Wenn der Juckreiz zur Qual wird

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R AT G E B E R
Hamburger Abendblatt
Sonnabend/Sonntag, 22./23. August 2015
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Zahl zum Thema Allein in Deutschland wurden im vergangen Jahr rund 250.000 Hautkrebs­Neuerkrankungen erfasst
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Regelmäßiges Screening der Haut
kann vor Tumoren schützen
Krankenkassen übernehmen Kosten ab dem 35. Lebensjahr
:: Die rechtzeitige Diagnose kann
Eine genaue Untersuchung durch einen Hautarzt bringt Aufschluss über eine mögliche Hautkrebserkrankung Getty
Die Unbelehrbaren
einen lebensbedrohlichen Verlauf bei
Hautkrebs vermeiden. „Die Voraussetzung dafür ist oft die regelmäßige Vorsorgeuntersuchung“, sagt Dermatologe
Dr. Stefan Krauße.
Laut Gesetzgeber muss die Krankenkasse alle zwei Jahre den Check für
Versicherte zahlen – beginnend mit
dem 35. Lebensjahr. Durchführen darf
ihn der Dermatologe, aber auch der
Hausarzt, der Frauenarzt oder der Internist. „Um über die Versichertenkarte abzurechnen, müssen die Ärzte allerdings zur Untersuchung durch die Kassenärztliche Vereinigung berechtigt
sein“, erklärt Margarita Frank, Sprecherin der Techniker Krankenkasse
(TK). Dazu haben die Ärzte vorher ein
entsprechendes Programm zur Fortbildung absolviert.
Bei der Altersgrenze zeigen sich
nicht wenige Kassen inzwischen großzügig. So übernimmt in Hamburg etwa
die AOK die Kosten für das HautkrebsScreening beim Dermatologen oder
Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten bereits für Versicherte ab
dem 18., die TK ab dem 15. Lebensjahr
im Zweijahrestakt.
„Menschen mit vielen Muttermalen oder helle Hauttypen mit starker
Sonnenexposition in früheren Jahren
sollten ein Hautscreening ab dem 20.
Lebensjahr in Anspruch nehmen“, rät
Krauße. Anders liegt der Fall ohnehin
ANZEIGE Sonnenanbeter machen viel falsch. Zahl der Fälle von Hautkrebs steigt trotz wachsender Aufklärung nach wie vor an
BETTINA BRÜDGAM
:: Eigentlich müsste es inzwischen jeder wissen: Zu viel Sonne schadet der
Haut und kann Hautkrebs hervorrufen.
„Trotzdem scheinen nicht alle ausreichend aufgeklärt“, meint Prof. Ingrid
Moll, Direktorin der Klinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Darauf zumindest ließen Strandszenen schließen von am
Wasser spielenden nackten Kindern
und in der Mittagssonne brutzelnden
Sonnenanbetern. „Wir hoffen seit dem
Jahr 2000, dass die Fälle von Hautkrebs
zurückgehen“, so Moll. Das Gegenteil
sei jedoch der Fall, wie die jährlichen
Steigerungsraten von etwa fünf bis
sechs Prozent in Europa zeigen.
„Allein in Deutschland wurden im
vergangen Jahr rund 250.000 Neuerkrankungen erfasst“, sagt Prof. Volker Steinkraus, Leiter des Dermatologikum Hamburg. Dabei werde der weit
größere Anteil gar nicht gemeldet, er
schätzt die tatsächliche Zahl vier Mal
so hoch ein. Gleichwohl: „Die Hautkrebsvorsorge hat in Deutschland viel
gebracht, die Menschen kommen heute
sehr früh“, resümiert Steinkraus.
Je nach Form tritt Hautkrebs
unterschiedlich häufig auf. „Bei zehn
Prozent der registrierten Fälle handelt
es sich um schwarzen Hautkrebs, der
meist dunkle Wucherungen produziert“, sagt Steinkraus. Dabei entstehe
etwa die Hälfte davon aus Muttermalen. Bei solch einem malignen Melanom entarten die für die Pigmentbildung verantwortlichen Hautzellen.
„Rechtzeitig diagnostiziert, kann der
Arzt das Muttermal einfach herausschneiden“, sagt Dr. Peter Mohr von
der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie in Buxtehude. Dann
lassen sich etwa 95 Prozent der Fälle
heilen. Im Verlauf gilt: Je dicker das
primäre Melanom, desto schlechter die
Aussichten. Besonders gefährlich wird
es, wenn das Melanom bereits Metastasen gebildet hat, die in innere Organe
und Knochen dringen können. „Aber
auch hier haben sich die Chancen spürbar verbessert“, erklärt Mohr. Sie liegen
inzwischen bei bis zu 50 Prozent. Nach
der Operation stärken etwa immunologische Medikamente die körpereigene
Abwehr, indem sie deren Kommunikation mit dem Tumor verändern. „Es
schickt dann sozusagen seine Krieger
in die Haut und zerstört die Krebszellen vor Ort“, erklärt Steinkraus. Althergebrachte Chemotherapien würden
heute nur noch selten angewendet. Die
Zukunft gehöre individualisierten Behandlungen, ausgerichtet am genetischen Charakter des Tumors.
