Rheuma verstehen

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Rheuma
verstehen
Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis,
juvenile idiopathische Arthritis,
Fibromyalgie, Morbus Bechterew,
Arthrose, Schmerztherapie
Zweite,
erweiterte
Neuauflage
Wissenschaftlicher Beirat dieser Ausgabe:
Prim. Dr. Gabriele Eberl, MBA;
Ärztliche Direktorin des Klinikums Malcherhof Baden, Baden bei Wien
Prim. Univ.-Doz. Dr. Ludwig Erlacher;
Leiter der 2. Medizinischen Abteilung im SMZ Süd, Wien
Univ.-Prof. Dr. Winfried Graninger;
Leiter der Klinischen Abteilung für Rheumatologie am LKH-Universitätsklinikum Graz, Graz
Prim. Doz. Dr. Günter Höfle;
Leiter der Abteilung für Innere Medizin, LKH Hohenems, Hohenems
Mitwirkende dieser Ausgabe:
Ao. Univ.-Prof. Dr. Martin Aigner;
Leiter der verhaltensmedizinischen Schmerzambulanz, AKH Wien
Ao. Univ.-Prof. Dr. Michael Frass;
Leiter der Abteilung Homöopathie bei malignen Erkrankungen, AKH Wien
Ao. Univ.-Prof. Dr. Burkhard Gustorff, DEAA;
Vorstand der Abteilungen für Anästhesie und Intensivmedizin, Wilhelminenspital und
Kaiserin-Elisabeth-Spital, Wien
Prim. Univ.-Doz. Dr. Christian Huemer;
Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, LKH Bregenz
Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Knoflach;
Leiter der Abteilung für Innere Medizin am 1. Klinikum Wels-Grieskirchen
Prim. Dr. Burkhard Leeb;
Leiter der 1. und 2. Medizinischen Abteilung, Niederösterreichisches Zentrum für
Rheumatologie, Landesklinik Weinviertel-Stockerau
Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert R. Müllegger;
Vorstand der Abteilung für Dermatologie am Landesklinikum Wiener Neustadt (NÖ)
Priv. Doz. Dr. Tanja Stamm, PhD, MSc, MBA;
Universitätsklinik für Innere Medizin III, Abteilung für Rheumatologie, AKH Wien
Univ.-Prof. Dr. Reinhard Windhager;
Vorstand der Universitätsklinik für Orthopädie - Medizinische Universität Wien und Leiter des
Österreichischen Endoprothesenregisters
Prof. Dr. Andrea Dungl-Zauner;
Dungl Zentren Wien, 1010 Wien
IMPRESSUM:
Herausgeber und Medieninhaber: MedMedia Verlags- und Mediaservice GesmbH, 1070 Wien‚ Seidengasse 9/Top 1.1; Verleger: Mag. Wolfgang Maierhofer; Projektleitung:
Mag. Barbara Koller, [email protected]; Redaktionsteam: Mag. Silvia Feffer-Holik, Mag. Barbara Koller, Hannelore Mezei, MedMedia Verlags- und Mediaservice GesmbH;
Layout und Grafik: Walter Moraru, www.panthera7.at; Michael Weber, MedMedia Verlags- und Mediaservice GesmbH; Lektorat: Mag. Andrea Crevato, 1230 Wien; Druck:
Bauer Druckerei; Bildagenturen: Foto Begsteiger, Fotolia, Waldhäusl
Alle Texte in „Rheuma verstehen“ sind nach bestem Wissen recherchiert. Irrtümer sind vorbehalten. Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmen Verlag und Medieninhaber keine
Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird jeweils nur die männliche Form der Bezeichnung von Personen (z.B. der Patient)
verwendet. Damit ist aber sowohl die weibliche als auch die männliche Form gemeint.
2
I N H A LT
4
Editorial
EDITORIAL
6
Rheuma – mein täglicher Begleiter
KAPITEL 1
15
Chronisch-entzündliches Rheuma
KAPITEL 2
16
Rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis)
KAPITEL 2A
24
Juvenile idiopathische Arthritis
KAPITEL 2B
30
Morbus Bechterew
KAPITEL 2C
36
Psoriasis-Arthritis
KAPITEL 2D
41
Nicht-entzündliches Rheuma
KAPITEL 3
42
Arthrose
KAPITEL 3A
50
Fibromyalgie
KAPITEL 3B
54
Medikamentöse Behandlung
KAPITEL 4
64
Nicht-medikamentöse Behandlung
KAPITEL 5
72
Schmerz: Ursache und Therapie
KAPITEL 6
80
Rezeptfreie Präparate
KAPITEL 7
87
Bewegung, Ernährung, Selbsthilfe
KAPITEL 8
98
Selbsttest zu Rheuma
SELBSTTEST
3
Mag. pharm. Dr. Christiane Körner, Vizepräsidentin der Österreichischen
Apothekerkammer, wünscht der großen Serie „Gesundheit verstehen“ mit
der ersten Ausgabe „Rheuma verstehen“ viel Erfolg.
Sehr geehrte Kundinnen und Kunden!
Das Konzept der 2008 gestarteten Bücher-Serie von Gesundheitsratgebern für
unsere Apothekenkundinnen und -kunden hat sich bewährt. Die Nachfrage nach den
Gesundheitsratgebern ist so groß, dass viele Ausgaben bereits vergriffen sind. Denn
vor allem chronisch kranke Menschen wollen Informationen über ihre Krankheit haben
und alle damit zusammenhängenden Antworten erfahren. Aus diesem Grund wird der
erste „Bestseller“ zum Thema „Rheuma verstehen“ ganz neu aufgelegt.
Der Patientenratgeber ist nach dem Frage-Antwort-Prinzip aufgebaut, wodurch er
optimal auf die Bedürfnisse der Apothekenkundinnen und -kunden eingeht. Fragen
wie zum Beispiel „Vergeht Rheuma von selbst wieder?“ oder „Woran erkenne ich eine
rheumatische Erkrankung bei meinem Kind?“ werden ebenso behandelt wie komplexe
Themen rund um die Frage der Medikation. Darüber hinaus werden Informationen
zu Ansuchen um finanzielle Unterstützung, zu Selbsthilfegruppen oder zu wichtigen
Kontaktadressen gegeben.
Die sinnvoll strukturierte Gliederung in die einzelnen Kapitel macht dieses Buch für
Leserinnen und Leser gut und einfach verständlich. Der neue Ratgeber „Rheuma verstehen“ wurde um die wichtigen Kapitel „Fibromyalgie“ und „juvenile idiopathische
Arthritis“ erweitert. Außerdem wurden viele Inputs von Betroffenen eingebaut, um den
Ratgeber noch praxisorientierter und verständlicher zu machen.
Ich gratuliere den AutorInnen zu der gelungenen vorliegenden Arbeit. In diesem Sinne
wünsche ich auch dieses Mal wieder – mittlerweile zum siebenten Mal – allen interessierten Lesern viele zufrieden stellende Antworten auf die Fragen zu ihrer Gesundheit.
Ihre Christiane Körner
Vizepräsidentin der Österreichischen Apothekerkammer
4
EDITORIAL
Sehr geehrte Leserinnen und Leser!
Wir freuen uns, Ihnen die Neuauflage des Patientenratgebers „Rheuma verstehen“
vorstellen zu dürfen. Aufgrund des enorm großen Anklangs sowohl bei Betroffenen als auch in der Kollegenschaft haben wir uns – gemeinsam mit dem MedMedia
Verlag – entschlossen, eine erweiterte und verbesserte Ausgabe zu gestalten,
denn: Wissen ist alles! Nur mit ausreichendem Wissen kann man als Patient die
Fähigkeit erwerben, mit sich selbst und mit der Krankheit richtig umzugehen, um
schmerzfrei zu sein und eine gute Funktion des gesamten Organismus zu behalten.
Mit dieser Broschüre wird Ihnen eine umfassende Information zu vielen rheumatischen Erkrankungen des Bewegungsapparates angeboten. Die einzelnen Kapitel
wurden von Medizinjournalisten nach ausführlichen Interviews mit den mitwirkenden Fachleuten erstellt. In einem sorgfältigen Überarbeitungsprozess haben dann
die Mitglieder des ärztlichen Beirates Korrekturen und Ergänzungen vorgenommen
und darauf geachtet, die Balance zwischen dem Reichtum an Detailinformationen
und der Verständlichkeit zu halten.
Wir sind bemüht, eine ausgewogene und unabhängige Darstellung der Behandlungsmöglichkeiten zu erreichen, insbesondere angesichts der fehlenden wissenschaftlichen Daten zu vielen Methoden der Komplementärmedizin und der
Nahrungsergänzungsmittel. Dieses Kompendium ist eine Mischung aus vielen
Expertenmeinungen und darf daher nicht als Grundlage für medizinische Streitfragen angesehen werden. Wir sind aber überzeugt, dass es für Sie eine große Hilfe
für das in jedem Fall notwendige Gespräch mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt
darstellt, wenn Sie mit dieser Broschüre schon ein Grundwissen für sich selbst
erworben haben.
Mit den besten Wünschen für Ihr Wohlbefinden
Univ.-Prof. Dr. Winfried Graninger,
Graz
Prim. Univ.-Doz. Dr. Ludwig Erlacher,
Wien
5
Rheuma –
mein täglicher Begleiter
Habe ich Rheuma – und
heilt das von allein wieder?
Rheuma bedeutet Schmerzen im Bewegungsapparat. Obwohl diese manchmal
ohne besondere Behandlung besser
werden, ist die Ursache nicht geheilt
und sie kommen wieder. Leider setzen
sich Betroffene erst zu spät nach dem
Auftreten der ersten Warnsignale mit
der Möglichkeit, an Rheuma erkrankt zu
sein, auseinander. Es ist jedoch für die
Gesunderhaltung der Gelenke wertvolle
Zeit, die hier verstreicht. Optimismus
liegt in der Natur des Menschen. „Es
wird schon wieder vergehen!“ ist eine
häufige Aussage von Erkrankten vor
Diagnosestellung. Sie hoffen darauf, dass
sich die Schmerzen oder Bewegungsein6
schränkungen mit der nötigen Schonung
von allein wieder auflösen werden. Dem
ist leider nicht so.
Für alle Formen von Rheuma gilt:
Wer einmal an Rheuma erkrankt ist,
der ist oft mit einer Therapie auf Dauer
konfrontiert. Insbesondere der Entzündungsrheumatismus schreitet, wenn nicht
entsprechend behandelt, in jedem Fall
fort, führt zu einer Beeinträchtigung des
Bewegungsapparates und verursacht irreversible (nicht umkehrbare) Gelenkszerstörungen. Bei mangelnder Achtsamkeit
drohen Behinderung, Arbeitsunfähigkeit
und in schweren Fällen auch Frühpensionierung. Nicht berücksichtigt ist hier die
massive seelische Belastung im Hinblick
auf die Schmerzen, die diese Erkrankung
für die Betroffenen mit sich bringt.
KAPITEL 1
Rheuma ist doch was für
alte Leute?
Irrtum! Viel zu oft sitzen Menschen immer noch dem Trugschluss auf, dass sie
für eine rheumatische Erkrankung noch
zu jung seien. Rheuma ist nicht zwangsläufig an ein hohes Lebensalter gekoppelt. Der typische Patient, der an einer
chronischen entzündlich-rheumatischen
Systemerkrankung wie rheumatoide
Arthritis leidet, ist um die 40 Jahre jung
und weiblich.
Bewegungseinschränkungen können auf Rheuma hinweisen.
Patienten, die an einer Fibromyalgie
erkranken, sind im Schnitt 35 Jahre alt.
Morbus Bechterew, eine weitere entzündliche rheumatoide Erkrankung, tritt
mit seinen ersten Symptomen um das
23. Lebensjahr in Erscheinung. Ebenso
wenig ist aber auch Arthrose eine Alterserscheinung, der man notgedrungen
ausgeliefert ist.
Was ist Rheuma?
Unter diesem Begriff fasst man alle
länger anhaltenden Schmerzen und
Funktionsstörungen am Bewegungsapparat (sprich an Knochen, Gelenken
und Muskeln) ungeachtet ihrer Ursache
zusammen. Rheuma – als die Krankheit
mit den „vielen Gesichtern“ – dient
sozusagen als Oberbegriff für rund 400
Erkrankungen, hinter denen sich eine
unendliche Vielzahl an Beschwerden
verbirgt. Eine Einteilung rheumatischer Erkrankungen kann anhand des
rheumatischen Formenkreises nach den
Ursachen getroffen werden:
1. Entzündungsrheumatismus:
entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung (z.B. rheumatoide
Arthritis , juvenile idiopathische
Arthritis, Psoriasis-Arthritis)
2. Verschleißrheumatismus: degenerative Gelenk- und Wirbelsäulenveränderung (z.B. Arthrose)
3. Weichteilrheumatismus – auch
extraartikulärer Rheumatismus
(z.B. Fibromyalgie)
4. Stoffwechselbedingte Gelenkerkrankungen – auch pararheumatische Erkrankungen (z.B. Gicht)
Bei Entzündungsrheuma kommt es
in unterschiedlichen Gelenken des
Körpers zu immer wiederkehrenden
oder ständig bestehenden (chronischen)
Entzündungen eines (Arthritis) oder
mehrerer Gelenke (Polyarthritis). Der
Grund liegt in einer überschießenden
7
Reaktion des Immunsystems, das sich
gegen den eigenen Körper richtet.
Häufigkeit von rheumatoider Arthritis
in Österreich: 70.000–80.000
Bei Verschleißrheuma nutzt sich der
Gelenkknorpel ab, was so weit gehen
kann, dass die Knochen aneinander reiben.
Abgelöste Knorpelstücke können die
Gelenkschleimhaut reizen, was starke
Schmerzen hervorruft. Häufigkeit: rund 1,3
Mio. Arthrose-Erkrankte in Österreich
Unter Weichteilrheumatismus werden
sowohl entzündliche als auch nichtentzündliche Erkrankungen zusammengefasst. Sie betreffen das Unterhautbindegewebe, Sehnen, Sehnenscheiden,
Muskeln, Bänder und Schleimbeutel
ebenso wie innere Organe (z.B. Fibromyalgie oder Polymyalgie). Häufigkeit:
im Schnitt 5% der Bevölkerung
Bei stoffwechselbedingten rheumatischen Erkrankungen handelt es sich
um Veränderungen im Knochen- oder
Gelenkstoffwechsel, die zu Beschwerden führen. Dazu zählen Gicht, Osteoporose oder Rachitis. Bei Gicht kommt
es beispielsweise zu einer Ansammlung
von Harnsäure im Blut, wodurch sich
Harnsäurekristalle ausbilden, die sich in
den Gelenken ablagern.
Sie ist eine Autoimmunerkrankung und
kann vom Säugling bis zum Jugendlichen jeden treffen. Die Ursachen für
die Fehlreaktion des Immunsystems
sind bisher nicht gänzlich geklärt.
Eine wichtige Rolle spielt eine vererbte Veranlagung, die mit bestimmten
Umweltfaktoren wie Viren, Bakterien,
Verletzungen etc. zusammentrifft.
Was sind die ersten
Symptome bei Rheuma?
Die Beschwerden werden von Betroffenen oft als diffus und schwer zuzuordnen
dargestellt. Meist denken sie, sie hätten
nur wieder schlecht gelegen oder ihren
Körper überanstrengt. Wie sich mitunter
nach monatelangen Schmerzen herausstellt, waren dies jedoch die Vorboten
einer rheumatischen Erkrankung. Es gilt
gerade bei rheumatischen Erkrankungen:
Je früher diagnostiziert und mit einer
entsprechenden Therapie begonnen
wird, desto besser sind die Behandlungserfolge und es kann damit bleibenden
Schäden vorgebeugt werden.
Können schon Kinder an
Rheuma erkranken?
Ja, diese Form von Rheuma nennt man
juvenile idiopathische Arthritis (JIA).
8
Müdigkeit: mögliches Symptom bei Rheuma
KAPITEL 1
Mögliche erste Symptome bei:
1. einer chronisch-entzündlichen
rheumatischen Erkrankung:
• Gelenkschmerzen und -schwellung
ohne nachvollziehbaren Grund an
mehr als zwei Gelenkregionen
• Nachtschweiß
• Müdigkeit
• Morgensteifigkeit in den Fingern,
Händen oder auch den großen
Gelenken
• Symmetrische Schwellungen der
gleichen Gelenke auf beiden Körperseiten
2. einer degenerativen Erkrankung:
• Schmerzen, die am Beginn einer
körperlichen Tätigkeit auftreten
und nach kurzer Zeit der Bewegung
wieder nachlassen; sogenannte
Anlaufschmerzen
• Gefühl der Spannung in den Gelenken vor allem bei Wetterumschwung zu nasskalten Perioden
3. Weichteilrheumatismus:
• bohrender Schmerz in Muskeln und
Bindegewebe
• die Schmerzattacken betreffen ein
mal diese, einmal jene Körperregion
4. stoffwechselbedingten, rheumatischen Erkrankungen (hier Gicht):
• Schmerz, Druckempfindlichkeit und
Schwellung über Nacht
• mitunter vorangegangen: intensiver
Alkoholkonsum kurz vor dem
Gichtanfall
Was hat mein Immunsystem
mit Rheuma zu tun?
Unser Immunsystem ist dafür verantwortlich, mittels Lymphozyten (weiße
Blutkörperchen) und Makrophagen
(Fresszellen) Fremdsubstanzen, die in
unseren Körper eindringen, wirksam
zu eliminieren. Bei entzündlich- rheumatischen Erkrankungen kommt es
jedoch zu einer Störung des Immunsystems. Es kann nicht zwischen
fremden und eigenen Substanzen
unterscheiden und somit greift der
Körper mit Killerzellen und Eiweißen
seine eigenen Strukturen, wie zum
Beispiel die Gelenkinnenhaut (bei der
rheumatoiden Arthritis) an. Es werden
fälschlicherweise auf den Zellen des
Körpers bestimmte Andockstellen
ausgebildet, die dem Immunsystem
als Ziel dargeboten werden. So meint
das Immunsystem die körpereigenen
Zellen als Feind zu erkennen. Das
Immunsystem läuft in der Folge sozusagen Amok.
Die Entzündungsreaktion nimmt ihren
Lauf, das betroffene Gelenk schwillt
an, wird unter Umständen warm und
es kommt zur Auswirkung auf das
gesamte Organsystem, man spricht
von einer entzündlich rheumatischen
Systemerkrankung.
Die Gelenksveränderungen bei
Arthrosen sind überwiegend nicht
entzündlich bedingt, das heißt, hier ist
das Immunsystem nicht involviert.
9
Was ist der Auslöser für
mein fehlgeleitetes
Immunsystem?
Ein eindeutiger Auslöser für das
„Verrücktspielen“ des Immunsystems
bei entzündlich-rheumathischen Erkrankungen konnte noch nicht dingfest
gemacht werden. In einigen Fällen sind
jedoch familiäre und geschlechtsspezifische Häufungen festgestellt worden.
Der Einfluss genetischer Faktoren kann
also nicht ausgeschlossen werden. Das
bedeutet jedoch nicht, dass eine rheumatische Erkrankung direkt vererbt wird,
sondern lediglich die Disposition, d.h.
die Neigung, zu erkranken, ist erhöht.
Welche Ursachen
gibt es bei Verschleißrheumatismus?
Zu den Ursachen für degenerative
Erkrankungen gehören Gelenkfehlstellungen, Überlastung der Gelenke durch
Übergewicht, Bewegungsmangel oder
Leistungssport (siehe Kapitel 3a).
Kann eine anderweitige
Entzündung schuld an
Arthritis sein?
Grundsätzlich ja, hier muss jedoch klar
unterschieden werden. Es kann beispielsweise bei der direkt bakteriellen
Arthritis eine Infektion eine eitrig-bakterielle Gelenksentzündung hervorrufen
– nachgewiesen in der Gelenkflüssigkeit. Diese Akuterkrankung lässt sich
10
in der Regel nach dem Ansetzen einer
Kultur gut mittels Antibiotika sanieren.
Davon zu unterscheiden ist die reaktive
Arthritis, eine postinfektiöse Gelenkerkrankung (also Gelenkerkrankung
infolge einer Infektion), wo ein Infekt als
Auslöser für eine Arthritis zu nennen ist.
Dabei können in den betroffenen Gelenken selbst keine Keime festgestellt, sehr
wohl aber Keime im Harn oder in einer
Stuhlprobe gut nachgewiesen werden.
Auch in diesem Fall ist eine Antibiotikatherapie angezeigt. Problematisch,
aber nicht sehr häufig beobachtet, ist der
Übergang zu einer chronischen Arthritis.
Was ist eine Anamnese und
wozu dient sie?
Sie soll die Krankengeschichte der
einzelnen Person widerspiegeln und
Aufschlüsse für eine richtige Diagnose
geben. Sie ist der erste Schritt in jeder
Diagnosefindung. Sinnvoll ist es für den
Betroffenen, die folgenden „W“-Fragen
schon vor dem ersten Arztbesuch für
sich zu beantworten.
Drei „W“-Fragen vor dem
Arztbesuch beantworten:
• Wann – sprich, zu welcher Tageszeit, bei
welchem Wetter – tritt der Schmerz auf?
• Wo – an welchen Gelenken, Groß-/Klein-
gelenken – tritt der Schmerz auf?
• Wie kann man eine Schwellung bemerken – wird das Gelenk warm, ist das
Gelenk am Morgen steif etc.?
KAPITEL 1
Bewegungsapparat zu korrigieren versuchen. Orthopäden können die Zusatzspezialisierung für Rheumatologie haben.
Zu wem gehe ich, wenn ich
Gelenkschmerzen habe?
Der Praktiker, praktische Arzt, Allgemeinmediziner oder Hausarzt ist der
Arzt des Vertrauens und sollte seine
Patienten „weiterleiten“ und führen.
So er dies für notwenig erachtet und die
Befunde auf eine rheumatische Erkrankung hinweisen, muss er den Patienten
im Sinne der optimalen Betreuung
einem Facharzt, in diesem Fall einem
Rheumatologen, zuweisen.
Orthopäden sind ausgebildete Fachärzte, die einerseits operativ, andererseits konservativ mittels Infiltrationen,
Injektionen, Fehlhaltungskorrekturen
oder Schuheinlagen die Beschwerden am
Ein Rheumatologe ist ein Facharzt für
Innere Medizin mit einer dreijährigen
Zusatzausbildung im Bereich der Rheumatologie. Er hat spezielle Kenntnisse
in der Diagnose und der Therapie von
Patienten mit entzündlichen und degenerativen Skelett-, Weichteil- und Autoimmunerkrankungen. Rheumatologen
sind ausgebildet, gezielte körperliche,
laborchemische, radiologische Untersuchungen durchzuführen oder zu veranlassen. Darauf aufbauend erstellen sie
einen Befund und besprechen geeignete
Maßnahmen mit dem Patienten. Nach
der Einstellung auf eine für den Patien-
Sinnvoller Diagnoseverlauf:
Patient
beobachtet
Gelenkschmerz
Labor
Praktischer
Arzt
Bildgebende
Verfahren
(Röntgen)
kein
eindeutiger
Befund
(über 70%
der Fälle)
degenerativ
MRT,
hochauflösender
Ultraschall
Rheumatologe
entzündlich
11
ten optimalen Therapie kann dieser die
nachfolgenden Routinekontrollen oftmals beim Praktiker durchführen lassen.
Wie sollte der Diagnoseablauf vor sich gehen?
Die erste Anlaufstelle wird in der Regel
der Praktiker sein. Dieser wird die
Krankengeschichte aufnehmen und
einen Patienten mit Verdacht auf eine
rheumatische Erkrankung in ein Labor
zu einem Blutbefund und zum Röntgen
weiterverweisen. So sich der Verdacht
durch die Laborwerte und den Röntgenbefund erhärtet, soll der Patient an
einen Rheumatologen weitergeleitet
werden, damit umgehend mit einer
medikamentösen Therapie begonnen
werden kann. Sind diese Werte nicht
aussagekräftig genug, um eine klare
Entscheidung zu treffen – was zu 80%
in einem frühen Stadium der Fall ist –,
der Patient aber weiterhin über Gelenkschmerzen klagt, müssen genauere
Untersuchungen angeordnet werden.
Was heißt „moderne
Rheumatherapie“?
Wichtigstes Element in der Therapie
ist die enge Zusammenarbeit zwischen
Arzt und Patient. Der Betroffene muss
sich von seinem behandelnden Arzt
verstanden fühlen. Das Therapiekonzept soll maßgeschneidert sein, Medikamente und Behandlungen werden dazu
miteinander kombiniert. Die Auswahl
der Medikation hängt ganz wesentlich
von der Ursache und dem Verlauf der
rheumatischen Erkrankung ab. Ziel
einer rechtzeitigen und richtigen Therapie ist es, die Gelenkszerstörungen
zu verhindern und die Funktionen zu
erhalten. In einem ersten Schritt ist es
natürlich auch wesentlich, die Schmerzen der Betroffenen in den Griff zu
bekommen. In einem zweiten Schritt
kann man heute das Fortschreiten der
Erkrankung verzögeren, im besten
Fall sogar stoppen. Wird jedoch nicht
oder unzureichend behandelt, bedeutet
das für den Patienten ein Leben mit
Schmerzen und fortschreitender körperlicher Behinderung.
Welche Rolle spielt meine
Psyche im Krankheitsverlauf?
Klären Sie mit Ihrem Arzt Fragen, die Ihnen wichtig sind.
12
An Rheuma Erkrankte unterschätzen zu
Beginn oft die psychische Belastung,
die diese chronische – also lebenslange – Erkrankung mit sich bringt. Viel
Selbstdisziplin ist für die oft jahrelange
Medikamenten- und Physiotherapie
KAPITEL 1
vonnöten. Schmerz- und Stressmanagement gewinnen zunehmend an Bedeutung, denn bei Rheuma haben psychische Faktoren einen hohen Stellenwert
für den Krankheitsverlauf. Chronischer
Stress kann direkte Auswirkungen auf
den Hormonspiegel und damit auf das
Immunsystem haben. Psychologische
Hilfe – vom Stresstraining über autogenes Training bis hin zur Verhaltenstherapie – kann sich vorteilhaft auf den
Krankheitsverlauf auswirken.
wirksame Medikamente zur Verfügung, die den Krankheitsverlauf
Warum gelten in Österreich
so viele Menschen mit
Rheuma als nicht therapiert?
In Österreich ist die Versorgung mit den
entsprechenden Medikamenten, Physiotherapie und alternativen Hilfestellungen sehr gut bis ausgezeichnet. Das
Problem ist woanders zu suchen: Jeder
zweite Rheumatiker war mit seinen
Beschwerden noch nie beim Arzt!
Die Betroffenen ordnen ihre Beschwerden oft nicht einer rheumatischen Erkrankung zu. Somit kann der
Allgemeinmediziner die Zuweisung zu
einer Laboruntersuchung oder zu einem
Rheumatologen gar nicht veranlassen.
Was ist das Therapieziel bei
chronisch-entzündlichem
Rheuma?
