Massagen tragen zur Steigerung der Durchblutung und Muskelentspannung bei, denn Patienten mit RA leiden nicht selten an massiven Muskelverspannungen. Abgesehen von medikamentöser Therapie machen Zusatzbehandlungen vor allem im Schmerzbereich immer Sinn, wenn der Patient damit sein subjektives Wohlbefinden und seine Lebensqualität steigern kann. Grundsätzlich sollte bei dieser Erkrankung die Anwendung von starker Wärme oder der Aufenthalt in zu heißem Wasser (über 32 °C) vermieden werden. Besonders im akuten Schub sind Kryotherapien (Kryo = Kälte) empfehlenswert, so es subjektiv vom Patienten als angenehm empfunden wird. Vorsicht: Bei einem akuten Schub sind Heilgymnastik und Elektrotherapie kontraindiziert! schienen oder Metakarpalspangen. Spezielle Messer (Griff ist 90 Grad von der Klinge weggebogen) und Flaschenöffner erweisen ebenfalls gute Dienste. Wann ist welche Operation unumgänglich? Operationen werden dann durchgeführt, wenn andere Therapieformen nicht den erwarteten Erfolg bringen. Bei einer Synovektomie – eine gelenkerhaltende Therapiemaßnahme – wird die entzündete Gelenkinnenhaut durch Ausschälung des betroffenen Gelenks operativ entfernt. Innerhalb einiger Wochen wächst die Gelenkinnenhaut wieder nach (Regenerat). Eine weitere Möglichkeit bietet der Gelenkersatz mittels Metall, Keramik oder Polyethylen. Bei einer Endoprothese werden Gelenkkopf und/oder Gelenkpfanne ersetzt. Die Eingriffe sind an fast allen Gelenken möglich. Tipps für den Alltag: Welche Hilfen gibt es für den Alltag? • Tragen Sie Lasten mit Rucksack Wenn alltägliche Tätigkeiten wie das Halten einer Kaffeeschale, das Schneiden von Brot oder das Zuknöpfen des Hemdes unmöglich werden, gibt es Hilfsmittel im gut sortierten Fachhandel. Finger- und Handhalterungsschalen können ebenso helfen wie die so genannten Knopfloch- und Schwanenhals- Gelenke (vibrierende Geräte, Schütteln der Gelenke). • Überschreiten Sie nicht Ihre Belastungsgrenze, muten Sie sich nicht zu viel zu. • Unterstützen Sie Ihr Handgelenk bei belastenden Tätigkeiten. • Achten Sie öfter auf Ihre Haltung beim Sitzen und Stehen. => gleichmäßige Verteilung. • Vermeiden Sie Erschütterungen der 23 Juvenile idiopathische Arthritis (JIA) Was bedeutet JIA? Juvenil ist mit kindlich/jugendlich zu übersetzen, idiopathisch bezeichnet Erkrankungen ungeklärter Ursache und Arthritis bedeutet Gelenksentzündung. Kann Rheuma bei Kindern mit zunehmendem Alter wieder verschwinden? Von alleine sicher nicht. Kindliches Rheuma muss behandelt werden. Es ist allerdings in vielen Fällen möglich, die Erkrankung mit der richtigen Therapie zum Stillstand zu bringen oder sie so stark zu verlangsamen, dass es sich gut mit ihr leben lässt. Wichtig ist, während des Stadiums einer aktiven Gelenks24 entzündung mit v.a. medikamentöser Therapie zu verhindern, dass bleibende Gelenkschäden entstehen – diese wären dann nicht mehr reversibel. Wie häufig ist kindliches Rheuma? In Österreich gibt es jährlich ungefähr 140 Neuerkrankungen, bundesweit sind etwa 1.700 Kinder und Jugendliche an chronischer Arthritis erkrankt – Rheuma ist somit bei Kindern ebenso häufig zu finden wie Diabetes mellitus. Wie äußert sich JIA? Rheuma bei Kindern macht sich unterschiedlich bemerkbar und zeigt sich – im KAPITEL 2b Vergleich zu den chronische Arthritiden im Erwachsenenalter – wesentlich vielfältiger: Die Anzahl betroffener Gelenke kann variieren, Haut, Bänder und Sehnen können ebenso am Entzündungsprozess beteiligt sein. Auch der Verlauf der Erkrankung ist nicht bei allen Kindern gleich. Bei manchen entzünden sich die Gelenke immer wieder, bei anderen nur selten, oft ist auch nur ein Gelenk betroffen. Ärzte sprechen von einer JIA, wenn die Gelenksentzündung mindestens sechs Wochen anhält und die Erkrankung vor dem 16. Lebensjahr beginnt. Welche Beschwerden können zusätzlich zu einer Gelenkerkrankung auftreten? Wachstumsstörungen, Entzündung der Augen oder Beeinträchtigung des Ernährungszustandes. Was können erste Anzeichen sein? So unterschiedlich die JIA auch verlaufen kann, allen Verlaufsformen gemeinsam ist die Gelenksentzündung. Schmerzen sowie geschwollene, überwärmte Gelenke können erste Symptome sein. Oft ist am Morgen auch eine Steifigkeit der Gelenke festzustellen. Wie kann die JIA verlaufen? Wie sich eine JIA entwickelt und ob sie sich bis ins Erwachsenenalter bemerk- bar macht, lässt sich schwer voraussagen. Der Verlauf ist oft von der genauen Erkrankungsform abhängig. Ärzte unterscheiden folgende Formen der JIA: • Oligoarthritis: Dabei sind ein bis vier Gelenke betroffen, sehr häufig das Kniegelenk, oft verläuft die Erkrankung nicht gleichmäßig auf beiden Körperhälften (asymmetrisch). Augenentzündungen sind häufig. Die Krankheit beginnt im Kleinkindalter. • Polyarthritis: Bei dieser Rheumaform sind mindestens fünf Gelenke erkrankt, am häufigsten sind Hand-, Finger-, Ellbogen-, Knie- und Sprunggelenke meist auf einer Körperhälfte (symmetrisch) entzündet. • Systemische Arthritis: Neben den Gelenken sind bei dieser Rheumaform auch andere Organe wie z.B.: Herz, Lymphknoten, Milz, Leber, Nieren oder Lunge beteiligt. Systemische Arthritis beginnt häufig im Kleinkindalter, meist mit hohem Fieber und Hautausschlägen. • Psoriasis-Arthritis: Beschwerden des Kniegelenks und der kleineren Gelenke (Hände, Füße) können auch gemeinsam mit Schuppenflechte (Psoriasis) auftreten. Scharf begrenzte, rötliche Areale auf der Haut sind mit silbrig-weißen Schuppen bedeckt. Bevor es zu einer Psoriasis kommt, zeigen sich oft Nagelveränderungen und auch das Anschwellen ganzer Finger oder Zehen. 25 • Enthesitis-assoziierte Arthritis: Dabei kommt es neben den Gelenkbeschwerden zu einer Entzündung von Bändern und Sehnen, insbesondere der Ferse. Diese Form der JIA beginnt meist im Schulalter und kommt häufiger bei Buben vor. Die Gelenke sind in der Regel asymmetrisch betroffen, vorzugsweise die Knie- und Sprunggelenke. Wo finde ich ärztliche Hilfe, die auf kindliche Bedürfnisse eingeht? Aufgrund der Besonderheiten kindlichrheumatischer Erkrankungen muss die Therapie von einem spezialisierten Team getragen werden, das Kinderrheumatologen, Kinderphysio- und -ergotherapeuten, Kinderorthopäden, Kinderpsychologen und pädiatrisch geschulte Augenärzte einschließt. In Österreich gibt es elf Spitäler, deren Kinderabteilung über eine kinderrheumatologische Ambulanz verfügt. In besonders schwierigen Phasen der Erkrankung kann auch ein stationärer Aufenthalt im Krankenhaus notwendig sein. Wie wird Rheuma bei einem Kind festgestellt? An erster Stelle steht das ausführliche Gespräch mit dem Kinderrheumatologen: Gibt es in der Familie Rheumatiker? Wann haben die Schmerzen angefangen, wie oft treten sie auf? Wurde auch eine Veränderung beispielsweise an der Haut oder den Augen bemerkt? Diese und weitere Fragen dienen dazu, möglichst viele Informationen in der Vorgeschichte des Patienten zu sammeln und diese in Bezug zu seinen aktuellen Beschwerden zu setzen. Neben der gründlichen Untersuchung der entzündeten Gelenke erfolgt eine weitere Einschätzung der Krankheit mittels bildgebender Verfahren wie Ultraschall, Röntgenaufnahmen, Magnetresonanz- und selten Computertomographie. Wichtig für die Diagnose ist auch ein Blutbild. Bei der Blutsenkungsgeschwindigkeit wird das Verhalten der roten Blutkörperchen beobachtet. Hier lassen sich Rückschlüsse auf eine Entzündung im Körper ziehen. Auch die Menge des C-reaktiven Proteins (CRP) – eines Eiweißstoffes im Blut – nimmt zu, wenn eine Entzündung im Körper vorliegt: Je höher die Werte, desto aktiver das Entzündungsgeschehen. Wie wird kindliches Rheuma behandelt? Ein Krankenhausaufenthalt ist für Kinder oft nicht einfach. 26 Hauptziel der Behandlung ist es, die Entzündung vollständig zu stoppen und damit bleibende Schäden an den KAPITEL 2b Gelenken zu verhindern. So ist der Therapieplan je nach Patient unterschiedlich und besteht aus einer Kombination aus Medikamenten, Physiotherapie, Ergotherapie, psychosozialer Unterstützung und selten auch Operationen. Physiotherapie soll dem betroffenen Kind Spaß machen. Welche Medikamente kommen zum Einsatz? Häufig sind mehrere Medikamente notwendig, um die verschiedenen Symptome der Entzündung und die Schmerzen in den Griff zu bekommen: • Nicht-steroidale Antirheumatika: wirken entzündungshemmend und zum Teil auch schmerzlindernd. • Kortikoide: hemmen die Entzündung und werden Kindern und Jugendlichen nicht nur über Tabletten oder Infusionen, sondern häufig auch per Injektion verabreicht. Die Gabe wird sorgfältig dosiert, auch die Dauer der Einnahme ist möglichst kurz. Eine einmalige hohe Verabreichung erfolgt nur in seltenen Fällen, etwa wenn die Entzündung besonders stark ist und schnell eingedämmt werden muss. • Basistherapeutika: kommen bei schweren Formen der JIA zum Einsatz. Sie nehmen direkten Einfluss auf den Krankheitsprozess und damit auf den Krankheitsverlauf. Methotrexat ist eines der am häufigsten eingesetzten Basismedikamente. • Biologika: Diese neue Art von Basismedikamenten greift ebenfalls direkt in das Krankheitsgeschehen ein und blockiert den körpereigenen Botenstoff TumorNekrose-Faktor alpha (TNF-alpha). Biologika wie Etanercept oder Adalimumab kommen dann zum Einsatz, wenn andere Medikamente keine ausreichende Wirkung zeigen oder nicht vertragen werden. Oft werden Biologika (z.B. Abatacept) auch mit Basismedikamenten kombiniert, um gezielt den Entzündungsprozess zu beeinflussen. Die Wirkung der Biologika tritt im Unterschied zu den klassischen Basistherapien schon innerhalb weniger Wochen ein. Andere wichtige Substanzen, wie z.B. Tocilizumab oder Anakinra, versprechen in den nächsten Jahren einen positiven Fortschritt zur Behandlung vor allem der systemischen Verlaufsformen kindlichen Rheumas. • Schmerztherapie: Bei schweren Verläufen der JIA können starke Schmerzen auftreten; hier sind neben medikamentöser Behandlung auch physikalische Methoden zielführend. 27 Gerade die medikamentöse Schmerztherapie beim Kind braucht viel Erfahrung zur angemessenen Dosierung und Verträglichkeit der Schmerzmittel. Wann muss operiert werden? Wenn bereits Schäden am Bewegungsapparat eingetreten sind, können Operationen an rheumatisch deformierten Gelenken helfen, die Funktionen wieder herzustellen bzw. eine weitere Beeinträchtigung zu vermeiden. Eine häufig angewandte invasive Maßnahme besteht in der Durchführung einer intraartikulären Steroidinjektion: Durch einmalige Verabreichung eines entzündungshemmenden Medikaments kann die Gelenksentzündung sehr effektiv unterdrückt werden. Welche therapieunterstützenden Maßnahmen gibt es? Die Physiotherapie hilft Fehlstellungen und Versteifungen von Gelenken, die etwa durch Schonhaltungen entstehen, zu verhindern oder zu korrigieren. Wichtig ist es, die Übungen nach ausführlicher Einschulung durch einen Therapeuten auch zu Hause regelmäßig auszuführen, um die Beweglichkeit zu fördern. Mithilfe der Ergotherapie werden gelenkschonende Bewegungsabläufe geübt, die u.a. alltägliche Handgriffe erleichtern sollen. Hilfsmittel wie beispielsweise individuell angefertigte Schienen, Griffverstärkungen für Schreibgeräte oder spezielle Dreiräder 28 Einseitige Diäten sind bei Kindern zu vermeiden. können nützlich sein. Ein Bett in richtiger Sitzhöhe erleichtert das Aufstehen, ein höhenverstellbarer Schreibtisch und ein ergonomischer Schreibtischstuhl sind wichtige Hilfen im Alltag. Da sich bei Kindern und Jugendlichen der Körper in einer Wachstumsphase befindet, sollte man auf eine ausgewogene Ernährung mit frischem Obst und Gemüse, Milch- und Vollkornprodukten, Fisch und pflanzlichen Fetten achten. Einseitige Diäten sind unbedingt zu vermeiden! Wie soll die Familie mit der Erkrankung umgehen? Zunächst sollten alle im unmittelbaren Verwandten- und Bekanntenkreis von der Krankheit des Kindes informiert werden, also Lehrer, Schulkollegen, KAPITEL 2b Freude etc. Arztbesuche und Therapiemaßnahmen müssen in den Alltag integriert werden, abgesehen davon soll das Kind aber trotzdem einen möglichst normalen Tagesablauf haben. Kann mein Kind Sport betreiben? Ja, unbedingt! Sport wirkt sich positiv auf die Beweglichkeit aus. Auch wenn bei schweren Verläufen manche Sportarten wie Tennis oder Fußball nicht empfohlen werden können, so gibt es Alternativen, trotzdem beweglich zu bleiben: Reiten, Tanzen, Rad fahren oder etwa Tischtennis sind Sportarten, die gelenkschonend sind. Ermutigen Sie Ihr Kind, sich zu bewegen und sorgen Sie mit Freizeitaktivitäten, die Spaß machen, für glückliche Momente. Liebevoller Umgang stärkt das betroffene Kind. Wichtig ist es, die Krankheit nicht zu verschweigen, sondern sie zu akzeptieren und damit auch das Kind zu ermutigen, das Beste aus der Situation zu machen. Nicht schonen, sondern bewusst darauf schauen, welche Hobbys oder Bewegungsformen trotz körperlicher Einschränkung möglich sind! Auch der Erfahrungsaustausch mit anderen Eltern betroffener Kinder über die Österreichische Rheumaliga (www. rheumaliga.at, www.rheumalis.org) kann tröstlich sein und viele wertvolle praktische Tipps bringen. Auch für die jungen Rheumapatienten kann es wichtig sein, mit anderen Betroffenen in Kontakt zu kommen. Besonders für Kinder mit Rheuma geeignet: Radfahren 29 Morbus Bechterew Ist Morbus Bechterew eine Zivilisationskrankheit? Was genau ist Morbus Bechterw? Der genaue medizinische Begriff lautet Spondylitis ankylosans (Bedeutung: -itis steht immer für Entzündung; Spondyl = Wirbelsäule; ankylosans = versteifend). International ist der Begriff „ankylosing spondylitis“ (Abkürzung: AS) gebräuchlich. Mb. Bechterew ist eine Erkrankung, die mit einer chronischen Entzündung hauptsächlich im Bereich der Wirbelsäule (Achsenskelett) und der Beckenschaufelgelenke einhergeht und in den schwersten Fällen bis zur Versteifung führen kann. Es ist eine Autoimmunerkrankung, wobei sich das Abwehrsystem gegen den eigenen Körper richtet. Durch chronische Entzündungsprozesse der kleinen Wirbelkörpergelenke kommt es im Laufe der Jahre zu knöchernen Verwachsungen und Umbildungen der Wirbelsäule. Bereits vor 4.000 Jahren soll – so sind sich Historiker sicher – die Erkrankung aufgetreten sein. Sogar der Pharao Ramses II. soll schon an der Erkrankung gelitten haben. Also keine Rede von Zivilisationskrankheit. 30 KAPITEL 2c Wer ist vor allem betroffen? Die ersten Symptome treten meist vor dem 40. Lebensjahr auf. Im Schnitt wird erst acht Jahre nach den ersten Symptomen, die für Mb. Bechterew sprechen, die richtige Diagnose gestellt. Österreichweit sind rund 50.000 Menschen von Mb. Bechterew betroffen (0,8% der Gesamtbevölkerung), wobei die Meinungen divergieren, ob eine signifikante Häufung der Fälle beim männlichen Geschlecht auftritt. Fürsprecher meinen, dass die Krankheit Männer bis zu dreimal häufiger als Frauen trifft, Gegner dieser Theorie erklären, dass die Erkrankung nur bei Frauen viel schlechter diagnostiziert wird. Was passiert bei Morbus Bechterew? Ein möglicher Faktor, der die Wahrscheinlichkeit erhöht, an Mb. Bechterew zu erkranken, ist neben dem Vorkommen in der eigenen Familie das Gen HLA-B27. Dieses Erbmerkmal kommt an der Zelloberfläche von 90% der Patienten mit Mb. Bechterew vor und ist wie ein genetischer Fingerabdruck, entstanden aus der Kombination der mütterlichen und väterlichen Gene. Jedoch kann man nicht von einer Verursachung des Mb. Bechterew durch das HLA-B27 sprechen, sondern nur von einer verstärkten Wahrscheinlichkeit dieser Diagnose, wenn entsprechende Schmerzsymptome und das angeborene HLA-B27 vorliegen. Das heißt, es muss ein Mensch, der dieses Gen trägt, nicht notwendigerweise an Mb. Bechterew erkranken, denn es haben rund 10% der gesunden Gesamtbevölkerung diesen HLA-Marker in sich (und nur 0,8% der Bevölkerung erkranken an Mb. Bechterew). Wann bricht die Krankheit aus? Es gibt unbewiesene Theorien, die besagen, dass für den Ausbruch der Erkrankung eine Infektion im Darm oder in den Harnwegen mitentscheidend ist. Die Keime, wie zum Beispiel Chlamydien, Yersinien oder Salmonellen, können an der Stelle, an welcher die Entzündung auftritt, vom Immunsystem nicht ausreichend bekämpft werden. Der Erreger kann nicht eliminiert werden und es kommt in weiterer Folge zur Fehlsteuerung des Immunsystems und zur Entzündung der Wirbelgelenke. HLA-System: genetischer Fingerabdruck 31 Was sind mögliche Beschwerden? • Nächtlich weckende, tief sitzende Kreuzschmerzen, • morgendliche Steifigkeit in der Wirbelsäule, • Sehnenansatzschmerzen (rund um die Fersen, am Sitzbein), • Brustkorb-, Rippenschmerzen, • Schwellung großer Gelenke (Knie), • starke Hüftschmerzen in der Leiste. Wie sieht der Verlauf von Mb. Bechterew aus? Ihren Ausgangspunkt hat die Erkrankung meist im Sakroiliakalgelenk, dem Bereich zwischen Kreuz- und Darmbein, daher kommt es zu tief sitzendem Kreuzschmerz. Oft strahlen die Schmerzen in der Folge in die Gesäßbacken und in die Beine aus – was oft zu der trügerischen Fehldeutung führt, es handle sich um einen Hexenschuss. Langsam kommt es zu einer Abflachung der unteren Wirbelsäule (Lendenwirbelsäule), die weitere „Verknöcherung“ nimmt dann an der gesamten Wirbelsäule ihren Verlauf. Sollte spätestens in diesem Stadium keine adäquate Therapie begonnen werden, kann dies zu einer völligen Versteifung der Wirbelsäule führen, die mit einer starken Halsvorneigung einhergeht. Ein Buckel bildet sich aus, da sich die Brustwirbelsäule verstärkt krümmt. Der Betroffene kann nur schwer geradeaus blicken. 