In Europa liegen die jährlichen
Steigerungsraten von Haut­
krebserkrankungen bei etwa
fünf bis sechs Prozent.
„Weißer Hautkrebs lässt sich fast
immer gut behandeln“, sagt Moll vom
UKE. Dabei unterscheiden Ärzte Basalzellkarzinome (auch Basaliome) und
Plattenepithelkarzinome (auch Stachelzellkrebs). Während sich bei den
Basaliomen zuerst helle Erhebungen
bilden, aus denen dann kleine Knötchen entstehen, macht sich die Vorstufe des Stachelzellkrebses als rötliche,
krustige Erhebung bemerkbar. Meist
kommt heller Hautkrebs am Kopf, Hals
oder den Händen vor und wächst über
mehrere Jahre. Unkontrollierte Wucherungen können später, wenn auch
selten, tieferes Gewebe und Knochen
angreifen. „In der Vorstufe helfen noch
Dermatologe Prof. Dr. Volker Steinkraus PR
Salben, manchmal kombiniert mit
einer Lichttherapie“, sagt Moll. Im fortgeschrittenem Stadium muss der Arzt
operieren, bei größeren befallenen
Stellen wird Haut transplantiert. Dabei
bleiben oft sichtbare Narben zurück.
„Die Heilungschancen aller Arten
des Hautkrebses hängen hochgradig
vom frühen Zeitpunkt der Entdeckung
ab, zudem kann die Behandlung dann
schonender vorgenommen werden“,
sagt Dr. Lilia Plate, Hautärztin in der
Praxis Dermatologie in Eppendorf.
Entsprechend wichtig seien die regelmäßigen
Vorsorgeuntersuchungen
(siehe Artikel unten). Zudem mache es
Sinn, selbst ein wachsames Auge auf die
Haut zu haben.
Zur Erkennung des schwarzen
Hautkrebses hilft die ABCDE-Regel.
Genauer: Asymmetrische Formen, unscharfe Begrenzungen, eine unregelmäßige Farbe (Colour), ein großer Durchmesser oder eine ungewöhnliche Erhabenheit – all dies deutet auf Auffälligkeiten hin. „Ein Muttermal ist
aber nicht unbedingt bösartig, wenn ein
oder mehrere Kriterien zutreffen“, sagt
Mohr. Der Arzt unterziehe die Haut
einer Gesamtbetrachtung, wobei er
nach dem „hässlichen Entlein“ suche,
das durch veränderte Form oder Farbe
aus dem Rahmen fällt. Patienten würden aber oft selbst über einen guten
Instinkt verfügen. „Weißer Hautkrebs
hingegen fühlt sich zu Beginn bei Be-
rührung uneben und oft etwas rau an,
mitunter lässt sich auch nur eine leichte Verhornung, Rötung oder Schuppung erkennen“, sagt Plate.
Die Mechanismen, über die Hautkrebs im Detail entsteht, sind noch
nicht vollständig geklärt. „Zu viel Sonne als Auslöser gilt aber als gesichert“,
sagt Mohr. Bei schwarzem Hautkrebs
zählt vor allem die intensive Dosis.
„Entsprechend häufig betroffen sind
deshalb all jene, die am Schreibtisch
werkeln und sich in den Sommerferien
für wenige Wochen ausgiebig der Sonne
aussetzen“, sagt Steinkraus. Anders
beim weißen Hautkrebs: Er tritt häufig
bei Menschen auf, die sich grundsätzlich viel draußen aufhalten.
„Es geht nicht darum, die Sonne
komplett zu meiden“, sagt Mohr. Keiner müsse auf die Wanderung in Andalusien oder den Strandurlaub auf Sizilien verzichten. Um das Risiko zu minimieren, sei aber ein guter UV-Schutz
nötig. „Dazu gehört Sonnencreme mit
Lichtschutzfaktor 30 bis 50“, sagt Moll.
Da der Schutz durch das Schwitzen
oder Baden abnimmt, alle zwei Stunden
nachcremen und die Creme immer
großzügig auftragen. Die Mittagssonne
zudem meiden. „Kleidung aus dicht gewobenem Stoff schützt noch besser“,
sagt Plate. Dabei sollte man nicht einen
Hut mit Krempe vergessen.
Generell gilt zudem: Helle Hauttypen müssen mehr aufpassen als
dunklere, und wer bereits vorgebräunt
ist, kann etwas mehr Sonne vertragen.
„Kinder unter zwei Jahren sollten möglichst gar nicht starker UV-Strahlung
ausgesetzt werden“, rät Prof. Volker
Steinkraus. Einen hohen Risikofaktor
stellen zudem Solariumgänge dar. Diese hat der Gesetzgeber deshalb für Jugendliche unter 18 Jahren inzwischen
verboten.
Wenn der Juckreiz zur Qual wird
Auswirkungen der Neurodermitis können gelindert werden. Ursachen im Einzelnen noch unbekannt
:: Die Krankheit beruht auf einem Irrtum. Denn bei Neurodermitis schlägt
die Körperabwehr bei eigentlich harmlosen Einflüssen um sich. Als erste Verteidigungsbarriere nach außen stößt
die Haut Zellen ab, juckt und bildet trockene, rote Areale und Entzündungen.
