Denkmäler - Foamglas

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Ze itschrift für A rchitektur 107. Jahrgang
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Denkmäler
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Der Wandel des Authentischen,
~ interj2retLert 'ion Hild und KArcJ:itekten,_
- Franke-Rössel Rieger Architekten,: :
~ Slmdelr~Plassrnann Architekten,
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Baumei ster 812010
Denkmal als Sachzwang
Umbau eines Ordensgebäudes der Jesuiten in München
Franke Rössel Rieger Architekten
In München-Nymphenburg, nahe bei Schloss und Amalienburg,
wurde ein Ordenshaus der Jesuiten in einen Wohnungsbau
umgewandelt. Bei dem veränderten und erweiterten Baudenkmal
folgt auf eine sakrale eine profane Nutzung, aus einem
Anziehungs- und Treffpunkt wird Privatbesitz. Eine Melange kaum
datierbarer Zutaten führt zu einem rätselhaften Bauwerk.
von Dorothea Parker
Der privtlt wi rkende Eingtln.g entspricht der Ptlrkumgebung. Denn
erreicht man den mit Bosketten sc hralfulrlen Vorplatz und steht vor
der widersprüchlichen Archileklurcollege.
Baumeister B12010
Umbau eines Ordensgebäudes der Jesuiten in München
Die beiden unteren Geschosse und dieTOrme gehören zum Best
Seine schon einm al Ende der 1980er Jahre sanier te Betonoberfll
wurde ablesbar ausgebessert Darüber lagert ein mit goldfarben
Streckmetatt ~erklejdete r neuer Aufbau.
.
Baumeister SI 2010
Die Architekten stellen sich
Sammler vor, die Kunstwerke auf
den Galerien, in den Nischen
und an den Wanden zur Geltung
bringen könnten.
Das. wenn auch goldfarbene Streckmetall passt als Material zum
Baustoff Bet on. Die Fen sterschlille der ehemaligen Kapelle sind
nur schwe r mit bO rgerl ic hen Wohnnutzungen zu verbinden {unten
und rechte Seite, Mitte).
lung d es ehemaligen, zum Innenhof gelegenen, fast klösterlichen Umgangs. Sie bedeutete auch eine Abzäunung von
Veranden und Gartenfl ächen, die sehr zurückgenommen
ausgeführt wurde, a ber doch im Gesamteind ruck wirksam
wird. Die Architekten versuchten, das Scha lungsmustcr
de r Au ßenflächen zu erhalten. Dazu mussten sie die bei der
ersten Sanierung aufge brachte "Elefantenhaut" entfernen.
Sie legten auch die Türme wiede r frei. Deren ursp rü nglich
monolith ische Anmutung ist nun a llerdi ngs d urch große
Fenstereinschni ne geschwächt. Um den Wärmeschutz im
Gebäude zu verbessern, wurde im Innern eine fre istehende
ZiegcJschale vor die Betonwände gesetzt, hinter der sich e ine
Dämmschicht und die notwe ndigen Leitu ngen verbergen.
Nur wenige Bereiche sind von a u ßen mit e iner glatten Sichtbctonschale abgedeckt. Eine Fu ßbodenheizung erspart
störende Heizkörper, de r Estrich ist schwimmend verlegt,
um Schall brücken auszuschließen. Neue oder größere
Fenster mussten ausgebrochen werden, man hat sie von de n
überkommenen Fenstern, die In einem dunklen Ton
belassen wurden, hellgrau abgesetzt. In den Innenhofwur·
den zwei Tiefgaragengeschosse eingep asst. Das zusätzliche
Obergeschoss ist selbststand ig gegründet, es trägt keine
Lasten auf d en Bestand ab. Seine Stützen mussten in den
darunter liegenden Geschossen integriert werden. Auch
die Stalik war kompliziert: die Bewehrung, die beim ursprünglichen Bau in 6o-Grad·Wlnkeln verlegt worde n war,
musste für de n Umbau zusätzlich verstärkt werden .
Der neue gJänzende Aufbau spricht eine
zeitgenöss ische Sprache
Das Obergeschoss, ein wenig verkantet, ein wenig
gedreht, mit leicht schrägen Dachfl ächen, konnte fre i und
damit ohne Einschränkung rurs Wohnen gestaltet werden.