32 Im Stadium der Spangenbildung im Bereich der Wirbelsäule und der damit verbundenen eingeschränkten Beweglichkeit ist die Knochendichte des Achsenskeletts nahezu immer vermindert (Osteoporose), was mitunter zu einer erhöhten Gefahr von Wirbelkörperbrüchen führt. Die Erkrankung verläuft typischerweise in Schüben. Möglich sind auch Schmerzen an Sehnen- und Muskelansatzstellen, wie z.B. dem Ansatz der Achillessehne am Fersenbein. Diese Stelle reagiert vor allem auf Druck schmerzempfindlich. Mb. Bechterew – heißt das, ich bekomme einen Buckel? Nein, natürlich nicht! Entscheidend sind auch bei dieser Erkrankung die frühzeitige Diagnosestellung ebenso wie der frühzeitige Therapiebeginn, abgestimmt auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten des Einzelnen. Diese ausgeprägte Form, verbunden mit starker Verformung und kompletter Versteifung der Wirbelsäule, kommt nur bei etwa 10–20% der Erkrankten vor. Können auch andere Organe betroffen sein? Am häufigsten (bei bis zu 50% der an Mb. Bechterew-Erkrankten) konnte man eine Entzündung der Regenbogenhaut im Auge beobachten, was zu einer Einschränkung der Sehkraft führt. Auch der Befall von Gliedmaßengelenken – meist Hüft- und/oder Kniegelenke – KAPITEL 2c kann mit der Erkrankung einhergehen. Tragisch ist dies, da es sich oft auch um sehr junge Menschen handelt, die dann oftmals einen Hüftgelenkersatz benötigen. In seltenen Fällen konnten Herzrhythmusstörungen beobachtet werden. 30–40% der Mb.-BechterewPatienten entwickeln eine Darmerkrankung wie z.B. Morbus Crohn. Etwa 20% der Patienten entwickeln zudem eine Schuppenflechte (Psoriasis). das Merkmal HLA-B27 nachgewiesen werden. Diese Untersuchung muss nur einmal durchgeführt werden, da das Merkmal angeboren ist. Ein Rheumafaktor ist nicht nachweisbar. Wie erfolgt die Diagnose? Anamnese (Befragung durch den Arzt): Sie soll vor allem Aufschluss über schon bestehende Mb.-Bechterew-Erkrankungen in der Familie und die Frühsignale (Morgensteifigkeit, tief sitzender Rückenschmerz etc.) geben. Klinische Untersuchung: Der spezialisierte Arzt – Rheumatologe – kann die Verminderung der Flexibilität im Bereich der Lenden-, Brust- und Halswirbelsäule mit gezielter Technik gut visualisieren. So sind z.B. die Drehungen in der Wirbelsäule oft schon zu Beginn der Erkrankung eingeschränkt. Auch die genaue Schmerzlokalisation kann Aufschluss über das Vorliegen von Mb. Bechterew geben. Laboruntersuchung: Mittels Blutsenkungsgeschwindigkeit und CRP-Wert kann ein erhöhter Entzündungswert im Falle des akuten Stadiums von Mb. Bechterew festgestellt werden. Bei 90% der Betroffenen kann dann auch Mittels Blutprobe lassen sich Entzündungswerte bestimmen. Röntgenuntersuchung: Hier können vor allem in einem späteren Stadium Röntgenbilder der Wirbelsäule und der Kreuzdarmbeingelenke aufschlussreich für das Vorliegen der Mb.-BechterewErkrankung sein. Verknöcherungen können jedoch nur eine Darstellung der bereits erfolgten Schädigungen geben. Sollte der Facharzt den Verdacht auf eine Mb.-Bechterew-Erkrankung haben, die Röntgenbefunde diesen aber nicht erhärten, kann er eine MRT oder CT anordnen. Diese Schnittbildtechniken können schon in früheren Stadien der Erkrankung Veränderungen zeigen. Wie wird richtig behandelt? Welche Behandlungen in Kombination zum Tragen kommen, ist im Wesentlichen davon abhängig, in welchem Stadium der Erkrankung sich der Betroffene befindet. Gerade beim Mb. 33 Bechterew aber ist das sinnvolle Ineinandergreifen von medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapieoptionen äußerst wichtig. Generell ist es oberstes Ziel der Therapie, den Entzündungsprozess und die Schmerzen zu bekämpfen und die Wirbelsäulenbeweglichkeit so gut wie möglich zu erhalten. Wie sinnvoll ist Gymnastik? Das tägliche Trainieren stellt ein Muss in der erfolgreichen Therapie dar und sollte so gut wie möglich in den Alltag integ-riert werden. Gerade in Phasen hoher Krankheitsaktivität gehört enorm viel Selbstdisziplin dazu, sich täglich aufzuraffen. Es hat sich gezeigt, dass jene Übungen am effektivsten helfen, die dem Einzelnen auch Spaß machen, denn nur dann werden sie regelmäßig gemacht. Die Übungen müssen auf die Gezielte Physiotherapie wirkt entlastend. 34 Bewegungseinschränkungen Rücksicht nehmen. Auch sollen Fehlbelastungen durch falsches Eintrainieren von Übungen vermieden werden. Zuständig ist dafür ein speziell geschulter Physiotherapeut, der in regelmäßigen Abständen die Gymnastik kontrollieren muss. Ziel ist es, die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu erhalten oder sogar zu verbessern. Wie sieht die medikamentöse Therapie aus? An erster Stelle gilt es die Schmerzen zu lindern. Mittel der Wahl sind NSAR (kortisonfreie = nicht-steroidale Antirheumatika). Sie verhindern die schmerzbedingte Schonhaltung und machen Krankengymnastik oft erst möglich. Bei akuten Schüben ist Kortison – vom Arzt direkt in den Gelenkspalt gespritzt – angezeigt. Es wirkt vor allem lokal gut entzündungshemmend. Sind auch Gliedmaßengelenke betroffen, so hat sich eine Therapie mit Basistherapeutika, also langfristig krankheitsmodifizierenden Medikamenten, als sinnvoll erwiesen. Ob eine Basistherapie mit konventionellen synthetischen Medikamenten auch beim Morbus Bechterew ohne periphere Gelenkbeteiligung hilfreich ist, ist nach heutigem Wissensstand zweifelhaft. Beim Mb. Bechterew sind die Erfahrungen mit einer Basistherapie nicht so langjährig wie bei der rheumatoiden Arthritis. Der Versuch einer Basistherapie sollte aber immer dann unternommen werden, wenn die Entzündung der peripheren Gelenke (außerhalb der Wirbelsäule) durch die KAPITEL 2c oben genannten Maßnahmen nicht ausreichend kontrolliert werden kann. Bleibt die Krankheitsaktivität trotz Ausschöpfung aller erwähnten Behandlungsarten hoch, dann stehen heute mit den TNF-alpha-Blockern (Adalimumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab) stark entzündungshemmende Medikamente zur Verfügung. Studien belegen, dass ein großer Teil der Patienten mit Mb. Bechterew durch die Verabreichung dieser Substanzen zu einer herausragenden Verbesserung von Schmerzen, Beweglichkeit und Entzündungszeichen gelangt. Es ist jedoch nicht eindeutig geklärt, ob die fortschreitende Versteifung der Wirbelsäule endgültig gestoppt werden kann. Eine ursächliche, also die Krankheit völlig beendende Therapie gibt es bei Morbus Bechterew nicht. Welche Vorteile bringt ein Rehab-Aufenthalt? Die Anwendung von physikalischer Therapie, Wärmetherapie (auch in Form der Heilstollentherapie) bringt oftmals auch noch über Monate nach der Kur Erleichterung. Lokale Wärme- oder Kälteanwendungen, aber auch Massagen können die Befindlichkeit der Patienten verbessern. Massagen wirken sich muskelentspannend aus. Das ist insbesondere vor der Krankengymnastik sinnvoll, da die Muskulatur dadurch gelockert wird. ist. In den Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation wird den Patienten die Bechterew-Gymnastik ganz hervorragend erklärt. Gibt es zusätzliche Behandlungsmöglichkeiten? • Homöopathie • Neuraltherapie • Traditionelle Chinesische Medizin • Tai-Chi und Qi Gong sind fließend ausgeführte Bewegungsübungen, die zum Sammeln und Harmonisieren von Energie dienen. Die Übungen sind sehr gut geeignet, da es keine ruckartigen Bewegungen gibt. Atem- und Entspannungsübungen bringen innere Ruhe. Operation – immer sinnvoll? Bei stark eingeschränkter Beweglichkeit kann Patienten mit einer Operation geholfen werden. Bei einer Synovektomie wird beispielsweise die Gelenkinnenhaut entfernt. Bei fortgeschrittener Erkrankung kann das versteifte Gelenk durch ein künstliches ersetzt werden – dies geschieht meist im Hüftgelenk. Bei ausgeprägten Verkrümmungen der Wirbelsäule nach vorne kann diese operativ aufgerichtet und die damit verbundene Gesichtsfeldeinschränkung verbessert werden. Sollte eine Operation ins Auge gefasst werden, ist es immer sinnvoll, eine zweite Meinung einzuholen. 35 Psoriasis-Arthritis Was ist eine PsoriasisArthritis? Die Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris) ist eine chronische Hauterkrankung, die sich durch Schuppung der Haut in ausgedehnten entzündlichen Herden am ganzen Körper oder nur in bestimmten Regionen äußert. Tritt eine Schuppenflechte gemeinsam mit Gelenksentzündungen auf, dann spricht man von einer Psoriasis-Arthritis (PsA). In Österreich leiden rund 80.000240.000 Menschen an einer Schuppenflechte, davon erkranken 10–20% auch an schmerzhaften Gelenksentzündun36 gen. Männer und Frauen sind dabei gleich häufig betroffen, meist beginnen die Beschwerden zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr. Was sind die Ursachen für eine Psoriasis-Arthritis? Bei der Psoriasis-Arthritis handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, d.h. das Immunsystem bekämpft körpereigenes Gewebe als Fremdkörper. Bei genetischer Veranlagung kann es durch äußere Auslöser – wie etwa Umwelteinflüsse – oder auch durch Viren bzw. Bakterien, welche die Herde der Schuppenflechte besiedeln, zu diesem Fehlverhalten des Immunsystems kommen. KAPITEL 2d Wie äußert sich die Krankheit? Oft zeigt sich einige Jahre nach der Entstehung einer Psoriasis auch eine schmerzhafte entzündliche Veränderung der Gelenke. Bei etwa jedem zehnten Betroffenen stellt sich der Hautbefall erst nach der Gelenkerkrankung ein. Meist treten Haut- und Gelenkprobleme jedoch gemeinsam auf (bei 10-20% der Patienten). Welche Körperteile sind hauptsächlich betroffen? Am Erkrankungsprozess sind Gelenke, Knochen sowie teilweise auch der Sehnenapparat des Skeletts in unterschiedlicher Ausprägung beteiligt. Am häufigsten zeigt sich die Psoriasis-Arthritis an den kleinen Gelenken von Händen und Zehen. Wenn die Psoriasis-Arthritis nicht rechtzeitig behandelt wird, kann es ähnlich wie bei anderen rheumatischen Gelenkerkrankungen zu einer Zerstörung der Gelenkstrukturen kommen. Welche Symptome sind typisch für die PsA? • Strahlenförmige Entzündung aller Glieder (z.B. in einem Finger oder einer Zehe). Der betroffene Körperteil ist von der Hand bzw. vom Zehenrand bis in die Spitze wurstförmig geschwollen, rot und verursacht starke Schmerzen. • Sehr häufig sind die Mittel- bis Endgelenke betroffen (Daktylitis) – im Vergleich zu anderen Formen des entzündlichen Rheumas, wo körpernähere Gelenke befallen sind. • Entzündung des Sehnenansatzes, die sich in einer ausgeprägten Schwellung zeigt. • Kann auch die Wirbelsäule betref fen, vor allem das untere Rückendrittel. Dort liegen die so genannten Ileosakralgelenke, also die Gelenk verbindungen zwischen Becken und Kreuzbein, die häufig beeinträchtigt sind. Die Betroffenen klagen über Schmerzen in den Gesäßbacken. • Ein Zehen- oder Fingernagelbefall ist ebenfalls ein wesentliches Merkmal für die Psoriasis-Arthritis. So zeigt sich auf den Nägeln oft ein stecknadelkopfgroßes Grübchen. Der Nagel kann sich vom Nagelbett abheben. Charakteristisch sind auch so genannte „Ölflecke“: Innerhalb der Nagelplatte bilden sich weißlich bis gelblich glänzende, scharf begrenzte, rundlich bis ovale Inseln. • Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis ist die Gelenkbeteiligung bei der Psoriasis-Arthritis oft asymmetrisch, d.h. es sind auf der rechten oder auf der linken Körperhälfte unterschiedliche Gelenkregionen befallen. Wie sieht der Verlauf der Erkrankung aus? Die Erkrankung verläuft in der Regel schubweise. Es kommt zu schmerzhaf37 ten Gelenksentzündungen, wobei sich die Schmerzen auf die arthritischen Gelenke beschränken. Woran erkenne ich Psoriasis-Arthritis bei meinem Kind? Im Kindesalter zeigt eine Psoriasis-Arthritis kein einheitliches Krankheitsbild. Untersuchungen belegen, dass Kinder häufig um das 2. bzw. 5. Lebensjahr erkranken. Die kleinen Patienten leiden häufig an einer Schwellung bzw. Entzündung der Finger- oder Zehengelenke. Die Kinder belasten das betroffene Gelenk weniger, wollen getragen werden oder greifen auffällig. Bei älteren Kindern zeigen sich Entzündungen der Sehnenansätze oder auch der Wirbelsäulengelenke, die sich durch Schmerzen in der Lendenwirbelsäule äußern können. Auch Fieber, das über einen längeren Zeitraum mit oder ohne Hautentzündungen auftritt, oder eine rheumatische Entzündung der Regenbogenhaut am Auge können die ersten Anzeichen sein. Dies kann aber nur ein Augenarzt diagnostizieren. Wie stellt der Arzt die Diagnose? Der Arzt beurteilt das Krankheitsbild nach: • dem Befallmuster der Gelenke, • der Ausprägung der Erkrankung, 38 • dem Erscheinungsbild der Haut, • dem Verlauf, • möglichen Begleiterscheinungen. Bei der Psoriasis-Arthritis ist es wichtig, die Erkrankung von anderen rheumatischen Krankheitsbildern, wie beispielsweise der rheumatoiden Arthritis oder dem Morbus Bechterew, abzugrenzen. Nicht immer zeigt die Haut an bestimmten Körperstellen Psoriasisbefall bzw. weisen Zehen oder Finger bestimmte Merkmale der Veränderung auf (siehe „Welche Symptome sind typisch für die PsA?“) – dann wird eine eindeutige Diagnose schwierig. Differentialdiagnose durch den Rheumatologen Häufig leiden Patienten an ausgeprägten Arthrosen sowie an der Hauterkrankung Psoriasis vulgaris. Dabei kommt es bei Aktivierung der Arthrose auch zur Schwellung und Rötung der betroffenen Gelenke. Hier ist besonders im Frühstadium der Erkrankung die Differentialdiagnose zur Psoriasis-Arthritis manchmal schwierig, aber durch den erfahrenen Rheumatologen gewährleistet. KAPITEL 2d Welche Laboruntersuchungen gibt es? Eine Blutuntersuchung kann hilfreich sein, auch wenn es keine eindeutigen Marker, aber doch Hinweise für die Erkrankung gibt. Bei der Psoriasis-Arthritis kann es zu schweren Entzündungsreaktionen kommen, die sich mithilfe einer Laboruntersuchung – veränderte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) – oftmals nachweisen lassen. Neben Entzündungszeichen wird dabei auch der Rheumafaktor bestimmt, der in aller Regel negativ (nicht nachweisbar) ist – im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis. Gelegentlich können bei der Psoriasis-Arthritis auch leicht erhöhte Harnsäurespiegel auftreten. Welche bildgebenden Verfahren helfen bei der Diagnose? Das Skelettröntgen ist ein wesentliches bildgebendes Verfahren, sowohl an den Gelenken als auch an der Wirbelsäule. Häufig sind ausgewiesene Veränderungen asymmetrisch und zeigen Usuren (= lochartige Substanzdefekte) oder Proliferationen (= knöcherne Anlagerungen). Im Bereich von Sehnenansätzen bei der Hüfte (Trochanter), der Kniescheibe (Patella) und des Fersenbeines sind Verknöcherungen und Kalkeinlagerungen möglich. In sehr fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung entstehen groteske Verformungen am Knochen. Gelegentlich wird auch der gezielte Ultraschall oder die Magnetresonanztomographie (MRT) zur Diagnostik eingesetzt. Insbesondere bietet sich die MRT als wertvolles Hilfsmittel zur früheren Differenzierung eines erosiven zu einem nicht-erosiven Verlauf der Arthritis an. Der großflächigen Anwendung der MRT bei der frühen Diagnostik stehen jedoch noch Vorbehalte bei der Indikationsstellung wegen der hohen Kosten dieser Diagnostik entgegen. In Zweifelsfällen kann zur Abgrenzung gegenüber anderen Erkrankungen auch eine Untersuchung der Gelenkflüssigkeit sinnvoll sein. Das Gelenk wird dabei unter sterilen Bedingungen punktiert. Wie wird die Erkrankung grundsätzlich behandelt? Die Gabe von Medikamenten – und hier insbesondere einer Basistherapie – ist die wichtigste therapeutische Maßnahme. Darüber hinaus stellt die Physiotherapie eine weitere additive Behandlungsform dar. Sie stärkt die Muskulatur, entlastet die Gelenke und hilft dem Betroffenen, richtige Bewegungsmuster einzulernen. Gelegentlich ist ein operativer Eingriff nötig. Welche Medikamente gibt es? Medikamente aus der Substanzgruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (= NSAR) lindern wirksam Schmerzen, den Verlauf der Psoriasis-Arthritis Weitere Infos finden Sie auch auf: www.comebackinsleben.at können sie aber nicht beeinflussen. Antirheumatika werden vor allem dann eingesetzt, wenn die Erkrankung sehr milde ausgeprägt ist. Bei Schüben der Psoriasis-Arthritis kann Kortison verabreicht werden. Therapeutisch werden so genannte immunmodulierende Substanzen eingesetzt, insbesonders Methotrexat, mit dessen Hilfe man gute Erfolge erzielen kann. Salazopyrin und Leflunomid gehören ebenfalls zu den nicht-spezifischen, immunmodulierenden Wirkstoffen; diese sind sowohl in den Gelenken sehr wirksam als auch teilweise an der Haut. Eine wichtige Rolle in der Behandlung spielen die hochwirksamen Biologika. Dazu zählen die TNF-alpha-Blocker (Tumor-Nekrose-Faktor alpha). TNFalpha ist eine körpereigene Substanz, die neben vielen anderen Mechanismen an der Entstehung von entzündlichen Prozessen beteiligt ist – sowohl in den Gelenken als auch auf der Haut. TNF-alpha-Blocker – dazu gehören die Substanzen Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab – beeinflussen den Krankheitsverlauf, indem sie der Entzündung und der Gelenkszerstörung entgegenwirken. Bevor es zur Anwendung kommt, muss jegliche Infektion wie etwa Tuberkulose oder HIV ausgeschlossen werden. Je nach Verträglichkeit und Entwicklung der Erkrankung kann – aber nur nach ausdrücklicher Rücksprache mit dem Arzt – eine Einnahmepause eingelegt werden. 