Eine dauerhafte Remission (= Abwesenheit von Krankheitszeichen) ist das
Ziel der Behandlung. Es stehen dazu
Umfassende Therapie gewährleistet bessere Lebensqualiät.
stark verlangsamen oder das Fortschreiten völlig eindämmen können.
Damit kann die Beweglichkeit und die
Lebensqualität bis ins hohe Alter erhalten bleiben.
Entzündungshemmende Präparate
bremsen die Zerstörung der Gelenke,
und Schmerzmittel bessern die Bewegungseinschränkungen. Zusätzlich
kann mit ergotherapeutischen Übungen, physikalischen Anwendungen,
Kuren, aber unter gegebenen Umständen auch mit einer Operation heutzutage sehr gut geholfen werden.
13
Übersicht
Symptome
Therapie –
medikamentös
Therapie –
nicht-medikamentös
Seite
1. Chronisch-entzündliche Erkrankungen
a. Rheumatoide
Arthritis (= CP; chronische Polyarthritis)
Gelenkschmerzen oder
-schwellungen, Druckschmerz, Morgensteifigkeit von mindestens einer
Stunde
NSAR (= nicht-steroidale Antirheumatika),
Basistherapeutika (z.B.
Methotrexat, Sulfasalazin,
Leflunomid), Kortison,
Biologika (TNF-alphaBlocker, B-Zell-Antikörper, T-Zellen-Hemmer,
Interleukin-1-RezeptorBlocker, Interleukin-6Rezeptor-Blocker)
Heilgymnastik, Ergotherapie, Thermotherapie,
Elektrotherapie, Ultraschall,
Homöopathie
16
b. Juvenile idiopathische Arthritis (= JIA)
Schmerzen, Schwellung/
Überwärmung der Gelenke, Morgensteifigkeit,
Müdigkeit, Weinerlichkeit
NSAR, Kortison, Basistherapeutika, TNF-alphaBlocker, T-Zellen Hemmer,
Methotrexat
Physiotherapie, Ergotherapie, gelenkschonende
Sportarten
24
c. Morbus Bechterew
tief sitzende Kreuzschmerzen, morgendliche Steifigkeit der
Wirbelsäule, Brustkorboder Rückenschmerzen,
Hüftschmerzen in der
Leiste, Versteifung der
Wirbelsäule
NSAR, TNF-alphaBlocker
tägliche Gymnastik,
Homöopathie, Wärme-,
Kältetherapie, Massagen
30
d. Psoriasis-Arthritis
(= PsA; Schuppenflechte mit Gelenkerkrankung)
strahlenförmige Entzündung der Gelenke
von Händen und Zehen,
einhergehende Hautprobleme, Sehnenansatzentzündung mit Schwellung
NSAR, Kortison bei Schüben, Basistherapeutika,
TNF-alpha-Blocker
Physiotherapie
36
2. Nicht-entzündliche rheumatische Erkrankungen
14
a. Arthrose (= Abnutzungserkrankung der
Gelenke)
Schmerzen bei Beginn
einer Bewegung, Bewegungseinschränkungen,
Muskelverspannungen,
Gelenksverformungen
Rheumasalben/-gels,
NSAR (= nicht-steroidale
Antirheumatika), Kortison,
Diacerein, Hyaluronsäure
ausreichend Bewegung,
Gelenkschutz, Abbau
von Übergewicht, Ergo-,
Wärme- und Kältetherapie,
Elektrotherapie, Aquatraining, Alltagshilfen (Stöcke
oder festes Schuhwerk)
42
b. Fibromyalgie (=
„Weichteilrheumatismus“)
großflächige Muskelschmerzen von Kopf bis
Fuß, Schlaf- oder Angststörungen, chronische
Müdigkeit, Depressionen,
u.U. Schwellungsgefühle
in Händen, Füßen und
Gesicht, Geräusch-,
Licht- und Kälteempfindlichkeit
Antidepressiva, Analgetika, muskelentspannende
Präparate, Substanzen
gegen neuropathischen
Schmerz
psychologische Betreuung,
Bewegungs- / Trainingstherapie
50
KAPITEL 2
Chronischentzündliches Rheuma
15
Rheumatoide Arthritis
(chronische Polyarthritis)
Was ist RA oder CP und
wen betrifft es?
ider Arthritis. Jährlich gibt es zwischen
2.400 und 4.800 Neuerkrankungen.
Rheumatoide Arthritis (Abk.: RA) oder
auch chronische Polyarthritis (Abk.:
CP) ist eine oftmals schubweise verlaufende, entzündliche Erkrankung des
Binde-, Stütz- und Muskelgewebes mit
Hauptmanifestation an der Gelenkinnenhaut und an gelenknahen Strukturen
(z.B. Schleimbeutel).
Gibt es einen Auslöser, der
für RA verantwortlich gemacht werden kann?
Die rheumatoide Arthritis ist die häufigste und bekannteste der entzündlichrheumatischen Erkrankungen und betrifft
Frauen dreimal häufiger als Männer
mit einem Altersgipfel im 40. Lebensjahr. Speziell in Österreich leiden rund
70.000-80.000 Menschen an rheumato16
Die Mediziner können nach bisherigem Erkenntnisstand keinen einzelnen
Auslöser für den Ausbruch von RA
verantwortlich machen. Bei vorhandener erblicher Veranlagung und unter
Einwirkung von äußeren Faktoren führt
das Zusammenspiel mehrerer Faktoren
zu einer Fehlleistung des Immun- oder
Abwehrsystems. Das heißt, das Immunsystem richtet sich gegen den eigenen
Körper, in diesem Fall gegen das Gelenkgewebe. Äußere Faktoren können
KAPITEL 2a
Stress – bewirkt eine Schwächung
des Immunsystems – oder hormonelle
Komponenten sein.
In den letzten Jahren der Erkenntnis gelangt, dass in Tiermodellen Retroviren
am Ausbruch der Erkrankung beteiligt
sein dürften. Allerdings gibt es dazu
beim Menschen noch keine beweisenden Untersuchungsergebnisse, sodass
eine ursächliche Behandlung derzeit
noch nicht existiert.
Was passiert bei der RA?
Normalerweise produziert die Gelenkinnenhaut (= Synovialis oder
Membran) die Gelenkschmiere, die
für reibungsarme Bewegungen des
Gelenks verantwortlich ist und das
Knorpelgewebe versorgt. Bei RA
kommt es durch das überschießende
Immunsystem zu einer Entzündung
dieser Gelenkinnenhaut. Schlüsselrolle
in dieser Entzündungskaskade spielen
die so genannten proinflammatorischen
(entzündungsfördernden) Zytokine. Sie
sind Proteine und Botenstoffe, die im
Immunsystem die körpereigene Abwehr
steigern und Entzündungen verstärken
oder verursachen. Zu den bekanntesten proinflammatorischen Zytokinen
gehörten beispielsweise TNF-alpha
(Tumor-Nekrose-Faktor alpha), Interleukin-1 oder Interleukin-6. Unter dem
Einfluss dieser pro-inflammatorischen
Zytokine kommt es eben zu dieser
erhöhten Produktion von veränderter
Gelenkschmiere. Daraus resultieren
schmerzhafte Schwellungen, aber auch
Überwärmungen der Gelenke und unter
Umständen eine Ergussbildung (Wasser
in den Gelenken). Später wächst die
Gelenkinnenhaut wie ein gutartiger
Tumor in das Gelenk hinein. Knorpelgewebe und auch der darunter liegende
Knochen werden angegriffen und das
Gelenk verformt sich.
Woran merke ich, dass ich
RA habe?
Die RA zeigt sich individuell unterschiedlich, sie kann plötzlich ausbrechen oder sich schleichend durch
unspezifischere Symptome ankündigen.
Am häufigsten ist die klassische Verlaufsform:
• Gelenkschmerzen oder -schwellungen, von mehr als sechs Wochen
• erste Gelenkbeschwerden, wovon
zunächst meist symmetrisch beide
Handgelenke sowie die Fingergrundund -mittelgelenke betroffen sind,
später auch größere Gelenke
• Schwellung, Überwärmung und
Druckschmerzhaftigkeit mehrerer
Gelenke
• schmerzhafte Bewegungseinschränkungen
• uncharakteristische Vorboten wie
Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme,
starkes Schwitzen, erhöhte Temperatur und Abgeschlagenheit
• Morgensteifigkeit (mind. eine Stunde), die das Anziehen und Waschen
erschwert;
17
Symptome verschwinden je nach
Schwere und Aktivität der Erkrankung im Laufe des Tages.
• Nach Jahren: Auftreten von Rheumaknoten – derbe Knötchen unter
der Haut, oft an der Streckseite der
Ellbogengelenke.
Was passiert, wenn keine
Therapie eingeleitet wird?
Wenn das fehlgesteuerte Immunsystem nicht eingebremst wird, schreitet
die Zerstörung unaufhaltsam voran.
Entzündungen bilden sich teilweise
nach Wochen zurück, um dann schubweise wieder aufzutreten und dabei
die Gelenkstrukturen zu ruinieren. Da
es sich bei der rheumatoiden Arthritis
um eine Systemerkrankung handelt, ist
bei längerer Krankheitsdauer auch ein
entzündlicher Befall innerer Organe
möglich, wie zum Beispiel an den Gefäßen, Herz, Nieren, Leber und Lunge. Die
Krankheit birgt per se ein gesteigertes
Infektionsrisiko. Ebenso steigt in der
Statistik bei einer unbehandelten RA die
Wahrscheinlichkeit, an Lymphdrüsenkrebs zu erkranken. Mit fortschreitender
Gelenkszerstörung kann die Krankheit
durch Gelenkversteifungen und Gelenkdeformitäten bis zur Invalidität führen.
Was kann einen Schub auslösen?
Einhellige Meinung herrscht darüber,
dass psychische Aspekte oft eine Rolle
spielen. Stress, Sorgen und ungelöste
18
Probleme können das Immunsystem
schwächen. Für einen an RA Erkrankten kann dies einen neuen Schub
bedeuten. Bemerkbar für den Betroffenen macht sich ein Schub an der
Zunahme der Gelenkschmerzen und
-schwellungen, Abgeschlagenheit und
deutlich stärkeren Bewegungs- und/
oder Ruheschmerzen.
Sorgen und Stress können das Immunsystem schwächen.
Was zeigen meine
Befunde?
Laborbefunde allein liefern leider
keinen eindeutig gesicherten Beweis
für das Vorliegen einer RA. Ergänzend
zum klinischen Befund (= Schmerzen
des Patienten und Schwellungen der
Gelenke) sind sie aber oft bestätigend.
Weiters sind sie bei vorliegender Diagnose nützlich, um die Aktivität der
Krankheit zu beurteilen.
KAPITEL 2a
Die Blutwerte zeigen bei einer Entzündung häufig erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit und ein erhöhtes Creaktives Protein (CRP). Der Wert der
Blutsenkung und des CRP gibt jedoch
lediglich an, dass eine Entzündung im
Körper vorliegt, enthält aber keinerlei
Aussage darüber, ob es sich um eine
Entzündung der Gelenke handelt.
diesen Faktor zum Nachweis einer RA
verlassen. Es gibt auch Patienten mit
RA, die keinen RF haben (Rheumafaktor negativ). Der Umkehrschluss ist in
keinem Fall zulässig: Wer diesen Faktor im Blut hat, muss nicht zwangsläufig an Rheuma erkranken. Bis zu 20%
der gesunden alten Menschen weisen
einen erhöhten Rheumafaktor auf.
Was sind Rheumafaktoren?
Auch die modernste Labormethode zur
Diagnoseabsicherung, der CCP-Test
(Test zum Nachweis der Antikörper
gegen zyklisches citrulliniertes Protein), ist schon sehr aussagekräftig für
das Vorliegen einer RA. Bei Bestehen
klinischer Beschwerden des Patienten
ohne eindeutigen Blutbefund bedarf es
weiterer Schritte, um eine eindeutige
Diagnose zu stellen.
Rheumafaktoren (RF) sind Abwehrstoffe, die sich an die eigenen Immunglobuline (= Antikörper) binden, die
also gegen ihresgleichen gerichtet sind.
Sie werden im Blut oder in der Gelenkflüssigkeit nachgewiesen. Der Rheumafaktor kann den ärztlichen Verdacht
über das Vorliegen einer RA bestätigen,
ist jedoch alleine noch nicht beweisend
für eine Rheumaerkrankung. Er kann
zum Beispiel auch manchmal bei alten
Menschen in bester Gesundheit gefunden werden. Der Rheumafaktor ist ein
Baustein, der neben den vom Patienten
geäußerten Beschwerden und dem Ergebnis der körperlichen Untersuchung
durch den Arzt für die Diagnose wichtig
ist. Bei einer gesicherten RA-Diagnose
gibt die Menge des RF im Blut im Verlauf der Erkrankung Auskunft über die
Aggressivität der RA.
Bei bis zu 85% der Patienten mit rheumatoider Arthritis werden im Laufe der
Erkrankung im Blutserum Rheumafaktoren nachgewiesen. Der Arzt kann
sich hier aber auch nicht eindeutig auf
Welche Bedeutung haben
bildgebende Verfahren?
Im Röntgen können die für die RA
typischen Veränderungen nachgewiesen
und der Zustand der Gelenke sichtbar
gemacht werden. Es sind dies gelenknahe Erosionen (= Defekte im Bereich der
Knorpel-Knochen-Grenze) zu Beginn
der Erkrankung. Im Spätstadium sehen
die im Gelenkbereich aufgerauten Knochen wie zusammengewachsen aus.
Mittels Röntgen können jedoch nur bereits vorhandene irreparable Zerstörungen nachgewiesen werden. Bei Frühformen einer RA und (noch) unauffälligem
Röntgen ist der Einsatz einer MRT
19
(Magnetresonanztomographie oder
Kernspintomographie) sinnvoll. Mittels
MRT gelingt es, ohne Strahlenbelastung
aktive Gelenksentzündungen frühzeitig
zu erkennen, noch bevor schwer wiegende Zerstörungen an Knorpel oder
Knochen eingetreten sind. Zu diesem
Zwecke wird Kontrastmittel injiziert.
Nachteil dieses Diagnoseinstruments
ist, dass mitunter auch jene Entzündungen als massiv dargestellt werden, die
der Körper allein reguliert und durch
die es nie zu einer Gelenkschädigung
kommen wird.
Vorteil eines hochauflösenden Ultraschalls (Gelenkultraschall) ist einerseits
das Fehlen jeglicher Strahlenbelastung
und andererseits, dass die Beobachtung
in Bewegung gemacht werden kann.
Es können hier mithilfe des Schalls
Entzündungen der Gelenkinnenhaut
(Synovitis) aufgespürt, nachgewiesen
und betroffene Bereiche genau lokalisiert werden. Ultraschalluntersuchungen kommen besonders bei Hand- und
Fingergelenken, aber auch bei Vorfuß-,
Fußwurzel- und Schultergelenken zum
Einsatz.
Welche Untersuchungen
sind zur Abklärung
notwendig?
Einmal mehr kommt hier der Anamnese entscheidende Bedeutung zu. Die
Schilderungen des Patienten lassen
einen praktischen Arzt ja erst vermuten,
dass es sich womöglich um RA handelt,
20
(siehe „Woran merke ich, dass ich RA
habe?“). Zur Diagnosesicherung stehen
Röntgen und Laboruntersuchungen zur
Verfügung, durch die der Arzt seinen
Verdacht erhärten kann. Wenn die
Befunde vorliegen und der Verdacht
bestätigt wurde, sollte der Patient
unbedingt zur Beratung und optimalen
Therapieeinstellung einen Rheumatologen aufsuchen.
Wann liegt nun eine RA vor?
In einem Großteil der Fälle kann man
nach den ersten Blutuntersuchungen
und dem klassischen Röntgen keine
Aussage treffen, ob der Patient an einer
RA leidet. Es müssen weitere Untersuchungen durchgeführt werden.
Zu diesen aussagekräftigeren Untersuchungen zählen die MRT mit Kontrastmittel und/oder der hochauflösende
Gelenkultraschall. Wenn ein Patient
mit klinischen Beschwerden, aber
ohne definitivem Befund beim Rheumatologen vorstellig wird, kann dieser
aufgrund seiner speziellen Ausbildung
auch weitere Fakten abklären und so
die Bestätigung für eine rheumatologische Erkrankung liefern, wie zum
Beispiel:
• Morgensteifigkeit der Gelenke, die
länger als 30 Minuten anhält,
• Kompressions-, (Druck-)Schmerz
der Fingergrundgelenke und
• mindestens ein geschwollenes
Gelenk.
KAPITEL 2a
Der Facharzt ist speziell darauf geschult,
diese sehr individuellen Faktoren wie
zum Beispiel Schwellungen (bei jedem
Rheumapatienten tritt beispielsweise
eine andere Art der Schwellung zu
Tage), Funktionsbeeinträchtigungen,
Hautveränderungen etc. zu bewerten.
Typische Veränderungen am Gelenk im Röngten gut sichtbar.
Welche Ziele verfolgt eine
Therapie der RA?
Ganz klar stehen die Schmerzlinderung und die Beseitigung der Entzündung an erster Stelle. Die abschwellenden Rheumaschmerzmittel (NSAR,
nicht-steroidale Antirheumatika) sind
dabei sehr wirksam. Der Rheumatologe
wird unmittelbar nach Diagnosestellung
versuchen, mithilfe eines so genannten
Basistherapeutikums die Entzündung
und das fehlgesteuerte Immunsystem in
den Griff zu bekommen. Dazu ist eine
monatelange Einnahme von Medikamenten aus der Gruppe der Basistherapeutika notwendig. Am häufigsten
kommt hier der Wirkstoff Methotrexat
(MTX) zum Einsatz. Die Wirkung des
Basistherapeutikums tritt oft erst nach
zwei bis drei Monaten ein, wobei nicht
alle Patienten auf die Basistherapie
gleich ansprechen. In der Regel tritt
bei 40% der Betroffenen eine 50%ige
Besserung der Entzündungsreaktion
ein. In 15% der Fälle kann sogar von
einer gänzlichen Remission (Wegfall
der Krankheitssymptome) gesprochen
werden. Aufgrund des verzögerten
Wirkeintritts schlägt der Rheumatologe
oft vor, das körpereigene Nebennierenhormon Kortison für die Zeit der
Überbrückung bis zum Wirkeintritt der
Basistherapie einzusetzen. Bei gleichzeitiger Einnahme von Kortison mit
einem NSAR muss in jedem Fall ein
Magenschutzpräparat gegeben werden,
um das Risiko für Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre zu senken. Obwohl viele Patienten die Kortisonmedikamente zuerst zögerlich betrachten, ist
die Wirkung vor allem bei ausgeprägten
Gelenkschwellungen doch meist so
befreiend, dass der Betroffene die Präparate gerne einige Wochen einnimmt.
Was passiert, wenn die
Basistherapie keinen Erfolg
bringt?
So es mit der Basistherapie nicht zum
gewünschten Erfolg – also zu einem
Aufhalten der Entzündung – kommt,
kann auf ein anderes Basistherapeutikum umgestiegen oder ein zweites
dazugegeben werden (Kombinations-
Weitere Infos finden Sie auch auf: www.comebackinsleben.at
therapie). Eine weitere viel versprechende Option bieten die so genannten
Biologika, allen voran die TNF-alphaBlocker (Adalimumab, Certolizumab,
Etanercept, Golimumab, Infliximab). Sie
kommen zum Einsatz, wenn die Behandlungsmöglichkeiten mit herkömmlichen,
chemischen Basistherapeutika oder der
Kombination von Basistherapeutika
nicht erfolgreich sind. Die Biologika
wirken aber auch am besten in Kombination mit herkömmlichen Basistherapeutika. Innerhalb von wenigen Wochen
weiß man, ob die gewünschte Wirkung
eintritt. Sollte dies nicht der Fall sein, besteht die Möglichkeit, noch ein anderes
Biologikum zu probieren.
Wird die Entzündung dauerhaft nicht
reduziert oder gestoppt, stehen dem
Rheumatologen noch drei ganz moderne immuntherapeutische Konzepte
zur Verfügung:
• Hemmung der B-Zellen mittels der
Substanz Rituximab
• Einsatz der Substanz Abatacept,
welche die Aktivierung von
T-Zellen bremst und so die zerstörende Immunreaktion an den
Gelenken hemmt
• Interleukin-6-Rezeptor-Blocker
Tocilizumab
Langfristig gesehen, sollte es zu einer
dauerhaften Stabilisierung der erreichten
Erfolge, also dem Eindämmen der Gelenkszerstörung durch Herabsetzen der
Entzündungsparameter und Schmerzfreiheit kommen.
22
Was ist entscheidend für
eine erfolgreiche Therapie?
Der Behandlungserfolg ist abhängig
vom Behandlungsbeginn: Ein optimales Behandlungsergebnis ist bei
Frühtherapie schon 12–16 Wochen
nach Krankheitsbeginn zu erwarten.
Die Entwicklung der Erkrankung hängt
von der Mitwirkung des Patienten ab,
sprich, konsequente Einnahme der
Medikamente, regelmäßige Kontrolltermine beim Facharzt, Einhaltung der
vereinbarten physiotherapeutischen und
ergotherapeutischen Maßnahmen.
Wichtig: Arztkontrolltermine
Welche Zusatzbehandlungen gibt es?
Bei der Schmerzbehandlung gibt es
zusätzlich die Möglichkeit der Thermotherapie, Homöopathie, verhaltenstherapeutische Maßnahmen, Traditionelle
Chinesische Medizin, Heilgymnastik,
Ultraschall, Elektrotherapie im Niederfrequenzbereich und Akupunktur.
KAPITEL 2a
Bewegungsstörungen können effektiv
mit Heilgymnastik und Ergotherapie
gebessert werden. Eine Kräftigung der
Muskulatur wird mit Physiotherapie
und gezielter Heilgymnastik erzielt.
Massagen tragen zur Steigerung der
Durchblutung und Muskelentspannung
bei, denn Patienten mit RA leiden nicht
selten an massiven Muskelverspannungen. Abgesehen von medikamentöser
Therapie machen Zusatzbehandlungen
vor allem im Schmerzbereich immer
Sinn, wenn der Patient damit sein
subjektives Wohlbefinden und seine
Lebensqualität steigern kann.
Grundsätzlich sollte bei dieser Erkrankung die Anwendung von starker
Wärme oder der Aufenthalt in zu
heißem Wasser (über 32 °C) vermieden
werden. Besonders im akuten Schub
sind Kryotherapien (Kryo = Kälte)
empfehlenswert, so es subjektiv vom
Patienten als angenehm empfunden
wird. Vorsicht: Bei einem akuten Schub
sind Heilgymnastik und Elektrotherapie
kontraindiziert!
schienen oder Metakarpalspangen.
Spezielle Messer (Griff ist 90 Grad von
der Klinge weggebogen) und Flaschenöffner erweisen ebenfalls gute Dienste.
Wann ist welche Operation
unumgänglich?
Operationen werden dann durchgeführt,
wenn andere Therapieformen nicht den
erwarteten Erfolg bringen. Bei einer
Synovektomie – eine gelenkerhaltende
Therapiemaßnahme – wird die entzündete Gelenkinnenhaut durch Ausschälung des betroffenen Gelenks operativ
entfernt. Innerhalb einiger Wochen
wächst die Gelenkinnenhaut wieder
nach (Regenerat).
Eine weitere Möglichkeit bietet der Gelenkersatz mittels Metall, Keramik oder
Polyethylen. Bei einer Endoprothese
werden Gelenkkopf und/oder Gelenkpfanne ersetzt. Die Eingriffe sind an
fast allen Gelenken möglich.
Tipps für den Alltag:
Welche Hilfen gibt es für
den Alltag?
• Tragen Sie Lasten mit Rucksack
Wenn alltägliche Tätigkeiten wie das
Halten einer Kaffeeschale, das Schneiden von Brot oder das Zuknöpfen des
Hemdes unmöglich werden, gibt es
Hilfsmittel im gut sortierten Fachhandel. Finger- und Handhalterungsschalen
können ebenso helfen wie die so genannten Knopfloch- und Schwanenhals-
Gelenke (vibrierende Geräte, Schütteln der
Gelenke).
• Überschreiten Sie nicht Ihre Belastungsgrenze, muten Sie sich nicht zu viel zu.
• Unterstützen Sie Ihr Handgelenk bei
belastenden Tätigkeiten.
• Achten Sie öfter auf Ihre Haltung beim
Sitzen und Stehen.
=> gleichmäßige Verteilung.
• Vermeiden Sie Erschütterungen der
23
Juvenile
idiopathische Arthritis (JIA)
Was bedeutet JIA?
Juvenil ist mit kindlich/jugendlich zu
übersetzen, idiopathisch bezeichnet
Erkrankungen ungeklärter Ursache und
Arthritis bedeutet Gelenksentzündung.
Kann Rheuma bei Kindern
mit zunehmendem Alter
wieder verschwinden?
Von alleine sicher nicht. Kindliches
Rheuma muss behandelt werden. Es ist
allerdings in vielen Fällen möglich, die
Erkrankung mit der richtigen Therapie
zum Stillstand zu bringen oder sie so
stark zu verlangsamen, dass es sich gut
mit ihr leben lässt. Wichtig ist, während
des Stadiums einer aktiven Gelenks24
entzündung mit v.a. medikamentöser
Therapie zu verhindern, dass bleibende
Gelenkschäden entstehen – diese wären
dann nicht mehr reversibel.
Wie häufig ist kindliches
Rheuma?
In Österreich gibt es jährlich ungefähr
140 Neuerkrankungen, bundesweit sind
etwa 1.700 Kinder und Jugendliche an
chronischer Arthritis erkrankt – Rheuma ist somit bei Kindern ebenso häufig
zu finden wie Diabetes mellitus.
Wie äußert sich JIA?
Rheuma bei Kindern macht sich unterschiedlich bemerkbar und zeigt sich – im
KAPITEL 2b
Vergleich zu den chronische Arthritiden
im Erwachsenenalter – wesentlich vielfältiger: Die Anzahl betroffener Gelenke
kann variieren, Haut, Bänder und Sehnen
können ebenso am Entzündungsprozess beteiligt sein. Auch der Verlauf der
Erkrankung ist nicht bei allen Kindern
gleich. Bei manchen entzünden sich die
Gelenke immer wieder, bei anderen nur
selten, oft ist auch nur ein Gelenk betroffen. Ärzte sprechen von einer JIA, wenn
die Gelenksentzündung mindestens sechs
Wochen anhält und die Erkrankung vor
dem 16. Lebensjahr beginnt.
Welche Beschwerden können zusätzlich zu einer Gelenkerkrankung auftreten?
Wachstumsstörungen, Entzündung
der Augen oder Beeinträchtigung des
Ernährungszustandes.
Was können erste
Anzeichen sein?
So unterschiedlich die JIA auch
verlaufen kann, allen Verlaufsformen
gemeinsam ist die Gelenksentzündung.
Schmerzen sowie geschwollene, überwärmte Gelenke können erste Symptome sein. Oft ist am Morgen auch eine
Steifigkeit der Gelenke festzustellen.