Hier wurden große Fenster geöffn et und Dachterrassen
angelegt. Es erinnert noch am ehesten an Schncider-Eslebens Id ee der a ufgelösten und vib rierenden Baumasse. Der
schrägwinklige Baukörper verunsichert die Wahrneh mung,
Farbe und Glanz de r durchbrochenen StreckmetallumhüI'
lung, die wie e in Geflecht wirkt, wechseln mit dem Lichteinfall. Die Kupfer-Aluminium-Legierung soll m it den Jahren
matter werden, doeh noch leuchtet sie golden - sicher nicht
im Sinne der ursprünglichen, kargen und strengen Archi·
tektur. Doch das Landesamt für Denkmalpflege hat auch
dem Umbau Denkmaleigenschaft bestätigt. fast hymnisch
lobt es die planerische Sorgfalt, die Gestaltungskompetenz
und die Erfindungskraft der beteiligten Architekte n und
Fachplaner. Die nun abgeteilten vierzehn Wohnungen,
sehr groß, m it Wohnflächen von 160 bis 450 Quadratmetern,
werd en in prätentiöser Sprache ais Unikate vermarktet.
Die Verkäufer zielen a uf ein besond eres und vielleicht sel·
tenes Publikum, aufsolvente Käufe r mit Geschmack, die
diese ungewöhnlic hen Raumzuschnitte schätzen, die durchgehenden Raumfluehten, die ho hen Säle in de n Türmen,
die inne n fast frei geräumt sind. Die Architekten ste llen
sich Sammler vor, d ie Kunstwerke a uf den Galerien, in den
Nische n und an den Wände n zur Geltung bringen könnten.
Der Markt wird zeigen , ob diese Vorstellung trägt . •
Baumeister B12010
Umbau eines Ordensgeblludes der Jesuiten In Mßnchen
Das Sechseckraster verlangt einen MObelschreiner tßr die Au sstattung. Ganz oben die Musterwohnung. Spitze und stumpfe Winkel
wirken unangenehm, wenn sie keifle einleuchtende Bedeutung
habefl. Links: Nur an wenigen Stellen wie in der ehemaligen Bibliothek und Kape lle konnte die Sichtbetonoberfiliche auch im Inneren
erhalten bleiben.
46
m Aufschwung d er gesellschaftlichen Erneuerung, im Aufschwung der Kirche in den 6oerJahren, beschloss die Oberdeutsche Provinz
der Jesuiten , e in so genanntes Schriftstellerhaus
zu bauen, ein Gebäude für maximal zwanzig
Patres und für die ries ige Bibliothek der Zeitschrift "Stimme n der Zeit". Das bisher unbebaute Grundstück lag zwar zwischen dem Wirtschaftstrakt
und den Kleingärten der Bediensteten der Schlösser- und
Seenverwaltung, doch auch sehr nah beim Schloss und der
Amalienburg und noch im Landschaftsschulzgebiet .. Nymphenburger Schlosspark.... Die Jesu iten erhielten es durch
e ine n Tausch ~egen cin Grundstück an der Kaulbachstraße,
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das der Staat für die Un iversität brauchte. Das neue Baurecht wurde von der Politik betrieben und von den Behörden
durch die Verfahren gehoben. Man verwies aufdie geplante
Nutzung und sensible Gestaltung d es Neubaus, um mögliche
Bedenken zu entkräften. Die spätere Entwicklung des Ordens, der Rückgang der Mitgliederzahl, war damals noch
n icht abzusehen.
1(}66 nach Plänen des Düsseldorfer Architekten Paul
Schneider-Esleben gebaut, g lll der ursprüngliche Bau als
eines der wenigen Werke des Strukturalismus in München.
Der Entwurfbasierte, zeittypisch, aufeinem Sechseckraster.
Das lang gestreckte, damals zweigcschossige Gebäude
sollte sich als niedrige, differenzierte Baumasse unter den
Baumkronen des Schlossparks einfügen . Eine einfache
Anlka und die schlichten Briistungsbänder der durchlaufenden Veranden gliederten es horizontal, ein Kapellenturm
und drei höhere Bibliothekstürme setzten den vertikalen
Akzent. Durch das zurückgenommene Untergeschoss schien
de r Bau zu schweben. Die auf wenige Typen reduzierten,
verschieden schmalen Fenster-, Tür- und Betonelemente
de r Fassade lagen nicht übereinander, sondern versetzt Schneide r-Esleben wolh e eine "Vibration der aufgelösten
Baumasse" e rreichen, um der nahen, zartgliedrigen Amalienburg gerecht zu werden. Auch die unregelmäßig gereihten
Schalbretter des Sichtbetongebäudes sollten zu dieser Wirkung beitragen. Trotzdem: das turmbewehrte Bauwerk mit
den schrägen Sichtscharten der Kapelle wirkte aufviele
düster und abweisend.
Das Ensemble gehört zu den ersten Sichtbetonbauten in München
Mögliche Schwäch en des Baustoffs wurden damals übersehen, mangelnder Wärme- und Scha llschutz hingenommen. 1988 war eine erste Sanieru ng des Sichtbetons nötig,
n och durch Schneider-Esleben. Die Türme wurden mit
dunklem Kupfer verkleidet, der Sichtbeton der Fassaden mit
einer Schutzschicht überzogen. 1999 wurde das Bauwerk in
die Denkmalliste aufgenommen.
