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Der 20-Volt-Antrieb
Seit 1927 fahren die Spur-0-Lokomotiven von Märklin mit einer Spannung von 0 bis 20
Volt, die in der Regel von einem Spielzeugtrafo bereitgestellt wird. Zur damaligen Zeit war
es in dieser Spurgröße eine durchaus bemerkenswerte Leistung, kostengünstige und
dennoch robuste Motoren in die relativ "kleinen" Lokomotiven einzubauen. Weiterhin
musste, um den Wünschen der Kundschaft zu entsprechen, eine Möglichkeit geschaffen
werden, die Lokomotiven gezielt vorwärts und rückwärts steuern zu können. Ein kniffliges
Problem, welches durch Märklin in der Spurgröße 0 tatsächlich nie perfekt gelöst werden
konnte. Erst mit Einzug der Gleichrichtertechnik konnte eine einfache und sichere
Möglichkeit für den Richtungswechsel gefunden werden. Doch auch die Ende der
30er-Jahre verfügbaren Gleichrichter aus Selen hatten insbesondere bei Kurzschluss
noch ihre Schwächen: "Gleich-riecht-er"!
Nachfolgend soll zunächst näher auf die technische Realisierung in den 1920er-Jahren
eingegangen werden und im Anschluss daran vorgestellt werden, wie die alten
Lokomotiven
zerstörungsfrei
mittels
heute
verfügbarer
Silizium-Dioden
auf
Gleichstromfahrbetrieb umgerüstet werden können. Hinsichtlich grundsätzlicher
physikalischer und technischer Begriffe sei auf eine bekannte Internet-Enzyklopädie
verwiesen.
Der Märklin-Allstrom-Motor
Seit Beginn an verwendet Märklin für den 20-Volt-Fahrbetrieb einen "Allstrom-Motor". Der
Name sagt schon alles: der Motor kann für "alle gängigen Stromarten" verwendet werden.
Dies sind insbesondere Wechselstrom (alternierender Strom mit wechselnder Polarität)
sowie Gleichstrom (mehr oder weniger konstanter Strom mit durchgehend gleicher
Polarität).
Tatsächlich handelt es sich dabei um einen Reihenschluss-Motor, bei dem die StatorWicklung sowie die Rotor-Wicklung in Reihe hintereinander geschaltet sind und somit
beide vom selben Strom durchflossen werden. Um den etwas verwirrenden Aufbau und die
interne Verdrahtung zu veranschaulichen, wird im nachfolgenden Bild einer E-Lok RV
65/13020 ohne Gehäuse der Stromfluss durch den Motor grafisch dargestellt und
beschrieben.
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Der Strom fließt vom Trafo über den Mittelleiter (Mittelschiene) zum Schleifer der
Lokomotive (dunkelblau). Von dort fließt er über einen im Inneren der Lok verlegten Draht
(mittelblau) zur Stator-Wicklung (rot). Bei Stromfluss durch die Stator-Wicklung erzeugt
diese ein magnetisches Feld über den ganzen Stator-Rahmen. Ein Dauermagnet innerhalb
des Stator-Rahmens würde von diesem Magnetfeld beeinflusst werden: je nach
Orientierung seines eigenen Magnetfeldes wird er angezogen bzw. abgestoßen.
Über einen weiteren Draht (rosa) fließt der Strom weiter zum mittleren der drei
Kontaktplatten am Fahrtrichtungsumschalter.
In der aktuellen Stellung fließt der Strom über die rechte Kontaktzunge (magenta) zur
rechten Bürstenkappe. Die eingelegte Feder mit Kohle überträgt den Strom auf den
Kollektor der Rotor-Wicklungen. Es handelt sich hier um drei Rotor-Wicklungen, die jeweils
um 120 Grad versetzt angeordnet sind. Vereinfacht wird hier zur besseren Übersicht nur
eine Rotor-Wicklung (orange) dargestellt. Die stromdurchflossene Rotor-Wicklung erzeugt
ein Rotor-Magnetfeld, welches im Zusammenspiel mit dem Stator-Magnetfeld den Rotor
zum Drehen bringt: die Lok fährt nach links, also vorwärts! Über die Rotor-Wicklung fließt
der Strom über eine weitere Feder, diesmal mit Kupferbürste, zur linken Bürstenkappe.