Wie kann die JIA
verlaufen?
Wie sich eine JIA entwickelt und ob sie
sich bis ins Erwachsenenalter bemerk-
bar macht, lässt sich schwer voraussagen. Der Verlauf ist oft von der genauen
Erkrankungsform abhängig.
Ärzte unterscheiden folgende Formen
der JIA:
• Oligoarthritis: Dabei sind ein bis
vier Gelenke betroffen, sehr häufig das
Kniegelenk, oft verläuft die Erkrankung
nicht gleichmäßig auf beiden Körperhälften (asymmetrisch). Augenentzündungen sind häufig. Die Krankheit
beginnt im Kleinkindalter.
• Polyarthritis: Bei dieser Rheumaform sind mindestens fünf Gelenke
erkrankt, am häufigsten sind Hand-,
Finger-, Ellbogen-, Knie- und Sprunggelenke meist auf einer Körperhälfte
(symmetrisch) entzündet.
• Systemische Arthritis: Neben den
Gelenken sind bei dieser Rheumaform
auch andere Organe wie z.B.: Herz,
Lymphknoten, Milz, Leber, Nieren oder
Lunge beteiligt. Systemische Arthritis
beginnt häufig im Kleinkindalter, meist
mit hohem Fieber und Hautausschlägen.
• Psoriasis-Arthritis: Beschwerden des
Kniegelenks und der kleineren Gelenke
(Hände, Füße) können auch gemeinsam
mit Schuppenflechte (Psoriasis) auftreten. Scharf begrenzte, rötliche Areale
auf der Haut sind mit silbrig-weißen
Schuppen bedeckt. Bevor es zu einer
Psoriasis kommt, zeigen sich oft Nagelveränderungen und auch das Anschwellen ganzer Finger oder Zehen.
25
• Enthesitis-assoziierte Arthritis:
Dabei kommt es neben den Gelenkbeschwerden zu einer Entzündung von
Bändern und Sehnen, insbesondere
der Ferse. Diese Form der JIA beginnt
meist im Schulalter und kommt häufiger
bei Buben vor. Die Gelenke sind in der
Regel asymmetrisch betroffen, vorzugsweise die Knie- und Sprunggelenke.
Wo finde ich ärztliche Hilfe,
die auf kindliche Bedürfnisse eingeht?
Aufgrund der Besonderheiten kindlichrheumatischer Erkrankungen muss die
Therapie von einem spezialisierten
Team getragen werden, das Kinderrheumatologen, Kinderphysio- und -ergotherapeuten, Kinderorthopäden, Kinderpsychologen und pädiatrisch geschulte
Augenärzte einschließt. In Österreich
gibt es elf Spitäler, deren Kinderabteilung über eine kinderrheumatologische Ambulanz verfügt. In besonders
schwierigen Phasen der Erkrankung
kann auch ein stationärer Aufenthalt im
Krankenhaus notwendig sein.
Wie wird Rheuma bei einem
Kind festgestellt?
An erster Stelle steht das ausführliche
Gespräch mit dem Kinderrheumatologen: Gibt es in der Familie Rheumatiker? Wann haben die Schmerzen angefangen, wie oft treten sie auf? Wurde
auch eine Veränderung beispielsweise
an der Haut oder den Augen bemerkt?
Diese und weitere Fragen dienen dazu,
möglichst viele Informationen in der
Vorgeschichte des Patienten zu sammeln und diese in Bezug zu seinen
aktuellen Beschwerden zu setzen.
Neben der gründlichen Untersuchung
der entzündeten Gelenke erfolgt eine
weitere Einschätzung der Krankheit
mittels bildgebender Verfahren wie Ultraschall, Röntgenaufnahmen, Magnetresonanz- und selten Computertomographie. Wichtig für die Diagnose ist auch
ein Blutbild. Bei der Blutsenkungsgeschwindigkeit wird das Verhalten der
roten Blutkörperchen beobachtet. Hier
lassen sich Rückschlüsse auf eine Entzündung im Körper ziehen. Auch die
Menge des C-reaktiven Proteins (CRP)
– eines Eiweißstoffes im Blut – nimmt
zu, wenn eine Entzündung im Körper
vorliegt: Je höher die Werte, desto aktiver das Entzündungsgeschehen.
Wie wird kindliches
Rheuma behandelt?
Ein Krankenhausaufenthalt ist für Kinder oft nicht einfach.
26
Hauptziel der Behandlung ist es, die
Entzündung vollständig zu stoppen und
damit bleibende Schäden an den
KAPITEL 2b
Gelenken zu verhindern. So ist der Therapieplan je nach Patient unterschiedlich und besteht aus einer Kombination
aus Medikamenten, Physiotherapie,
Ergotherapie, psychosozialer Unterstützung und selten auch Operationen.
Physiotherapie soll dem betroffenen Kind Spaß machen.
Welche Medikamente
kommen zum Einsatz?
Häufig sind mehrere Medikamente notwendig, um die verschiedenen Symptome der Entzündung und die Schmerzen
in den Griff zu bekommen:
• Nicht-steroidale Antirheumatika:
wirken entzündungshemmend und zum
Teil auch schmerzlindernd.
• Kortikoide:
hemmen die Entzündung und werden
Kindern und Jugendlichen nicht nur über
Tabletten oder Infusionen, sondern häufig
auch per Injektion verabreicht. Die Gabe
wird sorgfältig dosiert, auch die Dauer
der Einnahme ist möglichst kurz. Eine
einmalige hohe Verabreichung erfolgt nur
in seltenen Fällen, etwa wenn die Entzündung besonders stark ist und schnell
eingedämmt werden muss.
• Basistherapeutika:
kommen bei schweren Formen der
JIA zum Einsatz. Sie nehmen direkten
Einfluss auf den Krankheitsprozess
und damit auf den Krankheitsverlauf.
Methotrexat ist eines der am häufigsten
eingesetzten Basismedikamente.
• Biologika:
Diese neue Art von Basismedikamenten greift ebenfalls direkt in das
Krankheitsgeschehen ein und blockiert
den körpereigenen Botenstoff TumorNekrose-Faktor alpha (TNF-alpha).
Biologika wie Etanercept oder Adalimumab kommen dann zum Einsatz,
wenn andere Medikamente keine
ausreichende Wirkung zeigen oder nicht
vertragen werden. Oft werden Biologika (z.B. Abatacept) auch mit Basismedikamenten kombiniert, um gezielt den
Entzündungsprozess zu beeinflussen.
Die Wirkung der Biologika tritt im Unterschied zu den klassischen Basistherapien schon innerhalb weniger Wochen
ein. Andere wichtige Substanzen, wie
z.B. Tocilizumab oder Anakinra, versprechen in den nächsten Jahren einen
positiven Fortschritt zur Behandlung
vor allem der systemischen Verlaufsformen kindlichen Rheumas.
• Schmerztherapie:
Bei schweren Verläufen der JIA können
starke Schmerzen auftreten; hier sind
neben medikamentöser Behandlung auch
physikalische Methoden zielführend.
27
Gerade die medikamentöse Schmerztherapie beim Kind braucht viel Erfahrung zur angemessenen Dosierung und
Verträglichkeit der Schmerzmittel.
Wann muss operiert werden?
Wenn bereits Schäden am Bewegungsapparat eingetreten sind, können
Operationen an rheumatisch deformierten Gelenken helfen, die Funktionen
wieder herzustellen bzw. eine weitere
Beeinträchtigung zu vermeiden. Eine
häufig angewandte invasive Maßnahme besteht in der Durchführung einer
intraartikulären Steroidinjektion: Durch
einmalige Verabreichung eines entzündungshemmenden Medikaments kann
die Gelenksentzündung sehr effektiv
unterdrückt werden.
Welche therapieunterstützenden Maßnahmen gibt es?
Die Physiotherapie hilft Fehlstellungen
und Versteifungen von Gelenken, die
etwa durch Schonhaltungen entstehen,
zu verhindern oder zu korrigieren.
Wichtig ist es, die Übungen nach
ausführlicher Einschulung durch einen
Therapeuten auch zu Hause regelmäßig
auszuführen, um die Beweglichkeit zu
fördern. Mithilfe der Ergotherapie
werden gelenkschonende Bewegungsabläufe geübt, die u.a. alltägliche Handgriffe erleichtern sollen. Hilfsmittel
wie beispielsweise individuell angefertigte Schienen, Griffverstärkungen für
Schreibgeräte oder spezielle Dreiräder
28
Einseitige Diäten sind bei Kindern zu vermeiden.
können nützlich sein. Ein Bett in richtiger Sitzhöhe erleichtert das Aufstehen,
ein höhenverstellbarer Schreibtisch und
ein ergonomischer Schreibtischstuhl
sind wichtige Hilfen im Alltag.
Da sich bei Kindern und Jugendlichen
der Körper in einer Wachstumsphase
befindet, sollte man auf eine ausgewogene Ernährung mit frischem Obst und
Gemüse, Milch- und Vollkornprodukten, Fisch und pflanzlichen Fetten achten. Einseitige Diäten sind unbedingt zu
vermeiden!
Wie soll die Familie mit der
Erkrankung umgehen?
Zunächst sollten alle im unmittelbaren
Verwandten- und Bekanntenkreis von
der Krankheit des Kindes informiert
werden, also Lehrer, Schulkollegen,
KAPITEL 2b
Freude etc. Arztbesuche und Therapiemaßnahmen müssen in den Alltag
integriert werden, abgesehen davon soll
das Kind aber trotzdem einen möglichst
normalen Tagesablauf haben.
Kann mein Kind Sport
betreiben?
Ja, unbedingt! Sport wirkt sich positiv auf die Beweglichkeit aus. Auch
wenn bei schweren Verläufen manche
Sportarten wie Tennis oder Fußball
nicht empfohlen werden können, so gibt
es Alternativen, trotzdem beweglich
zu bleiben: Reiten, Tanzen, Rad fahren
oder etwa Tischtennis sind Sportarten,
die gelenkschonend sind. Ermutigen Sie
Ihr Kind, sich zu bewegen und sorgen
Sie mit Freizeitaktivitäten, die Spaß
machen, für glückliche Momente.
Liebevoller Umgang stärkt das betroffene Kind.
Wichtig ist es, die Krankheit nicht zu
verschweigen, sondern sie zu akzeptieren und damit auch das Kind zu
ermutigen, das Beste aus der Situation
zu machen. Nicht schonen, sondern
bewusst darauf schauen, welche
Hobbys oder Bewegungsformen trotz
körperlicher Einschränkung möglich
sind! Auch der Erfahrungsaustausch mit
anderen Eltern betroffener Kinder über
die Österreichische Rheumaliga (www.
rheumaliga.at, www.rheumalis.org)
kann tröstlich sein und viele wertvolle
praktische Tipps bringen. Auch für
die jungen Rheumapatienten kann es
wichtig sein, mit anderen Betroffenen
in Kontakt zu kommen.
Besonders für Kinder mit Rheuma geeignet: Radfahren
29
Morbus Bechterew
Ist Morbus Bechterew eine
Zivilisationskrankheit?
Was genau ist Morbus
Bechterw?
Der genaue medizinische Begriff lautet
Spondylitis ankylosans (Bedeutung:
-itis steht immer für Entzündung; Spondyl = Wirbelsäule; ankylosans = versteifend). International ist der Begriff
„ankylosing spondylitis“ (Abkürzung:
AS) gebräuchlich.
Mb. Bechterew ist eine Erkrankung,
die mit einer chronischen Entzündung
hauptsächlich im Bereich der Wirbelsäule (Achsenskelett) und der Beckenschaufelgelenke einhergeht und in den
schwersten Fällen bis zur Versteifung
führen kann. Es ist eine Autoimmunerkrankung, wobei sich das Abwehrsystem gegen den eigenen Körper richtet.
Durch chronische Entzündungsprozesse der kleinen Wirbelkörpergelenke
kommt es im Laufe der Jahre zu knöchernen Verwachsungen und Umbildungen der Wirbelsäule.
Bereits vor 4.000 Jahren soll – so sind
sich Historiker sicher – die Erkrankung
aufgetreten sein. Sogar der Pharao
Ramses II. soll schon an der Erkrankung gelitten haben. Also keine Rede
von Zivilisationskrankheit.
30
KAPITEL 2c
Wer ist vor allem betroffen?
Die ersten Symptome treten meist vor
dem 40. Lebensjahr auf. Im Schnitt
wird erst acht Jahre nach den ersten
Symptomen, die für Mb. Bechterew
sprechen, die richtige Diagnose gestellt.
Österreichweit sind rund 50.000 Menschen von Mb. Bechterew betroffen
(0,8% der Gesamtbevölkerung), wobei
die Meinungen divergieren, ob eine signifikante Häufung der Fälle beim männlichen Geschlecht auftritt. Fürsprecher
meinen, dass die Krankheit Männer bis
zu dreimal häufiger als Frauen trifft,
Gegner dieser Theorie erklären, dass die
Erkrankung nur bei Frauen viel schlechter diagnostiziert wird.
Was passiert bei Morbus
Bechterew?
Ein möglicher Faktor, der die Wahrscheinlichkeit erhöht, an Mb. Bechterew zu erkranken, ist neben dem
Vorkommen in der eigenen Familie das
Gen HLA-B27. Dieses Erbmerkmal
kommt an der Zelloberfläche von 90%
der Patienten mit Mb. Bechterew vor
und ist wie ein genetischer Fingerabdruck, entstanden aus der Kombination
der mütterlichen und väterlichen Gene.
Jedoch kann man nicht von einer Verursachung des Mb. Bechterew durch das
HLA-B27 sprechen, sondern nur von
einer verstärkten Wahrscheinlichkeit
dieser Diagnose, wenn entsprechende
Schmerzsymptome und das angeborene
HLA-B27 vorliegen. Das heißt, es muss
ein Mensch, der dieses Gen trägt, nicht
notwendigerweise an Mb. Bechterew
erkranken, denn es haben rund 10% der
gesunden Gesamtbevölkerung diesen
HLA-Marker in sich (und nur 0,8% der
Bevölkerung erkranken an Mb. Bechterew).
Wann bricht die Krankheit
aus?
Es gibt unbewiesene Theorien, die
besagen, dass für den Ausbruch der Erkrankung eine Infektion im Darm oder
in den Harnwegen mitentscheidend ist.
Die Keime, wie zum Beispiel Chlamydien, Yersinien oder Salmonellen,
können an der Stelle, an welcher die
Entzündung auftritt, vom Immunsystem
nicht ausreichend bekämpft werden.
Der Erreger kann nicht eliminiert
werden und es kommt in weiterer Folge
zur Fehlsteuerung des Immunsystems
und zur Entzündung der Wirbelgelenke.
HLA-System: genetischer Fingerabdruck
31
Was sind mögliche Beschwerden?
• Nächtlich weckende, tief sitzende
Kreuzschmerzen,
• morgendliche Steifigkeit in der
Wirbelsäule,
• Sehnenansatzschmerzen (rund um
die Fersen, am Sitzbein),
• Brustkorb-, Rippenschmerzen,
• Schwellung großer Gelenke (Knie),
• starke Hüftschmerzen in der Leiste.
Wie sieht der Verlauf von
Mb. Bechterew aus?
Ihren Ausgangspunkt hat die Erkrankung meist im Sakroiliakalgelenk, dem
Bereich zwischen Kreuz- und Darmbein,
daher kommt es zu tief sitzendem Kreuzschmerz. Oft strahlen die Schmerzen in
der Folge in die Gesäßbacken und in die
Beine aus – was oft zu der trügerischen
Fehldeutung führt, es handle sich um
einen Hexenschuss.
Langsam kommt es zu einer Abflachung
der unteren Wirbelsäule (Lendenwirbelsäule), die weitere „Verknöcherung“
nimmt dann an der gesamten Wirbelsäule ihren Verlauf. Sollte spätestens
in diesem Stadium keine adäquate
Therapie begonnen werden, kann dies
zu einer völligen Versteifung der Wirbelsäule führen, die mit einer starken
Halsvorneigung einhergeht. Ein Buckel
bildet sich aus, da sich die Brustwirbelsäule verstärkt krümmt. Der Betroffene
kann nur schwer geradeaus blicken.
32
Im Stadium der Spangenbildung im
Bereich der Wirbelsäule und der damit
verbundenen eingeschränkten Beweglichkeit ist die Knochendichte des Achsenskeletts nahezu immer vermindert
(Osteoporose), was mitunter zu einer
erhöhten Gefahr von Wirbelkörperbrüchen führt. Die Erkrankung verläuft
typischerweise in Schüben. Möglich
sind auch Schmerzen an Sehnen- und
Muskelansatzstellen, wie z.B. dem
Ansatz der Achillessehne am Fersenbein. Diese Stelle reagiert vor allem auf
Druck schmerzempfindlich.
Mb. Bechterew – heißt das,
ich bekomme einen Buckel?
Nein, natürlich nicht! Entscheidend sind
auch bei dieser Erkrankung die frühzeitige Diagnosestellung ebenso wie der
frühzeitige Therapiebeginn, abgestimmt
auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten
des Einzelnen. Diese ausgeprägte Form,
verbunden mit starker Verformung und
kompletter Versteifung der Wirbelsäule, kommt nur bei etwa 10–20% der
Erkrankten vor.
Können auch andere Organe betroffen sein?
Am häufigsten (bei bis zu 50% der an
Mb. Bechterew-Erkrankten) konnte
man eine Entzündung der Regenbogenhaut im Auge beobachten, was zu einer
Einschränkung der Sehkraft führt. Auch
der Befall von Gliedmaßengelenken
– meist Hüft- und/oder Kniegelenke –
KAPITEL 2c
kann mit der Erkrankung einhergehen.
Tragisch ist dies, da es sich oft auch
um sehr junge Menschen handelt, die
dann oftmals einen Hüftgelenkersatz
benötigen. In seltenen Fällen konnten
Herzrhythmusstörungen beobachtet
werden. 30–40% der Mb.-BechterewPatienten entwickeln eine Darmerkrankung wie z.B. Morbus Crohn. Etwa
20% der Patienten entwickeln zudem
eine Schuppenflechte (Psoriasis).
das Merkmal HLA-B27 nachgewiesen
werden. Diese Untersuchung muss nur
einmal durchgeführt werden, da das
Merkmal angeboren ist. Ein Rheumafaktor ist nicht nachweisbar.
Wie erfolgt die Diagnose?
Anamnese (Befragung durch den Arzt):
Sie soll vor allem Aufschluss über schon
bestehende Mb.-Bechterew-Erkrankungen in der Familie und die Frühsignale
(Morgensteifigkeit, tief sitzender Rückenschmerz etc.) geben.
Klinische Untersuchung: Der spezialisierte Arzt – Rheumatologe – kann
die Verminderung der Flexibilität im
Bereich der Lenden-, Brust- und Halswirbelsäule mit gezielter Technik gut
visualisieren. So sind z.B. die Drehungen in der Wirbelsäule oft schon zu
Beginn der Erkrankung eingeschränkt.
Auch die genaue Schmerzlokalisation
kann Aufschluss über das Vorliegen von
Mb. Bechterew geben.
Laboruntersuchung: Mittels Blutsenkungsgeschwindigkeit und CRP-Wert
kann ein erhöhter Entzündungswert
im Falle des akuten Stadiums von Mb.
Bechterew festgestellt werden. Bei
90% der Betroffenen kann dann auch
Mittels Blutprobe lassen sich Entzündungswerte bestimmen.
Röntgenuntersuchung: Hier können
vor allem in einem späteren Stadium
Röntgenbilder der Wirbelsäule und der
Kreuzdarmbeingelenke aufschlussreich
für das Vorliegen der Mb.-BechterewErkrankung sein. Verknöcherungen
können jedoch nur eine Darstellung der
bereits erfolgten Schädigungen geben.
Sollte der Facharzt den Verdacht auf
eine Mb.-Bechterew-Erkrankung haben,
die Röntgenbefunde diesen aber nicht
erhärten, kann er eine MRT oder CT
anordnen. Diese Schnittbildtechniken
können schon in früheren Stadien der
Erkrankung Veränderungen zeigen.
Wie wird richtig behandelt?
Welche Behandlungen in Kombination
zum Tragen kommen, ist im Wesentlichen davon abhängig, in welchem
Stadium der Erkrankung sich der
Betroffene befindet. Gerade beim Mb.
33
Bechterew aber ist das sinnvolle Ineinandergreifen von medikamentösen
und nicht-medikamentösen Therapieoptionen äußerst wichtig. Generell ist es
oberstes Ziel der Therapie, den Entzündungsprozess und die Schmerzen zu
bekämpfen und die Wirbelsäulenbeweglichkeit so gut wie möglich zu erhalten.
Wie sinnvoll ist Gymnastik?
Das tägliche Trainieren stellt ein Muss
in der erfolgreichen Therapie dar und
sollte so gut wie möglich in den Alltag
integ-riert werden. Gerade in Phasen
hoher Krankheitsaktivität gehört enorm
viel Selbstdisziplin dazu, sich täglich
aufzuraffen. Es hat sich gezeigt, dass
jene Übungen am effektivsten helfen,
die dem Einzelnen auch Spaß machen,
denn nur dann werden sie regelmäßig
gemacht. Die Übungen müssen auf die
Gezielte Physiotherapie wirkt entlastend.
34
Bewegungseinschränkungen Rücksicht
nehmen. Auch sollen Fehlbelastungen
durch falsches Eintrainieren von Übungen vermieden werden. Zuständig ist
dafür ein speziell geschulter Physiotherapeut, der in regelmäßigen Abständen
die Gymnastik kontrollieren muss. Ziel
ist es, die Beweglichkeit der Wirbelsäule
zu erhalten oder sogar zu verbessern.
Wie sieht die medikamentöse Therapie aus?
An erster Stelle gilt es die Schmerzen
zu lindern. Mittel der Wahl sind NSAR
(kortisonfreie = nicht-steroidale Antirheumatika). Sie verhindern die schmerzbedingte Schonhaltung und machen
Krankengymnastik oft erst möglich.
Bei akuten Schüben ist Kortison – vom
Arzt direkt in den Gelenkspalt gespritzt
– angezeigt. Es wirkt vor allem lokal
gut entzündungshemmend. Sind auch
Gliedmaßengelenke betroffen, so hat sich
eine Therapie mit Basistherapeutika, also
langfristig krankheitsmodifizierenden
Medikamenten, als sinnvoll erwiesen.
Ob eine Basistherapie mit konventionellen synthetischen Medikamenten auch
beim Morbus Bechterew ohne periphere
Gelenkbeteiligung hilfreich ist, ist nach
heutigem Wissensstand zweifelhaft. Beim
Mb. Bechterew sind die Erfahrungen mit
einer Basistherapie nicht so langjährig
wie bei der rheumatoiden Arthritis. Der
Versuch einer Basistherapie sollte aber
immer dann unternommen werden, wenn
die Entzündung der peripheren Gelenke
(außerhalb der Wirbelsäule) durch die
KAPITEL 2c
oben genannten Maßnahmen nicht ausreichend kontrolliert werden kann.
Bleibt die Krankheitsaktivität trotz Ausschöpfung aller erwähnten Behandlungsarten hoch, dann stehen heute mit den
TNF-alpha-Blockern (Adalimumab,
Etanercept, Golimumab, Infliximab)
stark entzündungshemmende Medikamente zur Verfügung. Studien belegen,
dass ein großer Teil der Patienten mit
Mb. Bechterew durch die Verabreichung
dieser Substanzen zu einer herausragenden Verbesserung von Schmerzen,
Beweglichkeit und Entzündungszeichen
gelangt. Es ist jedoch nicht eindeutig
geklärt, ob die fortschreitende Versteifung der Wirbelsäule endgültig gestoppt
werden kann. Eine ursächliche, also die
Krankheit völlig beendende Therapie
gibt es bei Morbus Bechterew nicht.
Welche Vorteile bringt ein
Rehab-Aufenthalt?
Die Anwendung von physikalischer
Therapie, Wärmetherapie (auch in Form
der Heilstollentherapie) bringt oftmals
auch noch über Monate nach der Kur
Erleichterung. Lokale Wärme- oder
Kälteanwendungen, aber auch Massagen
können die Befindlichkeit der Patienten
verbessern. Massagen wirken sich muskelentspannend aus. Das ist insbesondere
vor der Krankengymnastik sinnvoll, da
die Muskulatur dadurch gelockert wird.
ist. In den Sonderkrankenanstalten für
Rehabilitation wird den Patienten die
Bechterew-Gymnastik ganz hervorragend erklärt.
Gibt es zusätzliche Behandlungsmöglichkeiten?
• Homöopathie
• Neuraltherapie
• Traditionelle Chinesische Medizin
• Tai-Chi und Qi Gong sind fließend
ausgeführte Bewegungsübungen, die
zum Sammeln und Harmonisieren
von Energie dienen. Die Übungen
sind sehr gut geeignet, da es keine
ruckartigen Bewegungen gibt.
Atem- und Entspannungsübungen bringen innere Ruhe.
Operation – immer sinnvoll?
Bei stark eingeschränkter Beweglichkeit kann Patienten mit einer Operation
geholfen werden. Bei einer Synovektomie wird beispielsweise die Gelenkinnenhaut entfernt. Bei fortgeschrittener
Erkrankung kann das versteifte Gelenk
durch ein künstliches ersetzt werden –
dies geschieht meist im Hüftgelenk. Bei
ausgeprägten Verkrümmungen der Wirbelsäule nach vorne kann diese operativ
aufgerichtet und die damit verbundene
Gesichtsfeldeinschränkung verbessert
werden. Sollte eine Operation ins Auge
gefasst werden, ist es immer sinnvoll,
eine zweite Meinung einzuholen.
35
Psoriasis-Arthritis
Was ist eine PsoriasisArthritis?
Die Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris) ist eine chronische Hauterkrankung,
die sich durch Schuppung der Haut in
ausgedehnten entzündlichen Herden am
ganzen Körper oder nur in bestimmten
Regionen äußert.
Tritt eine Schuppenflechte gemeinsam
mit Gelenksentzündungen auf, dann
spricht man von einer Psoriasis-Arthritis (PsA).
In Österreich leiden rund 80.000240.000 Menschen an einer Schuppenflechte, davon erkranken 10–20% auch
an schmerzhaften Gelenksentzündun36
gen. Männer und Frauen sind dabei
gleich häufig betroffen, meist beginnen
die Beschwerden zwischen dem 35. und
45. Lebensjahr.
Was sind die Ursachen für
eine Psoriasis-Arthritis?
Bei der Psoriasis-Arthritis handelt es
sich um eine Autoimmunerkrankung,
d.h. das Immunsystem bekämpft körpereigenes Gewebe als Fremdkörper.
Bei genetischer Veranlagung kann es
durch äußere Auslöser – wie etwa Umwelteinflüsse – oder auch durch Viren
bzw. Bakterien, welche die Herde der
Schuppenflechte besiedeln, zu diesem
Fehlverhalten des Immunsystems
kommen.
KAPITEL 2d
Wie äußert sich die
Krankheit?