40 Wer erhält Biologika? Der Einsatz von Biologika ist derzeit vor allem aus Kostengründen erst möglich, wenn vorher ein bestimmtes Stufenschema der konventionellen Therapie eingehalten wurde – z.B. Methotrexat oder Leflunomid. Falls diese Standardtherapie nicht adäquat hilft, nicht vertragen wird bzw. starke Nebenwirkungen zur Folge hat, kommen TNF-alpha-Blocker zum Einsatz. Gibt es Begleiterkrankungen zur PsA? Es stellt sich zunehmend heraus, dass bestimmte Erkrankungen besonders häufig bei Personen mit PsoriasisArthritis auftreten. Dazu zählen beispielsweise Stoffwechselerkrankungen wie erhöhte Blutfettwerte, Diabetes, starkes Übergewicht, erhöhte Harnwerte, aber auch Depressionen. Die Ursachen dafür sind noch nicht restlos geklärt: Bekommen Psoriatiker manche Erkrankungen aufgrund des Umstandes, dass sie an einer chronischen Krankheit leiden? Oder ist die Neigung zu bestimmten Krankheitsbildern genetisch bedingt? Regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen sowie bewusste Ernährung, der Verzicht auf Zigaretten sowie gezielte Bewegung (siehe Physiotherapie) können das Wohlbefinden positiv beeinflussen. KAPITEL 3 Nichtentzündliches Rheuma 41 Arthrose Wer ist in Österreich am häufigsten von Arthrose betroffen? Zwei Millionen Österreicherinnen und Österreicher sind im Laufe ihres Lebens von Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates betroffen. Rund 1,4 Millionen Menschen leiden hierzulande an degenerativen rheumatischen Gelenkerkrankungen (Arthrose). In der Regel sind mehr Frauen als Männer betroffen. Die Erkrankung beginnt meist zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr, je nach Ursache mitunter auch schon früher (z.B. nach einem Unfall oder einer Verletzung). 42 Wie entsteht Arthrose? Arthrosen sind chronische Gelenkerkrankungen, die aufgrund von Veränderungen des Gelenkknorpels und des darunter liegenden Knochengewebes entstehen. Die Ursachen sind Umbauprozesse im Knorpelgewebe und im gelenknahen Knochengewebe. Dabei kommt es zu einer Störung des Gleichgewichts im Knorpelstoffwechsel, wobei der Abbau von Knorpelsubstanz überwiegt. Den Verlust von Knorpelgewebe kann der Körper nicht mehr wettmachen. Die Betroffenen leiden unter Schmerzen, Muskelverspannungen, Bewegungseinschränkungen und vereinzelt auch unter KAPITEL 3a Schwellungen im Bereich der betroffenen Gelenke. Mit der Zeit kann es zu Gelenkverformungen und damit zu einer nicht mehr rückbildungsfähigen Funktionseinschränkung kommen. Im Gegensatz zu den entzündlichen Gelenkleiden (Arthritis) liegt bei der Arthrose eine fortschreitende – primär nicht entzündliche – Abnutzungserkrankung vor. Auch ein Trauma (Unfall, Verletzung) kann die Entstehung von Arthrose begünstigen („Welche Risikofaktoren begünstigen eine Arthrose?“). Welche Gelenke sind hauptsächlich betroffen? • Knie- und Hüftgelenke: Diese Gelenke sind stark belastet, da sie einen großen Teil des Körpergewichts tragen müssen. Die verminderte Beweglichkeit und Belastbarkeit infolge einer Arthrose verändert die Haltung und den Gang, womit Schmerzen und weitere degenerative Veränderungen wie z.B. der Wirbelsäule die Folge sein können. Unterschiedlich stark ausgeprägte Verschleißerscheinungen im Hüftgelenk können schon bei Personen in einem Alter zwischen 30 und 40 Jahren festgestellt werden. • Auch die Arthrose der kleinen Fingergelenke (Polyarthrose), die vor allem die Fingerendgelenke (Heberden-Arthrose), Fingermittelgelenke (Bouchard-Arthrose) sowie die Daumensattelgelenke (Rhizarth- rose) betrifft, kommt sehr häufig vor. Welche Risikofaktoren begünstigen eine Arthrose? • Einer der stärksten Risikofaktoren für Arthrose ist das Alter: Fast jeder zweite über 70-Jährige hat Abnutzungserscheinungen der Gelenke, die sich unterschiedlich stark mit Schmerzen bemerkbar machen können. • Genetik: Es gibt Familien, bei denen die Erkrankung häufiger auftritt. Ursache dafür dürften arthrosespezifische Gene sein. • Starkes Übergewicht belastet die Gelenke und fördert auch die Entstehung von Abnutzungserscheinungen. Vor allem die Kniegelenke, in geringerem Ausmaß auch die Hüftgelenke, aber auch die Gelenke von Händen und Fingern sind bei fettleibigen Menschen betroffen. • Fehlstellungen: Gelenke, die von Geburt an fehlgestellt sind (X-Beine, O-Beine) bzw. Personen, die Verletzungen (wie unbehandelte Meniskusschäden) erlitten haben, neigen besonders zur Entwicklung einer Arthrose. Durch ein UltraschallScreening von Neugeborenen kann eine Fehlstellung der Hüfte festgestellt und bereits früh behandelt werden – z.B. durch breites Wickeln oder eine so genannte Spreizhose. Jedenfalls sollten Knieoder Hüftschmerzen von Kindern 43 und Jugendlichen ernst genommen und behandelt werden. So hat beispielsweise kaum ein Mensch gleich lange Beine. Das Resultat: An der Hüfte des längeren Beines werden Abnützungen begünstigt. Schuheinlagen bzw. eine entsprechende Erhö hung der Schuhsohle können helfen. • Zu wenig Bewegung: Körperlich aktive Menschen erkranken seltener und wenn, dann erst später an Arthrose als Bewegungsmuffel. Bewegung führt zu einer ausreichend ausgebildeten Muskulatur, welche die Gelenkregion gut „polstert“ und bestehende Defizite von Seiten einer Arthrose kompensieren kann. • Stoffwechselstörungen wie Gicht oder Eisenspeicherkrankheit können Gelenke schädigen. • Überbelastung: Jahrelange schwere körperliche Arbeit – wie etwa lange Tätigkeiten im Stehen mit zusätzlichem Anheben von schweren Gewichten (schaufeln, hacken etc.) oder eine hohe Belastung bestimmter Gelenke bzw. Gelenkregionen (z.B. Kniescheiben bei Fließenlegern) – kann Arthrose fördern. • Auch bei Extremsportlern können die Gelenke in Mitleidenschaft gezogen werden: Fußballer leiden häufiger an einer Arthrose der Knie, der Hüfte oder auch der Knöchelgelenke, Radsportler an Veränderungen der Kniescheiben bzw. der Kniegelenke, Balletttänzer an Arthrose in den Sprunggelenken. Wie sieht der typische Verlauf aus? Der Verlauf ist variabel, üblicherweise aber langsam fortschreitend. Vom Erscheinungsbild her unterscheidet man das klinisch stumme Stadium (Arthrose im Röntgenbild ohne Beschwerden), das chronische Stadium (leichte bis starke Schmerzen bei verschiedenen Belastungsniveaus) und das Stadium der akuten (bzw. aktivierten) Arthrose mit Gelenkschwellung, Überwärmung, Ergüssen und Schmerzen, die fast zur Bewegungsunfähigkeit des Gelenks führen. Agil durch Sport bis ins hohe Alter 44 KAPITEL 3a Welcher Schmerz ist charakteristisch? Typisch ist der Startschmerz bei Arthrosepatienten zu Beginn einer Bewegung, der dann nach wenigen Schritten nachlässt. Es kann aber auch zu einem Belastungsschmerz kommen, der sich etwa bei längeren Gehstrecken oder beim Treppabsteigen äußert. Im Ruhezustand oder im Schlaf tritt der Schmerz selten auf. Mit der Zeit kann es zu Gelenkverformungen mit Ergüssen und Rötungen kommen. Die betroffenen Gelenke sind hart und knöchern, oft knotig verändert, aufgetrieben und „knirschen, reiben oder knacken“ bei bestimmten Bewegungen. Eine Berührung des Gelenks schmerzt und es lässt sich nur eingeschränkt bewegen. Welche Untersuchungen sind notwendig? Die Untersuchung von Bewegungseinschränkungen, der Funktion, der Bandstabilität, und der Gelenkkontur, Schmerztests und auch das Abklären von Fehlstellungen (z.B. der Beine) ergeben einen ersten Verdacht. Wichtig ist auch, wann und bei welchen Tätigkeiten der Schmerz auftritt. Mit welchen bildgebenden Verfahren lässt sich eine Arthrose erkennen? • Mithilfe einer Röntgenuntersuchung lassen sich unter anderem Veränderungen wie Gelenkspaltverschmälerung, Defekte und Zerstörung von Gelenkknorpel und Knochen, Verhärtung von Gewebe sowie Zystenbildung feststellen. Der Grad der Schmerzen ist nicht vom Ausmaß der Abnützung abhängig. Es können schwere Veränderungen auf dem Röntgenbild sichtbar sein, obwohl der Patient nur geringe Schmerzen hat. Andere leiden sehr, obwohl das Röntgen nur Anfangsstadien der Erkrankung zeigt. • Bei Auftreten einer Gelenkschwellung wird mittels Punktion Gelenkflüssigkeit entnommen und im Labor untersucht. Die Gelenkpunktion nimmt die schmerzhafte Spannung vom Gelenk und es ist möglich, verschiedene Gelenkerkrankungen voneinander abzugrenzen (bakterielle Infektionen, Kristallablagerungserkrankung, u.a.). • Bei Unklarheiten wird eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Der Ultraschall eignet sich zur Beurteilung von Sehnen, Muskeln, Schleimbeutelentzündungen, Zysten und Gelenkergüssen. Zur Beurteilung des Knorpels hat sich das MRI (Magnetic Resonance Imaging, ein bildgebendes Verfahren zur Darstellung der Gewebestrukturen im Körperinneren) bewährt. Auch bei Knochennekrosen (Absterben von Knochengewebe), die ähnliche Beschwerden wie Arthrosen verursachen können, führt 45 die Kernspintomographie früher als das Röntgenbild zum diagnostischen Beweis. Welche Laborwerte deuten auf eine Arthrose hin? Laborbefunde, die Arthrose beweisen, gibt es noch nicht. Es sollen aber laborchemisch arthroseverursachende Erkrankungen bzw. Erkrankungen, die sich ähnlich wie Arthrose präsentieren können, ausgeschlossen werden. • Rheumafaktor: normal • Blutsenkungsgeschwindigkeit: normal oder nur leicht erhöht • Anti-CCP: negativ. Anti-CCP sind Antikörper gegen zyklische citrullinierte Peptide, sie werden zur Diagnose des Frühstadiums einer rheumatoiden Arthritis verwendet. • Harnsäure: normal Gesundes vs. krankes Gelenk: 46 Wie wird die Erkrankung grundsätzlich behandelt? Bei der Arthrosetherapie geht es darum, Beschwerden zu lindern und ein Forschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Wichtige Maßnahmen sind ausreichende Bewegung ohne Überlastung, Schutz vor Gelenkverletzungen, Verhinderung bzw. Abbau von Übergewicht sowie eine medikamentöse Therapie. Meist wird eine Behandlung aber nicht im Frühstadium begonnen, sondern erst dann, wenn die Arthrose bereits merkliche Schmerzen verursacht und eine deutliche Gelenkveränderung stattgefunden hat. Trotz des Gelenkverschleißes soll dann mithilfe der Therapie die Belastbarkeit und Beweglichkeit des Gelenks noch für möglichst lange Zeit erhalten bleiben. Sind die Zerstörungen zu groß und die Schmerzen unerträglich, bleibt nur noch der Ersatz des Gelenks (siehe Kapitel 5). intakter Gelenksknorpel Was versteht man unter nicht-medikamentösen Maßnahmen? fortlaufender massiver Knorpelabbau Physikalische Maßnahmen wie Wärme und Mechanik (dazu zählen die Sporttherapie, Krankengymnastik, Ergotherapie und Massagen) sowie Elektrotherapie sollten die Erkrankung in ihrer langen Dauer immer begleiten. KAPITEL 3a Die Krankengymnastik bedient sich Hilfsmitteln wie Gummibändern, Bällen bis hin zu aufwändigen Geräten, die gezielt bei Bewegungseinschränkungen, Muskelverkürzungen und -schwächen zum Einsatz kommen. Besonders hilfreich und wirksam ist auch die Behandlung im Wasser (Aquatraining). zu Grunde liegende Schädigung des Knorpels nicht beeinflussen, aber erst durch weitgehende Schmerzfreiheit ist es möglich, eine Bewegungs therapie durchzuführen – und Bewegung wiederum ist erforderlich, um den Knorpelstoffwechsel zu verbessern. Spezielle Hilfsmittel im Alltag unterstützen die Gelenke und verzögern das Fortschreiten der Erkrankung. Eventuell können Schienen, festes Schuhwerk oder die Verwendung eines Stockes die Gelenke entlasten. Wie verläuft die medikamentöse Behandlung? Ein wesentliches Ziel der medikamentösen Therapie ist in einem ersten Schritt die Schmerzlinderung. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten: • Rheumasalben: Sie sind zur lokalen Anwendung als entzündungshemmende Salben bzw. Gels erhältlich. Salbenverbände haben den Vorteil, dass der Wirkstoff nicht so schnell in der Haut verschwindet, sondern ein ausreichend großer Anteil als „Nachschub“ auf der Haut verbleibt. Grob geschätzt, lässt sich der Schmerz bei etwa der Hälfte der Patienten mit äußerlich aufgetragenen Substanzen besonders im Anfangsstadium der Erkrankung sehr gut behandeln. Schmerzmittel können zwar die der Erkrankung Das Auftragen von Rheumasalben wirkt schmerzlindernd. • Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR): Diese Antirheumatika wirken im Unterschied zu anderen Schmerzmitteln nicht zentral im Gehirn, sondern im beteiligten Gewebe. Sie blockieren dort Gewebshormone (Prostaglandine), die den Schmerz weiterleiten. Neben der schmerzlindernden besteht auch eine entzündungshemmende Wirkung, die u.a. Schwellungen lindert. NSAR werden nicht von allen Patienten vertragen und sollten deshalb nur nach Absprache mit dem Arzt eingenommen werden. 47 • Kortison: Ist die Gelenkinnenhaut eines einzelnen Gelenks stark krankhaft verändert bzw. entwickelt sich ein entzündlicher Verlauf, so kann über einen kurzen Zeitraum Kortison gezielt ins Gelenk gespritzt werden. Es wirkt stark entzündungshemmend. • Ein krankes Gelenk kann keine Hyaluronsäure mehr produzieren, die den Abrieb von Knorpelsubstanz reduziert. In der Praxis ist die Gabe von Hyaluronsäure direkt ins Kniegelenk in Form von Spritzen möglich, man erhofft sich davon eine schmerzlindernde Wirkung. • Knorpelschutzsubstanzen oder Aufbaupräparate: Dies sind Substanzen, die den Knorpelabbau bremsen sollen, wie Glucosamin (-sulfat) oder Chondroitinsulfat. Wann wird eine Arthroskopie durchgeführt? Die Arthroskopie ist eine spezielle endoskopische Untersuchung von Gelenken. Dabei führt man ein Arthroskop (ähnlich einer kleinen Kamera) durch einen kleinen Hautschnitt in einen Gelenkraum ein. Auf diese Weise kann der Arzt direkt die Gelenkstrukturen betrachten. Diese Maßnahme kommt vor allem bei der Untersuchung und Behandlung von Knie-, Sprung- und Schultergelenk zum Einsatz. Tägliche Tabletteneinnahme – oftmals ein Muss! • Diacerein beeinflusst Botenstoffe der Entzündung (wie z.B. Interleukin-1, Interleukin-6 und TumorNekrose-Faktor alpha) und kann dadurch schwach schmerzlindernd wirken. 48 Meistens werden Arthoskopien eingesetzt, um zeitgleich mit der Dia-gnostik auch Operationen zur Gelenksanierung durchzuführen. Gegenüber den offenen chirurgischen Verfahren besitzt die minimal-invasive Chirurgie den Vorteil der geringeren Belastung für den Organismus, geringerer Schmerzen nach der Operation, kürzerer Heilungszeiten und KAPITEL 3a einer schnelleren Wiedereingliederung in die Alltagsaktivitäten. Was passiert bei einer Abrasion? Mit dem Begriff Abrasion (von lat.: abrasio = Abkratzung) wird in der orthopädischen Medizin ein Verfahren bezeichnet, mit dem organisches Material, z.B. Knochen, mechanisch abgetragen wird. Eine Anwendungsform ist die Abrasionsarthroplastik, mit deren Hilfe die Regeneration von körpereigenem Knorpel angeregt werden soll. Dies ist jedoch nicht bewiesen. Diese Übungen sind sehr wichtig und senken unter anderem das Risiko für eine Thrombose. Später folgt eine intensive Krankengymnastik, um den Muskelaufbau zu fördern und die Beweglichkeit der betroffenen Gelenke zu verbessern. Ein spezielles Bewegungsprogramm sollte dann täglich durchgeführt werden. Wann sollte man eine OP mit Gelenkersatz erwägen? Bei starken Beschwerden und Behinderungen kann ein künstliches Gelenk Erleichterung schaffen und die Beweglichkeit wiederherstellen. Auch nach einem Eingriff bleiben die richtige Physiotherapie und Bewegung Voraussetzungen dafür, die Funktion des Kunstgelenks zu gewährleisten. Was ist nach der Operation zu beachten? Im Allgemeinen beginnt die Mobilisation schon am Tag nach der durchgeführten Operation. Dazu gehören Bewegungsübungen und leichte Gymnastik beispielsweise unter fachmännischer Anleitung einer Physiotherapeutin. Einfache Bewegungsübungen werden in den Alltag integriert. 