2004 strukturierte sich die Soeietas Jesu in Deutsch land
neu, die Jesuiten zogen sich in die Kaulbachstraße zurück.
Für das Gebäude an der Zuccalistraße wurde erneut Sanierungsbedarf konstatiert: Betonsanierung, Wärmeschutz und
Scha llschutz in Millionenhöhe standen an. Ein e adäquate
Nutzung war nicht abzusehen. Die Jesuiten verkauften das
Ensemble deshalb an e ine Objektgesellschaft, deren Hauptgesellschafter ei n Kölner Architekt war. Schneider-Eslebcn,
Baumeister 812010
Die Kupfer-Aluminium-Legierung
soll mit den Jahren matter werden,
doch noch leuchtet sie golden - sicher
nicht im Sinne der ursprünglichen,
kargen und strengen Architektur.
damals fast 90 Jahre alt, ließ sich von ihm Einwände aus
dem Urheberrecht abkaufen. Er stimmte der damals geplanten Erweiterung mit e iner leichten Stahl-Glas-Ko nstrukt ion
als Dachgeschoss zu. Das Landesamt ffir Denkmalpflege
und die Stadt München nahmen die Eingriffe in das Baudenkmal, die damit vorauszusehen waren, hin, um es überhaupt zu erhalten. Kompromisse dieser Art sind übllch.
Der Entwickler erh ie lt also eine Genehmigung rur die Umnutzung in Wohnungen und für eine erhebliche Baurechtsmehrung. Danach verkaufte er Grundstück, Gebäude und
genehmigte Planung an einen Münchner Bauträger weiter,
der e inen verschwägerte n Architekten bat, den Entwurf
zu übernehmen. Dessen Vorschlag, der dann auch umgesetzt
wurde, konnte nur mehr der Tochter Schnelder-Eslebens,
e iner Erbin der Urheberrechtsansprüche, vorgelegt werden.
Sch neider-Esleben wa r :wo5 verstorben .
Mühevolle Urnwldmung, schwierige Kompromisse
für dIe neue Nutzung
Der Umbau war keine leichte Aufgabe. Die Architekten
berufen sich auf Künstler wie David Claerbout und Rachel
Whiteread, um ihren Zugang zur Umgestaltung des vorgefundenen Baukunstwerks zu beschreiben. Und tatsächlich
war die technische Sanierun g des Gebäudes - so aufwendig
sie war - der leichtere Teil. Die größere Schwierigkeit lag
darin, den Ordensbau so umzuwandel.n, dass seine archi tektonischen Qualitäten erhalten blieben und trotzdem
abgeschlossene, bewohnbare und möglicherweise auch bezahlbare Wohnungen entste hen.
Die zentrierte Anlage war von ihrer ursprünglichen
Ordnung her nicht für eine private Nutzung durch mehrere
Eigentümer geeignet. Die neuen Grundrisse der Wohnungen
verlangten zusätzliche Treppenhäuser und eine Untertel- "
Die markanten TOrme gehörten lur ehemaligen Bibliothek. Ihre neu
eingeschnittenen, notwendigen Wohnraumfansler widersprechen
dem hermetischen Charakter der Klosteranlage.
Baumeister B12010
Umbau eines Ordellsgebäudes der Jesuiten 111 MOnchen
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Dennoch gibt es in der verwinkelien Kubatur atlr"ktlve Nischen, die
den Innennraum zum Gllrten erweitern.
Baumeister 61 2010
50
aus: Baumeister April 1966,
Seite 389
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..Ordenshaus und Redaktionsgebä ude des
J esuiten-Ordens In München
... Ausgehend von de r Klostereinzelzelle - dem Sch la fArbe lts·Raum m it d urch Vo rha ng abgetrenntem Bett u nd
kle inem Wasch· u nd Sch rankra um fü r d ie Patres -. d er die
regelmäßige Scchscckwabe eine große in ne re Geschlossen heit u nd meditative Ruhe gibt, en tstand a u f einem Sechseck
raste r ein in der Ho rizontalen gegliede rter und in der
Vert ikalen plast ischer Baukörpe r. Ähnlich de n aleatorischen
Kom positionsprinzi pien moderne r Musik wurde hier d u rch
d ie unregelmä ß ige Reihenfolge verschiede n breiter (20, 50,
90 c m) vorfabrizierter Beton elemen te In un regelmäßigen
Abständen (15. 30, 70, 100, 150 cm) eine v ibrierende. ö fter
d urch größere, gesch lossene Wan dfläch en unterb rochene
und durch die Kape llen- u nd Büchertü rme akzentuierte, s ich
um das gan ze Gebäude ziehende Bewegu ng erzeugt ... "
Paul S chneider-Esl eben, D Osseidorf
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