Oft zeigt sich einige Jahre nach der
Entstehung einer Psoriasis auch eine
schmerzhafte entzündliche Veränderung
der Gelenke. Bei etwa jedem zehnten
Betroffenen stellt sich der Hautbefall
erst nach der Gelenkerkrankung ein.
Meist treten Haut- und Gelenkprobleme
jedoch gemeinsam auf (bei 10-20% der
Patienten).
Welche Körperteile sind
hauptsächlich betroffen?
Am Erkrankungsprozess sind Gelenke,
Knochen sowie teilweise auch der Sehnenapparat des Skeletts in unterschiedlicher Ausprägung beteiligt. Am häufigsten zeigt sich die Psoriasis-Arthritis an
den kleinen Gelenken von Händen und
Zehen. Wenn die Psoriasis-Arthritis
nicht rechtzeitig behandelt wird, kann es
ähnlich wie bei anderen rheumatischen
Gelenkerkrankungen zu einer Zerstörung der Gelenkstrukturen kommen.
Welche Symptome sind
typisch für die PsA?
• Strahlenförmige Entzündung aller
Glieder (z.B. in einem Finger oder
einer Zehe). Der betroffene Körperteil ist von der Hand bzw. vom Zehenrand bis in die Spitze wurstförmig geschwollen, rot und verursacht
starke Schmerzen.
• Sehr häufig sind die Mittel- bis
Endgelenke betroffen (Daktylitis)
– im Vergleich zu anderen Formen
des entzündlichen Rheumas, wo körpernähere Gelenke befallen sind.
• Entzündung des Sehnenansatzes, die
sich in einer ausgeprägten Schwellung zeigt.
• Kann auch die Wirbelsäule betref
fen, vor allem das untere Rückendrittel. Dort liegen die so genannten
Ileosakralgelenke, also die Gelenk
verbindungen zwischen Becken und
Kreuzbein, die häufig beeinträchtigt sind. Die Betroffenen klagen
über Schmerzen in den Gesäßbacken.
• Ein Zehen- oder Fingernagelbefall
ist ebenfalls ein wesentliches Merkmal für die Psoriasis-Arthritis. So
zeigt sich auf den Nägeln oft ein
stecknadelkopfgroßes Grübchen.
Der Nagel kann sich vom Nagelbett
abheben. Charakteristisch sind auch
so genannte „Ölflecke“: Innerhalb
der Nagelplatte bilden sich weißlich
bis gelblich glänzende, scharf begrenzte, rundlich bis ovale Inseln.
• Im Gegensatz zur rheumatoiden
Arthritis ist die Gelenkbeteiligung
bei der Psoriasis-Arthritis oft asymmetrisch, d.h. es sind auf der rechten oder auf der linken Körperhälfte unterschiedliche Gelenkregionen
befallen.
Wie sieht der Verlauf der
Erkrankung aus?
Die Erkrankung verläuft in der Regel
schubweise. Es kommt zu schmerzhaf37
ten Gelenksentzündungen, wobei sich
die Schmerzen auf die arthritischen
Gelenke beschränken.
Woran erkenne ich
Psoriasis-Arthritis bei
meinem Kind?
Im Kindesalter zeigt eine Psoriasis-Arthritis kein einheitliches Krankheitsbild.
Untersuchungen belegen, dass Kinder
häufig um das 2. bzw. 5. Lebensjahr
erkranken. Die kleinen Patienten
leiden häufig an einer Schwellung bzw.
Entzündung der Finger- oder Zehengelenke. Die Kinder belasten das betroffene Gelenk weniger, wollen getragen
werden oder greifen auffällig.
Bei älteren Kindern zeigen sich Entzündungen der Sehnenansätze oder auch
der Wirbelsäulengelenke, die sich durch
Schmerzen in der Lendenwirbelsäule
äußern können.
Auch Fieber, das über einen längeren
Zeitraum mit oder ohne Hautentzündungen auftritt, oder eine rheumatische
Entzündung der Regenbogenhaut am
Auge können die ersten Anzeichen
sein. Dies kann aber nur ein Augenarzt
diagnostizieren.
Wie stellt der Arzt die
Diagnose?
Der Arzt beurteilt das Krankheitsbild
nach:
• dem Befallmuster der Gelenke,
• der Ausprägung der Erkrankung,
38
• dem Erscheinungsbild der Haut,
• dem Verlauf,
• möglichen Begleiterscheinungen.
Bei der Psoriasis-Arthritis ist es
wichtig, die Erkrankung von anderen
rheumatischen Krankheitsbildern,
wie beispielsweise der rheumatoiden
Arthritis oder dem Morbus Bechterew, abzugrenzen. Nicht immer zeigt
die Haut an bestimmten Körperstellen
Psoriasisbefall bzw. weisen Zehen oder
Finger bestimmte Merkmale der Veränderung auf (siehe „Welche Symptome
sind typisch für die PsA?“) – dann wird
eine eindeutige Diagnose schwierig.
Differentialdiagnose durch den Rheumatologen
Häufig leiden Patienten an ausgeprägten Arthrosen sowie an der
Hauterkrankung Psoriasis vulgaris.
Dabei kommt es bei Aktivierung der
Arthrose auch zur Schwellung und
Rötung der betroffenen Gelenke. Hier
ist besonders im Frühstadium der
Erkrankung die Differentialdiagnose zur Psoriasis-Arthritis manchmal
schwierig, aber durch den erfahrenen
Rheumatologen gewährleistet.
KAPITEL 2d
Welche Laboruntersuchungen gibt es?
Eine Blutuntersuchung kann hilfreich
sein, auch wenn es keine eindeutigen
Marker, aber doch Hinweise für die Erkrankung gibt. Bei der Psoriasis-Arthritis kann es zu schweren Entzündungsreaktionen kommen, die sich mithilfe
einer Laboruntersuchung – veränderte
Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG),
erhöhtes C-reaktives Protein (CRP)
– oftmals nachweisen lassen. Neben
Entzündungszeichen wird dabei auch
der Rheumafaktor bestimmt, der in
aller Regel negativ (nicht nachweisbar)
ist – im Gegensatz zur rheumatoiden
Arthritis. Gelegentlich können bei der
Psoriasis-Arthritis auch leicht erhöhte
Harnsäurespiegel auftreten.
Welche bildgebenden
Verfahren helfen bei der
Diagnose?
Das Skelettröntgen ist ein wesentliches
bildgebendes Verfahren, sowohl an den
Gelenken als auch an der Wirbelsäule.
Häufig sind ausgewiesene Veränderungen asymmetrisch und zeigen Usuren
(= lochartige Substanzdefekte) oder
Proliferationen (= knöcherne Anlagerungen). Im Bereich von Sehnenansätzen
bei der Hüfte (Trochanter), der Kniescheibe (Patella) und des Fersenbeines
sind Verknöcherungen und Kalkeinlagerungen möglich. In sehr fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung entstehen
groteske Verformungen am Knochen.
Gelegentlich wird auch der gezielte
Ultraschall oder die Magnetresonanztomographie (MRT) zur Diagnostik
eingesetzt. Insbesondere bietet sich die
MRT als wertvolles Hilfsmittel zur
früheren Differenzierung eines erosiven zu einem nicht-erosiven Verlauf
der Arthritis an. Der großflächigen
Anwendung der MRT bei der frühen
Diagnostik stehen jedoch noch Vorbehalte bei der Indikationsstellung wegen
der hohen Kosten dieser Diagnostik
entgegen. In Zweifelsfällen kann
zur Abgrenzung gegenüber anderen
Erkrankungen auch eine Untersuchung
der Gelenkflüssigkeit sinnvoll sein.
Das Gelenk wird dabei unter sterilen
Bedingungen punktiert.
Wie wird die Erkrankung
grundsätzlich behandelt?
Die Gabe von Medikamenten – und
hier insbesondere einer Basistherapie – ist die wichtigste therapeutische
Maßnahme. Darüber hinaus stellt die
Physiotherapie eine weitere additive
Behandlungsform dar. Sie stärkt die
Muskulatur, entlastet die Gelenke und
hilft dem Betroffenen, richtige Bewegungsmuster einzulernen. Gelegentlich
ist ein operativer Eingriff nötig.
Welche Medikamente gibt es?
Medikamente aus der Substanzgruppe
der nicht-steroidalen Antirheumatika (= NSAR) lindern wirksam Schmerzen, den Verlauf der Psoriasis-Arthritis
Weitere Infos finden Sie auch auf: www.comebackinsleben.at
können sie aber nicht beeinflussen.
Antirheumatika werden vor allem dann
eingesetzt, wenn die Erkrankung sehr
milde ausgeprägt ist.
Bei Schüben der Psoriasis-Arthritis kann
Kortison verabreicht werden.
Therapeutisch werden so genannte
immunmodulierende Substanzen eingesetzt, insbesonders Methotrexat, mit
dessen Hilfe man gute Erfolge erzielen
kann. Salazopyrin und Leflunomid gehören ebenfalls zu den nicht-spezifischen,
immunmodulierenden Wirkstoffen; diese
sind sowohl in den Gelenken sehr wirksam als auch teilweise an der Haut.
Eine wichtige Rolle in der Behandlung
spielen die hochwirksamen Biologika.
Dazu zählen die TNF-alpha-Blocker
(Tumor-Nekrose-Faktor alpha). TNFalpha ist eine körpereigene Substanz,
die neben vielen anderen Mechanismen
an der Entstehung von entzündlichen
Prozessen beteiligt ist – sowohl in
den Gelenken als auch auf der Haut.
TNF-alpha-Blocker – dazu gehören die
Substanzen Adalimumab, Certolizumab,
Etanercept, Golimumab, Infliximab – beeinflussen den Krankheitsverlauf, indem
sie der Entzündung und der Gelenkszerstörung entgegenwirken. Bevor es
zur Anwendung kommt, muss jegliche
Infektion wie etwa Tuberkulose oder
HIV ausgeschlossen werden. Je nach
Verträglichkeit und Entwicklung der
Erkrankung kann – aber nur nach ausdrücklicher Rücksprache mit dem Arzt –
eine Einnahmepause eingelegt werden.
40
Wer erhält Biologika?
Der Einsatz von Biologika ist derzeit
vor allem aus Kostengründen erst
möglich, wenn vorher ein bestimmtes
Stufenschema der konventionellen
Therapie eingehalten wurde – z.B.
Methotrexat oder Leflunomid. Falls
diese Standardtherapie nicht adäquat
hilft, nicht vertragen wird bzw. starke
Nebenwirkungen zur Folge hat, kommen TNF-alpha-Blocker zum Einsatz.
Gibt es Begleiterkrankungen zur PsA?
Es stellt sich zunehmend heraus, dass
bestimmte Erkrankungen besonders
häufig bei Personen mit PsoriasisArthritis auftreten. Dazu zählen
beispielsweise Stoffwechselerkrankungen wie erhöhte Blutfettwerte,
Diabetes, starkes Übergewicht, erhöhte
Harnwerte, aber auch Depressionen.
Die Ursachen dafür sind noch nicht
restlos geklärt: Bekommen Psoriatiker
manche Erkrankungen aufgrund des
Umstandes, dass sie an einer chronischen Krankheit leiden? Oder ist die
Neigung zu bestimmten Krankheitsbildern genetisch bedingt?
Regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen sowie bewusste Ernährung,
der Verzicht auf Zigaretten sowie
gezielte Bewegung (siehe Physiotherapie) können das Wohlbefinden positiv
beeinflussen.
KAPITEL 3
Nichtentzündliches Rheuma
41
Arthrose
Wer ist in Österreich
am häufigsten von
Arthrose betroffen?
Zwei Millionen Österreicherinnen und
Österreicher sind im Laufe ihres Lebens
von Erkrankungen des Bewegungs- und
Stützapparates betroffen. Rund 1,4 Millionen Menschen leiden hierzulande an
degenerativen rheumatischen Gelenkerkrankungen (Arthrose).
In der Regel sind mehr Frauen als
Männer betroffen. Die Erkrankung
beginnt meist zwischen dem 50. und 60.
Lebensjahr, je nach Ursache mitunter
auch schon früher (z.B. nach einem
Unfall oder einer Verletzung).
42
Wie entsteht Arthrose?
Arthrosen sind chronische Gelenkerkrankungen, die aufgrund von Veränderungen des Gelenkknorpels und des
darunter liegenden Knochengewebes
entstehen. Die Ursachen sind Umbauprozesse im Knorpelgewebe und im
gelenknahen Knochengewebe. Dabei
kommt es zu einer Störung des Gleichgewichts im Knorpelstoffwechsel,
wobei der Abbau von Knorpelsubstanz
überwiegt.
Den Verlust von Knorpelgewebe kann
der Körper nicht mehr wettmachen. Die
Betroffenen leiden unter Schmerzen,
Muskelverspannungen, Bewegungseinschränkungen und vereinzelt auch unter
KAPITEL 3a
Schwellungen im Bereich der betroffenen Gelenke. Mit der Zeit kann es
zu Gelenkverformungen und damit zu
einer nicht mehr rückbildungsfähigen
Funktionseinschränkung kommen.
Im Gegensatz zu den entzündlichen Gelenkleiden (Arthritis) liegt bei der Arthrose eine fortschreitende – primär nicht
entzündliche – Abnutzungserkrankung
vor. Auch ein Trauma (Unfall, Verletzung) kann die Entstehung von Arthrose
begünstigen („Welche Risikofaktoren
begünstigen eine Arthrose?“).
Welche Gelenke sind hauptsächlich betroffen?
• Knie- und Hüftgelenke: Diese
Gelenke sind stark belastet, da sie
einen großen Teil des Körpergewichts tragen müssen. Die verminderte Beweglichkeit und Belastbarkeit infolge einer Arthrose verändert
die Haltung und den Gang, womit
Schmerzen und weitere degenerative
Veränderungen wie z.B. der Wirbelsäule die Folge sein können. Unterschiedlich stark ausgeprägte Verschleißerscheinungen im Hüftgelenk
können schon bei Personen in einem
Alter zwischen 30 und 40 Jahren
festgestellt werden.
• Auch die Arthrose der kleinen
Fingergelenke (Polyarthrose),
die vor allem die Fingerendgelenke
(Heberden-Arthrose), Fingermittelgelenke (Bouchard-Arthrose) sowie
die Daumensattelgelenke (Rhizarth-
rose) betrifft, kommt sehr häufig
vor.
Welche Risikofaktoren begünstigen eine Arthrose?
• Einer der stärksten Risikofaktoren
für Arthrose ist das Alter: Fast jeder
zweite über 70-Jährige hat Abnutzungserscheinungen der Gelenke,
die sich unterschiedlich stark mit
Schmerzen bemerkbar machen
können.
• Genetik: Es gibt Familien, bei
denen die Erkrankung häufiger
auftritt. Ursache dafür dürften arthrosespezifische Gene sein.
• Starkes Übergewicht belastet die
Gelenke und fördert auch die Entstehung von Abnutzungserscheinungen. Vor allem die Kniegelenke, in geringerem Ausmaß auch die
Hüftgelenke, aber auch die Gelenke
von Händen und Fingern sind bei
fettleibigen Menschen betroffen.
• Fehlstellungen: Gelenke, die von
Geburt an fehlgestellt sind (X-Beine,
O-Beine) bzw. Personen, die Verletzungen (wie unbehandelte Meniskusschäden) erlitten haben, neigen
besonders zur Entwicklung einer
Arthrose. Durch ein UltraschallScreening von Neugeborenen kann
eine Fehlstellung der Hüfte festgestellt und bereits früh behandelt
werden – z.B. durch breites
Wickeln oder eine so genannte
Spreizhose. Jedenfalls sollten Knieoder Hüftschmerzen von Kindern
43
und Jugendlichen ernst genommen
und behandelt werden. So hat beispielsweise kaum ein Mensch gleich
lange Beine. Das Resultat: An der
Hüfte des längeren Beines werden
Abnützungen begünstigt. Schuheinlagen bzw. eine entsprechende Erhö
hung der Schuhsohle können helfen.
• Zu wenig Bewegung: Körperlich
aktive Menschen erkranken seltener
und wenn, dann erst später an Arthrose als Bewegungsmuffel. Bewegung führt zu einer ausreichend ausgebildeten Muskulatur, welche die
Gelenkregion gut „polstert“ und
bestehende Defizite von Seiten einer
Arthrose kompensieren kann.
• Stoffwechselstörungen wie Gicht
oder Eisenspeicherkrankheit können
Gelenke schädigen.
• Überbelastung: Jahrelange schwere
körperliche Arbeit – wie etwa lange
Tätigkeiten im Stehen mit zusätzlichem Anheben von schweren
Gewichten (schaufeln, hacken etc.)
oder eine hohe Belastung bestimmter
Gelenke bzw. Gelenkregionen
(z.B. Kniescheiben bei Fließenlegern) – kann Arthrose fördern.
• Auch bei Extremsportlern können
die Gelenke in Mitleidenschaft
gezogen werden: Fußballer leiden
häufiger an einer Arthrose der Knie,
der Hüfte oder auch der Knöchelgelenke, Radsportler an Veränderungen
der Kniescheiben bzw. der Kniegelenke, Balletttänzer an Arthrose in
den Sprunggelenken.
Wie sieht der typische
Verlauf aus?
Der Verlauf ist variabel, üblicherweise aber langsam fortschreitend. Vom
Erscheinungsbild her unterscheidet man
das klinisch stumme Stadium (Arthrose
im Röntgenbild ohne Beschwerden),
das chronische Stadium (leichte bis
starke Schmerzen bei verschiedenen
Belastungsniveaus) und das Stadium
der akuten (bzw. aktivierten) Arthrose
mit Gelenkschwellung, Überwärmung,
Ergüssen und Schmerzen, die fast zur
Bewegungsunfähigkeit des Gelenks
führen.
Agil durch Sport bis ins hohe Alter
44
KAPITEL 3a
Welcher Schmerz ist
charakteristisch?
Typisch ist der Startschmerz bei
Arthrosepatienten zu Beginn einer
Bewegung, der dann nach wenigen
Schritten nachlässt. Es kann aber auch
zu einem Belastungsschmerz kommen,
der sich etwa bei längeren Gehstrecken
oder beim Treppabsteigen äußert. Im
Ruhezustand oder im Schlaf tritt der
Schmerz selten auf. Mit der Zeit kann
es zu Gelenkverformungen mit Ergüssen und Rötungen kommen. Die betroffenen Gelenke sind hart und knöchern,
oft knotig verändert, aufgetrieben und
„knirschen, reiben oder knacken“ bei
bestimmten Bewegungen. Eine Berührung des Gelenks schmerzt und es lässt
sich nur eingeschränkt bewegen.
Welche Untersuchungen
sind notwendig?
Die Untersuchung von Bewegungseinschränkungen, der Funktion, der
Bandstabilität, und der Gelenkkontur,
Schmerztests und auch das Abklären
von Fehlstellungen (z.B. der Beine) ergeben einen ersten Verdacht. Wichtig ist
auch, wann und bei welchen Tätigkeiten
der Schmerz auftritt.
Mit welchen bildgebenden
Verfahren lässt sich eine
Arthrose erkennen?
• Mithilfe einer Röntgenuntersuchung lassen sich unter anderem
Veränderungen wie Gelenkspaltverschmälerung, Defekte und Zerstörung von Gelenkknorpel und
Knochen, Verhärtung von Gewebe
sowie Zystenbildung feststellen.
Der Grad der Schmerzen ist nicht
vom Ausmaß der Abnützung
abhängig. Es können schwere Veränderungen auf dem Röntgenbild sichtbar sein, obwohl der Patient nur
geringe Schmerzen hat. Andere
leiden sehr, obwohl das Röntgen nur
Anfangsstadien der Erkrankung zeigt.
• Bei Auftreten einer Gelenkschwellung wird mittels Punktion Gelenkflüssigkeit entnommen und
im Labor untersucht. Die Gelenkpunktion nimmt die schmerzhafte Spannung vom Gelenk und es
ist möglich, verschiedene Gelenkerkrankungen voneinander abzugrenzen (bakterielle Infektionen, Kristallablagerungserkrankung, u.a.).
• Bei Unklarheiten wird eine Magnetresonanztomographie (MRT) oder
eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Der Ultraschall eignet sich
zur Beurteilung von Sehnen, Muskeln, Schleimbeutelentzündungen,
Zysten und Gelenkergüssen. Zur
Beurteilung des Knorpels hat sich
das MRI (Magnetic Resonance
Imaging, ein bildgebendes Verfahren zur Darstellung der Gewebestrukturen im Körperinneren) bewährt. Auch bei Knochennekrosen
(Absterben von Knochengewebe),
die ähnliche Beschwerden wie
Arthrosen verursachen können, führt
45
die Kernspintomographie früher als
das Röntgenbild zum diagnostischen
Beweis.
Welche Laborwerte deuten
auf eine Arthrose hin?
Laborbefunde, die Arthrose beweisen, gibt es noch nicht. Es sollen aber
laborchemisch arthroseverursachende
Erkrankungen bzw. Erkrankungen, die
sich ähnlich wie Arthrose präsentieren
können, ausgeschlossen werden.
• Rheumafaktor: normal
• Blutsenkungsgeschwindigkeit:
normal oder nur leicht erhöht
• Anti-CCP: negativ. Anti-CCP
sind Antikörper gegen zyklische
citrullinierte Peptide, sie werden zur
Diagnose des Frühstadiums einer
rheumatoiden Arthritis verwendet.
• Harnsäure: normal
Gesundes vs. krankes
Gelenk:
46
Wie wird die Erkrankung
grundsätzlich behandelt?
Bei der Arthrosetherapie geht es
darum, Beschwerden zu lindern und
ein Forschreiten der Erkrankung zu
verlangsamen. Wichtige Maßnahmen
sind ausreichende Bewegung ohne
Überlastung, Schutz vor Gelenkverletzungen, Verhinderung bzw. Abbau von
Übergewicht sowie eine medikamentöse Therapie.
Meist wird eine Behandlung aber nicht
im Frühstadium begonnen, sondern erst
dann, wenn die Arthrose bereits merkliche Schmerzen verursacht und eine
deutliche Gelenkveränderung stattgefunden hat.
Trotz des Gelenkverschleißes soll dann
mithilfe der Therapie die Belastbarkeit und Beweglichkeit des Gelenks
noch für möglichst lange Zeit erhalten
bleiben. Sind die Zerstörungen zu groß
und die Schmerzen unerträglich, bleibt
nur noch der Ersatz des Gelenks (siehe
Kapitel 5).
intakter
Gelenksknorpel
Was versteht man unter
nicht-medikamentösen
Maßnahmen?
fortlaufender
massiver Knorpelabbau
Physikalische Maßnahmen wie Wärme
und Mechanik (dazu zählen die Sporttherapie, Krankengymnastik, Ergotherapie und Massagen) sowie Elektrotherapie sollten die Erkrankung in ihrer
langen Dauer immer begleiten.
KAPITEL 3a
Die Krankengymnastik bedient sich
Hilfsmitteln wie Gummibändern, Bällen bis hin zu aufwändigen Geräten, die
gezielt bei Bewegungseinschränkungen,
Muskelverkürzungen und -schwächen
zum Einsatz kommen. Besonders hilfreich und wirksam ist auch die Behandlung im Wasser (Aquatraining).
zu Grunde liegende Schädigung des
Knorpels nicht beeinflussen, aber
erst durch weitgehende Schmerzfreiheit ist es möglich, eine Bewegungs
therapie durchzuführen – und Bewegung wiederum ist erforderlich, um
den Knorpelstoffwechsel zu
verbessern.
Spezielle Hilfsmittel im Alltag unterstützen die Gelenke und verzögern das
Fortschreiten der Erkrankung. Eventuell
können Schienen, festes Schuhwerk
oder die Verwendung eines Stockes die
Gelenke entlasten.
Wie verläuft die medikamentöse Behandlung?
Ein wesentliches Ziel der medikamentösen Therapie ist in einem ersten
Schritt die Schmerzlinderung. Dafür
gibt es mehrere Möglichkeiten:
• Rheumasalben: Sie sind zur lokalen Anwendung als entzündungshemmende Salben bzw. Gels
erhältlich. Salbenverbände haben
den Vorteil, dass der Wirkstoff nicht
so schnell in der Haut verschwindet,
sondern ein ausreichend großer
Anteil als „Nachschub“ auf der Haut
verbleibt. Grob geschätzt, lässt sich
der Schmerz bei etwa der Hälfte
der Patienten mit äußerlich aufgetragenen Substanzen besonders im
Anfangsstadium der Erkrankung
sehr gut behandeln. Schmerzmittel
können zwar die der Erkrankung
Das Auftragen von Rheumasalben wirkt schmerzlindernd.
• Nicht-steroidale Antirheumatika
(NSAR): Diese Antirheumatika
wirken im Unterschied zu anderen
Schmerzmitteln nicht zentral im
Gehirn, sondern im beteiligten
Gewebe. Sie blockieren dort Gewebshormone (Prostaglandine), die
den Schmerz weiterleiten. Neben der
schmerzlindernden besteht auch eine
entzündungshemmende Wirkung,
die u.a. Schwellungen lindert. NSAR
werden nicht von allen Patienten
vertragen und sollten deshalb nur
nach Absprache mit dem Arzt
eingenommen werden.
47
• Kortison: Ist die Gelenkinnenhaut
eines einzelnen Gelenks stark krankhaft verändert bzw. entwickelt sich
ein entzündlicher Verlauf, so kann
über einen kurzen Zeitraum Kortison
gezielt ins Gelenk gespritzt werden.
Es wirkt stark entzündungshemmend.
• Ein krankes Gelenk kann keine
Hyaluronsäure mehr produzieren,
die den Abrieb von Knorpelsubstanz
reduziert. In der Praxis ist die Gabe
von Hyaluronsäure direkt ins Kniegelenk in Form von Spritzen möglich, man erhofft sich davon eine
schmerzlindernde Wirkung.
• Knorpelschutzsubstanzen oder
Aufbaupräparate: Dies sind Substanzen, die den Knorpelabbau
bremsen sollen, wie Glucosamin
(-sulfat) oder Chondroitinsulfat.
Wann wird eine Arthroskopie durchgeführt?
Die Arthroskopie ist eine spezielle endoskopische Untersuchung von Gelenken.
Dabei führt man ein Arthroskop (ähnlich
einer kleinen Kamera) durch einen
kleinen Hautschnitt in einen Gelenkraum ein. Auf diese Weise kann der Arzt
direkt die Gelenkstrukturen betrachten.
Diese Maßnahme kommt vor allem bei
der Untersuchung und Behandlung von
Knie-, Sprung- und Schultergelenk zum
Einsatz.
Tägliche Tabletteneinnahme – oftmals ein Muss!
• Diacerein beeinflusst Botenstoffe
der Entzündung (wie z.B. Interleukin-1, Interleukin-6 und TumorNekrose-Faktor alpha) und kann
dadurch schwach schmerzlindernd
wirken.