49 Fibromyalgie Was ist Fibromyalgie? Die Fibromyalgie ist eine chronische Erkrankung des Bewegungsapparates, die nicht entzündlich und nicht deformierend verläuft. Da die Beschwerden sehr vielfältig sind und das Krankheitsbild schwer zu erfassen ist, waren die Ursachen lange Zeit unbekannt. Heute gehen Wissenschafter von einer Störung der Stress- und Schmerzverarbeitung aus. Welche Symptome treten auf? Fibromyalgie ist ein eigenständiges, sehr komplexes Krankheitsbild. Die Patienten weisen sowohl körperliche 50 als auch psychische Symptome auf; sie fühlen sich krank und leiden sehr darunter. Typische Kennzeichen der Fibromyalgie sind so genannte Ganzkörperschmerzen, die über mindestens drei Monate anhalten: Der Patient klagt über großflächige (Muskel-)Schmerzen von Kopf bis Fuß, vor allem an der Wirbelsäule, an Armen und Beinen, aber auch Schlaflosigkeit, Angststörungen, Erschöpfung, chronische Müdigkeit und Depression können auftreten. Diese Beschwerden sind verschieden stark ausgeprägt und treten häufig bereits nach minimalen körperlichen Belastungen auf. Häufig werden die KAPITEL 3b Schmerzen am ganzen Körper durch Stress, Kälte oder körperliche Betätigung verstärkt, es kann zu einem subjektiv wahrgenommenem Anschwellen der Extremitäten und brennenden Hautschmerzen kommen. Weiters sind reduzierte Leistungsfähigkeit, trockene Augen oder Mund, ein Reizdarmsyndrom, Kopfschmerzen, Beklemmungsgefühle, Kälteempfindlichkeit, Migräne oder Herzbeschwerden festzustellen. Viele dieser Beschwerden weisen auf eine erhöhte Aktivität des sympathischen Nervensystems hin. Fibromyalgie ist nicht nur mit einem enormen Leidensdruck für den Patienten verbunden, sondern kann in vielen Fällen auch zu sozialen Beeinträchtigungen führen, wie zum Beispiel zum Verlust des Arbeitsplatzes, zu Problemen in der Partnerschaft und zu sozialem Rückzug. Wer ist betroffen? In Österreich dürften weit über 100.000 Menschen an dieser Erkrankung leiden. Frauen sind von Fibromyalgie sieben mal häufiger betroffen als Männer, zumeist beginnt die Krankheit eher schleichend im Alter von rund 35 Jahren und erreicht im Klimakterium ihren Höhepunkt. Wie Studien zeigen, fühlen sich Fibromyalgie-Patienten häufig von ihrem beruflichen oder privaten Alltag extrem belastet und gestresst, sind hyperaktiv und haben einen Hang zum Perfektionismus unter Zurückstellung ihrer eigenen Bedürfnisse. Eine latente Schädigung des Stressverarbeitungssystems durch frühkindliche Traumatisierungen oder Schmerzerfahrungen kann dafür bereits den Grundstein legen. Eine „sekundäre Fibromyalgie“ kann auch als Folge einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung wie der chronischen Polyarthritis auftreten. Mit welchen Methoden stellt der Arzt diese Erkrankung fest? Erkrankte ziehen sich oft zurück, da Unverständnis herrscht. Bevor der Rheumatologe eine Fibromyalgie diagnostiziert, müssen zuerst andere Krankheitsbilder ausgeschlossen werden: Denn hinter den Symptomen können sich auch schwere Erkrankungen verbergen. Daher werden Laborund Röntgenbefunde erstellt, auch um Erkrankungen wie Morbus Parkinson, 51 entzündliche Rheumaformen oder Schilddrüsenstörungen auszuschließen. Sind diese Befunde unauffällig, ist das typisch für eine Fibromyalgie. Wichtige Diagnosehilfen können druckempfindliche Punkte am Körper sein. Der Arzt drückt mit dem Daumen auf bestimmte Stellen, die über den ganzen Körper verteilt sind. Wird sein Fingerdruck auf mindestens 11 von 18 speziellen Druckpunkten als schmerzhaft empfunden, dann handelt es sich um eine Fibromyalgie. Man findet diese so genannten „tender points“ im Nacken, oberhalb der Schulterblätter, bei den Schlüsselbeinen, in der Kreuzbeingegend, an den äußeren Oberschenkeln (unterhalb des Beckenknochens), in den Kniekehlen und im Bereich der Ellbögen. Wie wird Fibromyalgie behandelt? Die Fibromyalgie ist nicht heil-, aber gut therapierbar. Wichtigstes Behandlungsziel ist, den Patienten zu einem aktiven Lebensstil zu motivieren und dadurch seine sozialen und beruflichen Funktionen zu erhalten. Jede Therapie muss individuell an die jeweilige Krankheitsaktivität angepasst werden. Grundsätzlich bedarf die Behandlung großer persönlicher Zuwendung und ist meist sehr zeitintensiv. Als therapeutische Maßnahmen – nach gesicherter Diagnose – stehen Psychotherapie sowie eine individuell 52 angepasste, gestufte Trainingstherapie, die den Patienten nicht überfordert, an erster Stelle. Als medikamentöse Begleittherapie können Antidepressiva, Antiepileptika und andere Substanzen eingesetzt werden. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es noch? Da Schmerzmittel nur beschränkt einsetzbar sind, setzen Experten bei der Fibromyalgie unter anderem auf folgende Methoden: • Physikalische Therapie, Verhaltensund Bewegungstherapien sowie aktive Techniken zur Schmerzkontrolle • Wärmebehandlungen mit lokalen Packungen, Ultraschall oder Heilbäder wirken muskelentspannend und schmerzlindernd. • Lymphdrainagen und Akupunktmassagen vermindern lokale Lymphödeme sowie Stauungen und reduzieren Schmerzen. • Behandlungen in Infrarotwärmekabinen, aber auch in der Kältekammer können zu sehr guten Ergebnissen führen. Warum ist auch psychische Betreuung notwendig? Eine psychotherapeutische Therapie sollte auf eine Veränderung von Einstellungen und Verhaltensmustern abzielen. Patienten mit Fibromyalgie neigen dazu, vieles als Katastrophe zu sehen und sich dadurch selbst sehr unter Stress zu setzen. KAPITEL 3b Da Stress bei der Entstehung der Krankheit eine Schlüsselrolle spielen kann, wird den Betroffenen empfohlen, mit einem Therapeuten an der Bewältigung von Problemsituationen zu arbeiten. Oftmals ist es wichtig, auch die Familienmitglieder in die Therapie einzubeziehen. rapie können mit den Therapien der klassischen Schulmedizin kombiniert werden. Im Sinne der Ganzheitsmedizin wird ein Ausgleich im Gesamtenergiehaushalt des Körpers und damit eine Schmerzlinderung bewirkt. Begleitende diätetische Maßnahmen stärken die Grundenergie im Körper. Wie wichtig ist Bewegung? Bewegung ist ein wichtiger Teil des Rehabilitationsprogramms, allerdings unter Aufsicht und in Maßen, damit es zu keinem Rückfall kommt. Ein Herz-Kreislauf-Training (Ergometer, Nordic Walking, Crosstrainer) wirkt schmerzlindernd, da vermehrt Wachstumshormon und Endorphine produziert werden. Autogenes Training wirkt stressmindernd. Zusätzlich wirken bei Stress Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training und andere Entspannungstechniken positiv. Welche alternativen Heilmethoden können helfen? Alternative Heilmethoden wie Akupunktur, Traditionelle Chinesische Medizin, Osteopathie, Kraniosakraltherapie, Homöopathie, Neuraltherapie, manuelle Medizin und Magnetfeldthe- Zusätzlich ist Heilgymnastik zur Muskelstärkung und Haltungsverbesserung notwendig. Trockenübungen erhöhen die Muskelkraft. Einzelheilgymnastik und Kleingruppen haben sich sehr bewährt. Unterwassergymnastik ist für ihre ausgezeichnete Wirkung auf Schmerz und Psyche bekannt. Die Kombination beider Maßnahmen ist daher äußerst sinnvoll, wobei jedes Training immer ganz behutsam begonnen werden sollte. Körperselbstwahrnehmungsprogramme haben zuletzt äußerst gute Erfolge erzielt. Die Patienten lernen hierbei, mit ihrem Körper und ihrer Energie besser umzugehen. Generell ist auf ein Gleichgewicht zwischen Aktivität und Erholungsphasen zu achten. 53 Medikamentöse Behandlung Welche Medikamente gibt es bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen? Zu den Arzneimitteln, die primär entzündungshemmend und schmerzstillend wirken, zählt die große Gruppe der nicht-steroidalen Antirheuma- 54 tika (NSAR = kortisonfreie Rheumaschmerzmittel). Im Gegensatz dazu sind jene entzündungshemmenden Rheumaarzneien, die das körpereigene Hormon Kortison enthalten, zu erwähnen. Beide Medikamentengruppen entfalten eine rasche Wirkung. Sie wirken jedoch nur gegen die Schmerzbekämpfung und Entzündungshemmung Bekämpfung der Gelenkschwellung Bekämpfung der radiologischen Veränderung (Gelenkdeformation) NSAR ja ja nein Kortison ja ja nein (im Frühstadium ja)* Klassische Basistherapeutika ja ja ja Biologika ja ja ja * keine Indikation für Langzeittherapie KAPITEL 4 Krankheitszeichen, wie beispielsweise Schmerz und Schwellung, beeinflussen aber den längeren Krankheitsverlauf nicht. Umso wichtiger ist der Einsatz von so genannten Basistherapeutika oder auch DMARDs, die zumeist als Dauermedikation verabreicht werden. Sie können den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen, die aktive Entzündung über einen längeren Zeitraum zum Stillstand bringen und somit eine Erhaltung der Gelenkfunktion sicherstellen. Zur Gruppe der Basistherapeutika gehören auch die seit 1999 am Markt befindlichen, so genannten Biologika. Was heißt Basistherapie oder DMARD? Basistherapeutika sind Medikamente, die bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zur Verbesserung der Gelenksymptomatik und zu einer Verminderung bzw. im Idealfall zum Stopp der Gelenkzerstörung führen. Der englische Begriff „Disease Modifying Antirheumatic Drug“ (DMARD), also krankheitsbeeinflussendes Medikament, trifft den Effekt der Substanz damit wohl schon eher. Folgende Wirkstoffe zählen zu den Basistherapeutika und finden in Österreich häufig Anwendung: Sulfasalazin, Hydroxychloroquin, Leflunomid und Methotrexat. Letzteres ist das am häufigsten eingesetzte Präparat in der Gruppe der Basistherapeutika. Die Dosierung ist üblicherweise einmal pro Woche bis zu 30 mg entweder als Tablette oder als Spritze unter die Haut. Was tun Basistherapeutika? Sie greifen in die Kaskade der überschießenden Reaktion des Immunsystems ein. Sie „dämpfen“ oder normalisieren diese „überschießende“ Antwort des Immunsystems, daher in dem Zusammenhang auch der Begriff der Immunmodulation. Das führt zu einer Verringerung der entzündlichen Reaktionen in den Gelenken, wodurch Gelenkschwellungen und -zerstörung verhindert werden sollen. Die Wirkung der Substanz zeigt sich oft erst nach einigen Monaten, sollte aber nach längerer Einnahme zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden bis hin zur Beschwerdefreiheit und im Idealfall zu einem Stillstand der Erkrankung führen. Basistherapeutika haben eine Langzeitwirkung auf den Krankheitsverlauf, indem sie die fortschreitende Zerstörung der Knorpel und Knochen verhindern oder zumindest verzögen. Sie müssen regelmäßig eingenommen werden und dürfen nur nach Absprache mit dem Arzt abgesetzt werden. Im klinischen Alltag konnte bis dato jedoch nur vereinzelt ein völliges Absetzen dieser Basistherapeutika erzielt werden, viel eher kann bei gutem Therapieansprechen des Patienten die Dosis reduziert oder die Intervalle der Verabreichungen können verlängert werden. 55 Gibt es Nebenwirkungen von Basistherapeutika? Wie bei allen Medikamenten können selbstverständlich vereinzelt Nebenwirkungen auftreten. Deshalb muss von Beginn an eine kontinuierliche Kontrolle durch den behandelnden Arzt erfolgen – anfangs alle 4–6 Wochen, danach in zwei- bis dreimonatigem Abstand. So können frühzeitig oft nicht sichtbare Nebenwirkungen rasch und zielgerichtet behandelt werden. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit, Durchfall, leichter Haarausfall, Nieren- und Leberfunktionsstörungen. Die Medikamente können weiters das Erbgut in den Keimzellen schädigen. Daher raten Ärzte, eine Schwangerschaft erst mehrere Monate nach dem Abschluss der Behandlung in Betracht zu ziehen. zahlreiche Aufgaben im Stoffwechsel und im Abwehrsystem. Wegen dieser Eigenschaften entwickelte man es zu einer Arzneimittelsubstanz weiter. Kortisone bremsen die Immunreaktionen und wirken damit effizient gegen starke Entzündungen. Gerade bei rheumatischen Erkrankungen kommt eben dieser starke entzündungshemmende Effekt zum Tragen. Kortison unterdrückt eine Entzündung in Gelenken wirksam und schnell. Meistens bessern sich die Beschwerden innerhalb von ein bis zwei Stunden nach der Einnahme. Oft werden sie als Überbrückung verwendet, bis die Basistherapie greift. Kortison beseitigt aber nur das Symptom, eine Heilung kann dadurch nicht bewirkt werden. Wann kommen Basistherapeutika zum Einsatz? Bei rheumatoider Arthritis, juveniler idiopathischer Arthritis, Psoriasis-Arthritis, ankylosierender Spondylarthritis mit Gelenkschwellungen und zum Teil bei Kollagenosen. Kortison – wie wirkt das? Kortison ist der Oberbegriff für eine ganze Wirkstoffgruppe. Es handelt sich dabei um Abkömmlinge des körpereigenen Hormons Kortisol, das in der Nebenniere gebildet wird. Es übernimmt 56 Kortison unterdrückt Entzündungen. KAPITEL 4 Warum ist Kortison so gefürchtet? Was sind Biologika und wie wirken sie? Kaum spricht ein Arzt den Namen „Kortison“ aus, macht sich bei vielen Menschen Angst breit. Das begründet sich in den Erfahrungen mit überdosierten Kortisonbehandlungen aus den 1970er-Jahren, als man noch keine Langzeiterfahrungen hatte. Durch die hohe Dosierung und unbedacht lange Anwendung kam es zu den mittlerweile weitreichend bekannten Nebenwirkungen. Heute weiß man, dass große Mengen Kortison nur für kurze Zeit zumeist unbedenklich sind und dass die Nebenwirkungen von vernünftig dosiertem Kortison wesentlich geringer ausgeprägt sind als früher. Biologicals, auch Biologics oder Biologika genannt, sind biotechnologisch hergestellte Eiweiße, die gezielt in die Mechanismen des Krankheitsgeschehens eingreifen. Sie sind in der Lage, die Regulationsmechanismen bei entzündlichrheumatischen Erkrankungen wesentlich zu beeinflussen. Sie unterscheiden sich also im Wirkansatz wesentlich von den restlichen in der Rheumatherapie zum Einsatz kommenden Präparaten. Sie greifen gezielt in den immunologischen Abwehrmechanismus des Körpers ein, indem sie beispielsweise Zytokine – also Botenstoffe, die für die Immunantwort des Körpers zuständig sind – ausschalten. Was ist bei der Einnahme von Kortison zu beachten? Spätfolgen vieler immunologischer Erkrankungen (z.B. Gelenkveränderungen bis hin zur Gelenkzerstörung) können mithilfe von Biologika vermindert, gestoppt oder zumindest hinausgezögert werden. Kortisonpräparate müssen regelmäßig und zum vorgesehenen Einnahmezeitpunkt eingenommen werden. Sie sollten niemals plötzlich abgesetzt werden, da der Körper während der Therapie die eigene Kortisonproduktion einstellen kann und es daher bei plötzlichem Absetzen des Präparats zu lebensgefährlichen Reaktionen kommen kann. Die Dosis muss Schritt für Schritt verringert werden. Weiters muss das Risiko für das Auftreten von Osteoporose vor Beginn der Therapie mittels Knochendichtemessung abgeklärt werden. Ebenso sind regelmäßige Blutdruck-, Blutzucker- und Gewichtskontrollen sinnvoll. Es handelt sich dabei um Substanzen, die mit modernster Biotechnologie und unter sehr hohem technischen Aufwand hergestellt werden. Art der Verabreichung: Da diese Eiweiße im Magen-Darm-Trakt zerlegt werden und so nicht am Wirkort eintreffen würden, werden sie entweder per Infusion durch den Arzt oder vom Patienten selbst subkutan, also unter das Unterhautfettgewebe injiziert. 57 Übersicht: Biologika in der Rheumatologie Wirkstoff Darreichungsform Infliximab Infusion (intravenös) alle sechs bis acht Wochen Chimärer, humanmuriner monoklonaler Antikörper Rheumatoide Arthritis, Psoriasis Arthritis, Psoriasis, Morbus Bechterew, Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa, Morbus Crohn mit Fistelbildung, pädiatrischer Morbus Crohn Adalimumab Subkutan: Fertigspritze oder Pen alle zwei Wochen Humaner monoklonaler Antikörper Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Psoriasis, Morbus Bechterew, Morbus Crohn, juvenile idiopathische Arthritis Etanercept Durchstechflasche; subkutan: Fertigspritze oder Pen ein- oder zweimal wöchentlich Humanes TNFRezeptor-p75-FcFusionsprotein Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Morbus Bechterew, juvenile idiopathische Arthritis, PlaquePsoriasis, juvenile Plaque-Psoriasis Certolizumab Subkutan: Fertigspritze; zwei Injektionen jeweils in Woche 0, 2 und 4, danach eine Injektion jede zweite Woche Pegyliertes, rekombinantes, humanisiertes Antikörper-Fab’Fragment Rheumatoide Arthritis Golimumab Subkutan: Fertigspritze oder Pen; einmal monatlich Monoklonaler humaner IgG1k-Antikörper Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Morbus Bechterew B-Zell-Antikörper Rituximab Infusion (intravenös); Woche 0 und 2 eine Infusion, danach alle sechs Monate Monoklonaler, chimärer Antikörper gegen das auf B-Zellen lokalisierte CD20Oberflächenprotein Rheumatoide Arthritis Selektiver T-ZellenCo-Stimulationshemmer Abatacept Infusion (intravenös); Woche 0, 2 und 4 einmal, danach alle vier Wochen Rekombinantes Fusionsprotein Rheumatoide Arthritis IL-6-RezeptorInhibitor Tocilizumab Infusion (intravenös); alle vier Wochen Rekombinanter, humaner monoklonaler Antikörper Rheumatoide Arthritis IL-1-RezeptorInhibitor Anakinra Fertigspritze Rekombinanter, humaner RezeptorAntagonist Rheumatoide Arthritis TNF-alpha-Blocker 58 Zugelassen für KAPITEL 4 Wie sieht der Therapieablauf aus? Die gängige Therapie sieht so aus, dass die Gabe von Basistherapeutika beibehalten wird, wenn mit einer Biologikatherapie begonnen wird. Innerhalb von zwei bis vier Wochen tritt oftmals eine Besserung ein, nach rund acht Wochen ist ein Wirkungsmaximum erreicht. Sollte nach drei Monaten kein entsprechender Therapieerfolg erzielt worden sein, muss ein Wechsel auf ein anderes Biologikum oder auf ein anderes Wirkprinzip ins Auge gefasst werden. Wann beginnt man mit Biologikatherapien und welchen Vorteil haben sie? Biologika werden erst nach erfolglosen Versuchen mit Basistherapeutika eingesetzt. Die Biologicals sind also für die Behandlung jener Patienten zugelassen, bei denen Basismedikamente wie Methotrexat, Leflunomid oder Sulfasalazin nicht oder nicht ausreichend wirken. Die gleichzeitige Einnahme von Basistherapeutika ist immer angezeigt (Kombinationstherapie). Bis zur Hälfte der mit den neuen Wirkstoffen behandelten Patienten berichtet, dass sich ihre Beschwerden deutlich gebessert haben – wobei auch hier wieder der rechtzeitige Beginn der Behandlung entscheidend für den Therapieerfolg ist. Das Wirkprofil und die Verträglichkeit sprechen mitunter dafür, dass Biologika vielleicht schon bald noch früher zum Einsatz kommen dürften. Dagegen sprechen momentan die hohen Kosten. Bei welchen Erkrankungen kommen Biologika zum Einsatz? Rheumatoide Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis, Psoriasis, PsoriasisArthritis, Morbus Bechterew, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Regenbogenhautentzündung u.a. Biologika in Form von Infusionen – wo liegen die Vorteile? Die Infusion wird über eine Vene des Patienten in der Praxis oder der Ambulanz vom Facharzt verabreicht. Der Patient bleibt im Normalfall noch rund eine Stunde danach sitzen, sodass der behandelnde