Über die linke Kontaktzunge (grün) fließt der Strom zur linken Kontaktplatte des
Fahrtrichtungsumschalters. Diese linke Kontaktplatte ist mit der rechten Kontaktplatte
(olivgrün) sowie der Gehäusemasse verbunden, weshalb der Stromfluss (olivgrün) zu
einem Rad angedeutet ist. Über das Rad (hellblau) bzw. über alle Räder fließt der Strom in
die beiden Außenschienen und über diese zurück zum Trafo. Zum besseren Verständnis
kann man den Stromkreis in der vereinfachten Übersicht nochmals studieren.
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Festzuhalten bleibt, dass der Stromfluss durch Stator sowie Rotor jeweils von rechts nach
links erfolgt: bei gleichorientiertem Stromfluss fährt die Lok vorwärts!
Im nächsten Bild wurden die beiden Kontaktzungen mechanisch über die Umschaltstange
von Hand umgeschaltet.
Es ist leicht zu erkennen, dass der Stromfluss durch den Stator unverändert bleibt und
weiter von rechts nach links erfolgt. Allerdings fließt der Strom nun über den rosa
dargestellten Draht von der mittleren Kontaktplatte durch linke Kontaktzunge (grün) zur
symbolisch dargestellten Rotor-Wicklung(orange) nun von links nach rechts. Das
Magnetfeld des Rotors ist also gegenläufig zum Magnetfeld des Stators. Deshalb dreht
sich der Motor nun in die andere Richtung: die Lok fährt rückwärts!
Auch hier nochmals das vereinfachte Ersatzschaltbild zum besseren Verständnis.
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Damit ist auch schon das Prinzip des Reihenschlussmotors für einen Wechsel zwischen
Vorwärts- bzw. Rückwärtsfahrt grundsätzlich erläutert.
Die 65er-Fernschaltung
Nun stellt sich die Frage, wie ferngesteuert zwischen Vorwärts- und Rückwärtsfahrt
gewechselt werden kann:
Die sogenannte 65er-Fernchaltung versucht dies elektromechanisch zu lösen. Fließt beim
Anfahren ein Strom durch die Stator-Wicklung, welche sich auf einem federnd gelagerten
Schenkel des geteilten Statorblechpaketes befindet, wird dieser Schenkel durch das sich
aufbauende Magnetfeld nach unten gezogen. Durch einen mechanischen Hebel wird der
mechanische Umschaltmechanismus ausgelöst und die Kontaktzungen werden über ein
Gestänge seitlich verschoben. Dies sollte sich nach jeder Spannungsunterbrechung
wiederholen, so dass jedes Mal konzeptgemäß die Richtung wechseln sollte.
Zusätzlich kann die Umschaltung auch von Hand über eine Schaltstange, die bei
Lokomotiven immer im Führerhaus und bei der besagten E-Lok immer auf der Rückseite zu
finden ist, erfolgen. Dazu muss die Stange nach vorne - hier also links - geschoben
werden. Möchte man auf die Fernschaltung verzichten, muss die Schaltstange in VorneStellung arretiert werden. In herausgezogener Stellung ist die Fernschaltung aktiv.
Voraussetzungen für eine zuverlässige Fernumschaltung ist eine korrekte Justierung der
sensiblen Elektromechanik. Weiterhin darf der Umschaltmechanismus nicht verharzt bzw.
verschmutzt sein. Selbst von Hand funktioniert die Umschaltung in der Praxis aber nicht
immer zuverlässig, über Fernschaltung gewöhnlich noch seltener.
Ursache für die Unzuverlässigkeit ist das äußerst sensible mechanische Zusammenspiel
der einzelnen Komponenten des Umschalt-Mechanismus, insbesondere der Federn.
Tatsächlich soll bei Fernsteuerbetrieb bei jeder Spannungsunterbrechung die Fahrtrichtung
wechseln. Die Erfahrung ist aber eine andere: wenn gewünscht, funktioniert dies nicht
immer zuverlässig; wenn nicht gewünscht, kann es sein, dass auf Grund von
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Kontaktproblemen die Lok auf einmal ungewollt rückwärts fährt.
Deshalb hat sich für den Fahrbetrieb bewährt, die Lok durch manuelle Arretierung der
Schaltstange fest auf eine Fahrrichtung einzustellen. Dann kann man zwar immer nur in
eine Richtung fahren, es gibt aber keine ungewollten Richtungswechsel!