48
Meistens werden Arthoskopien eingesetzt, um zeitgleich mit der Dia-gnostik
auch Operationen zur Gelenksanierung
durchzuführen. Gegenüber den offenen
chirurgischen Verfahren besitzt die
minimal-invasive Chirurgie den Vorteil
der geringeren Belastung für den Organismus, geringerer Schmerzen nach der
Operation, kürzerer Heilungszeiten und
KAPITEL 3a
einer schnelleren Wiedereingliederung
in die Alltagsaktivitäten.
Was passiert bei einer
Abrasion?
Mit dem Begriff Abrasion (von lat.:
abrasio = Abkratzung) wird in der
orthopädischen Medizin ein Verfahren
bezeichnet, mit dem organisches Material, z.B. Knochen, mechanisch abgetragen wird. Eine Anwendungsform ist
die Abrasionsarthroplastik, mit deren
Hilfe die Regeneration von körpereigenem Knorpel angeregt werden soll.
Dies ist jedoch nicht bewiesen.
Diese Übungen sind sehr wichtig und
senken unter anderem das Risiko für
eine Thrombose. Später folgt eine
intensive Krankengymnastik, um den
Muskelaufbau zu fördern und die
Beweglichkeit der betroffenen Gelenke
zu verbessern.
Ein spezielles Bewegungsprogramm
sollte dann täglich durchgeführt werden.
Wann sollte man eine OP mit
Gelenkersatz erwägen?
Bei starken Beschwerden und Behinderungen kann ein künstliches
Gelenk Erleichterung schaffen und
die Beweglichkeit wiederherstellen.
Auch nach einem Eingriff bleiben die
richtige Physiotherapie und Bewegung
Voraussetzungen dafür, die Funktion
des Kunstgelenks zu gewährleisten.
Was ist nach der Operation
zu beachten?
Im Allgemeinen beginnt die Mobilisation schon am Tag nach der durchgeführten Operation. Dazu gehören
Bewegungsübungen und leichte
Gymnastik beispielsweise unter fachmännischer Anleitung einer Physiotherapeutin.
Einfache Bewegungsübungen werden in den Alltag integriert.
49
Fibromyalgie
Was ist Fibromyalgie?
Die Fibromyalgie ist eine chronische
Erkrankung des Bewegungsapparates,
die nicht entzündlich und nicht deformierend verläuft. Da die Beschwerden
sehr vielfältig sind und das Krankheitsbild schwer zu erfassen ist, waren die
Ursachen lange Zeit unbekannt. Heute
gehen Wissenschafter von einer Störung
der Stress- und Schmerzverarbeitung
aus.
Welche Symptome treten
auf?
Fibromyalgie ist ein eigenständiges,
sehr komplexes Krankheitsbild. Die
Patienten weisen sowohl körperliche
50
als auch psychische Symptome auf;
sie fühlen sich krank und leiden sehr
darunter.
Typische Kennzeichen der Fibromyalgie sind so genannte Ganzkörperschmerzen, die über mindestens drei
Monate anhalten: Der Patient klagt über
großflächige (Muskel-)Schmerzen von
Kopf bis Fuß, vor allem an der Wirbelsäule, an Armen und Beinen, aber
auch Schlaflosigkeit, Angststörungen,
Erschöpfung, chronische Müdigkeit und
Depression können auftreten.
Diese Beschwerden sind verschieden
stark ausgeprägt und treten häufig
bereits nach minimalen körperlichen
Belastungen auf. Häufig werden die
KAPITEL 3b
Schmerzen am ganzen Körper durch
Stress, Kälte oder körperliche Betätigung verstärkt, es kann zu einem
subjektiv wahrgenommenem Anschwellen der Extremitäten und brennenden
Hautschmerzen kommen. Weiters sind
reduzierte Leistungsfähigkeit, trockene
Augen oder Mund, ein Reizdarmsyndrom, Kopfschmerzen, Beklemmungsgefühle, Kälteempfindlichkeit, Migräne
oder Herzbeschwerden festzustellen.
Viele dieser Beschwerden weisen auf
eine erhöhte Aktivität des sympathischen Nervensystems hin.
Fibromyalgie ist nicht nur mit einem
enormen Leidensdruck für den Patienten verbunden, sondern kann in vielen
Fällen auch zu sozialen Beeinträchtigungen führen, wie zum Beispiel
zum Verlust des Arbeitsplatzes, zu
Problemen in der Partnerschaft und zu
sozialem Rückzug.
Wer ist betroffen?
In Österreich dürften weit über 100.000
Menschen an dieser Erkrankung leiden.
Frauen sind von Fibromyalgie sieben
mal häufiger betroffen als Männer,
zumeist beginnt die Krankheit eher
schleichend im Alter von rund 35 Jahren und erreicht im Klimakterium ihren
Höhepunkt.
Wie Studien zeigen, fühlen sich Fibromyalgie-Patienten häufig von ihrem
beruflichen oder privaten Alltag extrem
belastet und gestresst, sind hyperaktiv
und haben einen Hang zum Perfektionismus unter Zurückstellung ihrer
eigenen Bedürfnisse. Eine latente Schädigung des Stressverarbeitungssystems
durch frühkindliche Traumatisierungen
oder Schmerzerfahrungen kann dafür
bereits den Grundstein legen. Eine „sekundäre Fibromyalgie“ kann auch als
Folge einer entzündlich-rheumatischen
Erkrankung wie der chronischen Polyarthritis auftreten.
Mit welchen Methoden
stellt der Arzt diese Erkrankung fest?
Erkrankte ziehen sich oft zurück, da Unverständnis herrscht.
Bevor der Rheumatologe eine Fibromyalgie diagnostiziert, müssen zuerst
andere Krankheitsbilder ausgeschlossen
werden: Denn hinter den Symptomen
können sich auch schwere Erkrankungen verbergen. Daher werden Laborund Röntgenbefunde erstellt, auch um
Erkrankungen wie Morbus Parkinson,
51
entzündliche Rheumaformen oder
Schilddrüsenstörungen auszuschließen.
Sind diese Befunde unauffällig, ist das
typisch für eine Fibromyalgie. Wichtige
Diagnosehilfen können druckempfindliche Punkte am Körper sein. Der Arzt
drückt mit dem Daumen auf bestimmte
Stellen, die über den ganzen Körper
verteilt sind. Wird sein Fingerdruck
auf mindestens 11 von 18 speziellen
Druckpunkten als schmerzhaft empfunden, dann handelt es sich um eine
Fibromyalgie.
Man findet diese so genannten „tender
points“ im Nacken, oberhalb der Schulterblätter, bei den Schlüsselbeinen, in
der Kreuzbeingegend, an den äußeren
Oberschenkeln (unterhalb des Beckenknochens), in den Kniekehlen und im
Bereich der Ellbögen.
Wie wird Fibromyalgie
behandelt?
Die Fibromyalgie ist nicht heil-, aber
gut therapierbar. Wichtigstes Behandlungsziel ist, den Patienten zu einem
aktiven Lebensstil zu motivieren und
dadurch seine sozialen und beruflichen
Funktionen zu erhalten.
Jede Therapie muss individuell an die
jeweilige Krankheitsaktivität angepasst
werden. Grundsätzlich bedarf die Behandlung großer persönlicher Zuwendung und ist meist sehr zeitintensiv.
Als therapeutische Maßnahmen – nach
gesicherter Diagnose – stehen Psychotherapie sowie eine individuell
52
angepasste, gestufte Trainingstherapie,
die den Patienten nicht überfordert,
an erster Stelle. Als medikamentöse
Begleittherapie können Antidepressiva,
Antiepileptika und andere Substanzen
eingesetzt werden.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es noch?
Da Schmerzmittel nur beschränkt
einsetzbar sind, setzen Experten bei der
Fibromyalgie unter anderem auf folgende Methoden:
• Physikalische Therapie, Verhaltensund Bewegungstherapien sowie aktive
Techniken zur Schmerzkontrolle
• Wärmebehandlungen mit lokalen
Packungen, Ultraschall oder Heilbäder wirken muskelentspannend und
schmerzlindernd.
• Lymphdrainagen und Akupunktmassagen vermindern lokale Lymphödeme sowie Stauungen und reduzieren
Schmerzen.
• Behandlungen in Infrarotwärmekabinen, aber auch in der Kältekammer können zu sehr guten Ergebnissen führen.
Warum ist auch psychische
Betreuung notwendig?
Eine psychotherapeutische Therapie
sollte auf eine Veränderung von Einstellungen und Verhaltensmustern abzielen.
Patienten mit Fibromyalgie neigen dazu,
vieles als Katastrophe zu sehen und sich
dadurch selbst sehr unter Stress zu setzen.
KAPITEL 3b
Da Stress bei der Entstehung der
Krankheit eine Schlüsselrolle spielen
kann, wird den Betroffenen empfohlen,
mit einem Therapeuten an der Bewältigung von Problemsituationen zu
arbeiten. Oftmals ist es wichtig, auch
die Familienmitglieder in die Therapie
einzubeziehen.
rapie können mit den Therapien der
klassischen Schulmedizin kombiniert
werden. Im Sinne der Ganzheitsmedizin
wird ein Ausgleich im Gesamtenergiehaushalt des Körpers und damit eine
Schmerzlinderung bewirkt. Begleitende
diätetische Maßnahmen stärken die
Grundenergie im Körper.
Wie wichtig ist Bewegung?
Bewegung ist ein wichtiger Teil des
Rehabilitationsprogramms, allerdings
unter Aufsicht und in Maßen, damit
es zu keinem Rückfall kommt. Ein
Herz-Kreislauf-Training (Ergometer,
Nordic Walking, Crosstrainer) wirkt
schmerzlindernd, da vermehrt Wachstumshormon und Endorphine produziert
werden.
Autogenes Training wirkt stressmindernd.
Zusätzlich wirken bei Stress Entspannungstechniken wie progressive Muskelentspannung, autogenes Training
und andere Entspannungstechniken
positiv.
Welche alternativen Heilmethoden können helfen?
Alternative Heilmethoden wie Akupunktur, Traditionelle Chinesische
Medizin, Osteopathie, Kraniosakraltherapie, Homöopathie, Neuraltherapie,
manuelle Medizin und Magnetfeldthe-
Zusätzlich ist Heilgymnastik zur Muskelstärkung und Haltungsverbesserung
notwendig. Trockenübungen erhöhen
die Muskelkraft. Einzelheilgymnastik und Kleingruppen haben sich sehr
bewährt. Unterwassergymnastik ist
für ihre ausgezeichnete Wirkung auf
Schmerz und Psyche bekannt. Die
Kombination beider Maßnahmen ist daher äußerst sinnvoll, wobei jedes Training immer ganz behutsam begonnen
werden sollte. Körperselbstwahrnehmungsprogramme haben zuletzt äußerst
gute Erfolge erzielt. Die Patienten lernen hierbei, mit ihrem Körper und ihrer
Energie besser umzugehen. Generell ist
auf ein Gleichgewicht zwischen Aktivität und Erholungsphasen zu achten.
53
Medikamentöse Behandlung
Welche Medikamente gibt
es bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen?
Zu den Arzneimitteln, die primär
entzündungshemmend und schmerzstillend wirken, zählt die große Gruppe
der nicht-steroidalen Antirheuma-
54
tika (NSAR = kortisonfreie Rheumaschmerzmittel). Im Gegensatz dazu
sind jene entzündungshemmenden
Rheumaarzneien, die das körpereigene Hormon Kortison enthalten, zu
erwähnen. Beide Medikamentengruppen entfalten eine rasche Wirkung.
Sie wirken jedoch nur gegen die
Schmerzbekämpfung
und
Entzündungshemmung
Bekämpfung der
Gelenkschwellung
Bekämpfung der
radiologischen
Veränderung
(Gelenkdeformation)
NSAR
ja
ja
nein
Kortison
ja
ja
nein
(im Frühstadium ja)*
Klassische
Basistherapeutika
ja
ja
ja
Biologika
ja
ja
ja
* keine Indikation für Langzeittherapie
KAPITEL 4
Krankheitszeichen, wie beispielsweise
Schmerz und Schwellung, beeinflussen
aber den längeren Krankheitsverlauf
nicht. Umso wichtiger ist der Einsatz
von so genannten Basistherapeutika
oder auch DMARDs, die zumeist als
Dauermedikation verabreicht werden.
Sie können den Krankheitsverlauf
positiv beeinflussen, die aktive Entzündung über einen längeren Zeitraum
zum Stillstand bringen und somit
eine Erhaltung der Gelenkfunktion
sicherstellen. Zur Gruppe der Basistherapeutika gehören auch die seit 1999
am Markt befindlichen, so genannten
Biologika.
Was heißt Basistherapie
oder DMARD?
Basistherapeutika sind Medikamente,
die bei entzündlich-rheumatischen
Erkrankungen zur Verbesserung der
Gelenksymptomatik und zu einer
Verminderung bzw. im Idealfall zum
Stopp der Gelenkzerstörung führen. Der
englische Begriff „Disease Modifying
Antirheumatic Drug“ (DMARD), also
krankheitsbeeinflussendes Medikament,
trifft den Effekt der Substanz damit
wohl schon eher.
Folgende Wirkstoffe zählen zu den Basistherapeutika und finden in Österreich
häufig Anwendung: Sulfasalazin,
Hydroxychloroquin, Leflunomid und
Methotrexat. Letzteres ist das am
häufigsten eingesetzte Präparat in der
Gruppe der Basistherapeutika.
Die Dosierung ist üblicherweise einmal
pro Woche bis zu 30 mg entweder als
Tablette oder als Spritze unter die Haut.
Was tun Basistherapeutika?
Sie greifen in die Kaskade der überschießenden Reaktion des Immunsystems ein. Sie „dämpfen“ oder
normalisieren diese „überschießende“
Antwort des Immunsystems, daher in
dem Zusammenhang auch der Begriff
der Immunmodulation. Das führt zu
einer Verringerung der entzündlichen
Reaktionen in den Gelenken, wodurch
Gelenkschwellungen und -zerstörung
verhindert werden sollen. Die Wirkung
der Substanz zeigt sich oft erst nach
einigen Monaten, sollte aber nach
längerer Einnahme zu einer deutlichen
Besserung der Beschwerden bis hin zur
Beschwerdefreiheit und im Idealfall zu
einem Stillstand der Erkrankung führen.
Basistherapeutika haben eine Langzeitwirkung auf den Krankheitsverlauf, indem sie die fortschreitende Zerstörung
der Knorpel und Knochen verhindern
oder zumindest verzögen. Sie müssen
regelmäßig eingenommen werden und
dürfen nur nach Absprache mit dem
Arzt abgesetzt werden. Im klinischen
Alltag konnte bis dato jedoch nur vereinzelt ein völliges Absetzen dieser Basistherapeutika erzielt werden, viel eher
kann bei gutem Therapieansprechen des
Patienten die Dosis reduziert oder die
Intervalle der Verabreichungen können
verlängert werden.
55
Gibt es Nebenwirkungen
von Basistherapeutika?
Wie bei allen Medikamenten können
selbstverständlich vereinzelt Nebenwirkungen auftreten. Deshalb muss
von Beginn an eine kontinuierliche
Kontrolle durch den behandelnden Arzt
erfolgen – anfangs alle 4–6 Wochen,
danach in zwei- bis dreimonatigem
Abstand. So können frühzeitig oft nicht
sichtbare Nebenwirkungen rasch und
zielgerichtet behandelt werden. Die
häufigsten Nebenwirkungen sind Übelkeit, Durchfall, leichter Haarausfall,
Nieren- und Leberfunktionsstörungen.
Die Medikamente können weiters das
Erbgut in den Keimzellen schädigen.
Daher raten Ärzte, eine Schwangerschaft erst mehrere Monate nach dem
Abschluss der Behandlung in Betracht
zu ziehen.
zahlreiche Aufgaben im Stoffwechsel
und im Abwehrsystem. Wegen dieser
Eigenschaften entwickelte man es zu
einer Arzneimittelsubstanz weiter.
Kortisone bremsen die Immunreaktionen
und wirken damit effizient gegen starke
Entzündungen. Gerade bei rheumatischen Erkrankungen kommt eben dieser
starke entzündungshemmende Effekt
zum Tragen. Kortison unterdrückt eine
Entzündung in Gelenken wirksam
und schnell. Meistens bessern sich die
Beschwerden innerhalb von ein bis zwei
Stunden nach der Einnahme. Oft werden
sie als Überbrückung verwendet, bis die
Basistherapie greift. Kortison beseitigt
aber nur das Symptom, eine Heilung
kann dadurch nicht bewirkt werden.
Wann kommen Basistherapeutika zum Einsatz?
Bei rheumatoider Arthritis, juveniler
idiopathischer Arthritis, Psoriasis-Arthritis, ankylosierender Spondylarthritis
mit Gelenkschwellungen und zum Teil
bei Kollagenosen.
Kortison – wie wirkt das?
Kortison ist der Oberbegriff für eine
ganze Wirkstoffgruppe. Es handelt sich
dabei um Abkömmlinge des körpereigenen Hormons Kortisol, das in der
Nebenniere gebildet wird. Es übernimmt
56
Kortison unterdrückt Entzündungen.
KAPITEL 4
Warum ist Kortison so
gefürchtet?
Was sind Biologika und wie
wirken sie?
Kaum spricht ein Arzt den Namen
„Kortison“ aus, macht sich bei vielen
Menschen Angst breit. Das begründet
sich in den Erfahrungen mit überdosierten Kortisonbehandlungen aus den
1970er-Jahren, als man noch keine
Langzeiterfahrungen hatte. Durch die
hohe Dosierung und unbedacht lange
Anwendung kam es zu den mittlerweile weitreichend bekannten Nebenwirkungen. Heute weiß man, dass große
Mengen Kortison nur für kurze Zeit
zumeist unbedenklich sind und dass
die Nebenwirkungen von vernünftig
dosiertem Kortison wesentlich geringer ausgeprägt sind als früher.
Biologicals, auch Biologics oder Biologika genannt, sind biotechnologisch
hergestellte Eiweiße, die gezielt in die
Mechanismen des Krankheitsgeschehens
eingreifen. Sie sind in der Lage, die Regulationsmechanismen bei entzündlichrheumatischen Erkrankungen wesentlich
zu beeinflussen. Sie unterscheiden sich
also im Wirkansatz wesentlich von den
restlichen in der Rheumatherapie zum
Einsatz kommenden Präparaten. Sie
greifen gezielt in den immunologischen
Abwehrmechanismus des Körpers ein,
indem sie beispielsweise Zytokine – also
Botenstoffe, die für die Immunantwort
des Körpers zuständig sind – ausschalten.
Was ist bei der Einnahme
von Kortison zu beachten?
Spätfolgen vieler immunologischer Erkrankungen (z.B. Gelenkveränderungen
bis hin zur Gelenkzerstörung) können
mithilfe von Biologika vermindert,
gestoppt oder zumindest hinausgezögert
werden.
Kortisonpräparate müssen regelmäßig
und zum vorgesehenen Einnahmezeitpunkt eingenommen werden. Sie sollten
niemals plötzlich abgesetzt werden,
da der Körper während der Therapie
die eigene Kortisonproduktion einstellen kann und es daher bei plötzlichem
Absetzen des Präparats zu lebensgefährlichen Reaktionen kommen kann. Die
Dosis muss Schritt für Schritt verringert
werden. Weiters muss das Risiko für das
Auftreten von Osteoporose vor Beginn
der Therapie mittels Knochendichtemessung abgeklärt werden. Ebenso sind
regelmäßige Blutdruck-, Blutzucker- und
Gewichtskontrollen sinnvoll.
Es handelt sich dabei um Substanzen,
die mit modernster Biotechnologie und
unter sehr hohem technischen Aufwand
hergestellt werden.
Art der Verabreichung: Da diese
Eiweiße im Magen-Darm-Trakt zerlegt werden und so nicht am Wirkort
eintreffen würden, werden sie entweder
per Infusion durch den Arzt oder vom
Patienten selbst subkutan, also unter das
Unterhautfettgewebe injiziert.
57
Übersicht: Biologika in der Rheumatologie
Wirkstoff
Darreichungsform
Infliximab
Infusion (intravenös)
alle sechs bis acht
Wochen
Chimärer, humanmuriner monoklonaler
Antikörper
Rheumatoide Arthritis, Psoriasis Arthritis,
Psoriasis, Morbus
Bechterew, Morbus
Crohn, Colitis Ulcerosa, Morbus Crohn
mit Fistelbildung,
pädiatrischer Morbus
Crohn
Adalimumab
Subkutan: Fertigspritze oder Pen alle zwei
Wochen
Humaner monoklonaler Antikörper
Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis,
Psoriasis, Morbus
Bechterew, Morbus
Crohn, juvenile idiopathische Arthritis
Etanercept
Durchstechflasche;
subkutan: Fertigspritze oder Pen ein- oder
zweimal wöchentlich
Humanes TNFRezeptor-p75-FcFusionsprotein
Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis,
Morbus Bechterew,
juvenile idiopathische
Arthritis, PlaquePsoriasis, juvenile
Plaque-Psoriasis
Certolizumab
Subkutan: Fertigspritze; zwei Injektionen
jeweils in Woche 0, 2
und 4, danach eine
Injektion jede zweite
Woche
Pegyliertes, rekombinantes, humanisiertes
Antikörper-Fab’Fragment
Rheumatoide Arthritis
Golimumab
Subkutan: Fertigspritze oder Pen; einmal
monatlich
Monoklonaler humaner IgG1k-Antikörper
Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis,
Morbus Bechterew
B-Zell-Antikörper
Rituximab
Infusion (intravenös);
Woche 0 und 2 eine
Infusion, danach alle
sechs Monate
Monoklonaler, chimärer Antikörper gegen
das auf B-Zellen
lokalisierte CD20Oberflächenprotein
Rheumatoide Arthritis
Selektiver T-ZellenCo-Stimulationshemmer
Abatacept
Infusion (intravenös);
Woche 0, 2 und 4
einmal, danach alle
vier Wochen
Rekombinantes
Fusionsprotein
Rheumatoide Arthritis
IL-6-RezeptorInhibitor
Tocilizumab
Infusion (intravenös);
alle vier Wochen
Rekombinanter,
humaner monoklonaler Antikörper
Rheumatoide Arthritis
IL-1-RezeptorInhibitor
Anakinra
Fertigspritze
Rekombinanter,
humaner RezeptorAntagonist
Rheumatoide Arthritis
TNF-alpha-Blocker
58
Zugelassen für
KAPITEL 4
Wie sieht der Therapieablauf aus?
Die gängige Therapie sieht so aus, dass
die Gabe von Basistherapeutika beibehalten wird, wenn mit einer Biologikatherapie begonnen wird. Innerhalb von
zwei bis vier Wochen tritt oftmals eine
Besserung ein, nach rund acht Wochen
ist ein Wirkungsmaximum erreicht.
Sollte nach drei Monaten kein entsprechender Therapieerfolg erzielt worden
sein, muss ein Wechsel auf ein anderes
Biologikum oder auf ein anderes Wirkprinzip ins Auge gefasst werden.
Wann beginnt man mit
Biologikatherapien und
welchen Vorteil haben sie?
Biologika werden erst nach erfolglosen
Versuchen mit Basistherapeutika eingesetzt. Die Biologicals sind also für die
Behandlung jener Patienten zugelassen,
bei denen Basismedikamente wie Methotrexat, Leflunomid oder Sulfasalazin
nicht oder nicht ausreichend wirken. Die
gleichzeitige Einnahme von Basistherapeutika ist immer angezeigt (Kombinationstherapie). Bis zur Hälfte der mit den
neuen Wirkstoffen behandelten Patienten
berichtet, dass sich ihre Beschwerden
deutlich gebessert haben – wobei auch
hier wieder der rechtzeitige Beginn der
Behandlung entscheidend für den Therapieerfolg ist.
Das Wirkprofil und die Verträglichkeit
sprechen mitunter dafür, dass Biologika
vielleicht schon bald noch früher zum
Einsatz kommen dürften. Dagegen sprechen momentan die hohen Kosten.
Bei welchen Erkrankungen
kommen Biologika zum
Einsatz?
Rheumatoide Arthritis, juvenile idiopathische Arthritis, Psoriasis, PsoriasisArthritis, Morbus Bechterew, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen,
Regenbogenhautentzündung u.a.
Biologika in Form von
Infusionen – wo liegen
die Vorteile?
Die Infusion wird über eine Vene des
Patienten in der Praxis oder der Ambulanz vom Facharzt verabreicht. Der
Patient bleibt im Normalfall noch rund
eine Stunde danach sitzen, sodass der
behandelnde Arzt seinen Allgemeinzustand überwachen kann. Die Vorteile bei
59
der Verabreichnung von Infusionen sind
einerseits maßgeschneiderte Dosierungen, längere Intervalle und direkte Kontrolle durch den verabreichenden Arzt
(Pflegepersonal). Nach der Infusion tritt
die Wirkung bei den meisten Biologika
sehr rasch ein. Schmerzen und die Morgensteifigkeit werden reduziert. Auch
die Entzündungszeichen im Blut (CRP,
Blutsenkung) bessern sich. Wesentlich
ist, die Behandlung weiter fortzuführen,
auch wenn sich die Symptome gebessert
haben, andernfalls kann sich die Krankheit wieder verschlimmern.
hinzuweisen, dass der Betroffene zu
Hause für eine entsprechende Kühlung
der Substanz im Kühlschrank (bei
ca. 2–8 °C) zu sorgen hat. Pens und
Fertigspritzen wurden gemeinsam mit
Patienten, die an Rheuma erkrankt sind,
entwickelt. Die Substanzen werden beispielsweise als fertige Lösung in dem
vordosierten Pen mit inkludierter Nadel
ohne weitere Vorbereitungsmaßnahmen
verabreicht.
Besonders vorteilhaft empfinden Patienten, dass sie sich um nichts kümmern
müssen. Das bedeutet, dass die Sorge um
die Lagerung der Substanz, wenn man
beispielsweise auf Urlaub fährt, wegfällt. Ebenso entfallen Umstände bei der
Selbstverabreichung.
Ein typisches Beispiel für den oben
genannten Wirkmechanismus sind die
TNF-alpha-Blocker (Tumor-NekroseFaktor alpha). Sie blockieren den
körpereigenen, entzündungsauslösenden Botenstoff TNF-alpha und hemmen
damit das weitere Fortschreiten der
rheumatischen Entzündung, womit es
zu einer Eindämmung der Progression
von Gelenkdestruktion und Funktionsverlust kommt. TNF-alpha wird also
inaktiviert, wodurch – im Falle eines
Behandlungsansprechens – in der Folge
Schmerzen, Schwellungen und das
Fortschreiten der Erkrankung eingedämmt werden.
Biologika in Form von Fertigspritzen oder Pens – wo
liegen die Vorteile?
Die erste Verabreichung der Wirksubstanzen mittels Fertigspritzen oder Pens
sollte unter Anleitung des behandelnden Arztes erfolgen. Hat der Patient
genügend Sicherheit in der eigenständigen Anwendung erlangt, verabreicht
er sich den Wirkstoff zu Hause selbst.