Arzt seinen Allgemeinzustand überwachen kann. Die Vorteile bei 59 der Verabreichnung von Infusionen sind einerseits maßgeschneiderte Dosierungen, längere Intervalle und direkte Kontrolle durch den verabreichenden Arzt (Pflegepersonal). Nach der Infusion tritt die Wirkung bei den meisten Biologika sehr rasch ein. Schmerzen und die Morgensteifigkeit werden reduziert. Auch die Entzündungszeichen im Blut (CRP, Blutsenkung) bessern sich. Wesentlich ist, die Behandlung weiter fortzuführen, auch wenn sich die Symptome gebessert haben, andernfalls kann sich die Krankheit wieder verschlimmern. hinzuweisen, dass der Betroffene zu Hause für eine entsprechende Kühlung der Substanz im Kühlschrank (bei ca. 2–8 °C) zu sorgen hat. Pens und Fertigspritzen wurden gemeinsam mit Patienten, die an Rheuma erkrankt sind, entwickelt. Die Substanzen werden beispielsweise als fertige Lösung in dem vordosierten Pen mit inkludierter Nadel ohne weitere Vorbereitungsmaßnahmen verabreicht. Besonders vorteilhaft empfinden Patienten, dass sie sich um nichts kümmern müssen. Das bedeutet, dass die Sorge um die Lagerung der Substanz, wenn man beispielsweise auf Urlaub fährt, wegfällt. Ebenso entfallen Umstände bei der Selbstverabreichung. Ein typisches Beispiel für den oben genannten Wirkmechanismus sind die TNF-alpha-Blocker (Tumor-NekroseFaktor alpha). Sie blockieren den körpereigenen, entzündungsauslösenden Botenstoff TNF-alpha und hemmen damit das weitere Fortschreiten der rheumatischen Entzündung, womit es zu einer Eindämmung der Progression von Gelenkdestruktion und Funktionsverlust kommt. TNF-alpha wird also inaktiviert, wodurch – im Falle eines Behandlungsansprechens – in der Folge Schmerzen, Schwellungen und das Fortschreiten der Erkrankung eingedämmt werden. Biologika in Form von Fertigspritzen oder Pens – wo liegen die Vorteile? Die erste Verabreichung der Wirksubstanzen mittels Fertigspritzen oder Pens sollte unter Anleitung des behandelnden Arztes erfolgen. Hat der Patient genügend Sicherheit in der eigenständigen Anwendung erlangt, verabreicht er sich den Wirkstoff zu Hause selbst. Dies stellt einen großen Vorteil für viele Patienten dar, weil sie damit unabhängig vom Spital oder vom behandelnden Arzt (z.B. in der Urlaubsplanung etc.) sind. Wichtig ist allerdings, darauf 60 TNF-alpha-Blocker gehören zu den Biologika – was tun sie? Vorteile gegenüber herkömmlichen Basismedikamenten sind das oft gute und rasche Ansprechen der Patienten und neben der antientzündlichen Wirkung auch ein hemmender Effekt auf das Voranschreiten der Knochenveränderungen. Als Nachteil sind die hohen KAPITEL 4 Kosten zu nennen, die durch die aufwändige Herstellung der Substanz anfallen. Wichtig: Vor dem Verabreichen der Substanz das Vorliegen einer schwer wiegenden Infektion, insbesondere von Tuberkulose, ausschließen! Welche Bedeutung kommt der B-Zellen-Therapie zu? Im Gegensatz zu den TNF-alpha-Blockern, wo man das Hauptaugenmerk auf die Regulation von Zytokinen legt, richtet sich die Aufmerksamkeit hier auf die Bedeutung der B-Zelle. B-Zellen oder B-Lymphozyten sind eine Unterklasse der weißen Blutkörperchen. Eine wichtige Aufgabe der B-Zellen ist es, Antikörper zu bilden. B-Zellen haben darüber hinaus aber noch eine Reihe weiterer wichtiger Aufgaben. Wenn sie durch körperfremde Substanzen aktiviert werden, spezialisieren sie sich entweder zu Antikörper produzierenden Plasmazellen oder zu Gedächtniszellen. Bei rheumatoider Arthritis werden die B-Zellen jedoch zur „Attacke“ gegen die eigenen Gelenke auf den Plan gerufen. Durch die Behandlung werden BZellen, die auf ihrer Oberfläche ein spezielles Merkmal (CD20) tragen, stark vermindert. Dieses kann dadurch die Krankheitsaktivität und die radiologisch nachweisbare Zerstörung des Knorpelgewebes vermindert werden. Die Substanz Rituximab wurde ursprünglich für die Therapie von Erkrankungen des lymphatischen Systems entwickelt. Nach der Infusion des Antikörpers kommt es innerhalb kurzer Zeit zu einer raschen und praktisch kompletten Beseitigung aller CD20positiven B-Zellen im Blut. Zellen wie z.B. Plasmazellen, die das Merkmal CD20 nicht tragen, werden nicht eliminiert, wodurch ein Teil der körpereigenen Abwehrkraft erhalten bleibt. Zwei Infusionen werden in der Regel im Abstand von 14 Tagen verabreicht – so sich keine Wirkung zeigt, kommt es zu keinem weiteren Einsatz von Rituximab. Wenn sich ein positiver Effekt der Therapie zeigt, hält dieser zwischen sechs Monaten und einem Jahr an. Meist wird Rituximab mit einem Basistherapeutikum kombiniert. Hemmung der T-Zellen – warum das? Als weitere Alternative für einen Rheumatologen und seine Patienten kann die Therapie mit einem gentechnologisch hergestellten Entzündungshemmer in Kombination mit einem Basistherapeutikum angeführt werden. Diese Substanz ist zur Behandlung von Patienten mit moderater bis schwerer rheumatoider Arthritis (RA) zugelassen, die unzureichend auf eine Therapie mit Basistherapeutika und mindestens einem TNF-alpha-Blocker angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Seine immunsuppresive Wirkung 61 kommt durch die Blockade der Aktivierung von T-Zellen zu Stande. Der Wirkstoff hemmt die Aktivierung von T-Lymphozyten und unterdrückt dadurch die Entzündungsvorgänge. T-Lymphozyten – oder kurz T-Zellen – sind eine für die Immunabwehr wichtige Gruppe, sie spielen bei der Steuerung von Abwehrvorgängen des Immunsystems eine bedeutende Rolle. Wirkeintritt ist in der Regel sehr rasch zu erwarten. Diese Möglichkeit stellt neben der Hemmung der B-Zellen und jener der T-Zellen ein weiteres Standbein neben den TNF-alpha-Blockern dar. Auch hier kann der Wirkeintritt der Substanz erst nach drei bis sechs Monaten festgestellt werden. Interleukin-6-RezeptorInhibitor – welchen Fortschritt bringen sie? Nach und nach kommt die Forschung immer mehr Faktoren auf die Spur, die in dem entzündlichen Geschehen eine Rolle spielen. Beim IL-6-Rezeptor-Inhibitor handelt es sich um einen humanisierten monoklonalen Antikörper gegen den Interleukin6-Rezeptor (IL-6), der die Aktivität von IL-6, einem anderen wichtigen Auslöser des Entzündungsprozesses, unterdrückt. Es ist zur Behandlung von Patienten mit mäßiger bis schwerer aktiver RA zugelassen, die unzureichend auf eine Therapie mit Basistherapeutika angesprochen haben. Diese Wirkungsweise reduziert die Entzündung der Gelenke und lindert die systemischen Symptome der rheumatoiden Arthritis (RA). Der 62 Intravenöse Gabe des IL-6-Rezeptor-Inhibitors alle 4 Wochen Welche Kontrollen sind bei einer Dauertherapie wesentlich? Regelmäßig sollten folgende Werte kontrolliert werden, damit Schäden, die subjektiv nicht merkbar sind, rechtzeitig erkannt werden: Blutbild, Leberwerte, Nierenwerte, Blutgerinnung, Rheumafaktor, Harn. Einige Präparate oder die Kombination mehrerer erfordert noch zusätzliche Kontrolluntersuchungen. KAPITEL 4 Partner für die Gesundheit heute und morgen. Unsere Kompetenzen PHARMA-GROSSHANDEL APOTRONIK EDV Sortierter Vollgroßhandel & Besorgerservice Praxisorientierte EDV-Lösungen für die moderne Apotheke KRÄUTER-GROSSHANDEL Service Breites Sortiment & hauseigene Mischungen nach Kundenwunsch Online Kommunikation • Kundenmerkblätter • Gesundheitsportal APOnet • Fortbildung Kwizda Upgrade • Nachwuchsförderung Kwizda4you • Finanzierungslösungen Mit diesen Leistungsmerkmalen sind wir für unsere KundInnen ein vertrauensvoller, zukunftsorientierter und unverzichtbarer Partner. Wir wollen unsere KundInnen nicht nur zufriedenstellen, wir wollen sie begeistern! 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Sie wird in den meisten Fällen dann durchgeführt, wenn alle herkömmlichen Methoden (wie physikalische Therapie, Medikamente, Hilfsmittel etc.) ausgeschöpft sind und trotzdem anhaltende Schmerzen in einem Gelenk bestehen. Wichtig ist dabei festzuhalten, dass Operationen niemals als Ersatz oder anstelle einer medikamentösen Therapie und hier insbesondere einer Basistherapie gesehen werden dürfen, sondern erst 64 nach Ausschöpfung dieser zum Einsatz kommen. Operationen können entweder eine vorbeugende oder eine wiederherstellende Maßnahme sein. Präventive, das heißt, vorbeugende Eingriffe: Die Operation erfolgt früh, wenn das Knorpelgewebe und die Sehnen noch intakt sind, um irreversib- le Schäden an Gelenken und Sehnen zu verhindern oder hinauszuzögern. Die Funktion soll erhalten bleiben. Rekonstruktive, das heißt, wiederherstellende Eingriffe: Die geschädigte Funktion von Gelenken soll wiederhergestellt und Schmerzen sollen reduziert werden. KAPITEL 5 Welche Operationsmethoden gibt es? • Synovektomien (Entfernung der entzündeten Gelenkschleimhaut) • Korrekturoperationen bei Gelenkfehlstellungen oder Funktionseinschränkungen (präventive und rekonstruktive Eingriffe) • Gelenkersatz (Teil- oder Totalendoprothesen) • Arthrodesen, Spondylodesen (stabilisierende Versteifungsoperation) Was ist eine Synovektomie? Darunter versteht man die Entfernung von entzündeter Gelenkinnenhaut. Voraussetzung ist, dass die Gelenkflächen noch intakt sind. Mithilfe dieser chirurgischen Behandlung kann das Fortschreiten der Gelenkzerstörung entscheidend verzögert und in manchen Fällen zum Stillstand gebracht werden. Durch die Möglichkeiten der so genannten Schlüssellochchirurgie mittels Arthroskopie (Gelenkendoskopie) kann der Eingriff vor allem am Knie oder an der Schulter ohne große Schnitte erfolgen. Es wird das entzündliche Gewebe im Gelenk mithilfe eines Endoskops entfernt mit dem Ziel, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und Folgeschäden wie sekundäre Arthrosen oder Fehlstellungen zu begrenzen. Vor allem bei kleineren Gelenken wie den Hand- oder Fingergelenken ist die Arthroskopie oft jedoch nicht möglich, weil Bänder oder Sehnen mitbehandelt werden müssen. Dann kann lediglich eine „offene“ Synovektomie erfolgen, die größere Schnitte notwendig macht. Nach dem Eingriff wächst die Gelenkinnenhaut (Synovia) innerhalb weniger Wochen wieder nach. Synovektomien können grundsätzlich an allen Gelenken vorgenommen werden. Worum handelt es sich bei der Radiosynoviorthese? Bei der Radiosynoviorthese wird eine schwach radioaktiv strahlende Flüssigkeit in ein chronisch entzündetes Gelenk injiziert. Dadurch verödet die entzündete Gelenkinnenhaut oberflächlich. Diese Behandlungsform sollte jedoch erst dann angewendet werden, wenn die Basistherapie und Kortisongabe direkt ins Gelenk nicht ausreichend wirksam waren. Wann muss ein Gelenk operativ ersetzt werden? Ist ein bestimmtes Maß an Zerstörung erreicht, bleibt nur noch der künstliche Gelenkersatz mit Materialien wie Metall, Keramik, Polyethylen oder Silastik. Bei einer totalen Endoprothese werden sowohl Gelenkkopf als auch Gelenkpfanne ersetzt, bei einer Teilprothese nur der Gelenkkopf ohne Gelenkpfanne. Die Eingriffe sind an fast allen Gelenken möglich, etwa Schulter-, Ellbogen-, Hand-, Finger-, Hüft-, Knie- oder oberes Sprunggelenk, Zehengelenke. 65 Am häufigsten wird sie beim Hüftgelenk durchgeführt. Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass Kunstgelenke zu einem hohen Prozentsatz Schmerzfreiheit und annähernd normale Beweglichkeit erwarten lassen können. Wie lange hält im Schnitt ein künstliches Gelenk? 90-95% der Implantate halten mindestens 15 Jahre lang, bei sehr aktiven jüngeren Patienten kann es etwas kürzer sein. Bestimmte Materialpaarungen haben einen extrem niedrigen Abrieb, wie z.B. Keramik-Keramik, womit auch eine starke Belastung im Rahmen sportlicher Betätigung möglich wird. Was versteht man unter „Versteifungsoperation“? Eine operative Gelenkversteifung wird beispielsweise bei einer sehr schweren rheumatischen Erkrankung vorgenommen (oft bei kleineren Gelenken im Bereich der Fuß- und Wirbelgelenke) und dient vor allem der Schmerzlinderung. Die Bewegungsfähigkeit des Gelenks wird unterbunden, die Knochenteile des versteiften Gelenks wachsen zusammen. veränderte Gelenkkapsel oder Sehnenscheide entfernt (Synovektomie), zerstörte Sehnen werden wiederhergestellt, eine Gelenkteilentfernung (Resektionsarthroplastik) wird durchgeführt, eine Gelenkversteifung (Arthrodese) gemacht oder ein künstliches Gelenk eingesetzt. Künstliche Gelenke werden häufig im Bereich von Hüfte, Knie oder Schulter eingesetzt, im Bereich des Ellbogens oder Sprunggelenks eher seltener. Bei kleineren Gelenken wird auch häufig eine Versteifungsoperation durchgeführt. Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis kommt es häufig im Bereich des 2. Halswirbelkörpers zu entzündlichen Veränderungen, die im fortgeschrittenen Stadium zu neurologischen Ausfällen führen können. Die beginnende Schädigung des Rückenmarks zeigt sich durch Hinterkopf-Nacken-Schmerzen, eine Schwächung an den Extremitäten und auch Unsicherheit beim Gehen. Welche Operationsmöglichkeiten gibt es? • Bei rheumatoider Arthritis: Je nach Stadium wird die entzündlich 66 Halswirbelschmerzen sind bei RA oft sehr belastend. KAPITEL 5 Durch eine Versteifungsoperation kann das Rückenmark geschützt und eine weitere Schädigung verhindert werden. Die Wahl des richtigen Operationszeitpunkts ist hierbei ganz entscheidend. • Bei Morbus Bechterew: Im Vordergrund steht lebenslange Gymnastik zur Kräftigung der Rückenstrecker. Wenn der Krankheitsverlauf jedoch so stark fortschreitend ist und die Krümmung der Wirbelsäule stark zunimmt, sollte rechtzeitig eine Versteifungsoperation im Bereich der Wirbelsäule durchgeführt werden: Schrauben werden in die Wirbelkörper eingebracht und untereinander mit Stäben verbunden, um eine Stabilisierung zu erzielen. Diese Implantate sind nur vorübergehend als Stabilisatoren gedacht, bis eine knöcherne „Brücke“ entsteht, die das Fortschreiten der Erkrankung stoppt. In einem sehr späten Stadium des Morbus Bechterew werden bei der Methode der sehr aufwändigen Osteotomie die Wirbelkörper getrennt, die aufgrund der Erkrankung verwachsen sind. Die Wirbelsäule wird in der Achse korrigiert und wieder aufgerichtet. • Bei Psoriasis-Arthritis: Je nach Stadium wird die entzündlich veränderte Gelenkkapsel oder Sehnenscheide entfernt (Synovektomie), zerstörte Sehnen werden wiederhergestellt, eine Gelenkteilentfernung (Resektionsarthroplastik) wird durchgeführt, eine Gelenkversteifung (Arthrodese) gemacht oder ein künstliches Gelenk eingesetzt. • Bei Arthrose und Abnützungserscheinungen: Bei allen großen und mittleren Gelenken (wie Hüfte, Knie, Schulter) ist der Gelenkersatz die erfolgreichste Therapieform, wenn • trotz medikamentöser Behandlung ständig Schmerzen vorhanden sind, • die Funktionalität des Gelenks stark eingeschränkt ist. Bei der Versorgung von Hüfte und Knie sollte die Operation nicht zu lange hinausgezögert werden, weil die Muskulatur und andere Gelenke leiden. Im Bereich des unteren Sprunggelenks oder des Mittelfußgelenks sind nur Versteifungsoperationen möglich. Welche komplementärmedizinischen Maßnahmen stehen zur Verfügung? Manche Patienten sprechen auf die Behandlung mit komplementären Methoden sehr gut an, andere wieder nicht. Diese Methoden sind im Einzelfall einen Versuch wert, sollten aber immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt durchgeführt werden. Wichtig ist dabei festzuhalten, dass sämtliche komplementären Maßnahmen niemals als Ersatz einer medikamentösen Therapie und hier insbesondere einer Basistherapie gesehen werden dürfen, sondern zusätzlich zu einer solchen Therapie zur Anwendung kommen sollen. Darüber hinaus dürfen diese Maßnahmen niemals selbstständig als „Therapieversuch“ vor der Begutachtung durch einen internis67 tischen Rheumatologen erfolgen, da dadurch wertvolle Zeit verloren gehen kann, bis eine wirksame Basistherapie begonnen wird. Wie hilft Akupunktur bei der Rheumatherapie? Akupunktur wird hauptsächlich zur Schmerzlinderung eingesetzt. sind. Bei einer Krankheit allerdings ist dieses Gleichgewicht gestört. Mit Tuina sollen Blockaden der Meridiane (Energiebahnen im Körper), durch die Qi (Lebensenergie) fließt, aufgelöst und der Energiefluss gefördert werden. Das Qi beinhaltet die körpereigene Energie als Antriebskraft aller Vorgänge. Bei der Behandlung werden teilweise andere Meridiane berührt als bei der Akupunktur. Wesentlichster Unterschied ist aber, dass bei Tuina keine Nadeln verwendet, sondern die Meridiane und Akupunkturpunkte mittels spezieller Grifftechniken behandelt werden. Können Heilkräuter bei der Behandlung unterstützen? Bestimmte Heilkräuter (z.B. Beinwell, Brennnessel, Löwenzahn, Raute, Salbei, Sauerdorn, Schafgarbe, Wacholder, Weide) können Beschwerden lindern. Die Heilkräuter werden auch in Mischungen angeboten. Mithilfe von Umschlägen und Auflagen wird bei rheumatischen Erkrankungen versucht, den Schmerz positiv zu beeinflussen. Akupunktur: schmerzlindernde Alternative Was versteht man unter der Tuina-Technik? Diese Behandlungsform gehört auch zur Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und orientiert sich an der Akupunktur. Grundlage sind die Energiepole Yin und Yang, die laut TCM beim gesunden Menschen im Gleichgewicht 68 Wann ist Homöopathie für Patienten mit rheumatischen Erkrankungen sinnvoll? Das Erstgespräch über die Beschwerden des Rheumapatienten ist sehr ausführlich und enthält auch Modalitäten wie z.B. die Frage, ob bei Beschwerden Kälte oder Wärme gut tut, Sitzen oder KAPITEL 5 Stehen den Schmerz