Schriftliche Kleine Anfrage

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BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
19. Wahlperiode
Drucksache
19/
4.12.2008
Schriftliche Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE)
Vermarktung von Zellentüren aus der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel
In der Bild-Zeitung vom 1.12.2008 wird berichtet, dass seit dem 1. Dezember 2008
„24 Knast-Türen“, hinter denen „berüchtigte Verbrecher“ viele Jahre verbrachten und
die „zur historischen Attraktion“ geworden seien, vom „Gefängnis-Internet-Shop“
www.santa-fu.de zum Verkauf angeboten werden. Die Türen würden noch aus der
Zeit der Gefängnis-Einweihung im Jahre 1906 stammen, die Justizbehörde lege jeder
Tür ein „Echtheitszertifikat“ bei.
Auf der Homepage www.santa-fu.de wird unter der Überschrift „Original Zellentür“
folgendes mitgeteilt: „Die Justizbehörde bietet 24 Zellentüren an, aus massivem Holz,
mit Eisenriegel und Guckloch, zum Teil mit Durchreichklappe, auf der Innenseite mit
Stahl beschlagen. Die Türen waren gleich 1906 bei der Errichtung von Santa Fu
eingebaut worden.(…) Ob für die kreative Werkstatt, den witzigen Modeladen, den
coolen Partykeller oder die verrückte Bar – wir beraten Sie mit Phantasien und
Ideen.“
Historischer Kontext der Gefängnistüren
Ausweislich der Ausstellung „Konzentrationslager Fuhlsbüttel „Kola-Fu“ - ein Ort der
Willkür und Gewalt“ der KZ-Gedenkstätte Neuengamme wurde im Jahre 1869 in
Fuhlsbüttel mit dem Bau eines gewaltigen Gefängniskomplexes außerhalb der Stadt
begonnen. Im Jahre 1879 wurde das Gefängnis für Männer fertig gestellt, im Jahre
1891 wurde ein Gefängnis für Frauen errichtet. 1892 erfolgte die Fertigstellung eines
Gefängnisses für Jugendliche. Das Zuchthausgebäude wurde im Jahre 1906
errichtet.
Im Begleittext der Ausstellung heißt es: „Die Gebäude galten bereits Ende der 20er
Jahre für den damaligen Strafvollzug als veraltet. 1933 stand Fuhlsbüttel weitgehend
leer und erste Gebäude waren bereits abgerissen. Nachdem die Nationalsozialisten
an die Macht gekommen waren, wurde der weitere Abriss sofort gestoppt; wenige
Monate später war dieser Strafanstaltskomplex wieder voll belegt.
Die Strafanstalten Fuhlsbüttel wurden ab April 1933 zu einem Hauptort
nationalsozialistischer Verfolgung durch Hamburger Polizei, Justiz, SA und SS:
Ab April 1933 wurden politische Häftlinge der Polizei als „Schutzhaftgefangene“
gemeinsam mit Strafgefangenen im Werkhaus und Zuchthaus untergebracht.
Am 4. September 1933 wurde das „Konzentrationslager Fuhlsbüttel“ gegründet und
dafür das ehemalige Frauengefängnis und das Jugendgefängnis genutzt.
Im August 1934 erfolgte die Erweiterung des Konzentrationslagers um eine
Frauenabteilung im ehemaligen Jugendgefängnis.
1936 wurde dieses Konzentrationslager in „Polizeigefängnis“ umbenannt, ohne dass
sich an den menschenverachtenden Haftbedingungen etwas änderte. Es existierte
bis Kriegsende.
Das Zuchthaus und das Gefängnis waren in der gesamten Zeit des
Nationalsozialismus überfüllt - auch mit Tausenden politischen Regimegegnern, die
durch die Strafgerichte abgeurteilt wurden, darunter sehr viele Ausländer.
Von Oktober 1944 bis Februar 1945 war im Zuchthaus Fuhlsbüttel auch ein
Außenlager des KZ Neuengamme untergebracht, in dem ca. 1500 Häftlinge inhaftiert
waren.“
Zu den Strafanstalten in Fuhlsbüttel wird auf der Homepage der KZ-Gedenkstätte
folgendes festgestellt: „Auch die Strafanstalten Fuhlsbüttel, die der Justiz
unterstanden, waren Teil des nationalsozialistischen Verfolgungsapparates. Viele
Strafgefangene waren wegen politischer Gegnerschaft zum Nationalsozialismus
unter Heranziehung der Gesetzesvorschriften über die „Vorbereitung zum
Hochverrat“ zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden; Sondergerichte wiesen schon
bei Unmutsäußerungen Menschen wegen „Heimtücke“ in Strafhaft ein. Noch in
anderer Hinsicht waren die Strafanstalten mit dem Terrorapparat verbunden: Mehr
als einhundert Gefangene des Zuchthauses Fuhlsbüttel und „Sicherungsverwahrte“
wurden am 1942 in Konzentrationslager zur „Vernichtung durch Arbeit“ überstellt.“
Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung waren politische Häftlinge, Juden, die
als sogenannte „Rasseschänder“ verurteilt wurden, Homosexuelle und Zeugen
Jehovas, die sowohl in den Gefängnissen als auch im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert
waren.