66er-Fernschaltung
Die in den 1930er-Jahren folgende 66er-Fernschaltung war vom Prinzip ähnlich aufgebaut
wie die 65er-Schaltung, funktionierte etwas zuverlässiger, war aber immer noch nicht
perfekt. Ich habe trotz vieler zeitintensiver Einstellversuche aufgegeben, alle Lokomotiven
mit 66er-Fernschaltung zuverlässig zum Umschalten zu bringen. Deshalb habe ich alle
Lokomotiven konsequent auf die zuverlässige 70er-Fernschaltung umgebaut.
70er-Fernschaltung
Die sogenannte 70er-Schaltung verwendet für den Fahrtrichtungswechsel in der
Lokomotive keine bewegten elektromechanischen Teile, sondern elektronische Dioden als
Gleichrichter. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung für einen zuverlässigen und
störungsfreien Fahrbetrieb gegeben.
Voraussetzung ist allerdings ein Betrieb mit Gleichstrom. Ein Wechselstrombetrieb von
Lokomotiven mit 70er-Schaltung ist nicht mehr möglich! Für einen Richtungswechsel ist
die Polarität der Trafoausgangsspannung zu wechseln, was entweder über einen
marktüblichen Gleichstromtrafo - z.B. für Gartenbahnen - oder durch einen externen
Gleichrichter mit Polwender, der über einen Wechselstromtrafo gespeist wird, erfolgen
kann.
Die Diode funktioniert grundsätzlich wie ein Ventil: sie lässt nur Strom durch, wenn die
Spitze des Dreiecks auf den Minuspol zeigt. Im unten aufgeführten Bild, lässt die linke
Diode den Strom durch, die rechte Diode (gepunktet) sperrt.
Gegenüber den 65er- und 66er-Schaltungen weist die 70er-Schaltung eine weitere
Besonderheit auf: sie verfügt über zwei getrennte Stator-Wicklungen, die gegenläufig auf
den Stator gewickelt sind. Vor jeder den Statorwicklungen befindet sich in Reihe eine
Diode.
Liegt an der Mittelschiene eine positive Spannung an, fließt der Strom im unten
dargestellten Schemaplan über den Schleifer von rechts nach links durch die im
Übersichtsplan dargestellte untere Stator-Wicklung. Im Anschluss daran fließt der Strom
wiederum von rechts nach links durch die Rotor-Wicklung und von dort zurück über die
Räder und die Schienen zum Minuspol des Trafos. Da die beiden Magnetfelder von Stator
und Rotor gleichsinnig gerichtet sind, fährt die Lok vorwärts. Die im Übersichtsplan
dargestellte obere Stator-Wicklung ist in dieser Betriebsart ohne Funktion, da auf Grund
der Polarität die vorgeschaltete Diode den Stromfluss durch diese Wicklung verhindert.
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Wird nun die Spannung an den Schienen umgepolt, d.h. die Fahrschienen erhalten eine
positive Spannung und die Spannung am Mittelleiter wird negativ, wird die obere Spule
vom Strom durchflossen. Anhand des Übersichtsbildes kann man sehr schnell erkennen,
dass die resultierenden Felder der Stator- und Rotorwicklungen gegenläufig sind, weshalb
die Lok nun rückwärts fährt.
Als in den 1930er-Jahren Märklin diese Schaltung auf den Markt brachte, standen lediglich
teure Selen-Gleichrichter zur Verfügung. Bei Kurzschluss bzw. Überhitzung wurden diese
aber schnell zerstört, weshalb sich diese Schaltung zur Blütezeit der Blecheisenbahnen
nicht durchsetzen konnte.
Die 70er-Schaltung hat sich seit der Verfügbarkeit kostengünstiger Silizium-Dioden derart
bewährt, dass insbesondere alle Replika-Hersteller auf diese kostengünstige Schaltung
zurückgreifen und die meisten Vorführbahnen heute deshalb mit Gleichstrom betrieben
werden.
Umrüstung von 65er- und 66er-Lokomotiven auf Gleichstrom
An sich stellt eine Umrüstung von Lokomotiven mit 65er- bzw. 66er-Schaltung auf
Gleichstrom kein großes Problem dar. Allerdings fehlt bei diesen Märklin-Fahrzeugen die
zweite Stator-Wicklung der 70er-Lokomotiven. Wie man mit einer Stator-Wicklung im
Gleichstromfahrbetrieb auskommen kann, soll hier demnächst vorgestellt werden.
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