beeinflusst, ob es angenehm ist, nachts auf den schmerzhaften Stellen zu liegen oder nicht. Für die Homöopathie liegt die Ursache von Krankheiten in einer Störung der „Lebenskraft“, also dessen, was uns am Leben hält. Wenn diese Störung behoben werden kann, dann verschwindet auch die Erkrankung. Warum ist Bewegung so wichtig? Homöopathie kann nicht auf die Diagnose allein, sondern immer nur sehr individuell auf den einzelnen Menschen zugeschnitten sein. Aus diesem Grund können auch keine allgemein gültigen homöopathischen Tropfen oder Globuli für rheumatische Erkrankungen beschrieben werden. Wesentlich ist aber, dass nur durch aktive Mitarbeit des Betroffenen eine Genesung möglich ist. Ärztlicher Rat kann nur eine Begleitung sein, das Wichtigste sind Achtsamkeit und Selbstverantwortung. Siehe auch: www.ganzheitsmed.at Wann kommt Wärme, wann Kälte zur Anwendung? Welche physikalischen Maßnahmen gibt es? Physikalische Maßnahmen sind bei allen Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates sowie für den Erhalt der Gelenkbeweglichkeit wichtig. Zu den physikalischen Maßnahmen zählen: • Bewegungstherapie • Wärme- und Kältetherapie • Massage, manuelle und Reflextherapie • Elektrotherapie Mit Heilgymnastik kann eine Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit, eine Kräftigung der Muskulatur sowie eine Schmerzlinderung erreicht werden. Vorsicht: Bei einem akuten Schub sollte die Heilgymnastik pausiert werden. Durch die Wärmetherapie sollen Schmerzen gelindert und Muskeln entspannt werden. Warme Wickel, Bäder, Moor-, Fango- oder Schlickpackungen, Heusack- oder Paraffin als Wärmeträger (oft bei Arthrose in den Finger- oder Kniegelenken) sowie Bestrahlung mit Infrarotlampen sind Möglichkeiten der Wärmebehandlung. Vorsicht: Bei akuten Entzündungen soll Wärme nicht angewendet werden, denn diese kann die Symptomatik der Erkrankung verschlimmern. Die Kältetherapie wirkt entzündungshemmend, schmerzlindernd und bewegungsfördernd. Sie wird bei geschwollenen Gelenken, Schmerzen und akuten Entzündungen angewandt. Die Techniken reichen von Eispackungen, kalten Moorpackungen, Kryopacks und Kältebädern (15 °C) bis hin zu Ganzkörpertherapien in Kältekammern mit Temperaturen bis minus 110 °C. Vorsicht: Nicht angewandt werden darf die Kältetherapie bei Fieber, Nieren69 und Blasenleiden, Kälteüberempfindlichkeiten sowie bei Gefäßentzündungen. Was bewirken Massagen? Massagen entspannen verhärtete Muskeln, was sich wiederum entlastend auf die Gelenke auswirkt. Massagen fördern die Durchblutung und regen den Muskeltonus an. Wichtig ist, dass sie vom Patienten als angenehm empfunden wird. Sie kommen vor allem im Vorfeld der Heilgymnastik zum Einsatz, wo es darum geht, den Körper aus dem verspannten Zustand zu bringen. pie, wobei mittels spezieller Elektroden hochfrequenter Strom mit sehr geringer Leistung auf die Haut geleitet wird. Für Patienten mit Prothesen im zu behandelnden Gebiet oder Herzschrittmachern ist diese Form der Therapie nicht geeignet. Die Niederfrequenztherapie arbeitet im Frequenzbereich bis zu 1.000 Hz. Gleichstromverfahren sind Galvanisation, Iontophorese oder hydroelektrische Bäder. Sie dienen der Schmerzlinderung und der Durchblutungsförderung, Gegenanzeigen stellen z.B. aktive Entzündungen oder Hautdefekte dar. Sie können zur Schmerzlinderung auch bei älteren Menschen eingesetzt werden, weil sie Herz und Kreislauf wenig belasten. Was bewirkt Ergotherapie? Entspannende Massagen fördern die Durchblutung. Was ist Elektrotherapie? Die Verfahren der Elektrotherapie unterscheiden sich sowohl physikalisch als auch biologisch voneinander. Sie beinhalten die therapeutische Anwendung von elektrischem Strom in der Medizin. Die Hochfrequenztherapie ist eine reine Wärmetherapie mit großer Tiefenwirkung. Sie ist eine Reizthera70 Die Ergotherapie versucht, dem erkrankten Menschen die größtmögliche Selbstständigkeit und Handlungsfreiheit im Alltag zu ermöglichen, d.h. diese nach oder während einer beeinträchtigenden Erkrankung wiederherzustellen bzw. zu erhalten. Die Ergotherapie bietet eine Gelenkschutzinstruktion und Hilfsmittelberatung an. Gemeinsam mit dem Betroffenen werden Hilfsmittel ausprobiert und gegebenenfalls angeschafft, die Alltagsprobleme lösen helfen. Es wird genau besprochen, wie z.B. der Arbeitsplatz gelenkschonend gestaltet wird oder welche Übungen bei sportlicher Betätigung weniger belastend sind. Es gibt auch spezielle orthopädische Hilfsmittel wie die Versorgung des betroffenen KAPITEL 5 Gelenks mit Schienen, die helfen, den Alltag besser zu meistern. Das Ziel sind mehr Selbstständigkeit im täglichen Leben, weniger Schmerzen und eine Schonung des betroffenen Gelenks. Was bedeutet Gelenkschutz? Gelenkschutz heißt nicht „nichts tun“, sondern bedeutet ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ruhe und Belastung. Gelenkschutz ist Prophylaxe. Die Gelenke sollten achsengerade belastet, das heißt, nicht verdreht werden, wie es z.B. beim Auswinden eines Tuches passiert. Gelenke sollten auch keiner Vibration ausgesetzt sein, z.B. nicht mit dem Küchenmixer arbeiten oder zu viel am Traktor sitzen, der (besonders ältere Modelle) starke Vibrationen erzeugen kann. Die Belastungen sollten auf so viele Gelenke wie möglich verteilt werden, beispielsweise sollten Lasten beidhändig getragen werden, Trinkgefäße mit beiden Händen gehalten werden etc. Welche Hilfen gibt es für den Alltag? Wenn alltägliche Tätigkeiten wie das Halten einer Kaffeeschale, das Schneiden von Brot oder das Zuknöpfen des Hemdes unmöglich werden, gibt es Hilfsmittel im gut sortierten Fachhandel. Finger- und Handhalterungsschalen können ebenso helfen wie die so genannten Knopfloch- und Schwanenhalsschienen. Spezielle Messer (der Griff ist 90 Grad von der Klinge weggebogen) und Flaschenöffner erweisen Rheumakranken hilfreiche Dienste. Ergonomische Tastaturen für den Computer ermöglichen es, die Handgelenke in einer achsengeraden Position zu lassen, und es gibt auch eine Computermaus, die für die Handgelenke nicht belastend ist. Auch Handstöcke und Gehstützen können bei Schmerzen beim Gehen entlastend wirken. Überblick: Nicht-medikamentöse Behandlungen Zur Schmerzbehandlung: Thermotherapie, Elektrotherapie, Ultraschall, Massagen (allerdings je nach Schmerzursache sehr unterschiedliche Auswahl der Therapieverfahren) Zur Entzündungshemmung: Thermotherapie (Kälte bei akuten, Wärme bei chronischen Entzündungen) Zur Behandlung von Bewegungsstörungen: Heilgymnastik, Ergotherapie, Sporttherapie Zur Muskelentspannung und Verbesserung der Durchblutung: Heilgymnastik, klassische Massage, Wärmetherapie, Kältetherapie Zur Muskelkräftigung: Heilgymnastik, Reizstromtherapie, Elektrotherapie Zur Verhütung und Korrektur von Fehlstellungen: Heilgymnastik, Ergotherapie, Sporttherapie 71 Schmerz: Ursache und Therapie Warum ist es wichtig, Schmerzen ärztlich abzuklären? Weil nur so die richtige Diagnose und Therapie gefunden und vor allem auch der Schmerz beseitigt oder zumindest gemildert werden kann. An erster Stelle stehen eine gründliche Untersuchung, klinische Befunde, bildgebende Verfahren (Sonographie, Magnetresonanztomographie) und Labor, wobei vor allem Entzündungswerte und spezielle Rheumawerte erhoben werden. Um dem Schmerz auf die Spur zu kommen, ist es auch sehr hilfreich, auf folgende Symptome näher einzugehen: Wo und wann treten die Schmerzen auf, 72 wie stark sind sie, kommt es zu Steifigkeit oder Bewegungseinschränkung, treten die Schmerzen gemeinsam mit Schwellungen auf oder sind sie auch von Schwäche, Angst oder Müdigkeit begleitet? Oft haben Betroffene Schwierigkeiten, ihren Schmerz zu beschreiben. Hier kann die Selbsteinschätzung mit einer Schmerzskala helfen. Auf einer Skala kann der Patient seinen aktuellen Schmerz als Punkt markieren, das hilft auch dem Arzt, die Intensität einzuschätzen. Wie werden Schmerzen behandelt? Nach den heutigen Standards wird die medikamentöse Schmerzbehandlung von chronischen Schmerzen nach den KAPITEL 6 – allerdings für die Therapie von Tumorschmerzen aufgestellten – Regeln der Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchgeführt. Als Basistherapie (Stufe 1) werden so genannte nicht-opioide Analgetika eingesetzt (Paracetamol, Metamizol, NSAR, COX- 2-Hemmer), als Stufe 2, wenn diese Medikation nicht ausreicht oder nicht vertragen wird, erfolgt eine Kombination mit schwach wirksamen Opioiden. Erst nach Ausschöpfung der Möglichkeit kommen starke Opioide zum Einsatz (Stufe 3). Stufe 1 – was sind nichtopioide Analgetika? Nicht-opioide Analgetika sind schmerzstillende Arzneimittel (Analgetika), die ihre Wirkung durch Unterdrückung schmerzauslösender biochemischer Prozesse entfalten. Im Idealfall unterdrücken sie die Schmerzempfindung, ohne das Bewusstsein, die sensorische Wahrnehmung und andere wichtige Funktionen des Zentralnervensystems zu beeinflussen. Substanzen wie Metamizol oder Paracetamol finden bei leichten bis mäßig starken Schmerzen Anwendung. Viele nicht-opioide Analgetika haben auch eine fiebersenkende Wirkung. Einige Substanzen aus der Gruppe der nicht-opioiden Analgetika wirken zusätzlich entzündungshemmend, diese Arzneigruppe wird auch nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) genannt. Dazu gehören beispielsweise die Substanzgruppen Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Dexibuprofen, Diclofenac und Coxibe. Sie gelten aufgrund ihrer entzündungshemmenden Eigenschaft auch als Mittel der Wahl bei Rheumaschmerzen. NSAR – die Allrounder unter den Schmerzmitteln: Was können sie? NSAR – nicht-steroidaleAntirheumatika – sind klassische Schmerzmittel. Sie wirken entzündungshemmend und schmerzstillend. Der komplexe Name besagt nichts anderes, als dass es sich um Substanzen handelt, die nichts mit Kortison zu tun haben (= nicht-steroidal). Diese Präparate sind alle mit Aspirin im weitesten Sinne verwandt. Sie hemmen die Bildung von Schmerzbotenstoffen, den Prostaglandinen (= hormonähnliche Substanzen, welche die Empfindsamkeit der Schmerzrezeptoren steigern). Die Wirkung von NSAR tritt oft schon innerhalb von Stunden ein. Je nach Bedarf kann die Einnahme bis zu einer festgesetzten Maximaldosierung erhöht werden. Sie können als Tablette, Zäpfchen oder Spritze verabreicht werden. Auch Präparate in Retard-Form sind erhältlich. Ihre Wirkung setzt sozusagen mit Zeitverzögerung ein. Die Wahl des geeigneten Mittels sollte in 73 jedem Fall mit dem behandelnden Arzt abgestimmt werden. Gibt es Nebenwirkungen von NSAR? Je länger die Behandlungsdauer und je höher die Dosis der Einnahme, umso eher können unerwünschte Effekte auftreten. Vor allem die Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts wird zur Zielscheibe dieser Nebenwirkungen. Schätzungen gehen davon aus, dass diese Medikamente bei längerer Anwendung bei etwa 10% der Patienten ein Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür ausbilden, von dem diese zumeist nicht das Geringste spüren. Der Vorteil der Schmerzlinderung wird hier zum Nachteil, denn die jetzt entstandenen Magenprobleme werden durch die „Dämpfung des Schmerzempfindens“ nicht wahrgenommen. Neben den Schädigungen im Bereich des Magen-Darm-Trakts können NSAR vor allem bei älteren Patienten die Nierenfunktion beeinträchtigen und zu einer Wasseransammlung in den Beinen (Ödeme) oder zu hohem Blutdruck führen. Was ist bei der Einnahme von NSAR zu beachten? Es ist darauf zu achten, dass NSARPräparate nicht auf nüchternen Magen eingenommen werden. Alkohol sollte nicht konsumiert werden, vor allem 74 nicht gemeinsam mit den NSAR. Besonders gefährdet sind Patienten, • die älter als 65 Jahre sind, • die in ihrer Vergangenheit bereits einmal ein Magengeschwür oder Zwölffingerdarmgeschwür (Ulkus) hatten oder • die neben den NSAR zusätzlich Kortison erhalten oder • die blutverdünnende Medikamente einnehmen. Wurde gleichzeitig mit einem NSAR auch ein Aspirin verordnet, sollte dieses immer zwei Stunden vor dem NSAR eingenommen werden. Periodische Blutkontrollen in Bezug auf Leberund Nierenwerte sind wesentlich. Die Einnahme zweier verschiedener NSAR erhöht das Risiko von Nebenwirkungen massiv. Wechselwirkungen mit Präparaten, welche die Blutgerinnung hemmen sollen oder den Blutzucker senken, sind nicht selten und daher mit dem behandelnden Arzt zu besprechen. Was heißt Magenschutz im Zusammenhang mit NSAR? Da das Angreifen der Magenschleimhaut zu einer der wesentlichen Nebenwirkungen der NSAR gehört, sollte insbesondere bei den zuvor beschriebenen Risikopatienten eine „Magenschutztherapie“ zum Einsatz kommen. Bereits seit einigen Jahren werden neben den Rheuma-Schmerzmitteln erfolgreich solche Medikamente verordnet, die den empfindlichen Magen abschirmen sollen. KAPITEL 6 Drei Wirkprinzipien stehen dabei zur Verfügung: • Protonenpumpenblocker (PPI): Sie reduzieren die Magensäure und verhindern so, Defekte an der Magenwand. • Prostaglandine (Pg): Sie schützen die Magenschleimhaut. • H2 Blocker: können in höheren Do sierungen verwendet werden, wenn PPI oder Pg kontraindiziert sind. dine (dies erfolgt über eine COX-2Hemmung). COX-2 wird vor allem bei Entzündungsprozessen im geschädigten Gewebe aktiviert. COX-1, für den Schutz der Magenschleimhaut vor Magensäure verantwortlich, wird allerdings nicht gehemmt. Coxibe lassen also die Wirksamkeit des schützenden COX-1-Enzyms unberührt, unterdrücken jedoch gezielt die Funktion des Enzyms COX-2. Gibt es Nebenwirkungen bei COX-2-Hemmern? Magenschutztherapie bei NSAR Einnahme beachten. COX-2-Hemmer – klingt kompliziert? Diese Substanzgruppe steht dafür, dass sie zwar die Wirkung, nicht jedoch die unerwünschten Nebenwirkungen der NSAR im Bereich des Magen-DarmTrakts hat. Die verbesserte MagenDarm-Verträglichkeit dieser Coxibe beruht auf der unterschiedlichen Hemmung der beiden Cyclooxygenase-Enzyme (COX-1 und COX-2), die Anfang der 1990er-Jahre entdeckt wurden. Wie die nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) hemmen auch die Coxibe die Bildung der körpereigenen Schmerzbotenstoffe Prostaglan- Leider sind auch selektive COX-2Hemmer nicht völlig frei von der Möglichkeit von Nebenwirkungen. Aufgrund des Wirkprinzips kann die Rate an gefährlichen Magen- und Darm-Nebenwirkungen von kortisonfreien Antirheumatika deutlich gesenkt werden. Wie bei allen anderen NSAR ist allerdings bei bekannter Herz-, Kreislauf- oder Nierenerkrankung besondere Vorsicht geboten, insbesondere dann, wenn sie über mehrere Wochen täglich eingenommen werden. Weiters konnten in seltenen Fällen Hautreaktionen, Atemnot, Konzentrationsschwäche und Schläfrigkeit beobachtet werden. Der Einsatz von COX-2-Hemmern hat durchaus seine Berechtigung nach dem Ausschluss von Herzkrankheiten, nämlich bei Patientengruppen mit einem Risiko für das Auftreten von Magen-Darm-Nebenwirkungen durch ein NSAR. 75 Stufe 2 und Stufe 3: Wann werden Opioide angewendet? Werden auch Antidepressiva in der Schmerzbehandlung eingesetzt? Laut nationalen und internationalen Empfehlungen werden Opioide in der Behandlung rheumatischer Schmerzen dann eingesetzt, wenn diese mit anderen Maßnahmen nicht zufrieden stellend behandelt werden können bzw. wenn aufgrund der Nebenwirkungen ein Absetzen der bisherigen Medikation erforderlich ist. Auch hier wird im Wesentlichen laut WHOStufenplan vorgegangen, wonach zunächst schwache Opioide wie Tramadol oder Dihydrocodein zum Einsatz kommen. Auch schwache Opioide können – vorwiegend während der Einstellungsphase – Nebenwirkungen wie Brechreiz und Verstopfung verursachen. Mithilfe einer begleitenden Behandlung mit Abführmittel, Medikamenten gegen Übelkeit und Erbrechen (Antiemetika) sowie Antihistaminika kann jedoch gut gegengesteuert werden. Wird auch mit dieser Kombination keine Schmerzfreiheit erzielt, werden schwache Opioide durch starke Opioide (Oxycodon, Hydromorphon, Buprenorphin, Fentanyl) ersetzt (Stufe 3). Antidepressiva können bei Patienten mit Fibromyalgie oder auch mit chronischen Schmerzen anderer Ursache (z.B. Polymyalgia rheumatica) einen wichtigen Beitrag zur Schmerzfreiheit leisten, indem sie einerseits die Stimmungslage verbessern und andererseits das Schmerzempfinden beeinflussen. Wie groß ist die Suchtgefahr bei Opioiden? Bei sachgemäßer Anwendung ist die Sorge vor einer möglichen Suchtentstehung unbegründet. 