Dies stellt einen großen Vorteil für viele
Patienten dar, weil sie damit unabhängig vom Spital oder vom behandelnden
Arzt (z.B. in der Urlaubsplanung etc.)
sind. Wichtig ist allerdings, darauf
60
TNF-alpha-Blocker gehören
zu den Biologika – was tun sie?
Vorteile gegenüber herkömmlichen Basismedikamenten sind das oft gute und
rasche Ansprechen der Patienten und
neben der antientzündlichen Wirkung
auch ein hemmender Effekt auf das
Voranschreiten der Knochenveränderungen. Als Nachteil sind die hohen
KAPITEL 4
Kosten zu nennen, die durch die
aufwändige Herstellung der Substanz
anfallen. Wichtig: Vor dem Verabreichen der Substanz das Vorliegen einer
schwer wiegenden Infektion, insbesondere von Tuberkulose, ausschließen!
Welche Bedeutung kommt
der B-Zellen-Therapie zu?
Im Gegensatz zu den TNF-alpha-Blockern, wo man das Hauptaugenmerk
auf die Regulation von Zytokinen
legt, richtet sich die Aufmerksamkeit
hier auf die Bedeutung der B-Zelle.
B-Zellen oder B-Lymphozyten sind
eine Unterklasse der weißen Blutkörperchen. Eine wichtige Aufgabe der
B-Zellen ist es, Antikörper zu bilden.
B-Zellen haben darüber hinaus aber
noch eine Reihe weiterer wichtiger
Aufgaben. Wenn sie durch körperfremde Substanzen aktiviert werden, spezialisieren sie sich entweder zu Antikörper produzierenden Plasmazellen oder
zu Gedächtniszellen. Bei rheumatoider
Arthritis werden die B-Zellen jedoch
zur „Attacke“ gegen die eigenen Gelenke auf den Plan gerufen.
Durch die Behandlung werden BZellen, die auf ihrer Oberfläche ein
spezielles Merkmal (CD20) tragen,
stark vermindert. Dieses kann dadurch
die Krankheitsaktivität und die radiologisch nachweisbare Zerstörung des
Knorpelgewebes vermindert werden.
Die Substanz Rituximab wurde
ursprünglich für die Therapie von
Erkrankungen des lymphatischen Systems entwickelt. Nach der Infusion des
Antikörpers kommt es innerhalb kurzer
Zeit zu einer raschen und praktisch
kompletten Beseitigung aller CD20positiven B-Zellen im Blut. Zellen wie
z.B. Plasmazellen, die das Merkmal
CD20 nicht tragen, werden nicht eliminiert, wodurch ein Teil der körpereigenen Abwehrkraft erhalten bleibt.
Zwei Infusionen werden in der Regel
im Abstand von 14 Tagen verabreicht
– so sich keine Wirkung zeigt, kommt
es zu keinem weiteren Einsatz von
Rituximab. Wenn sich ein positiver Effekt der Therapie zeigt, hält dieser zwischen sechs Monaten und einem Jahr
an. Meist wird Rituximab mit einem
Basistherapeutikum kombiniert.
Hemmung der T-Zellen
– warum das?
Als weitere Alternative für einen
Rheumatologen und seine Patienten
kann die Therapie mit einem gentechnologisch hergestellten Entzündungshemmer in Kombination mit einem
Basistherapeutikum angeführt werden.
Diese Substanz ist zur Behandlung von
Patienten mit moderater bis schwerer
rheumatoider Arthritis (RA) zugelassen,
die unzureichend auf eine Therapie mit
Basistherapeutika und mindestens einem TNF-alpha-Blocker angesprochen
oder diese nicht vertragen haben.
Seine immunsuppresive Wirkung
61
kommt durch die Blockade der Aktivierung von T-Zellen zu Stande. Der
Wirkstoff hemmt die Aktivierung
von T-Lymphozyten und unterdrückt
dadurch die Entzündungsvorgänge.
T-Lymphozyten – oder kurz T-Zellen
– sind eine für die Immunabwehr
wichtige Gruppe, sie spielen bei der
Steuerung von Abwehrvorgängen des
Immunsystems eine bedeutende Rolle.
Wirkeintritt ist in der Regel sehr rasch
zu erwarten. Diese Möglichkeit stellt
neben der Hemmung der B-Zellen und
jener der T-Zellen ein weiteres Standbein
neben den TNF-alpha-Blockern dar.
Auch hier kann der Wirkeintritt der
Substanz erst nach drei bis sechs Monaten festgestellt werden.
Interleukin-6-RezeptorInhibitor – welchen Fortschritt bringen sie?
Nach und nach kommt die Forschung
immer mehr Faktoren auf die Spur, die
in dem entzündlichen Geschehen eine
Rolle spielen.
Beim IL-6-Rezeptor-Inhibitor handelt es
sich um einen humanisierten monoklonalen Antikörper gegen den Interleukin6-Rezeptor (IL-6), der die Aktivität von
IL-6, einem anderen wichtigen Auslöser
des Entzündungsprozesses, unterdrückt.
Es ist zur Behandlung von Patienten
mit mäßiger bis schwerer aktiver RA
zugelassen, die unzureichend auf eine
Therapie mit Basistherapeutika angesprochen haben. Diese Wirkungsweise
reduziert die Entzündung der Gelenke
und lindert die systemischen Symptome
der rheumatoiden Arthritis (RA). Der
62
Intravenöse Gabe des IL-6-Rezeptor-Inhibitors alle 4 Wochen
Welche Kontrollen sind
bei einer Dauertherapie
wesentlich?
Regelmäßig sollten folgende Werte
kontrolliert werden, damit Schäden, die
subjektiv nicht merkbar sind, rechtzeitig
erkannt werden: Blutbild, Leberwerte,
Nierenwerte, Blutgerinnung, Rheumafaktor, Harn. Einige Präparate oder
die Kombination mehrerer erfordert noch
zusätzliche Kontrolluntersuchungen.
KAPITEL 4
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Nicht-medikamentöse Therapie
Rheumatische Erkrankungen: Wann ist eine
Operation sinnvoll?
Eine Operation hat grundsätzlich den
Sinn, die Funktionsfähigkeit des
Gelenks zu verbessern und Schmerzen
zu lindern. Sie wird in den meisten
Fällen dann durchgeführt, wenn
alle herkömmlichen Methoden (wie
physikalische Therapie, Medikamente, Hilfsmittel etc.) ausgeschöpft sind
und trotzdem anhaltende Schmerzen
in einem Gelenk bestehen. Wichtig
ist dabei festzuhalten, dass Operationen niemals als Ersatz oder anstelle
einer medikamentösen Therapie und
hier insbesondere einer Basistherapie
gesehen werden dürfen, sondern erst
64
nach Ausschöpfung dieser zum Einsatz
kommen.
Operationen können entweder eine
vorbeugende oder eine wiederherstellende Maßnahme sein. Präventive,
das heißt, vorbeugende Eingriffe:
Die Operation erfolgt früh, wenn das
Knorpelgewebe und die Sehnen noch
intakt sind, um irreversib- le Schäden
an Gelenken und Sehnen zu verhindern
oder hinauszuzögern. Die Funktion
soll erhalten bleiben.
Rekonstruktive, das heißt, wiederherstellende Eingriffe: Die geschädigte
Funktion von Gelenken soll wiederhergestellt und Schmerzen sollen reduziert werden.
KAPITEL 5
Welche Operationsmethoden gibt es?
• Synovektomien (Entfernung der
entzündeten Gelenkschleimhaut)
• Korrekturoperationen bei Gelenkfehlstellungen oder Funktionseinschränkungen (präventive und
rekonstruktive Eingriffe)
• Gelenkersatz (Teil- oder Totalendoprothesen)
• Arthrodesen, Spondylodesen (stabilisierende Versteifungsoperation)
Was ist eine Synovektomie?
Darunter versteht man die Entfernung
von entzündeter Gelenkinnenhaut.
Voraussetzung ist, dass die Gelenkflächen noch intakt sind. Mithilfe dieser
chirurgischen Behandlung kann das
Fortschreiten der Gelenkzerstörung
entscheidend verzögert und in manchen
Fällen zum Stillstand gebracht werden.
Durch die Möglichkeiten der so genannten Schlüssellochchirurgie mittels
Arthroskopie (Gelenkendoskopie) kann
der Eingriff vor allem am Knie oder an
der Schulter ohne große Schnitte erfolgen. Es wird das entzündliche Gewebe
im Gelenk mithilfe eines Endoskops
entfernt mit dem Ziel, das Fortschreiten
der Erkrankung zu verlangsamen und
Folgeschäden wie sekundäre Arthrosen
oder Fehlstellungen zu begrenzen.
Vor allem bei kleineren Gelenken wie
den Hand- oder Fingergelenken ist die
Arthroskopie oft jedoch nicht möglich,
weil Bänder oder Sehnen mitbehandelt
werden müssen. Dann kann lediglich
eine „offene“ Synovektomie erfolgen,
die größere Schnitte notwendig macht.
Nach dem Eingriff wächst die Gelenkinnenhaut (Synovia) innerhalb weniger
Wochen wieder nach. Synovektomien
können grundsätzlich an allen Gelenken
vorgenommen werden.
Worum handelt es sich bei
der Radiosynoviorthese?
Bei der Radiosynoviorthese wird eine
schwach radioaktiv strahlende Flüssigkeit in ein chronisch entzündetes
Gelenk injiziert. Dadurch verödet die
entzündete Gelenkinnenhaut oberflächlich. Diese Behandlungsform sollte
jedoch erst dann angewendet werden,
wenn die Basistherapie und Kortisongabe direkt ins Gelenk nicht ausreichend
wirksam waren.
Wann muss ein Gelenk
operativ ersetzt werden?
Ist ein bestimmtes Maß an Zerstörung
erreicht, bleibt nur noch der künstliche
Gelenkersatz mit Materialien wie Metall, Keramik, Polyethylen oder Silastik.
Bei einer totalen Endoprothese werden
sowohl Gelenkkopf als auch Gelenkpfanne ersetzt, bei einer Teilprothese
nur der Gelenkkopf ohne Gelenkpfanne.
Die Eingriffe sind an fast allen Gelenken möglich, etwa Schulter-, Ellbogen-,
Hand-, Finger-, Hüft-, Knie- oder oberes Sprunggelenk, Zehengelenke.
65
Am häufigsten wird sie beim Hüftgelenk durchgeführt.
Im Allgemeinen kann gesagt werden,
dass Kunstgelenke zu einem hohen Prozentsatz Schmerzfreiheit und annähernd
normale Beweglichkeit erwarten lassen
können.
Wie lange hält im Schnitt
ein künstliches Gelenk?
90-95% der Implantate halten mindestens 15 Jahre lang, bei sehr aktiven
jüngeren Patienten kann es etwas kürzer
sein. Bestimmte Materialpaarungen
haben einen extrem niedrigen Abrieb,
wie z.B. Keramik-Keramik, womit auch
eine starke Belastung im Rahmen sportlicher Betätigung möglich wird.
Was versteht man unter
„Versteifungsoperation“?
Eine operative Gelenkversteifung wird
beispielsweise bei einer sehr schweren
rheumatischen Erkrankung vorgenommen (oft bei kleineren Gelenken im Bereich der Fuß- und Wirbelgelenke) und
dient vor allem der Schmerzlinderung.
Die Bewegungsfähigkeit des Gelenks
wird unterbunden, die Knochenteile des
versteiften Gelenks wachsen zusammen.
veränderte Gelenkkapsel oder Sehnenscheide entfernt (Synovektomie), zerstörte Sehnen werden wiederhergestellt,
eine Gelenkteilentfernung (Resektionsarthroplastik) wird durchgeführt,
eine Gelenkversteifung (Arthrodese)
gemacht oder ein künstliches Gelenk
eingesetzt. Künstliche Gelenke werden
häufig im Bereich von Hüfte, Knie
oder Schulter eingesetzt, im Bereich
des Ellbogens oder Sprunggelenks eher
seltener. Bei kleineren Gelenken wird
auch häufig eine Versteifungsoperation
durchgeführt.
Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis
kommt es häufig im Bereich des 2.
Halswirbelkörpers zu entzündlichen
Veränderungen, die im fortgeschrittenen
Stadium zu neurologischen Ausfällen
führen können. Die beginnende Schädigung des Rückenmarks zeigt sich durch
Hinterkopf-Nacken-Schmerzen, eine
Schwächung an den Extremitäten und
auch Unsicherheit beim Gehen.
Welche Operationsmöglichkeiten gibt es?
• Bei rheumatoider Arthritis:
Je nach Stadium wird die entzündlich
66
Halswirbelschmerzen sind bei RA oft sehr belastend.
KAPITEL 5
Durch eine Versteifungsoperation kann
das Rückenmark geschützt und eine
weitere Schädigung verhindert werden.
Die Wahl des richtigen Operationszeitpunkts ist hierbei ganz entscheidend.
• Bei Morbus Bechterew:
Im Vordergrund steht lebenslange
Gymnastik zur Kräftigung der Rückenstrecker. Wenn der Krankheitsverlauf
jedoch so stark fortschreitend ist und
die Krümmung der Wirbelsäule stark
zunimmt, sollte rechtzeitig eine Versteifungsoperation im Bereich der Wirbelsäule durchgeführt werden: Schrauben
werden in die Wirbelkörper eingebracht
und untereinander mit Stäben verbunden, um eine Stabilisierung zu erzielen.
Diese Implantate sind nur vorübergehend als Stabilisatoren gedacht, bis eine
knöcherne „Brücke“ entsteht, die das
Fortschreiten der Erkrankung stoppt.
In einem sehr späten Stadium des Morbus Bechterew werden bei der Methode
der sehr aufwändigen Osteotomie die
Wirbelkörper getrennt, die aufgrund der
Erkrankung verwachsen sind. Die Wirbelsäule wird in der Achse korrigiert
und wieder aufgerichtet.
• Bei Psoriasis-Arthritis:
Je nach Stadium wird die entzündlich
veränderte Gelenkkapsel oder Sehnenscheide entfernt (Synovektomie), zerstörte Sehnen werden wiederhergestellt,
eine Gelenkteilentfernung (Resektionsarthroplastik) wird durchgeführt, eine
Gelenkversteifung (Arthrodese) gemacht
oder ein künstliches Gelenk eingesetzt.
• Bei Arthrose und Abnützungserscheinungen:
Bei allen großen und mittleren Gelenken (wie Hüfte, Knie, Schulter) ist der
Gelenkersatz die erfolgreichste Therapieform, wenn
• trotz medikamentöser Behandlung
ständig Schmerzen vorhanden sind,
• die Funktionalität des Gelenks stark
eingeschränkt ist.
Bei der Versorgung von Hüfte und
Knie sollte die Operation nicht zu
lange hinausgezögert werden, weil die
Muskulatur und andere Gelenke leiden.
Im Bereich des unteren Sprunggelenks
oder des Mittelfußgelenks sind nur
Versteifungsoperationen möglich.
Welche komplementärmedizinischen Maßnahmen
stehen zur Verfügung?
Manche Patienten sprechen auf die
Behandlung mit komplementären
Methoden sehr gut an, andere wieder
nicht. Diese Methoden sind im Einzelfall
einen Versuch wert, sollten aber immer
in Absprache mit dem behandelnden
Arzt durchgeführt werden. Wichtig ist
dabei festzuhalten, dass sämtliche komplementären Maßnahmen niemals als
Ersatz einer medikamentösen Therapie
und hier insbesondere einer Basistherapie gesehen werden dürfen, sondern
zusätzlich zu einer solchen Therapie zur
Anwendung kommen sollen. Darüber
hinaus dürfen diese Maßnahmen niemals
selbstständig als „Therapieversuch“ vor
der Begutachtung durch einen internis67
tischen Rheumatologen erfolgen, da
dadurch wertvolle Zeit verloren gehen
kann, bis eine wirksame Basistherapie
begonnen wird.
Wie hilft Akupunktur bei der
Rheumatherapie?
Akupunktur wird hauptsächlich zur
Schmerzlinderung eingesetzt.
sind. Bei einer Krankheit allerdings
ist dieses Gleichgewicht gestört. Mit
Tuina sollen Blockaden der Meridiane
(Energiebahnen im Körper), durch die
Qi (Lebensenergie) fließt, aufgelöst und
der Energiefluss gefördert werden. Das
Qi beinhaltet die körpereigene Energie
als Antriebskraft aller Vorgänge. Bei der
Behandlung werden teilweise andere
Meridiane berührt als bei der Akupunktur. Wesentlichster Unterschied ist aber,
dass bei Tuina keine Nadeln verwendet,
sondern die Meridiane und Akupunkturpunkte mittels spezieller Grifftechniken
behandelt werden.
Können Heilkräuter bei der
Behandlung unterstützen?
Bestimmte Heilkräuter (z.B. Beinwell, Brennnessel, Löwenzahn, Raute,
Salbei, Sauerdorn, Schafgarbe, Wacholder, Weide) können Beschwerden
lindern. Die Heilkräuter werden auch
in Mischungen angeboten. Mithilfe von
Umschlägen und Auflagen wird bei
rheumatischen Erkrankungen versucht,
den Schmerz positiv zu beeinflussen.
Akupunktur: schmerzlindernde Alternative
Was versteht man unter der
Tuina-Technik?
Diese Behandlungsform gehört auch zur
Traditionellen Chinesischen Medizin
(TCM) und orientiert sich an der Akupunktur. Grundlage sind die Energiepole Yin und Yang, die laut TCM beim
gesunden Menschen im Gleichgewicht
68
Wann ist Homöopathie für
Patienten mit rheumatischen Erkrankungen
sinnvoll?
Das Erstgespräch über die Beschwerden
des Rheumapatienten ist sehr ausführlich und enthält auch Modalitäten wie
z.B. die Frage, ob bei Beschwerden
Kälte oder Wärme gut tut, Sitzen oder
KAPITEL 5
Stehen den Schmerz beeinflusst, ob es
angenehm ist, nachts auf den schmerzhaften Stellen zu liegen oder nicht. Für
die Homöopathie liegt die Ursache
von Krankheiten in einer Störung der
„Lebenskraft“, also dessen, was uns am
Leben hält. Wenn diese Störung behoben werden kann, dann verschwindet
auch die Erkrankung.
Warum ist Bewegung so
wichtig?
Homöopathie kann nicht auf die Diagnose allein, sondern immer nur sehr
individuell auf den einzelnen Menschen
zugeschnitten sein. Aus diesem Grund
können auch keine allgemein gültigen
homöopathischen Tropfen oder Globuli
für rheumatische Erkrankungen beschrieben werden. Wesentlich ist aber,
dass nur durch aktive Mitarbeit des
Betroffenen eine Genesung möglich ist.
Ärztlicher Rat kann nur eine Begleitung
sein, das Wichtigste sind Achtsamkeit
und Selbstverantwortung. Siehe auch:
www.ganzheitsmed.at
Wann kommt Wärme, wann
Kälte zur Anwendung?
Welche physikalischen
Maßnahmen gibt es?
Physikalische Maßnahmen sind bei allen Erkrankungen des Bewegungs- und
Stützapparates sowie für den Erhalt der
Gelenkbeweglichkeit wichtig.
Zu den physikalischen Maßnahmen
zählen:
• Bewegungstherapie
• Wärme- und Kältetherapie
• Massage, manuelle und Reflextherapie
• Elektrotherapie
Mit Heilgymnastik kann eine Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit, eine
Kräftigung der Muskulatur sowie eine
Schmerzlinderung erreicht werden.
Vorsicht: Bei einem akuten Schub sollte die Heilgymnastik pausiert werden.
Durch die Wärmetherapie sollen
Schmerzen gelindert und Muskeln entspannt werden. Warme Wickel, Bäder,
Moor-, Fango- oder Schlickpackungen,
Heusack- oder Paraffin als Wärmeträger
(oft bei Arthrose in den Finger- oder
Kniegelenken) sowie Bestrahlung mit
Infrarotlampen sind Möglichkeiten der
Wärmebehandlung.
Vorsicht: Bei akuten Entzündungen
soll Wärme nicht angewendet werden,
denn diese kann die Symptomatik der
Erkrankung verschlimmern.
Die Kältetherapie wirkt entzündungshemmend, schmerzlindernd und
bewegungsfördernd. Sie wird bei geschwollenen Gelenken, Schmerzen und
akuten Entzündungen angewandt. Die
Techniken reichen von Eispackungen,
kalten Moorpackungen, Kryopacks und
Kältebädern (15 °C) bis hin zu Ganzkörpertherapien in Kältekammern mit
Temperaturen bis minus 110 °C.
Vorsicht: Nicht angewandt werden darf
die Kältetherapie bei Fieber, Nieren69
und Blasenleiden, Kälteüberempfindlichkeiten sowie bei Gefäßentzündungen.
Was bewirken Massagen?
Massagen entspannen verhärtete Muskeln, was sich wiederum entlastend
auf die Gelenke auswirkt. Massagen
fördern die Durchblutung und regen den
Muskeltonus an. Wichtig ist, dass sie
vom Patienten als angenehm empfunden wird. Sie kommen vor allem im
Vorfeld der Heilgymnastik zum Einsatz,
wo es darum geht, den Körper aus dem
verspannten Zustand zu bringen.
pie, wobei mittels spezieller Elektroden
hochfrequenter Strom mit sehr geringer
Leistung auf die Haut geleitet wird. Für
Patienten mit Prothesen im zu behandelnden Gebiet oder Herzschrittmachern ist diese Form der Therapie nicht
geeignet. Die Niederfrequenztherapie
arbeitet im Frequenzbereich bis zu
1.000 Hz. Gleichstromverfahren
sind Galvanisation, Iontophorese oder
hydroelektrische Bäder. Sie dienen der
Schmerzlinderung und der Durchblutungsförderung, Gegenanzeigen stellen
z.B. aktive Entzündungen oder Hautdefekte dar. Sie können zur Schmerzlinderung auch bei älteren Menschen
eingesetzt werden, weil sie Herz und
Kreislauf wenig belasten.
Was bewirkt Ergotherapie?
Entspannende Massagen fördern die Durchblutung.
Was ist Elektrotherapie?
Die Verfahren der Elektrotherapie
unterscheiden sich sowohl physikalisch
als auch biologisch voneinander. Sie
beinhalten die therapeutische Anwendung von elektrischem Strom in der
Medizin. Die Hochfrequenztherapie
ist eine reine Wärmetherapie mit großer
Tiefenwirkung. Sie ist eine Reizthera70
Die Ergotherapie versucht, dem erkrankten Menschen die größtmögliche
Selbstständigkeit und Handlungsfreiheit
im Alltag zu ermöglichen, d.h. diese
nach oder während einer beeinträchtigenden Erkrankung wiederherzustellen
bzw. zu erhalten. Die Ergotherapie bietet
eine Gelenkschutzinstruktion und Hilfsmittelberatung an. Gemeinsam mit dem
Betroffenen werden Hilfsmittel ausprobiert und gegebenenfalls angeschafft, die
Alltagsprobleme lösen helfen. Es wird
genau besprochen, wie z.B. der Arbeitsplatz gelenkschonend gestaltet wird oder
welche Übungen bei sportlicher Betätigung weniger belastend sind. Es gibt
auch spezielle orthopädische Hilfsmittel
wie die Versorgung des betroffenen
KAPITEL 5
Gelenks mit Schienen, die helfen, den
Alltag besser zu meistern. Das Ziel sind
mehr Selbstständigkeit im täglichen
Leben, weniger Schmerzen und eine
Schonung des betroffenen Gelenks.
Was bedeutet Gelenkschutz?
Gelenkschutz heißt nicht „nichts tun“,
sondern bedeutet ein ausgewogenes
Verhältnis zwischen Ruhe und Belastung. Gelenkschutz ist Prophylaxe.
Die Gelenke sollten achsengerade
belastet, das heißt, nicht verdreht
werden, wie es z.B. beim Auswinden
eines Tuches passiert. Gelenke sollten
auch keiner Vibration ausgesetzt
sein, z.B. nicht mit dem Küchenmixer arbeiten oder zu viel am Traktor
sitzen, der (besonders ältere Modelle)
starke Vibrationen erzeugen kann.
Die Belastungen sollten auf so viele
Gelenke wie möglich verteilt werden,
beispielsweise sollten Lasten beidhändig getragen werden, Trinkgefäße mit
beiden Händen gehalten werden etc.
Welche Hilfen gibt es für
den Alltag?
Wenn alltägliche Tätigkeiten wie das
Halten einer Kaffeeschale, das Schneiden von Brot oder das Zuknöpfen des
Hemdes unmöglich werden, gibt es
Hilfsmittel im gut sortierten Fachhandel.
Finger- und Handhalterungsschalen können ebenso helfen wie die so genannten
Knopfloch- und Schwanenhalsschienen.
Spezielle Messer (der Griff ist 90 Grad
von der Klinge weggebogen) und Flaschenöffner erweisen Rheumakranken
hilfreiche Dienste. Ergonomische Tastaturen für den Computer ermöglichen es,
die Handgelenke in einer achsengeraden
Position zu lassen, und es gibt auch eine
Computermaus, die für die Handgelenke
nicht belastend ist. Auch Handstöcke
und Gehstützen können bei Schmerzen
beim Gehen entlastend wirken.
Überblick: Nicht-medikamentöse Behandlungen
Zur Schmerzbehandlung:
Thermotherapie, Elektrotherapie, Ultraschall, Massagen (allerdings je nach
Schmerzursache sehr unterschiedliche
Auswahl der Therapieverfahren)
Zur Entzündungshemmung:
Thermotherapie (Kälte bei akuten, Wärme
bei chronischen Entzündungen)
Zur Behandlung von
Bewegungsstörungen:
Heilgymnastik, Ergotherapie, Sporttherapie
Zur Muskelentspannung und
Verbesserung der Durchblutung:
Heilgymnastik, klassische Massage,
Wärmetherapie, Kältetherapie
Zur Muskelkräftigung:
Heilgymnastik, Reizstromtherapie,
Elektrotherapie
Zur Verhütung und Korrektur
von Fehlstellungen:
Heilgymnastik, Ergotherapie, Sporttherapie
71
Schmerz: Ursache und Therapie
Warum ist es wichtig,
Schmerzen ärztlich
abzuklären?
Weil nur so die richtige Diagnose und
Therapie gefunden und vor allem auch
der Schmerz beseitigt oder zumindest
gemildert werden kann. An erster Stelle
stehen eine gründliche Untersuchung,
klinische Befunde, bildgebende Verfahren
(Sonographie, Magnetresonanztomographie) und Labor, wobei vor allem Entzündungswerte und spezielle Rheumawerte
erhoben werden.
Um dem Schmerz auf die Spur zu
kommen, ist es auch sehr hilfreich, auf
folgende Symptome näher einzugehen:
Wo und wann treten die Schmerzen auf,
72
wie stark sind sie, kommt es zu Steifigkeit
oder Bewegungseinschränkung, treten die
Schmerzen gemeinsam mit Schwellungen
auf oder sind sie auch von Schwäche,
Angst oder Müdigkeit begleitet?