Auf der Gedenktafel der „Gedenkstätte Konzentrationslager und Strafanstalten
Fuhlsbüttel 1933-1945“, die 1987 im ehemaligen Eingangsgebäude eingerichtet und
2003 neu gestaltet wurde, ist folgender Text zu lesen:
„Konzentrationslager Fuhlsbüttel Von Ende März 1933 bis zum Kriegsende 1945 wurden durch dieses Tor viele
politische Gegner des NS-Regimes in die Gefangenschaft geführt. Das ehemalige
Konzentrationslager Fuhlsbüttel, damals „Kolafu“ genannt, war in einem Bau dieser
Strafanstalt untergebracht. Es unterstand der SS, später wurde es
Gestapogefängnis. Die Gefangenen wurden ohne Gerichtsurteil festgehalten, viele
misshandelt und gefoltert, manche zum Selbstmord getrieben oder ermordet.“
Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat:
1.
Ist es richtig, dass die 24 Türen aus der JVA Fuhlsbüttel, die auf der
2.
3.
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10.
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13.
14.
Homepage www.santa-fu.de zum Verkauf angeboten werden, aus dem
Jahre 1906 stammen?
Ist es richtig, dass die Justizbehörde ein „Echtheitszertifikat“ für die Türen
ausstellt? Wenn ja, welcher Text ist auf dem Zertifikat abgedruckt?
Aus welchem Gefängnisgebäude bzw. welchen Gefängnisgebäuden
stammen die Türen, die zum Verkauf angeboten werden? Bitte sowohl die
historische als auch die heutige Bezeichnung des Gebäudes bzw. der
Gebäude angeben.
Ab April 1933 waren politische Häftlinge im „Werkhaus“ und „Zuchthaus“
inhaftiert. Wo befanden sich die Gebäude? Welche historischen und
welche heutigen Bezeichnungen wurden bzw. werden für die Gebäude
verwendet?
Am 4. September 1933 wurde das „Konzentrationslager Fuhlsbüttel“ im
Frauen- und Jugendgefängnis gegründet. Wo befanden sich die Gebäude?
Welche historischen und welche heutigen Bezeichnungen wurden bzw.
werden für die Gebäude verwendet?
Ab Oktober 1944 wurde im „Zuchthaus“ ein Außenlager des KZ
Neuengamme eingerichtet. In welchen Gebäudeteilen des „Zuchthauses“
befand sich das Außenlager des KZ Neuengamme? Bitte die historischen
und die heutigen Bezeichnungen angeben.
Die Zuchthausstrafe wurde erst durch das „Erste Gesetz zur Reform des
Strafrechts“ vom 25. Juni 1969 abgeschafft. Welche Arbeiten mussten die
Häftlinge der JVA Fuhlsbüttel bis zu dieser Strafrechtsreform an welchem
Ort verrichten?
Wann erfolgte die Modernisierung der JVA Fuhlsbüttel und wo wurden die
Türen zwischengelagert?
Sind Museen, Gedenkstätten und Geschichtswerkstätten oder Vereine
gefragt worden, ob sie die historischen Türen aufbewahren wollen? Wenn
ja, welche? Wenn nein, warum nicht?
Wer hatte die Idee, die historischen Türen im Rahmen einer
„Weihnachtsaktion“ zu verkaufen? Zu welchem Preis werden die Türen
verkauft? Wer bekommt welchen Betrag in Euro pro verkaufte Tür?
Hat die Justizbehörde dem Verkauf der Türen zugestimmt? Wenn ja, zu
welchem Zeitpunkt und aufgrund welcher Rechtsgrundlage?
Kann der Senat den Verkauf der Türen sofort stoppen? Wenn nein, warum
nicht?
Wäre der Senat bereit, die restlichen Türen der Willi-Bredel-Gesellschaft
Geschichtswerkstatt e.V. (www.bredelgesellschaft.de) zu übereignen, die
seit der Einrichtung der KZ-Gedenkstätte in Santa Fu im Jahre 1988 mit
Hilfe von Zeitzeugen und Experten durch Erinnerungsberichte, Lesungen,
Diskussionen, Filmvorführungen, Rundgänge und Exkursionen zur
Entwicklung eines kritischen Geschichtsbewusstseins beiträgt, damit diese
eine Ausstellung zum Thema Justiz- und Gefängnisgeschichte konzipieren
kann?
Wäre der Senat bereit, die restlichen Türen der KZ Gedenkstätte
Neuengamme, den Hamburger Museen, den Hamburger
Geschichtswerkstätten oder dem Forum Justizgeschichte e.V. zu
übereignen, damit diese eine Ausstellung zum Thema Justiz- und
Gefängnisgeschichte konzipieren können?
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