Die Betroffenen peinigt dabei oft am
schlimmsten der qualvolle Juckreiz.
„Die Ursachen im Einzelnen kennen wir noch nicht“, sagt Dr. FrankMatthias Schaart, Facharzt für Hautkrankheiten. Es wird vermutet, dass
das Immunsystem durch übermäßige
Hygiene und verstärkten Einsatz von
Antibiotika unausgelastet ist. Zudem
spielen erbliche Faktoren eine Rolle.
„Menschen mit einer sogenannten atopischen Veranlagung haben ein erhöhtes Risiko“, sagt Dr. Christian Mensing
vom Dermatologischen Ambulatorium
Hamburg-Alstertal. Leiden die Eltern
unter Neurodermitis, aber auch unter
Asthma oder Heuschnupfen, erhöht
sich das Risiko für das Kind, daran zu
erkranken.
„Zur Vorbeugung können die
schwangere Mutter oder später das
Neugeborene Probiotika einnehmen“,
sagt Schaart. Diese Prävention mindere
die Wahrscheinlichkeit einer Atopie
und den Schweregrad. Auch konsequentes Stillen oder alternativ hypoallergene Säuglingsnahrung können
wirken. Kuhmilch-Produkte sind hingegen für die Kleinen tabu. „Zudem
sollten Schwangere sich informieren,
auf welche Nahrungsmittel sie verzichten sollten“, sagt Schaart. Dazu gehören oft stark gefärbte Früchte wie Erd-
beeren und Paprika, Säurehaltiges und
scharfe Gewürze. Auch andere Auslöser
wie Konservierungsstoffe und Tierhaare sollte man dann besser meiden.
„Bereits ausgebrochen, verläuft die
Krankheit unterschiedlich“, sagt Dr.
Marc Armbruster, leitender Oberarzt
(Dermatologie und Allergologie) der
Asklepios Klinik St. Georg. Je nach
Empfindlichkeiten können Duftstoffe,
Nahrungsmittel, Konservierungsstoffe,
Wollkleidung und Hausstaubmilben
einen Schub bedingen. Armbruster rät,
dem jeweiligen Auslöser dann möglichst aus dem Weg zu gehen. Eine spezielle Diät kann dabei helfen. Die wichtigste Maßnahme sei jedoch die tägliche Pflege. Langes heißes Duschen
schadet, Shampoo und Duschgel sind
sparsam zu verwenden, und es ist bes-
ser, zu rückfettenden, PH-neutralen
Duschzusätzen greifen. Besonders
wirksam: das tägliche Eincremen, um
die Haut mit Feuchtigkeit und Fett zu
versorgen – und das unbedingt auch in
symptomfreien Perioden. Dafür gibt es
spezielle Produkte ohne Konservierungs- und Duftstoffe, „gut sind zudem
Zusätze mit Omega-Fettsäuren“, so
Schaart. Diese ließen sich auch in Kapselform einnehmen. „Ergänzende Maßnahmen wie Schlauchverbände oder
medizinische Bäder können den Erfolg
noch verbessern“, sagt Mensing.
Bricht Neurodermitis beim Säugling oder Kleinkind aus, müssen die Eltern nicht gleich verzweifeln. „Es kann
durchaus sein, dass sich die Krankheit
später von selbst wieder legt“, so
Schaart. (brüd)
bei einem konkreten Verdacht auf
Hautkrebs. „Dann handelt es sich um
eine kurative Behandlung“, erklärt
Antje Meyer von der AOK Rheinland/
Hamburg. Diese übernehme die Kasse
unabhängig von Lebensalter oder Praxissitz, so oft sie medizinisch erforderlich ist. Inwieweit ein Krankheitsverdacht
häufigere
Untersuchungen
rechtfertigt, entscheide allerdings in jedem Fall der Arzt.
Während der Vorsorgeuntersuchung inspiziert der Arzt den Patienten
vom Scheitel bis zur Fußsohle. Dazu gehört auch die Haut zwischen Zehen
und Fingern, die Kopfhaut, Genitalien,
das Zahnfleisch und die Mundschleimhaut. Zudem kann der Dermatologe
Gewebe entnehmen, um verdächtige
Stellen genauer untersuchen zu lassen.
Auffälligkeiten werden oft nochmals
intensiv mit einem Auflichtmikroskop
überprüft: „Das erhöht die Sicherheit
der Bewertung deutlich“, sagt Krauße.
Einige Dermatologen verlangen dafür
15 Euro extra. Diesen Aufpreis übernehmen die gesetzlichen Kassen meist
nicht. Gleiches gilt für videoskopische
Aufnahmen von Leberflecken, die der
Arzt speichert, um Veränderungen
über die Zeit genauer abzugleichen, die
Kosten hierfür lägen etwa im Bereich
von 70 bis 120 Euro. „Das macht vor allem bei zahlreichen oder atypischen
Leberflecken allerdings wirklich Sinn“,
so Krauße. (brüd)
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