Oft haben Betroffene Schwierigkeiten,
ihren Schmerz zu beschreiben. Hier
kann die Selbsteinschätzung mit einer
Schmerzskala helfen. Auf einer Skala
kann der Patient seinen aktuellen Schmerz
als Punkt markieren, das hilft auch dem
Arzt, die Intensität einzuschätzen.
Wie werden Schmerzen
behandelt?
Nach den heutigen Standards wird die
medikamentöse Schmerzbehandlung
von chronischen Schmerzen nach den
KAPITEL 6
– allerdings für die Therapie von Tumorschmerzen aufgestellten – Regeln der
Weltgesundheitsorganisation (WHO)
durchgeführt.
Als Basistherapie (Stufe 1) werden so
genannte nicht-opioide Analgetika eingesetzt (Paracetamol, Metamizol, NSAR,
COX- 2-Hemmer), als Stufe 2, wenn diese
Medikation nicht ausreicht oder nicht vertragen wird, erfolgt eine Kombination mit
schwach wirksamen Opioiden. Erst nach
Ausschöpfung der Möglichkeit kommen
starke Opioide zum Einsatz (Stufe 3).
Stufe 1 – was sind nichtopioide Analgetika?
Nicht-opioide Analgetika sind schmerzstillende Arzneimittel (Analgetika),
die ihre Wirkung durch Unterdrückung
schmerzauslösender biochemischer
Prozesse entfalten. Im Idealfall unterdrücken sie die Schmerzempfindung,
ohne das Bewusstsein, die sensorische
Wahrnehmung und andere wichtige
Funktionen des Zentralnervensystems zu beeinflussen. Substanzen wie
Metamizol oder Paracetamol finden bei
leichten bis mäßig starken Schmerzen
Anwendung. Viele nicht-opioide Analgetika haben auch eine fiebersenkende
Wirkung.
Einige Substanzen aus der Gruppe
der nicht-opioiden Analgetika wirken
zusätzlich entzündungshemmend, diese
Arzneigruppe wird auch nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) genannt.
Dazu gehören beispielsweise die
Substanzgruppen Acetylsalicylsäure,
Ibuprofen, Dexibuprofen, Diclofenac
und Coxibe. Sie gelten aufgrund ihrer
entzündungshemmenden Eigenschaft
auch als Mittel der Wahl bei Rheumaschmerzen.
NSAR – die Allrounder unter
den Schmerzmitteln: Was
können sie?
NSAR – nicht-steroidaleAntirheumatika
– sind klassische Schmerzmittel. Sie
wirken entzündungshemmend und
schmerzstillend. Der komplexe Name
besagt nichts anderes, als dass es sich um
Substanzen handelt, die nichts mit Kortison zu tun haben (= nicht-steroidal).
Diese Präparate sind alle mit Aspirin im
weitesten Sinne verwandt.
Sie hemmen die Bildung von
Schmerzbotenstoffen, den Prostaglandinen (= hormonähnliche Substanzen, welche die Empfindsamkeit
der Schmerzrezeptoren steigern). Die
Wirkung von NSAR tritt oft schon
innerhalb von Stunden ein. Je nach
Bedarf kann die Einnahme bis zu
einer festgesetzten Maximaldosierung
erhöht werden. Sie können als Tablette, Zäpfchen oder Spritze verabreicht
werden.
Auch Präparate in Retard-Form sind
erhältlich. Ihre Wirkung setzt sozusagen mit Zeitverzögerung ein. Die
Wahl des geeigneten Mittels sollte in
73
jedem Fall mit dem behandelnden Arzt
abgestimmt werden.
Gibt es Nebenwirkungen
von NSAR?
Je länger die Behandlungsdauer und je
höher die Dosis der Einnahme, umso
eher können unerwünschte Effekte
auftreten. Vor allem die Schleimhaut
des Magen-Darm-Trakts wird zur
Zielscheibe dieser Nebenwirkungen.
Schätzungen gehen davon aus, dass diese Medikamente bei längerer Anwendung bei etwa 10% der Patienten ein
Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür
ausbilden, von dem diese zumeist nicht
das Geringste spüren.
Der Vorteil der Schmerzlinderung
wird hier zum Nachteil, denn die jetzt
entstandenen Magenprobleme werden
durch die „Dämpfung des Schmerzempfindens“ nicht wahrgenommen.
Neben den Schädigungen im Bereich
des Magen-Darm-Trakts können NSAR
vor allem bei älteren Patienten die
Nierenfunktion beeinträchtigen und zu
einer Wasseransammlung in den Beinen
(Ödeme) oder zu hohem Blutdruck
führen.
Was ist bei der Einnahme
von NSAR zu beachten?
Es ist darauf zu achten, dass NSARPräparate nicht auf nüchternen Magen
eingenommen werden. Alkohol sollte
nicht konsumiert werden, vor allem
74
nicht gemeinsam mit den NSAR.
Besonders gefährdet sind Patienten,
• die älter als 65 Jahre sind,
• die in ihrer Vergangenheit bereits einmal ein Magengeschwür oder Zwölffingerdarmgeschwür (Ulkus) hatten
oder
• die neben den NSAR zusätzlich Kortison erhalten oder
• die blutverdünnende Medikamente
einnehmen.
Wurde gleichzeitig mit einem NSAR
auch ein Aspirin verordnet, sollte dieses
immer zwei Stunden vor dem NSAR
eingenommen werden. Periodische
Blutkontrollen in Bezug auf Leberund Nierenwerte sind wesentlich. Die
Einnahme zweier verschiedener NSAR
erhöht das Risiko von Nebenwirkungen
massiv. Wechselwirkungen mit Präparaten, welche die Blutgerinnung hemmen
sollen oder den Blutzucker senken, sind
nicht selten und daher mit dem behandelnden Arzt zu besprechen.
Was heißt Magenschutz im
Zusammenhang mit NSAR?
Da das Angreifen der Magenschleimhaut
zu einer der wesentlichen Nebenwirkungen der NSAR gehört, sollte insbesondere bei den zuvor beschriebenen
Risikopatienten eine „Magenschutztherapie“ zum Einsatz kommen. Bereits
seit einigen Jahren werden neben den
Rheuma-Schmerzmitteln erfolgreich
solche Medikamente verordnet, die den
empfindlichen Magen abschirmen sollen.
KAPITEL 6
Drei Wirkprinzipien stehen dabei zur
Verfügung:
• Protonenpumpenblocker (PPI): Sie
reduzieren die Magensäure und verhindern so, Defekte an der Magenwand.
• Prostaglandine (Pg): Sie schützen die
Magenschleimhaut.
• H2 Blocker: können in höheren Do
sierungen verwendet werden, wenn
PPI oder Pg kontraindiziert sind.
dine (dies erfolgt über eine COX-2Hemmung).
COX-2 wird vor allem bei Entzündungsprozessen im geschädigten
Gewebe aktiviert. COX-1, für den
Schutz der Magenschleimhaut vor
Magensäure verantwortlich, wird allerdings nicht gehemmt. Coxibe lassen
also die Wirksamkeit des schützenden
COX-1-Enzyms unberührt, unterdrücken jedoch gezielt die Funktion des
Enzyms COX-2.
Gibt es Nebenwirkungen
bei COX-2-Hemmern?
Magenschutztherapie bei NSAR Einnahme beachten.
COX-2-Hemmer – klingt
kompliziert?
Diese Substanzgruppe steht dafür, dass
sie zwar die Wirkung, nicht jedoch die
unerwünschten Nebenwirkungen der
NSAR im Bereich des Magen-DarmTrakts hat. Die verbesserte MagenDarm-Verträglichkeit dieser Coxibe
beruht auf der unterschiedlichen
Hemmung der beiden Cyclooxygenase-Enzyme (COX-1 und COX-2),
die Anfang der 1990er-Jahre entdeckt
wurden. Wie die nicht-steroidalen
Antirheumatika (NSAR) hemmen auch
die Coxibe die Bildung der körpereigenen Schmerzbotenstoffe Prostaglan-
Leider sind auch selektive COX-2Hemmer nicht völlig frei von der Möglichkeit von Nebenwirkungen. Aufgrund
des Wirkprinzips kann die Rate an
gefährlichen Magen- und Darm-Nebenwirkungen von kortisonfreien Antirheumatika deutlich gesenkt werden. Wie
bei allen anderen NSAR ist allerdings
bei bekannter Herz-, Kreislauf- oder
Nierenerkrankung besondere Vorsicht
geboten, insbesondere dann, wenn sie
über mehrere Wochen täglich eingenommen werden. Weiters konnten in seltenen Fällen Hautreaktionen, Atemnot,
Konzentrationsschwäche und Schläfrigkeit beobachtet werden. Der Einsatz von
COX-2-Hemmern hat durchaus seine
Berechtigung nach dem Ausschluss von
Herzkrankheiten, nämlich bei Patientengruppen mit einem Risiko für das
Auftreten von Magen-Darm-Nebenwirkungen durch ein NSAR.
75
Stufe 2 und Stufe 3:
Wann werden Opioide
angewendet?
Werden auch Antidepressiva in der Schmerzbehandlung eingesetzt?
Laut nationalen und internationalen
Empfehlungen werden Opioide in der
Behandlung rheumatischer Schmerzen dann eingesetzt, wenn diese mit
anderen Maßnahmen nicht zufrieden
stellend behandelt werden können
bzw. wenn aufgrund der Nebenwirkungen ein Absetzen der bisherigen
Medikation erforderlich ist. Auch hier
wird im Wesentlichen laut WHOStufenplan vorgegangen, wonach zunächst schwache Opioide wie Tramadol oder Dihydrocodein zum Einsatz
kommen. Auch schwache Opioide
können – vorwiegend während der
Einstellungsphase – Nebenwirkungen wie Brechreiz und Verstopfung
verursachen. Mithilfe einer begleitenden Behandlung mit Abführmittel,
Medikamenten gegen Übelkeit und
Erbrechen (Antiemetika) sowie Antihistaminika kann jedoch gut gegengesteuert werden. Wird auch mit
dieser Kombination keine Schmerzfreiheit erzielt, werden schwache
Opioide durch starke Opioide (Oxycodon, Hydromorphon, Buprenorphin,
Fentanyl) ersetzt (Stufe 3).
Antidepressiva können bei Patienten
mit Fibromyalgie oder auch mit chronischen Schmerzen anderer Ursache
(z.B. Polymyalgia rheumatica) einen
wichtigen Beitrag zur Schmerzfreiheit
leisten, indem sie einerseits die Stimmungslage verbessern und andererseits
das Schmerzempfinden beeinflussen.
Wie groß ist die Suchtgefahr bei Opioiden?
Bei sachgemäßer Anwendung ist die
Sorge vor einer möglichen Suchtentstehung unbegründet.
76
Lebensfreude ist entscheidend für den Heilungserfolg.
Was bringen physikalische
Behandlungen?
Die Anwendung von physikalischen
Therapiemaßnahmen bei Schmerzpatienten hat eine lange Tradition. Wichtig
bei der Therapiezusammenstellung ist,
kein „allgemeines Rezept“ anzuwenden, sondern auf die jeweiligen Probleme des einzelnen Patienten einzugehen
und Behandlungsmöglichkeiten zu
kombinieren.
KAPITEL 6
Was versteht man unter
TENS?
Ein fixer Bestandteil der nicht-medikamentösen Schmerztherapie ist die
Elektrotherapie: Konstante Galvanisation, Iontophorese, Impulsgalvanisation, Schwellstrom und diadynamische
Ströme sind nur einige Stromformen,
die aufgrund ihrer durchblutungsfördernden, schmerzlindernden und
muskelentspannenden Wirkung zum
Einsatz kommen.
Dazu zählt auch TENS: Die „transkutane elektrische Nervenstimulation“
ist eine Therapieform, mit deren Hilfe
man akute und chronische Schmerzen
mit Strom unterschiedlicher Frequenz
behandeln kann. Sie ist eine bestimmte Form der Elektrotherapie, die zu
den Verfahren der physikalischen
Therapie gehört. Im Wesentlichen
wirkt TENS nach dem Prinzip der
Gegenirritation von Schmerzreizen.
Es gibt auch kleine, tragbare TENSGeräte, die Patienten selbstständig
zuhause verwenden können – nach
einer Einweisung durch den Arzt oder
Therapeuten.
Was passiert bei TENS?
Bei der transkutanen elektrischen
Nervenstimulation erzeugt ein Stimulationsgerät Stromimpulse, die
über Klebeelektroden auf der Haut
ins Gewebe geleitet werden. Stärke,
Dauer und Frequenz der Impulse lassen
sich bei der transkutanen elektrischen
Nervenstimulation individuell an die
Beschwerden des Patienten anpassen,
es wird nur ein Prickeln oder Kribbeln
verursacht. Dabei spielt auch die Größe
der Elektroden eine Rolle.
Manchmal werden die Elektroden auch
auf Akupunkturpunkte gesetzt, die im
Zusammenhang mit der von Rückenschmerzen betroffenen Region stehen.
Hier soll eine ähnliche Wirkung wie
mit den Nadeln erzielt werden: Das
Schmerzempfinden soll durch Auslösen
eines Gegenreizes (Berührung, Vibration) gesenkt werden.
Wie lange dauert eine
Sitzung?
Eine TENS-Sitzung dauert normalerweise etwa 20-50 Minuten. Da
die schmerzlindernde Wirkung meist
nur wenige Stunden anhält, wird die
Behandlung oft mehrmals täglich
wiederholt (zwei- bis viermal). Akute
Beschwerden verschwinden oft schon
nach wenigen Behandlungen. Bei chronischen Schmerzen dagegen wird TENS
oft jahrelang eingesetzt (in Heimbehandlung). Insgesamt scheint die
Behandlung mit TENS Rückenschmerzen unmittelbar zu lindern (maximal für
wenige Stunden). Dabei wirken Impulse
hoher Frequenz offenbar besser als solche mit niedriger. Ob die Behandlung
über einen längeren Zeitraum wirkt,
ist Studien zufolge noch unklar. Nach
Ansicht von Experten eignet sich TENS
eher als Begleittherapie, um Beschwer77
den unmittelbar und für kurze Zeit zu
lindern.
Wer sollte TENS nicht
anwenden?
von schmerzerzeugenden Substanzen
(z.B. Milchsäure) ein schmerzlindernder
Effekt erzeugt.
• Menschen mit einem Herzschrittmachen oder einem anderen implantierten
elektrischen Gerät
• wenn eine Thrombose vorliegt
• Schwangere
Die ausgeprägte psychische Wirkung
durch die Be„hand“lung und Zuwendung
darf dabei nicht unterschätzt werden.
Als Spezialmassagen sind die Bindegewebsmassage, manuelle Lymphdrainage,
Fußreflexzonenmassage und Periostmassage zu erwähnen.
Wie kann Massage bei
Schmerzen helfen?
Was bringt Wärme- bzw.
Kältetherapie?
Mit Massage wird über das Lösen von
Verspannungen und den Abtransport
Über die Anwendung von Wärme kommt
es zur Durchblutungssteigerung und
Muskelentspannung im Behandlungsareal und damit zur Schmerzlinderung. Wärme kann in Form von Packungen (z.B.
Fango, Moor oder Munari), Wickeln,
Bädern und Heißluft (Sauna) verabreicht
werden. Zu den Wärmetherapien werden auch die Ultraschalltherapie und die
Hochfrequenztherapie gezählt.
Kältetherapie, sei es in Form von Eispackungen oder in Form von Kaltluft in
Kältekammern, ist eine weit verbreitete,
unterstützende Therapieform bei rheumatischen, insbesondere bei entzündlichen
rheumatischen Erkrankungen. Kältetherapie ist lokal anwendbar für einzelne
Gelenke und Körperteile. Sie wird jedoch
auch als Ganzkörpertherapie angewandt.
Schmerzlinderung durch Fußreflexzonenmassage
78
Die Behandlung einzelner Körperpartien
erfolgt durch Kältebeutel mit ca. minus
10 °C. Bei der Behandlung mit Kältebeu-
KAPITEL 6
teln muss darauf geachtet werden, dass
die Kälte trocken mit einem Leinentuch auf der Haut angeboten wird, um
Schädigungen der Hautoberfläche zu
vermeiden.
Inwiefern kann Akupunktur
die Rheumatherapie
unterstützen?
Sie wird in erster Linie ergänzend zur
Schmerzlinderung eingesetzt. Bei der
Akupunktur werden gewisse Schmerzpunkte am Körper mithilfe von Akupunkturnadeln aktiviert. Diese Punkte
liegen auf bestimmten Linien auf der
Haut – so genannten Meridianen – und
entfalten bei mechanischer Reizung
bestimmte Wirkungen im Körper.
Manche Patienten sprechen auf eine
Therapie mit Akupunktur gut an.
Wichtig zu wissen: Die Akupunktur
kann zwar chronische Schmerzen lindern, aber den Verlauf der Erkrankung
nicht beeinflussen.
Wie wichtig ist Bewegung
in der Rheumatherapie?
Einen ebenso wichtigen Bestandteil
der Schmerztherapie bildet sowohl
die passive als auch die aktive Bewegung. Diese beinhaltet auch jede
noch so kleine Bewegung im Zuge der
alltäglichen Verrichtungen. Spezielle
physiotherapeutische Krankengymnastik bekämpft nicht nur Symptome wie
beispielsweise die Morgensteifigkeit,
sondern vermindert zusätzlich auch die
Angst vor dem Schmerz.
Warum sollten Rheumapatienten auch psychologische Beratung suchen?
Eine psychologische Betreuung kann
Patienten mit chronischen Schmerzen
helfen, die oft belastenden Folgen
derartiger Erkrankungen wie soziale
Isolation und Hoffnungslosigkeit zu
vermeiden.
Gespräche erleichtern den Umgang mit der Erkrankung.
Eine derartige fachmännische Beratung
sollte daher ebenfalls einen festen Platz
im therapeutischen Konzept einnehmen.
Zusätzlich kann dadurch die Motivation
für die langfristigen, mitunter unangenehmen Therapien erhöht und damit ihr
Erfolg verbessert werden.
79
Rezeptfreie Präparate
80
Selbstmedikation –
was heißt das genau?
Wie sinnvoll ist eine zusätzliche Schmerztherapie?
Nicht selten wollen Betroffene zusätzlich
zu den vom Arzt verordneten Präparaten
selbst etwas dazu beitragen, um ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Hier steht
der Patient aufgrund des großen Angebots
oft vor der „Qual der Wahl“. Grundsätzlich sind rezeptfreie, also nicht verschreibungspflichtige Präparate, in der Apotheke
erhältlich. Sie sind selbst zu bezahlen und
es obliegt der Entscheidung des Patienten,
den Nutzen dieser Produkte abzuwägen.
Im Anschluss kann nur ein Auszug der in
gut sortierten Apotheken erhältlichen Präparate angeführt werden. Sinnvoll ist es
vorher mit dem Arzt zu spechen und sich
vom Apotheker beraten zu lassen.
Als Zusatztherapien bei akuten Schmerzen im Sinne der Selbstmedikation
– das heißt, Anwendung von rezeptfreien Präparaten – sind Schmerzmittel
gut geeignet. Diese schmerzstillenden
Mittel (Analgetika) werden oft zusätzlich von den Patienten bei Bedarf nach
vorheriger Absprache mit dem Arzt
eingenommen.
Wichtig ist es, sich über mögliche
Wechselwirkungen mit anderen
Arzneien zu informieren. Rezeptfreie
Schmerzmittel sollten nicht länger als
zwei Tage eingenommen werden, ohne
den Arzt darüber zu informieren.
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Über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkungen informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker.
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KAPITEL 6
Gibt es weitere wirkungsvolle, rezeptfreie Arzneien?
Ja. In der Apotheke sind Arzneien,
Nahrungsergänzungsmittel oder diätetische Lebensmittel in Tabletten- oder
Kapselform erhältlich, die unterstützend
bei Entzündungen zum Einsatz kommen und nicht verschreibungspflichtig
sind. Es werden hier oft Wirkstoffe aus
der Natur verwendet, welche im Endeffekt vor allem die Beweglichkeit der
Gelenke verbessern helfen. So können
etwa Omega-3-Fettsäuren rheumatische Beschwerden etwas lindern. Diese
Präparate sind ergänzend zu einer durch
den Arzt verordneten, medikamentösen Therapie in vielen Fällen für den
Einzelnen hilfreich. Vor der Einnahme
sollten Sie jedoch in jedem Fall Ihren
Arzt über die Absicht dieser zusätzlichen Therapie informieren.
82
Entzündungsprozess eingreifen können,
indem sie als Gegenspieler zur Arachidonsäure – welche Entzündungsprozesse fördert – fungieren. Aufgenommen
werden diese essentzellen Fettsäuren
über die Nahrung. Die wesentlichste
Nahrungsquelle für Omega-3-Fettsäuren sind Pflanzenöle, wie Leinsamen-,
Sonnenblumen-,n Maiskeim-, Rapsund Sojaöl sowie maritime (fettreiche)
Kaltwasserfische wie Hering oder
Makrele. Schon zwei Fischmahlzeiten
pro Woche können ausreichend Omega3-Fettsäuren liefern.
Was bewirken Omega-3Fettsäuren?
Fisch hat einen hohen Omega-3-Fettsäureanteil.
Bestimmte Fettsäuren kann der menschliche Organismus selber nicht produzieren, sie müssen mit der Nahrung
zugeführt werden. Dazu zählen auch
die so genannten Omega-3-Fettsäuren.
Dies sind essenzielle Fettsäuren, die
lebenswichtig sind, da sie für die
verschiedensten Zellfunktionen von
grundlegender Bedeutung sind. Gerade
im Hinblick auf rheumatische Erkrankungen geht man davon aus, dass diese
Omega-3-Fettsäuren regulierend in den
Da viele Menschen aber nur wenig oder
gar keinen Fisch essen, werden auch
zu wenig Omega-3-Fettsäuren aufgenommen. Die mittlere tägliche Zufuhr
entspricht laut „deutschem Ernährungsbericht 2000“ nur ca. 13% der täglich
empfohlenen Menge. Daher ist oftmals
die Einnahme von hoch dosierten
Omega-3-Fettsäure-Kapseln eine
Möglichkeit. Diese erhalten Sie in Ihrer
Apotheke, sie können zusätzlich zur
Standardtherapie eingenommen werden.
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Wie wirkt eigentlich
Chondroitinsulfat?
Chondroitinsulfat wird von Chondroblasten (= Zellen, die zur Bildung des
Knorpelgewebes befähigt sind) gebildet. Es ist ein wichtiger Bestandteil des
Knorpelgewebes. Chondroitinsulfat ist
ein körpereigener Stoff, der bei allen
Menschen in ausreichenden Mengen
vorhanden ist. Seine wichtigste Funktion ist die Bindung von Wasser im Knorpel. Bei einem arthrotisch-degenerativ
veränderten Knorpel beobachtet man
eine Abnahme des ChondroitinsulfatGehalts. Demzufolge geht das Wasserbindungsvermögen verloren und die
Degeneration (= Abnützung) des Knorpels schreitet voran. Der Knorpel nützt
sich ab, Bewegungseinschränkungen
und Schmerzen sind die Folge. Durch
die Gabe von Chondroitinsulfat (z.B.
in Tablettenform) soll das Stoffwechselgleichgewicht der Gelenkknorpel
wiederhergestellt und ein Fortschreiten
der Erkrankung verzögert werden.
Arthrose: Knorpelabbau bremsen ist ein wichtiges Ziel
Was bewirkt Glucosamin?
Glucosamin soll positive Effekte
im Hinblick auf Entzündungen und
Schmerzen in den Gelenken zeigen.
Da mit zunehmendem Alter der Körper
langsam die Fähigkeit verliert, die für
den Gelenkstoffwechsel notwendigen
Bausteine selbstständig aus der Nahrung zu synthetisieren, könen eine
zusätzliche Zufuhr günstig sein.
Dieser Wirkstoff ist, wie auch Chondroitinsulfat, ein natürlicher Bestandteil
der Gelenke und dient sozusagen als
eine Art Grundbaustoff durch seine
Halten Sie vor der Einnahme von
rezeptfreien Präparaten und Nahrungsergänzungsmittel in jedem Fall Rücksprache mit Ihrem behandelten Arzt.
Ob diese Substanz tatsächlich die strukturmodifizierenden und schmerzlindernden Wirkungen entfaltet, muss wissenschaftlich weiter untersucht werden.
84
Funktionalität als Wasserspeicher in den
Bandscheiben und Gelenkknorpeln. Er
ist damit ein wichtiger Bestandteil der
Gelenkschmiere.
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KAPITEL 7
Bewegung, Ernährung
und Selbsthilfe
Bewegen, ohne allzu sehr
zu belasten – geht das?
Regelmäßige Bewegung ist gerade bei
Rheumatikern ein entscheidender Faktor im Kampf gegen Schmerzen und die
Steifigkeit der Gelenke. Es kommt nicht
darauf an, sportliche Höchstleistungen
zu erzielen, sondern die Muskulatur auf
schonende Weise zu kräftigen. Vor jeder
Sportausübung sollte aber Rücksprache
mit dem Arzt gehalten werden.
erhöhen. Außerdem hilft jegliche körperliche Betätigung beim Abnehmen,
denn bedenken Sie: Jedes Kilogramm
Übergewicht belastet Ihre Gelenke
unnötig und verschlimmert Ihre Beschwerden! Neben der medikamentösen
Therapie gelten Krankengymnastik (als
Trockentherapie oder im Bewegungsbad), Ergotherapie und die physikalische Therapie (Wärme, Kälte, Massagen, Elektrotherapie) als die wichtigsten
Elemente der Rheumabehandlung.
Was kann man zu „Sport bei
Rheuma“ sagen?
Sollte man auf echtes
Krafttraining verzichten?
Jede körperliche Bewegung kann die
Gelenkschmerzen lindern, die Beweglichkeit fördern und die Muskelkraft
Nein, ganz und gar nicht! Im Gegenteil: Krafttraining ist das Pendant zum
Ausdauertraining und zielt darauf ab,
87
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Anregung der
Bauchmuskulatur
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Aufrechter Gang
2
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Anregung der
Gesäßmuskulatur
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1
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Anregung der
Rückenmuskulatur
7
Steigerung der
Körperspannung
Anregung der
Durchblutung
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Anregung der Ober- und
Unterschenkelmuskulatur
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Anregung des
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KAPITEL 8
das „Organ Muskel“ gesund zu erhalten. Es gilt als erwiesen, dass Krafttraining das Muskel- und Skelettsystem
stärkt und dessen Funktionszustand
nachhaltig verbessern kann.
Gerade bei einer rheumatischen
Erkrankung kommt einem gesunden
Muskelsystem eine sehr bedeutende
Rolle zu: Die Aktivitäten des täglichen
Lebens werden Ihnen dadurch leichter fallen und das Verletzungsrisiko
wird durch funktionales Krafttraining
– Stichwort: Sturzprophylaxe – auch
deutlich gesenkt. Eine finnische Studie,
die an 70 Patienten über einen Zeitraum von zwei Jahren durchgeführt
wurde, kam zu dem Ergebnis, dass
ein wohldosiertes, unter fachkundiger
Anleitung ausgeführtes Krafttraining
auf Schmerzempfinden, Knorpelabbau
und Entzündungsintensität einen positiven Effekt erzielt. Die Schmerzen
jener Patienten, die ein regelmäßiges
Krafttraining absolvierten, gingen um
67%, die Entzündungsintensität und
der Knorpelabbau um jeweils etwa
50% zurück.