76 Lebensfreude ist entscheidend für den Heilungserfolg. Was bringen physikalische Behandlungen? Die Anwendung von physikalischen Therapiemaßnahmen bei Schmerzpatienten hat eine lange Tradition. Wichtig bei der Therapiezusammenstellung ist, kein „allgemeines Rezept“ anzuwenden, sondern auf die jeweiligen Probleme des einzelnen Patienten einzugehen und Behandlungsmöglichkeiten zu kombinieren. KAPITEL 6 Was versteht man unter TENS? Ein fixer Bestandteil der nicht-medikamentösen Schmerztherapie ist die Elektrotherapie: Konstante Galvanisation, Iontophorese, Impulsgalvanisation, Schwellstrom und diadynamische Ströme sind nur einige Stromformen, die aufgrund ihrer durchblutungsfördernden, schmerzlindernden und muskelentspannenden Wirkung zum Einsatz kommen. Dazu zählt auch TENS: Die „transkutane elektrische Nervenstimulation“ ist eine Therapieform, mit deren Hilfe man akute und chronische Schmerzen mit Strom unterschiedlicher Frequenz behandeln kann. Sie ist eine bestimmte Form der Elektrotherapie, die zu den Verfahren der physikalischen Therapie gehört. Im Wesentlichen wirkt TENS nach dem Prinzip der Gegenirritation von Schmerzreizen. Es gibt auch kleine, tragbare TENSGeräte, die Patienten selbstständig zuhause verwenden können – nach einer Einweisung durch den Arzt oder Therapeuten. Was passiert bei TENS? Bei der transkutanen elektrischen Nervenstimulation erzeugt ein Stimulationsgerät Stromimpulse, die über Klebeelektroden auf der Haut ins Gewebe geleitet werden. Stärke, Dauer und Frequenz der Impulse lassen sich bei der transkutanen elektrischen Nervenstimulation individuell an die Beschwerden des Patienten anpassen, es wird nur ein Prickeln oder Kribbeln verursacht. Dabei spielt auch die Größe der Elektroden eine Rolle. Manchmal werden die Elektroden auch auf Akupunkturpunkte gesetzt, die im Zusammenhang mit der von Rückenschmerzen betroffenen Region stehen. Hier soll eine ähnliche Wirkung wie mit den Nadeln erzielt werden: Das Schmerzempfinden soll durch Auslösen eines Gegenreizes (Berührung, Vibration) gesenkt werden. Wie lange dauert eine Sitzung? Eine TENS-Sitzung dauert normalerweise etwa 20-50 Minuten. Da die schmerzlindernde Wirkung meist nur wenige Stunden anhält, wird die Behandlung oft mehrmals täglich wiederholt (zwei- bis viermal). Akute Beschwerden verschwinden oft schon nach wenigen Behandlungen. Bei chronischen Schmerzen dagegen wird TENS oft jahrelang eingesetzt (in Heimbehandlung). Insgesamt scheint die Behandlung mit TENS Rückenschmerzen unmittelbar zu lindern (maximal für wenige Stunden). Dabei wirken Impulse hoher Frequenz offenbar besser als solche mit niedriger. Ob die Behandlung über einen längeren Zeitraum wirkt, ist Studien zufolge noch unklar. Nach Ansicht von Experten eignet sich TENS eher als Begleittherapie, um Beschwer77 den unmittelbar und für kurze Zeit zu lindern. Wer sollte TENS nicht anwenden? von schmerzerzeugenden Substanzen (z.B. Milchsäure) ein schmerzlindernder Effekt erzeugt. • Menschen mit einem Herzschrittmachen oder einem anderen implantierten elektrischen Gerät • wenn eine Thrombose vorliegt • Schwangere Die ausgeprägte psychische Wirkung durch die Be„hand“lung und Zuwendung darf dabei nicht unterschätzt werden. Als Spezialmassagen sind die Bindegewebsmassage, manuelle Lymphdrainage, Fußreflexzonenmassage und Periostmassage zu erwähnen. Wie kann Massage bei Schmerzen helfen? Was bringt Wärme- bzw. Kältetherapie? Mit Massage wird über das Lösen von Verspannungen und den Abtransport Über die Anwendung von Wärme kommt es zur Durchblutungssteigerung und Muskelentspannung im Behandlungsareal und damit zur Schmerzlinderung. Wärme kann in Form von Packungen (z.B. Fango, Moor oder Munari), Wickeln, Bädern und Heißluft (Sauna) verabreicht werden. Zu den Wärmetherapien werden auch die Ultraschalltherapie und die Hochfrequenztherapie gezählt. Kältetherapie, sei es in Form von Eispackungen oder in Form von Kaltluft in Kältekammern, ist eine weit verbreitete, unterstützende Therapieform bei rheumatischen, insbesondere bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen. Kältetherapie ist lokal anwendbar für einzelne Gelenke und Körperteile. Sie wird jedoch auch als Ganzkörpertherapie angewandt. Schmerzlinderung durch Fußreflexzonenmassage 78 Die Behandlung einzelner Körperpartien erfolgt durch Kältebeutel mit ca. minus 10 °C. Bei der Behandlung mit Kältebeu- KAPITEL 6 teln muss darauf geachtet werden, dass die Kälte trocken mit einem Leinentuch auf der Haut angeboten wird, um Schädigungen der Hautoberfläche zu vermeiden. Inwiefern kann Akupunktur die Rheumatherapie unterstützen? Sie wird in erster Linie ergänzend zur Schmerzlinderung eingesetzt. Bei der Akupunktur werden gewisse Schmerzpunkte am Körper mithilfe von Akupunkturnadeln aktiviert. Diese Punkte liegen auf bestimmten Linien auf der Haut – so genannten Meridianen – und entfalten bei mechanischer Reizung bestimmte Wirkungen im Körper. Manche Patienten sprechen auf eine Therapie mit Akupunktur gut an. Wichtig zu wissen: Die Akupunktur kann zwar chronische Schmerzen lindern, aber den Verlauf der Erkrankung nicht beeinflussen. Wie wichtig ist Bewegung in der Rheumatherapie? Einen ebenso wichtigen Bestandteil der Schmerztherapie bildet sowohl die passive als auch die aktive Bewegung. Diese beinhaltet auch jede noch so kleine Bewegung im Zuge der alltäglichen Verrichtungen. Spezielle physiotherapeutische Krankengymnastik bekämpft nicht nur Symptome wie beispielsweise die Morgensteifigkeit, sondern vermindert zusätzlich auch die Angst vor dem Schmerz. Warum sollten Rheumapatienten auch psychologische Beratung suchen? Eine psychologische Betreuung kann Patienten mit chronischen Schmerzen helfen, die oft belastenden Folgen derartiger Erkrankungen wie soziale Isolation und Hoffnungslosigkeit zu vermeiden. Gespräche erleichtern den Umgang mit der Erkrankung. Eine derartige fachmännische Beratung sollte daher ebenfalls einen festen Platz im therapeutischen Konzept einnehmen. Zusätzlich kann dadurch die Motivation für die langfristigen, mitunter unangenehmen Therapien erhöht und damit ihr Erfolg verbessert werden. 79 Rezeptfreie Präparate 80 Selbstmedikation – was heißt das genau? Wie sinnvoll ist eine zusätzliche Schmerztherapie? Nicht selten wollen Betroffene zusätzlich zu den vom Arzt verordneten Präparaten selbst etwas dazu beitragen, um ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Hier steht der Patient aufgrund des großen Angebots oft vor der „Qual der Wahl“. Grundsätzlich sind rezeptfreie, also nicht verschreibungspflichtige Präparate, in der Apotheke erhältlich. Sie sind selbst zu bezahlen und es obliegt der Entscheidung des Patienten, den Nutzen dieser Produkte abzuwägen. Im Anschluss kann nur ein Auszug der in gut sortierten Apotheken erhältlichen Präparate angeführt werden. Sinnvoll ist es vorher mit dem Arzt zu spechen und sich vom Apotheker beraten zu lassen. Als Zusatztherapien bei akuten Schmerzen im Sinne der Selbstmedikation – das heißt, Anwendung von rezeptfreien Präparaten – sind Schmerzmittel gut geeignet. Diese schmerzstillenden Mittel (Analgetika) werden oft zusätzlich von den Patienten bei Bedarf nach vorheriger Absprache mit dem Arzt eingenommen. Wichtig ist es, sich über mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneien zu informieren. Rezeptfreie Schmerzmittel sollten nicht länger als zwei Tage eingenommen werden, ohne den Arzt darüber zu informieren. Mein lila Schmerzbrecher! ADOLORIN ® ! E K N DA ADO-0003 Über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkungen informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker. eche.ar!t r b z r e m h c Mein lila S www.adolorin Wirkt rasch und zuverlässig und ist gut verträglich bei Schmerzzuständen wie n Kopfschmerzen n Rückenschmerzen n Zahnschmerzen n Muskel- und Gelenksschmerzen n Regelschmerzen n Schmerzen bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten Schau auf Dich! Kwizda Pharma 75 Anzeige KAPITEL 6 Gibt es weitere wirkungsvolle, rezeptfreie Arzneien? Ja. In der Apotheke sind Arzneien, Nahrungsergänzungsmittel oder diätetische Lebensmittel in Tabletten- oder Kapselform erhältlich, die unterstützend bei Entzündungen zum Einsatz kommen und nicht verschreibungspflichtig sind. Es werden hier oft Wirkstoffe aus der Natur verwendet, welche im Endeffekt vor allem die Beweglichkeit der Gelenke verbessern helfen. So können etwa Omega-3-Fettsäuren rheumatische Beschwerden etwas lindern. Diese Präparate sind ergänzend zu einer durch den Arzt verordneten, medikamentösen Therapie in vielen Fällen für den Einzelnen hilfreich. Vor der Einnahme sollten Sie jedoch in jedem Fall Ihren Arzt über die Absicht dieser zusätzlichen Therapie informieren. 82 Entzündungsprozess eingreifen können, indem sie als Gegenspieler zur Arachidonsäure – welche Entzündungsprozesse fördert – fungieren. Aufgenommen werden diese essentzellen Fettsäuren über die Nahrung. Die wesentlichste Nahrungsquelle für Omega-3-Fettsäuren sind Pflanzenöle, wie Leinsamen-, Sonnenblumen-,n Maiskeim-, Rapsund Sojaöl sowie maritime (fettreiche) Kaltwasserfische wie Hering oder Makrele. Schon zwei Fischmahlzeiten pro Woche können ausreichend Omega3-Fettsäuren liefern. Was bewirken Omega-3Fettsäuren? Fisch hat einen hohen Omega-3-Fettsäureanteil. Bestimmte Fettsäuren kann der menschliche Organismus selber nicht produzieren, sie müssen mit der Nahrung zugeführt werden. Dazu zählen auch die so genannten Omega-3-Fettsäuren. Dies sind essenzielle Fettsäuren, die lebenswichtig sind, da sie für die verschiedensten Zellfunktionen von grundlegender Bedeutung sind. Gerade im Hinblick auf rheumatische Erkrankungen geht man davon aus, dass diese Omega-3-Fettsäuren regulierend in den Da viele Menschen aber nur wenig oder gar keinen Fisch essen, werden auch zu wenig Omega-3-Fettsäuren aufgenommen. Die mittlere tägliche Zufuhr entspricht laut „deutschem Ernährungsbericht 2000“ nur ca. 13% der täglich empfohlenen Menge. Daher ist oftmals die Einnahme von hoch dosierten Omega-3-Fettsäure-Kapseln eine Möglichkeit. Diese erhalten Sie in Ihrer Apotheke, sie können zusätzlich zur Standardtherapie eingenommen werden. Anzeige Hilfe bei Gelenksbeschwerden! 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Demzufolge geht das Wasserbindungsvermögen verloren und die Degeneration (= Abnützung) des Knorpels schreitet voran. Der Knorpel nützt sich ab, Bewegungseinschränkungen und Schmerzen sind die Folge. Durch die Gabe von Chondroitinsulfat (z.B. in Tablettenform) soll das Stoffwechselgleichgewicht der Gelenkknorpel wiederhergestellt und ein Fortschreiten der Erkrankung verzögert werden. Arthrose: Knorpelabbau bremsen ist ein wichtiges Ziel Was bewirkt Glucosamin? Glucosamin soll positive Effekte im Hinblick auf Entzündungen und Schmerzen in den Gelenken zeigen. Da mit zunehmendem Alter der Körper langsam die Fähigkeit verliert, die für den Gelenkstoffwechsel notwendigen Bausteine selbstständig aus der Nahrung zu synthetisieren, könen eine zusätzliche Zufuhr günstig sein. Dieser Wirkstoff ist, wie auch Chondroitinsulfat, ein natürlicher Bestandteil der Gelenke und dient sozusagen als eine Art Grundbaustoff durch seine Halten Sie vor der Einnahme von rezeptfreien Präparaten und Nahrungsergänzungsmittel in jedem Fall Rücksprache mit Ihrem behandelten Arzt. Ob diese Substanz tatsächlich die strukturmodifizierenden und schmerzlindernden Wirkungen entfaltet, muss wissenschaftlich weiter untersucht werden. 84 Funktionalität als Wasserspeicher in den Bandscheiben und Gelenkknorpeln. Er ist damit ein wichtiger Bestandteil der Gelenkschmiere. GELEnkSPRoBLEmE? Von FACHLEUTEn EnTWICkELT AUFBAU & ERHALTUnG DES GELEnkSknoRPELS HoCHWERTIGE InHALTSSToFFE Anzeige Ihren Gelenken zuliebe Erhältlich in Ihrer Apotheke | Weitere Informationen: www.arthrobene.at PZN 3441348 Der Jungbrunnen für Ihre Bandscheiben! vertebene Anzeige Bandscheibenkapseln 86 www.vertebene.at KAPITEL 7 Bewegung, Ernährung und Selbsthilfe Bewegen, ohne allzu sehr zu belasten – geht das? Regelmäßige Bewegung ist gerade bei Rheumatikern ein entscheidender Faktor im Kampf gegen Schmerzen und die Steifigkeit der Gelenke. Es kommt nicht darauf an, sportliche Höchstleistungen zu erzielen, sondern die Muskulatur auf schonende Weise zu kräftigen. Vor jeder Sportausübung sollte aber Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden. erhöhen. Außerdem hilft jegliche körperliche Betätigung beim Abnehmen, denn bedenken Sie: Jedes Kilogramm Übergewicht belastet Ihre Gelenke unnötig und verschlimmert Ihre Beschwerden! Neben der medikamentösen Therapie gelten Krankengymnastik (als Trockentherapie oder im Bewegungsbad), Ergotherapie und die physikalische Therapie (Wärme, Kälte, Massagen, Elektrotherapie) als die wichtigsten Elemente der Rheumabehandlung. Was kann man zu „Sport bei Rheuma“ sagen? Sollte man auf echtes Krafttraining verzichten? Jede körperliche Bewegung kann die Gelenkschmerzen lindern, die Beweglichkeit fördern und die Muskelkraft Nein, ganz und gar nicht! Im Gegenteil: Krafttraining ist das Pendant zum Ausdauertraining und zielt darauf ab, 87 e i! wi Anregung der Bauchmuskulatur 4 5 Aufrechter Gang 2 3 Anregung der Gesäßmuskulatur c i d bs h fr 1 ® Anregung der Rückenmuskulatur 7 Steigerung der Körperspannung Anregung der Durchblutung 8 Anregung der Ober- und Unterschenkelmuskulatur 6 Anregung des Stoffwechsels Anzeige Mit WIBS sind Sie Schritt für Schritt unterwegs zu mehr Fitness. WIBS gibt es nur in meiner Apotheke. Alle WIBS-Apotheken unter www.wibs-shoes.com Exklusivvertrieb Österreich: Kwizda Pharmahandel GmbH KAPITEL 8 das „Organ Muskel“ gesund zu erhalten. Es gilt als erwiesen, dass Krafttraining das Muskel- und Skelettsystem stärkt und dessen Funktionszustand nachhaltig verbessern kann. Gerade bei einer rheumatischen Erkrankung kommt einem gesunden Muskelsystem eine sehr bedeutende Rolle zu: Die Aktivitäten des täglichen Lebens werden Ihnen dadurch leichter fallen und das Verletzungsrisiko wird durch funktionales Krafttraining – Stichwort: Sturzprophylaxe – auch deutlich gesenkt. Eine finnische Studie, die an 70 Patienten über einen Zeitraum von zwei Jahren durchgeführt wurde, kam zu dem Ergebnis, dass ein wohldosiertes, unter fachkundiger Anleitung ausgeführtes Krafttraining auf Schmerzempfinden, Knorpelabbau und Entzündungsintensität einen positiven Effekt erzielt. Die Schmerzen jener Patienten, die ein regelmäßiges Krafttraining absolvierten, gingen um 67%, die Entzündungsintensität und der Knorpelabbau um jeweils etwa 50% zurück. Als die Patienten der aktiven Gruppe nach zwei bzw. nach fünf Jahren nochmals getestet wurden, hatten diese deutlich weniger Schmerzen und es war ihnen eine höhere Geschwindigkeit beim Treppensteigen möglich. Als effizienteste Trainingsmethode hat sich Krafttraining mit zusätzlichen Gewichten, also mit freien Hanteln oder mit Kraftmaschinen bewährt. Tipps fürs Krafttraining: • Trainieren Sie die großen Muskelpartien des Körpers, wie Beine, Brust, Rücken und Schultern. Wählen Sie dazu anfangs leichte Hanteln, Gymnastikstäbe, Gummibänder (Thera-Band®) oder Expander und machen Sie Liegestütze und Halteübungen für Schultern, Arme und Beine. • Vermeiden Sie „Über-Kopf-Übungen“, also Übungen, bei denen Sie Gewichte höher als über die Schulter heben. • Absolvieren Sie das Krafttraining zunächst nur ein- bis zweimal die Woche. Später können Sie auf dreimal die Woche steigern. • Ruhig und kontrolliert trainieren! Kon- zentrieren Sie sich auf den beanspruchten Muskel und vermeiden Sie dabei Ablenkung (Radio, TV, Plauderei). • Überfordern Sie sich nicht! Beginnen Sie mit leichten Gewichten – 0,5 kg bis maximal 2,5 kg in Abhängigkeit von der jeweiligen Übung – und steigern Sie das Gewicht dann langsam. Speziell für Män ner: Hier gilt nicht das Prinzip: „Je mehr, desto besser!“. • Pro Übung sollten Sie zwei bis drei Sätze mit jeweils 10-15 Wiederholungen anstreben. Gibt es Alternativen zum Krafttraining? Die Feldenkrais-Methode ist eine Bewegungslernmethode, bei der die individuelle Verbesserung der Bewegungsqualität und der persönlichen Bewegungslernprozesse im Mittelpunkt stehen. Pilates ist ein sanftes, aber sehr effizientes Training, das den ganzen Körper 89 beansprucht. Die Muskeln werden so trainiert, dass aus den von Rheuma geplagten Muskelknoten langgestreckte, geschmeidige Muskelstränge werden. Machen Schmerzen eine Sportausübung unmöglich? Wenn Sie vor Rheumaschmerzen kaum die Treppe hinaufkommen, werden Sie sich wahrscheinlich nur schwer vorstellen können, Sport zu betreiben. Doch es bietet sich eine Vielzahl von Sportarten für den Einstieg an und so können auch ältere Menschen und Ungeübte das Bewegungsprogramm finden, das ihrem Körper gut tut und gleichzeitig Spaß macht. Viele Rheumakranke berichten auch davon, dass nur die ersten paar Schritte (Walking, Jogging) oder Schläge (Tennis, Tischtennis, Golf) sehr unangenehm bis schmerzhaft sind, diese Schmerzen aber nach einer kurzen „Warmlaufphase“ wieder verschwinden. Sind Ball- und Mannschaftssportarten verboten? Alle Sportarten, bei denen die Akteure heftigen Belastungen der Gelenke durch Stöße ausgesetzt sind, sind für Rheumakranke nur sehr bedingt empfehlenswert (Basket-, Volleyball). Jedoch gibt es hier keine generellen Richtlinien. Finden Sie für sich persönlich heraus, welche Sportart Ihnen liegt oder die Sie schon vor der Erkrankung ausgeübt haben, und besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob und welche Gefahren für Sie bestehen könnten. 