Als die Patienten der aktiven Gruppe nach zwei bzw. nach fünf Jahren
nochmals getestet wurden, hatten diese
deutlich weniger Schmerzen und es
war ihnen eine höhere Geschwindigkeit beim Treppensteigen möglich. Als
effizienteste Trainingsmethode hat sich
Krafttraining mit zusätzlichen Gewichten, also mit freien Hanteln oder mit
Kraftmaschinen bewährt.
Tipps fürs Krafttraining:
• Trainieren Sie die großen Muskelpartien
des Körpers, wie Beine, Brust, Rücken
und Schultern. Wählen Sie dazu anfangs
leichte Hanteln, Gymnastikstäbe, Gummibänder (Thera-Band®) oder Expander
und machen Sie Liegestütze und Halteübungen für Schultern, Arme und Beine.
• Vermeiden Sie „Über-Kopf-Übungen“,
also Übungen, bei denen Sie Gewichte
höher als über die Schulter heben.
• Absolvieren Sie das Krafttraining zunächst nur ein- bis zweimal die Woche.
Später können Sie auf dreimal die Woche
steigern.
• Ruhig und kontrolliert trainieren! Kon-
zentrieren Sie sich auf den beanspruchten Muskel und vermeiden Sie dabei
Ablenkung (Radio, TV, Plauderei).
• Überfordern Sie sich nicht! Beginnen Sie
mit leichten Gewichten – 0,5 kg bis
maximal 2,5 kg in Abhängigkeit von der
jeweiligen Übung – und steigern Sie das
Gewicht dann langsam. Speziell für Män
ner: Hier gilt nicht das Prinzip: „Je mehr,
desto besser!“.
• Pro Übung sollten Sie zwei bis drei Sätze
mit jeweils 10-15 Wiederholungen
anstreben.
Gibt es Alternativen zum
Krafttraining?
Die Feldenkrais-Methode ist eine Bewegungslernmethode, bei der die individuelle Verbesserung der Bewegungsqualität
und der persönlichen Bewegungslernprozesse im Mittelpunkt stehen.
Pilates ist ein sanftes, aber sehr effizientes Training, das den ganzen Körper
89
beansprucht. Die Muskeln werden so
trainiert, dass aus den von Rheuma
geplagten Muskelknoten langgestreckte,
geschmeidige Muskelstränge werden.
Machen Schmerzen eine
Sportausübung unmöglich?
Wenn Sie vor Rheumaschmerzen kaum
die Treppe hinaufkommen, werden Sie
sich wahrscheinlich nur schwer vorstellen können, Sport zu betreiben. Doch
es bietet sich eine Vielzahl von Sportarten für den Einstieg an und so können
auch ältere Menschen und Ungeübte
das Bewegungsprogramm finden, das
ihrem Körper gut tut und gleichzeitig Spaß macht. Viele Rheumakranke
berichten auch davon, dass nur die ersten
paar Schritte (Walking, Jogging) oder
Schläge (Tennis, Tischtennis, Golf)
sehr unangenehm bis schmerzhaft sind,
diese Schmerzen aber nach einer kurzen
„Warmlaufphase“ wieder verschwinden.
Sind Ball- und Mannschaftssportarten verboten?
Alle Sportarten, bei denen die Akteure
heftigen Belastungen der Gelenke durch
Stöße ausgesetzt sind, sind für Rheumakranke nur sehr bedingt empfehlenswert
(Basket-, Volleyball). Jedoch gibt es hier
keine generellen Richtlinien. Finden Sie
für sich persönlich heraus, welche Sportart Ihnen liegt oder die Sie schon vor der
Erkrankung ausgeübt haben, und besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob und welche
Gefahren für Sie bestehen könnten.
90
Gymnastik in Gruppen macht oft mehr Spaß.
Welche Sportarten sind für
Gelenke wenig belastend?
Als geeignete Sportarten etwa bei Arthrosen der Hüft-, Knie- oder Sprunggelenke gelten Radfahren, Schwimmen,
Aqua-Gymnasik und (Nordic) Walking.
Beim Radfahren sollte man aber starke
Steigungen wegen des erhöhten Drucks
auf Knie- und Hüftgelenk meiden.
Viele Rheumakranke führen Gymnastikübungen auch gerne in der Gruppe
durch, da man dabei hilfreiche Bewegungsabläufe genau einlernt, Fehlhaltungen werden korrigiert.
Ernährung bei Rheuma:
Was soll auf den Teller?
Die Frage nach der richtigen Ernährung
bei rheumatischen Erkrankungen oder
KAPITEL 8
wie man mit einer entsprechenden Kostform oder Nahrungsergänzungsmitteln
(in Pillen- oder Kapselform) Einfluss auf
Rheuma nehmen kann, wird seit Jahren
kontroversiell diskutiert.
Es ist wichtig zu wissen, dass verschiedene Studien teilweise uneinheitliche
Ergebnisse gebracht haben. Mit einer
„normalen“, ausgewogenen Ernährung
werden üblicherweise ausreichend Vitamine und Spurenelemente aufgenommen. Somit sollte eine Einnahme dieser
Stoffe in Pillen- oder Kapselform nur
nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgen. Ebenso kann mit einer Ernährungsumstellung niemals eine rheumatische
Erkrankung „geheilt“ werden (Ausnahme: Gicht) und diese ersetzt somit niemals z.B. eine Basistherapie. In der auf
strengen Qualitätskriterien beruhenden,
evidenzbasierten Medizin können milde, aber unumstrittene Vorteile nur für
die Nahrungsergänzung mit Omega-3Fettsäuren (Fischöl-Kapseln) gefunden
werden. Für Vermeidungsdiäten oder
die Zufuhr von Vitaminen, Mineralien
und Antioxidanzien ist die Wirksamkeit
bei rheumatischen Krankheiten nicht
einheitlich bewiesen. Unumstritten ist
die Notwendigkeit der Kalziumzufuhr
zur Vorbeugung von Knochenschwund.
Vitamin-D- und kalziumreiche Ernährung beugt Osteoporose vor.
Die gängige Praxis der Diätberatung
folgt der Theorie, dass bestimmte Inhaltsstoffe in Lebensmitteln Entzündungen fördern bzw. hemmen können und
so die Beschwerden lindern.
So sollten Rheumakranke Wert auf eine
Kost legen, die arm an Arachidonsäure
und reich an Omega-3-Fettsäuren bzw.
Linolsäure ist. Arachidonsäure wird
vom Körper selbst hergestellt bzw. ist
vorwiegend in tierischen Produkten
enthalten. Aus Arachidonsäure bildet
der Körper u.a. Entzündungsbotenstoffe wie z.B. die Prostaglandine, die
wichtige Auslöser von entzündlichen
Reaktionen sind. Arachidonsäure findet
sich besonders häufig in Fleisch- und
Wurstprodukten.
Omega-3-Fettsäuren in Fischen sind entzündungshemmend.
Besonders hoch ist ihr Anteil in
Schweineschmalz (1.700 mg/100 g),
Schweineleber (870 mg/100 g), Eigelb
(297 mg/100 g) und Leberwurst (230
mg/100 g). Werden Lebensmittel mit
Arachidonsäure gemieden – also die
Zufuhr auf weniger als 50 mg pro Tag
gedrosselt –, so steht dem Körper weniger für die Produktion von entzündungsfördernden Prostaglandinen zur
Verfügung. Dadurch soll es bei Patienten mit rheumatoiden Arthritis, aber
auch bei Herz- und Lungenkrankheiten
zu einer Verbesserung des Krankheitsbildes kommen. Es wurde festgestellt,
91
dass in Ländern, die einen höheren
Fleischverzehr aufweisen, mehr Menschen an rheumatischen Erkrankungen
leiden als etwa in Japan oder bei den
Eskimos, die sehr viel Fisch essen.
Als gesichert empfehlenswert ist lediglich die regelmäßige Aufnahme von
Omega-3-Fettsäuren durch Fischöle,
Kaltwasserfische wie Lachs, Makrele,
Hering etc. An Omega-3-Fettsäure
reiche Lebensmittel senken den Arachidonsäurespiegel im Blut und hemmen
so die Bildung von Prostagladinen.
Ebenfalls empfehlenswert ist die AlphaLinolensäure, die sich in Lein-, Raps-,
Walnuss- und Sojaöl findet.
Einige Untersuchungen haben gezeigt,
dass Patienten mit entzündlichen rheumatischen Erkrankungen einen Mangel
an den Vitaminen A, C und E (so genannten Antioxidanzien) aufweisen und
dass Vitamin E besonders im entzündeten Gelenk stark vermindert ist.
Antioxidanzien werden umgangssprachlich auch als „Radikalfänger“ bezeichnet. Sie binden schädliche Stoffe – so
genannte freie Radikale im Stoffwechsel
– und machen sie dadurch unschädlich.
Zu den klassischen Antioxidanzien zählen Vitamin C, E, Beta-Carotin, das im
Körper in Vitamin A umgewandelt wird,
und Selen. Bei entzündlichen Prozessen
im Körper soll der Bedarf an Selen höher
sein. Zusätzlich sind Kupfer, Mangan
und Zink an schützenden, im Körper
produzierten Enzymen beteiligt.
92
Obst und Gemüse enthalten wichtige
Antioxidanzien. Aufgrund des hohen
Gehaltes an Carotinoiden sind dunkelgrüne, rote und orangefarbige Früchte
besonders günstig. Vollkorngetreide,
Nüsse, Weizenkeime, Sonnenblumenkerne und pflanzliche Öle liefern viel
Vitamin E und Selen.
Reichlich Vitamin C enthalten frische
Kräuter, Zitrusfrüchte, Kiwis, schwarze
Johannisbeeren, Erdbeeren, Sanddorn,
aber auch verschiedene Gemüsesorten
wie Paprika, Kohl oder Tomaten.
Beta-Carotin, das im Körper in Vitamin A umgewandelt wird, findet sich
ebenfalls in verschiedenen Obst- und
Gemüsesorten wie Marillen, Pfirsichen,
Tomaten, Paprika, Brokkoli, Karfiol,
Grünkohl, Spinat und Karotten.
Was kann ich sonst noch
tun?
• Übergewicht abbauen: Jedes
Kilogramm Gewichtsabnahme bringt
vor allem bei Menschen mit Arthrose Entlastung für Knorpel und Bänder, Kniegelenke, Hüfte und Wirbelsäule. Zu empfehlen ist hier eine
energiereduzierte Mischkost, bei der
nicht weniger als 1.500 kcal (Männer) oder 1.200 kcal (Frauen) pro Tag
zugeführt werden.
• Fasten bewirkt bei Patienten mit
rheumatoider Arthritis oft eine
Besserung der Beschwerden, allerdings ist die Wirkung nur von kurzer
Dauer. Längere Fastenkuren sollten
KAPITEL 8
daher nur mit ärztlicher Hilfe durchgeführt werden, da die Gefahr einer
Mangelernährung sonst zu groß ist.
• Menschen mit Gicht können ein
Übermaß an Harnsäure schlechter
über die Niere ausscheiden. Harnsäure entsteht im Körper beim
Abbau bestimmter Zellbestandteile,
der so genannten Purine. Bei hohen
Konzentrationen von Harnsäure im
Blut lagert sie sich in Form von
Kristallen insbesondere in Gelenken
ab und führt zu schmerzhaften Entzündungsattacken.
Purine werden neben der körpereigenen Produktion auch mit bestimmten Nahrungsmitteln zugeführt. Dazu gehören vor allem Innereien, Wurst, Fleisch, Grammeln,
aber auch ein Übermaß an Hülsenfrüchten, Kakao, Nüssen oder Bier
wäre ungünstig.
Die empfohlene Kost bei Gicht:
viel frisches Obst, Gemüse und
Salat, mehr Vollkornprodukte, wenig
Fleisch, Fett, Zucker und Alkohol.
Gichtkranke sollten auch Übergewicht reduzieren und unbedingt an
einer professionellen Beratung durch
eine/n Diätologin/en teilnehmen.
• Rauchen und auch Stress verschlechtern immunologisch bedingte
Erkrankungen. Raucher leiden doppelt so häufig an rheumatoider Arthritis wie Nichtraucher.
• Alkohol in größeren Mengen meiden!
• Vorbeugung von Osteoporose: Die
Osteoporose (Knochenschwund)
ist eine eigenständige Erkrankung,
Milch hat einen hohen Kalziumanteil.
aber sie kann durch eine rheumatische Erkrankung entstehen. Die
Gründe sind Entzündungen, bestimmte Medikamente und Bewegungseinschränkungen. Um die
Knochen zu stärken, sollten Sie
auf die Zufuhr von Kalzium achten
(1 g/Tag) und viel Bewegung
an der frischen Luft machen, damit
der Körper Vitamin D bilden kann.
Vitamin D fördert den Kalziumein
bau in die Knochen.
Die besten Kalziumquellen sind
fettarme Milchprodukte, Kohlgemüse, Brokkoli, Kohlrabi, Lauch, Fenchel, Sellerie, Löwenzahn sowie
kalziumangereicherte Mineralwässer.
93
Gibt es so etwas wie Ernährungsregeln bei Rheuma?
• Achten Sie auf eine abwechslungs
reiche Kost mit Schwerpunkt auf
pflanzlichen Lebensmitteln – reich
an Gemüse, Obst und Vollkornprodukten.
• Wenig (mageres) Fleisch – nur
maximal zweimal pro Woche
• Keine Innereien
• Meiden Sie Wurstwaren!
• Essen Sie viel Kaltwasserfisch,
mindestens zweimal pro Woche.
• Verwenden Sie hochwertige Pflanzenöle wie Walnussöl, Leinöl, Rapsöl, Sojaöl.
• Milch- und Milchprodukte sind von
großer Bedeutung (Osteoporoseprophylaxe!); sie sollten täglich auf
dem Speiseplan stehen und enthalten
in fettreduzierter Form kaum bzw.
Wo finde ich soziale und
finanzielle Unterstützung?
Von Kostenbefreiung und Förderung
bis hin zum Pflegegeld: Es gibt einige
Möglichkeiten für finanzielle und soziale Förderungen, die Rheumakranke in Anspruch nehmen können.
Grundsätzlich hängen die Leistungen
bzw. deren Höhe vom individuellen
Gesundheitszustand und den finanziellen Gegebenheiten ab. Die erste
Anlaufstelle ist das Bundessozialamt.
Dort wird ein Antrag gestellt, indem der
94
keine Arachidonsäure.
• Sojaprodukte: Sie enthalten hochwertiges pflanzliches Eiweiß, keine
Arachidonsäure und sind reich an
Linol- und Linolensäure.
Wichtige Vitamin-E-Lieferanten!
• Wenig Alkohol (Alkohol fördert die
Bildung von Oxidanzien), wenig
Zucker!
• Ausreichend Bewegung an der
frischen Luft, dadurch werden der
Knochenanbau und die Bildung von
Vitamin D im Körper gefördert.
• Trinken Sie mindestens 2–2,5 Liter Flüssigkeit (Wasser, Mineralwasser oder ungesüßten Tee); liegt
gleichzeitig zum Rheuma eine Herzoder Nierenerkrankung vor, ist der
Flüssigkeitsbedarf individuell festzulegen.
• Auf schonende Zubereitung achten,
um die Vitamine zu erhalten.
derzeitige Gesundheitszustand sowie
der Grad der körperlichen Einschränkung festgestellt werden. Beträgt
dieser mindestens 50%, so genießen
Sie besonderen Schutz und finanzielle
Erleichterungen wie speziellen Kündigungsschutz als Dienstnehmer, Förderungen und den Anspruch auf einen
Behindertenpass. Nähere Auskünfte
geben die Bundessozialämter
bzw. unter www.basb.bmsg.gv.at
Steuer-Spar-Tipps: Wer unter einer
chronischen Krankheit leidet, kann mit
KAPITEL 8
einer steuerlichen Erleichterung – auch
durch Abschreiben von „außergewöhnlichen Belastungen“ – beim zuständigen
Finanzamt rechnen. Alle Informationen
finden Sie im Steuerbuch, das beim Finanzamt erhältlich ist, bzw. auch unter
www.bmf.gv.at
Bezug von Pflegegeld: Wenn Sie Unterstützung bei den täglichen Aufgaben
benötigen, sollten Sie einen Antrag auf
Pflegegeld stellen. Das Pflegegeld ist
eine zweckgebundene Leistung, die für
die Abdeckung von pflegebedingten
Mehraufwendungen bestimmt ist. Es
wird in 7 Stufen – je nach Pflegebedarf
– monatlich ausbezahlt. Sie können
das Pflegegeld je nach dem jeweiligen
Landespflegegesetz beim Magistrat, bei
der Bezirkshauptmannschaft bzw. beim
Gemeindeamt beantragen.
www.help.gv.at -> Suche -> Pflegegeld
Anprechpartner in
sozialen Fragen:
• Bundessozialamt: 1010 Wien,
Babenbergerstraße 5, Tel.: 05/99 88
(österreichweit zum Ortstarif),
Fax: 05/99 88-2131,
[email protected];
www.basb.bmsk.gv.at
• Bundesministerium für Finanzen:
1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b,
Bürgerservice: Tel.: 0810/001 228
(österreichweit zum Ortstarif),
www.bmf.gv.at
• Fonds Soziales Wien,
Pflege und Betreuung,
SozialRuf Wien: Tel.: 01/533 77 77,
www.fsw.at
• Bundesministerium für Soziales
und Konsumentenschutz (BMSK):
1010 Wien, Stubenring 1,
Tel.: 01/711 00-0,
www.bmsk.gv.at,
• Behindertenanwaltschaft
www.help.gv.at
• Gebührenfreie Hotlines:
- Behindertenanwaltschaft:
0800/80 80 16
- Pflegetelefon: 0800/20 16 22
- Sozialtelefon: 0800/20 16 11
Selbsthilfegruppen:
• Österreichische Rheumaliga (ÖRL):
Daniela Loisl (Präsidentin),
1010 Wien, Mahlerstraße 3/2/7;
Tel.: 0699/155 41 679;
www.rheumaliga.at
• Österreichische Vereinigung
Morbus Bechterew (ÖVMB):
Ing. Paul Pocek (Präsident),
1020 Wien, Obere Augartenstraße 26-28,
Tel.: 01/332 28 10;
www.bechterew.at
• PsO Austria
(Psoriatiker-Vereinigung):
Friederike Schönauer (Obfrau),
1200 Wien, Jägerstraße 3/2,
Tel.: 0664/735 79 869;
www.pso-austria.at.tt
Rheumaambulanzen:
siehe auf www.rheumaliga.at oder
www.rheumatologie.at
95
„Rheuma verstehen“ hat ein aufschlussreiches Interview zum Thema Selbsthilfe mit Daniela Loisl von
der Österreichischen Rheumaliga
geführt.
Rheuma verstehen (Rv): Sehr geehrte Frau Loisl, Sie sind seit 19 Jahren
in Selbsthilfegruppen engagiert und seit
sechs Jahren Leiterin der Österreichischen Rheumaliga. Was sind die Vorteile
einer Selbsthilfegruppe für Rheumatiker?
Loisl: Selbsthilfegruppen haben die
Aufgabe, eine Plattform für den Erfahrungsaustausch von Betroffenen zu sein,
und dienen der praktischen Lebenshilfe
sowie der gegenseitigen emotionalen
Unterstützung. Es geht uns als Österreichische Rheumaliga darum, unseren
Mitgliedern juristische und seelische
Begleitung anzubieten.
Rv: Was bieten Sie Ihren Mitgliedern
alles an?
Loisl: So Betroffene das wünschen,
können sie ein Gespräch mit dem
jeweiligen Landesgruppenleiter führen.
Weiters gibt es mittlerweile zahlreiche
Themenabende, wo wir Spezialisten zur
Diskussion mit unseren Mitgliedern ein96
laden. Darüber hinaus veranstaltet jedes
Bundesland einen Rheumatag. Zusätzlich gibt die Österreichische Rheumaliga viermal im Jahr eine Zeitung
unter dem Namen „Aktiv mit Rheuma“
heraus, wo wir über die wichtigsten
Neuheiten – sowohl was Forschungsergebnisse als auch neue Medikamente
am Markt betrifft – berichten.
Rv: Was ist Ihnen mit Ihrer jahrelangen Erfahrung wichtig, Betroffenen zu
vermitteln?
Loisl: Betroffene sollten sich unbedingt
an diejenigen wenden, die am meisten mit diesem Krankheitsbild zu tun
haben, bis sie eine adäquate medikamentöse und auch nicht-medikamentöse
Therapie besprochen haben. Rheuma
ist eine ernsthafte Erkrankung, die man
in keinem Fall auf die leichte Schulter
nehmen darf! Vorsicht ist auf alle Fälle
geboten vor Scharlatanen, die Ihnen
vielleicht sogar raten, auf alle Medikamente zu verzichten! Sprechen Sie mit
KAPITEL 8
Ihrem Rheumatologen, er ist für Ihre
Erkrankung Ihr Vertrauensarzt. Seriöse
Komplementärmedizin hat ihre Berechtigung, aber es soll immer ein „Miteinander“ der therapeutischen Maßnahmen
sein – zum Wohle Ihrer Gesundheit. Wir
sind dazu da, Betroffene zu beraten und
ihnen bei Ansuchen um Unterstützungen zu helfen. Da wir alle ehrenamtlich
tätig sind und bei den Krankenkassen
und in der Politik um die Akzeptanz
von „Rheuma“ kämpfen, ist eine große
Mitgliederzahl ausschlaggebend. Je
mehr Rheumapatienten sich zusammenschließen, desto mehr können wir
erreichen. Aus diesem Grund ersuchen
wir Betroffene, sich uns als Mitglied
anzuschließen.
Rv: Wo sehen Sie heutzutage Probleme,
mit denen an Rheuma erkrankte Menschen zu Beginn zu kämpfen haben?
Loisl: Rheuma ist keine „schicke“
Krankheit. Ein Rheumakranker wird
gerne mit „alt“ und „wehleidig“ gleichgesetzt. Die Gesellschaft akzeptiert die
Erkrankten nicht. Nicht selten berichten
Betroffene von Problemen am Arbeitsplatz, wo sie als „Tachinierer“ hingestellt werden.
Rv: Glauben Sie, dass es typische
Phasen gibt, die ein Erkrankter nach der
Diagnosestellung durchmacht?
Loisl: Es ist hinlänglich bekannt, dass
die Bewältigung von Erkrankungen
in mehrere Phasen eingeteilt werden
kann. Wir konnten immer wieder
beobachten, dass nach einer „Zeit der
Verzweiflung“ über die Schmerzen
und womöglich das Aufgeben geliebter Gewohnheiten (Sportarten) eine
Phase des „Nicht-wahrhaben-Wollens“ eintritt. Die Schübe werden im
wahrsten Sinne des Wortes „weggeschoben“. Oft stellt sich danach eine
Phase der „aufbrechenden Emotionen“ (Aggression und Wut) ein – so
es sich um eine positive Auseinandersetzung mit der Erkrankung handelt.
Oftmals kann man dann mit Unterstützung der Angehörigen eine Phase
der „Anpassung und Akzeptanz“
beobachten. Die Phasen sind individuell unterschiedlich lang. Jeder muss
sich auch die Zeit zugestehen, die er
selbst für die Bewältigung benötigt.
Ziel sollte es sein, sich und das Leben
mit der Erkrankung anzunehmen. Wir
haben die Beobachtung gemacht, dass
Menschen, die das Gespräch über ihre
Erkrankung zulassen und Begleitung
suchen, oft schon am halben Weg zur
Akzeptanz ihrer Erkrankung sind.
97
Selbsttest zu entzündlichem Rheuma:
1. Haben Sie zwei oder mehr Gelenkschwellungen an Ihren Fingergrund- oder Fingermittelgelenken
bzw. Zehengrund- oder Zehenmittelgelenken?
ja
nein
2. Leiden Sie seit mehr als sechs Wochen unter Gelenkschmerzen, die nicht von einer Verletzung herrühren?
ja
nein
3. Sind Ihre Hände morgens so steif, dass Sie länger als eine Stunde Probleme haben, eine Faust zu
machen?
ja
nein
4. Verstärken sich Ihre Gelenkschmerzen, wenn Sie sich bewegen?
ja
nein
5. Haben Sie Schmerzen beim Stufensteigen bzw. Treppabgehen?
ja
nein
6. Können Sie in Gelenknähe oder bei Knochenvorsprüngen unter der Haut liegende Knötchen ertasten?
ja
nein
7. Haben Sie Beschwerden in Gelenkregionen auf beiden Körperseiten (beide Hände, beide Schultergelenke, beide Fußgelenke etc.) schon über einen Zeitraum von sechs Wochen?
ja
nein
8. Hat Sie in der letzten Zeit einmal ein Arzt nach einer Blutuntersuchung darauf hingewiesen, dass
Ihre Entzündungswerte im Blut erhöht sind?
ja
nein
9. Haben Sie Schmerzen beim Händedruck?
ja
nein
10. Leiden ein Elternteil oder nahe Verwandte an entzündlichem Rheuma (Veranlagung als Ursache)?
ja
nein
Wenn Sie Frage 1 mit „Ja“ beantwortet oder von den restlichen Fragen mehr als drei mit „Ja“
beantwortet haben, sollten Sie umgehend einen Spezialisten (Rheumatologen) aufsuchen.
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selbsttest
Selbsttest zu degenerativem Rheuma – Arthrose:
1. Sind Sie älter als 40 Jahre?
ja
nein
2. Sind Sie übergewichtig?
ja
nein
3. Sind in Ihrer Familie Fälle von Gelenkerkrankungen, Fehlhaltungen oder Arthrose bekannt?
ja
nein
4. Haben Sie einen Beruf, wo Sie oft schwer tragen müssen oder hauptsächlich kniende Tätigkeiten
ausführen?
ja
nein
5. Bewegen Sie sich täglich weniger als 30 Minuten?
ja
nein
6. Leiden Sie unter „Anlaufschmerzen“, Druckschmerzen oder plötzlichem Bewegungsausfall?
ja
nein
7. Haben Sie das Gefühl, Ihre Gelenke reiben bei Bewegung aneinander oder „krachen“?
ja
nein
8. Schmerzen die Knie- oder Hüftgelenke bei den ersten Schritten und „gehen sie sich dann ein“?
ja
nein
9. Treten Ihre Beschwerden auch in Ruhephasen – sprich, ohne Bewegung – auf?
ja
nein
10. Hatten Sie bereits Gelenkverstauchungen oder Prellungen?
ja
nein
Wenn Sie mehr als drei Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, sollten Sie umgehend einen Spezialisten (Rheumatologen) aufsuchen.
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Wir danken folgenden Firmen für die freundliche Unterstützung:
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