90 Gymnastik in Gruppen macht oft mehr Spaß. Welche Sportarten sind für Gelenke wenig belastend? Als geeignete Sportarten etwa bei Arthrosen der Hüft-, Knie- oder Sprunggelenke gelten Radfahren, Schwimmen, Aqua-Gymnasik und (Nordic) Walking. Beim Radfahren sollte man aber starke Steigungen wegen des erhöhten Drucks auf Knie- und Hüftgelenk meiden. Viele Rheumakranke führen Gymnastikübungen auch gerne in der Gruppe durch, da man dabei hilfreiche Bewegungsabläufe genau einlernt, Fehlhaltungen werden korrigiert. Ernährung bei Rheuma: Was soll auf den Teller? Die Frage nach der richtigen Ernährung bei rheumatischen Erkrankungen oder KAPITEL 8 wie man mit einer entsprechenden Kostform oder Nahrungsergänzungsmitteln (in Pillen- oder Kapselform) Einfluss auf Rheuma nehmen kann, wird seit Jahren kontroversiell diskutiert. Es ist wichtig zu wissen, dass verschiedene Studien teilweise uneinheitliche Ergebnisse gebracht haben. Mit einer „normalen“, ausgewogenen Ernährung werden üblicherweise ausreichend Vitamine und Spurenelemente aufgenommen. Somit sollte eine Einnahme dieser Stoffe in Pillen- oder Kapselform nur nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgen. Ebenso kann mit einer Ernährungsumstellung niemals eine rheumatische Erkrankung „geheilt“ werden (Ausnahme: Gicht) und diese ersetzt somit niemals z.B. eine Basistherapie. In der auf strengen Qualitätskriterien beruhenden, evidenzbasierten Medizin können milde, aber unumstrittene Vorteile nur für die Nahrungsergänzung mit Omega-3Fettsäuren (Fischöl-Kapseln) gefunden werden. Für Vermeidungsdiäten oder die Zufuhr von Vitaminen, Mineralien und Antioxidanzien ist die Wirksamkeit bei rheumatischen Krankheiten nicht einheitlich bewiesen. Unumstritten ist die Notwendigkeit der Kalziumzufuhr zur Vorbeugung von Knochenschwund. Vitamin-D- und kalziumreiche Ernährung beugt Osteoporose vor. Die gängige Praxis der Diätberatung folgt der Theorie, dass bestimmte Inhaltsstoffe in Lebensmitteln Entzündungen fördern bzw. hemmen können und so die Beschwerden lindern. So sollten Rheumakranke Wert auf eine Kost legen, die arm an Arachidonsäure und reich an Omega-3-Fettsäuren bzw. Linolsäure ist. Arachidonsäure wird vom Körper selbst hergestellt bzw. ist vorwiegend in tierischen Produkten enthalten. Aus Arachidonsäure bildet der Körper u.a. Entzündungsbotenstoffe wie z.B. die Prostaglandine, die wichtige Auslöser von entzündlichen Reaktionen sind. Arachidonsäure findet sich besonders häufig in Fleisch- und Wurstprodukten. Omega-3-Fettsäuren in Fischen sind entzündungshemmend. Besonders hoch ist ihr Anteil in Schweineschmalz (1.700 mg/100 g), Schweineleber (870 mg/100 g), Eigelb (297 mg/100 g) und Leberwurst (230 mg/100 g). Werden Lebensmittel mit Arachidonsäure gemieden – also die Zufuhr auf weniger als 50 mg pro Tag gedrosselt –, so steht dem Körper weniger für die Produktion von entzündungsfördernden Prostaglandinen zur Verfügung. Dadurch soll es bei Patienten mit rheumatoiden Arthritis, aber auch bei Herz- und Lungenkrankheiten zu einer Verbesserung des Krankheitsbildes kommen. Es wurde festgestellt, 91 dass in Ländern, die einen höheren Fleischverzehr aufweisen, mehr Menschen an rheumatischen Erkrankungen leiden als etwa in Japan oder bei den Eskimos, die sehr viel Fisch essen. Als gesichert empfehlenswert ist lediglich die regelmäßige Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren durch Fischöle, Kaltwasserfische wie Lachs, Makrele, Hering etc. An Omega-3-Fettsäure reiche Lebensmittel senken den Arachidonsäurespiegel im Blut und hemmen so die Bildung von Prostagladinen. Ebenfalls empfehlenswert ist die AlphaLinolensäure, die sich in Lein-, Raps-, Walnuss- und Sojaöl findet. Einige Untersuchungen haben gezeigt, dass Patienten mit entzündlichen rheumatischen Erkrankungen einen Mangel an den Vitaminen A, C und E (so genannten Antioxidanzien) aufweisen und dass Vitamin E besonders im entzündeten Gelenk stark vermindert ist. Antioxidanzien werden umgangssprachlich auch als „Radikalfänger“ bezeichnet. Sie binden schädliche Stoffe – so genannte freie Radikale im Stoffwechsel – und machen sie dadurch unschädlich. Zu den klassischen Antioxidanzien zählen Vitamin C, E, Beta-Carotin, das im Körper in Vitamin A umgewandelt wird, und Selen. Bei entzündlichen Prozessen im Körper soll der Bedarf an Selen höher sein. Zusätzlich sind Kupfer, Mangan und Zink an schützenden, im Körper produzierten Enzymen beteiligt. 92 Obst und Gemüse enthalten wichtige Antioxidanzien. Aufgrund des hohen Gehaltes an Carotinoiden sind dunkelgrüne, rote und orangefarbige Früchte besonders günstig. Vollkorngetreide, Nüsse, Weizenkeime, Sonnenblumenkerne und pflanzliche Öle liefern viel Vitamin E und Selen. Reichlich Vitamin C enthalten frische Kräuter, Zitrusfrüchte, Kiwis, schwarze Johannisbeeren, Erdbeeren, Sanddorn, aber auch verschiedene Gemüsesorten wie Paprika, Kohl oder Tomaten. Beta-Carotin, das im Körper in Vitamin A umgewandelt wird, findet sich ebenfalls in verschiedenen Obst- und Gemüsesorten wie Marillen, Pfirsichen, Tomaten, Paprika, Brokkoli, Karfiol, Grünkohl, Spinat und Karotten. Was kann ich sonst noch tun? • Übergewicht abbauen: Jedes Kilogramm Gewichtsabnahme bringt vor allem bei Menschen mit Arthrose Entlastung für Knorpel und Bänder, Kniegelenke, Hüfte und Wirbelsäule. Zu empfehlen ist hier eine energiereduzierte Mischkost, bei der nicht weniger als 1.500 kcal (Männer) oder 1.200 kcal (Frauen) pro Tag zugeführt werden. • Fasten bewirkt bei Patienten mit rheumatoider Arthritis oft eine Besserung der Beschwerden, allerdings ist die Wirkung nur von kurzer Dauer. Längere Fastenkuren sollten KAPITEL 8 daher nur mit ärztlicher Hilfe durchgeführt werden, da die Gefahr einer Mangelernährung sonst zu groß ist. • Menschen mit Gicht können ein Übermaß an Harnsäure schlechter über die Niere ausscheiden. Harnsäure entsteht im Körper beim Abbau bestimmter Zellbestandteile, der so genannten Purine. Bei hohen Konzentrationen von Harnsäure im Blut lagert sie sich in Form von Kristallen insbesondere in Gelenken ab und führt zu schmerzhaften Entzündungsattacken. Purine werden neben der körpereigenen Produktion auch mit bestimmten Nahrungsmitteln zugeführt. Dazu gehören vor allem Innereien, Wurst, Fleisch, Grammeln, aber auch ein Übermaß an Hülsenfrüchten, Kakao, Nüssen oder Bier wäre ungünstig. Die empfohlene Kost bei Gicht: viel frisches Obst, Gemüse und Salat, mehr Vollkornprodukte, wenig Fleisch, Fett, Zucker und Alkohol. Gichtkranke sollten auch Übergewicht reduzieren und unbedingt an einer professionellen Beratung durch eine/n Diätologin/en teilnehmen. • Rauchen und auch Stress verschlechtern immunologisch bedingte Erkrankungen. Raucher leiden doppelt so häufig an rheumatoider Arthritis wie Nichtraucher. • Alkohol in größeren Mengen meiden! • Vorbeugung von Osteoporose: Die Osteoporose (Knochenschwund) ist eine eigenständige Erkrankung, Milch hat einen hohen Kalziumanteil. aber sie kann durch eine rheumatische Erkrankung entstehen. Die Gründe sind Entzündungen, bestimmte Medikamente und Bewegungseinschränkungen. Um die Knochen zu stärken, sollten Sie auf die Zufuhr von Kalzium achten (1 g/Tag) und viel Bewegung an der frischen Luft machen, damit der Körper Vitamin D bilden kann. Vitamin D fördert den Kalziumein bau in die Knochen. Die besten Kalziumquellen sind fettarme Milchprodukte, Kohlgemüse, Brokkoli, Kohlrabi, Lauch, Fenchel, Sellerie, Löwenzahn sowie kalziumangereicherte Mineralwässer. 93 Gibt es so etwas wie Ernährungsregeln bei Rheuma? • Achten Sie auf eine abwechslungs reiche Kost mit Schwerpunkt auf pflanzlichen Lebensmitteln – reich an Gemüse, Obst und Vollkornprodukten. • Wenig (mageres) Fleisch – nur maximal zweimal pro Woche • Keine Innereien • Meiden Sie Wurstwaren! • Essen Sie viel Kaltwasserfisch, mindestens zweimal pro Woche. • Verwenden Sie hochwertige Pflanzenöle wie Walnussöl, Leinöl, Rapsöl, Sojaöl. • Milch- und Milchprodukte sind von großer Bedeutung (Osteoporoseprophylaxe!); sie sollten täglich auf dem Speiseplan stehen und enthalten in fettreduzierter Form kaum bzw. Wo finde ich soziale und finanzielle Unterstützung? Von Kostenbefreiung und Förderung bis hin zum Pflegegeld: Es gibt einige Möglichkeiten für finanzielle und soziale Förderungen, die Rheumakranke in Anspruch nehmen können. Grundsätzlich hängen die Leistungen bzw. deren Höhe vom individuellen Gesundheitszustand und den finanziellen Gegebenheiten ab. Die erste Anlaufstelle ist das Bundessozialamt. Dort wird ein Antrag gestellt, indem der 94 keine Arachidonsäure. • Sojaprodukte: Sie enthalten hochwertiges pflanzliches Eiweiß, keine Arachidonsäure und sind reich an Linol- und Linolensäure. Wichtige Vitamin-E-Lieferanten! • Wenig Alkohol (Alkohol fördert die Bildung von Oxidanzien), wenig Zucker! • Ausreichend Bewegung an der frischen Luft, dadurch werden der Knochenanbau und die Bildung von Vitamin D im Körper gefördert. • Trinken Sie mindestens 2–2,5 Liter Flüssigkeit (Wasser, Mineralwasser oder ungesüßten Tee); liegt gleichzeitig zum Rheuma eine Herzoder Nierenerkrankung vor, ist der Flüssigkeitsbedarf individuell festzulegen. • Auf schonende Zubereitung achten, um die Vitamine zu erhalten. derzeitige Gesundheitszustand sowie der Grad der körperlichen Einschränkung festgestellt werden. Beträgt dieser mindestens 50%, so genießen Sie besonderen Schutz und finanzielle Erleichterungen wie speziellen Kündigungsschutz als Dienstnehmer, Förderungen und den Anspruch auf einen Behindertenpass. Nähere Auskünfte geben die Bundessozialämter bzw. unter www.basb.bmsg.gv.at Steuer-Spar-Tipps: Wer unter einer chronischen Krankheit leidet, kann mit KAPITEL 8 einer steuerlichen Erleichterung – auch durch Abschreiben von „außergewöhnlichen Belastungen“ – beim zuständigen Finanzamt rechnen. Alle Informationen finden Sie im Steuerbuch, das beim Finanzamt erhältlich ist, bzw. auch unter www.bmf.gv.at Bezug von Pflegegeld: Wenn Sie Unterstützung bei den täglichen Aufgaben benötigen, sollten Sie einen Antrag auf Pflegegeld stellen. Das Pflegegeld ist eine zweckgebundene Leistung, die für die Abdeckung von pflegebedingten Mehraufwendungen bestimmt ist. Es wird in 7 Stufen – je nach Pflegebedarf – monatlich ausbezahlt. Sie können das Pflegegeld je nach dem jeweiligen Landespflegegesetz beim Magistrat, bei der Bezirkshauptmannschaft bzw. beim Gemeindeamt beantragen. www.help.gv.at -> Suche -> Pflegegeld Anprechpartner in sozialen Fragen: • Bundessozialamt: 1010 Wien, Babenbergerstraße 5, Tel.: 05/99 88 (österreichweit zum Ortstarif), Fax: 05/99 88-2131, [email protected]; www.basb.bmsk.gv.at • Bundesministerium für Finanzen: 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, Bürgerservice: Tel.: 0810/001 228 (österreichweit zum Ortstarif), www.bmf.gv.at • Fonds Soziales Wien, Pflege und Betreuung, SozialRuf Wien: Tel.: 01/533 77 77, www.fsw.at • Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz (BMSK): 1010 Wien, Stubenring 1, Tel.: 01/711 00-0, www.bmsk.gv.at, • Behindertenanwaltschaft www.help.gv.at • Gebührenfreie Hotlines: - Behindertenanwaltschaft: 0800/80 80 16 - Pflegetelefon: 0800/20 16 22 - Sozialtelefon: 0800/20 16 11 Selbsthilfegruppen: • Österreichische Rheumaliga (ÖRL): Daniela Loisl (Präsidentin), 1010 Wien, Mahlerstraße 3/2/7; Tel.: 0699/155 41 679; www.rheumaliga.at • Österreichische Vereinigung Morbus Bechterew (ÖVMB): Ing. Paul Pocek (Präsident), 1020 Wien, Obere Augartenstraße 26-28, Tel.: 01/332 28 10; www.bechterew.at • PsO Austria (Psoriatiker-Vereinigung): Friederike Schönauer (Obfrau), 1200 Wien, Jägerstraße 3/2, Tel.: 0664/735 79 869; www.pso-austria.at.tt Rheumaambulanzen: siehe auf www.rheumaliga.at oder www.rheumatologie.at 95 „Rheuma verstehen“ hat ein aufschlussreiches Interview zum Thema Selbsthilfe mit Daniela Loisl von der Österreichischen Rheumaliga geführt. Rheuma verstehen (Rv): Sehr geehrte Frau Loisl, Sie sind seit 19 Jahren in Selbsthilfegruppen engagiert und seit sechs Jahren Leiterin der Österreichischen Rheumaliga. Was sind die Vorteile einer Selbsthilfegruppe für Rheumatiker? Loisl: Selbsthilfegruppen haben die Aufgabe, eine Plattform für den Erfahrungsaustausch von Betroffenen zu sein, und dienen der praktischen Lebenshilfe sowie der gegenseitigen emotionalen Unterstützung. Es geht uns als Österreichische Rheumaliga darum, unseren Mitgliedern juristische und seelische Begleitung anzubieten. Rv: Was bieten Sie Ihren Mitgliedern alles an? Loisl: So Betroffene das wünschen, können sie ein Gespräch mit dem jeweiligen Landesgruppenleiter führen. Weiters gibt es mittlerweile zahlreiche Themenabende, wo wir Spezialisten zur Diskussion mit unseren Mitgliedern ein96 laden. Darüber hinaus veranstaltet jedes Bundesland einen Rheumatag. Zusätzlich gibt die Österreichische Rheumaliga viermal im Jahr eine Zeitung unter dem Namen „Aktiv mit Rheuma“ heraus, wo wir über die wichtigsten Neuheiten – sowohl was Forschungsergebnisse als auch neue Medikamente am Markt betrifft – berichten. Rv: Was ist Ihnen mit Ihrer jahrelangen Erfahrung wichtig, Betroffenen zu vermitteln? Loisl: Betroffene sollten sich unbedingt an diejenigen wenden, die am meisten mit diesem Krankheitsbild zu tun haben, bis sie eine adäquate medikamentöse und auch nicht-medikamentöse Therapie besprochen haben. Rheuma ist eine ernsthafte Erkrankung, die man in keinem Fall auf die leichte Schulter nehmen darf! Vorsicht ist auf alle Fälle geboten vor Scharlatanen, die Ihnen vielleicht sogar raten, auf alle Medikamente zu verzichten! Sprechen Sie mit KAPITEL 8 Ihrem Rheumatologen, er ist für Ihre Erkrankung Ihr Vertrauensarzt. Seriöse Komplementärmedizin hat ihre Berechtigung, aber es soll immer ein „Miteinander“ der therapeutischen Maßnahmen sein – zum Wohle Ihrer Gesundheit. Wir sind dazu da, Betroffene zu beraten und ihnen bei Ansuchen um Unterstützungen zu helfen. Da wir alle ehrenamtlich tätig sind und bei den Krankenkassen und in der Politik um die Akzeptanz von „Rheuma“ kämpfen, ist eine große Mitgliederzahl ausschlaggebend. Je mehr Rheumapatienten sich zusammenschließen, desto mehr können wir erreichen. Aus diesem Grund ersuchen wir Betroffene, sich uns als Mitglied anzuschließen. Rv: Wo sehen Sie heutzutage Probleme, mit denen an Rheuma erkrankte Menschen zu Beginn zu kämpfen haben? Loisl: Rheuma ist keine „schicke“ Krankheit. Ein Rheumakranker wird gerne mit „alt“ und „wehleidig“ gleichgesetzt. Die Gesellschaft akzeptiert die Erkrankten nicht. Nicht selten berichten Betroffene von Problemen am Arbeitsplatz, wo sie als „Tachinierer“ hingestellt werden. Rv: Glauben Sie, dass es typische Phasen gibt, die ein Erkrankter nach der Diagnosestellung durchmacht? Loisl: Es ist hinlänglich bekannt, dass die Bewältigung von Erkrankungen in mehrere Phasen eingeteilt werden kann. Wir konnten immer wieder beobachten, dass nach einer „Zeit der Verzweiflung“ über die Schmerzen und womöglich das Aufgeben geliebter Gewohnheiten (Sportarten) eine Phase des „Nicht-wahrhaben-Wollens“ eintritt. Die Schübe werden im wahrsten Sinne des Wortes „weggeschoben“. Oft stellt sich danach eine Phase der „aufbrechenden Emotionen“ (Aggression und Wut) ein – so es sich um eine positive Auseinandersetzung mit der Erkrankung handelt. Oftmals kann man dann mit Unterstützung der Angehörigen eine Phase der „Anpassung und Akzeptanz“ beobachten. Die Phasen sind individuell unterschiedlich lang. Jeder muss sich auch die Zeit zugestehen, die er selbst für die Bewältigung benötigt. Ziel sollte es sein, sich und das Leben mit der Erkrankung anzunehmen. Wir haben die Beobachtung gemacht, dass Menschen, die das Gespräch über ihre Erkrankung zulassen und Begleitung suchen, oft schon am halben Weg zur Akzeptanz ihrer Erkrankung sind. 97 Selbsttest zu entzündlichem Rheuma: 1. Haben Sie zwei oder mehr Gelenkschwellungen an Ihren Fingergrund- oder Fingermittelgelenken bzw. Zehengrund- oder Zehenmittelgelenken? ja nein 2. Leiden Sie seit mehr als sechs Wochen unter Gelenkschmerzen, die nicht von einer Verletzung herrühren? ja nein 3. Sind Ihre Hände morgens so steif, dass Sie länger als eine Stunde Probleme haben, eine Faust zu machen? ja nein 4. Verstärken sich Ihre Gelenkschmerzen, wenn Sie sich bewegen? ja nein 5. Haben Sie Schmerzen beim Stufensteigen bzw. Treppabgehen? ja nein 6. Können Sie in Gelenknähe oder bei Knochenvorsprüngen unter der Haut liegende Knötchen ertasten? ja nein 7. Haben Sie Beschwerden in Gelenkregionen auf beiden Körperseiten (beide Hände, beide Schultergelenke, beide Fußgelenke etc.) schon über einen Zeitraum von sechs Wochen? ja nein 8. Hat Sie in der letzten Zeit einmal ein Arzt nach einer Blutuntersuchung darauf hingewiesen, dass Ihre Entzündungswerte im Blut erhöht sind? ja nein 9. Haben Sie Schmerzen beim Händedruck? ja nein 10. Leiden ein Elternteil oder nahe Verwandte an entzündlichem Rheuma (Veranlagung als Ursache)? ja nein Wenn Sie Frage 1 mit „Ja“ beantwortet oder von den restlichen Fragen mehr als drei mit „Ja“ beantwortet haben, sollten Sie umgehend einen Spezialisten (Rheumatologen) aufsuchen. 98 selbsttest Selbsttest zu degenerativem Rheuma – Arthrose: 1. Sind Sie älter als 40 Jahre? ja nein 2. Sind Sie übergewichtig? ja nein 3. Sind in Ihrer Familie Fälle von Gelenkerkrankungen, Fehlhaltungen oder Arthrose bekannt? ja nein 4. Haben Sie einen Beruf, wo Sie oft schwer tragen müssen oder hauptsächlich kniende Tätigkeiten ausführen? ja nein 5. Bewegen Sie sich täglich weniger als 30 Minuten? ja nein 6. Leiden Sie unter „Anlaufschmerzen“, Druckschmerzen oder plötzlichem Bewegungsausfall? ja nein 7. Haben Sie das Gefühl, Ihre Gelenke reiben bei Bewegung aneinander oder „krachen“? ja nein 8. Schmerzen die Knie- oder Hüftgelenke bei den ersten Schritten und „gehen sie sich dann ein“? ja nein 9. Treten Ihre Beschwerden auch in Ruhephasen – sprich, ohne Bewegung – auf? ja nein 10. Hatten Sie bereits Gelenkverstauchungen oder Prellungen? ja nein Wenn Sie mehr als drei Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, sollten Sie umgehend einen Spezialisten (Rheumatologen) aufsuchen. 99 Wir danken folgenden Firmen für die freundliche Unterstützung: