13 Der Kunde ist kein Kunde mehr – was nun? Unternehmen haben ein Interesse daran, Kundendaten auch nach Beendigung der Kundenbeziehung zu nutzen. Ziel ist es, Kunden zu binden oder wiederzugewinnen. Das setzt voraus, dass sie die Daten langfristig speichern und für die gewünschten Zwecke nutzen dürfen. 13/1 Welche Lösch- und Sperrpflichten bestehen? Grundsätzlich sind alle Daten zu löschen, wenn weder eine Einwilligung in ihre Speicherung vorliegt noch eine Rechtsgrundlage ihre Speicherung erlaubt, § 35 Abs. 2 Satz 2 BDSG. Löschungspflicht In diesem Zusammenhang kommen z.B. folgende Fallgruppen in Betracht: Es ist erwiesen, dass die Daten falsch sind, § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG. Wird eine einmal erteilte Einwilligung widerrufen, so sind die Daten gemäß § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG zu löschen. Die Speicherung ist nach dem Widerruf der Einwilligung unzulässig. Gespeicherte Kundendaten sind nach § 28 BDSG i.V.m. § 35 Abs. 2 Nr. 3 BDSG vom Unternehmen zu löschen, wenn sie nicht mehr erforderlich sind, um die Zwecke zu erfüllen, für die sie ursprünglich erhoben wurden. Endet der Vertrag mit dem Kunden, benötigt das Unternehmen seine Daten nicht mehr für seine Erfüllung. Die Daten können allerdings noch erforderlich sein, um nachvertragliche Pflichten wie Gewährleistungs- oder Garantieansprüchen des Kunden zu erfüllen. Nach Ablauf dieser Fristen besteht damit grundsätzlich eine Pflicht zur Löschung, d.h. zur vollständigen Unkenntlichmachung. Beispiele Hat das Unternehmen die Daten zusätzlich für Zwecke des Marketings erhoben, dürfen die Daten so lange gespeichert werden, bis kein Marketing mehr erfolgt. Werden daneben auch online Daten erhoben, d.h. im Rahmen der Erbringung eines Telemediendienstes, gilt § 13 Abs. 4 TMG. Danach müssen Unternehmen sicherstellen, dass personenbezogene Daten, die sich auf den Ablauf des Zugriffs oder die sonstige Nutzung des Dienstes beziehen, unmittelbar nach Beendigung der Nutzung zu löschen sind. 13 Der Kunde ist kein Kunde mehr – was nun? | 211 Fristen Das Gesetz sieht keine exakte Frist für die Löschung vor. Allgemein wird jedoch davon ausgegangen, dass die Löschung in einem zumutbaren Zeitraum nach Kenntnis von der Löschungspflicht erfolgen muss. Jedenfalls sollte eine weitere Verarbeitung etc. rechtzeitig verhindert werden. Sofern nötig, sollte eine unverzügliche Löschung erfolgen, d.h. ohne schuldhaftes Verzögern im Sinne des § 121 BGB. Gleichwohl können hier längere Fristen aufgrund der organisatorischen Ausgestaltung der internen Prozesse im Unternehmen zulässig sein (bspw. Datenbereinigung in speziellen Abständen). Praxistipp Sperrung als Alternative Alternativ kann auch eine Sperrung genügen, § 35 Abs. 3 BDSG: „(3) An die Stelle einer Löschung tritt eine Sperrung, soweit im Fall des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 3 einer Löschung gesetzliche, satzungsmäßige oder vertragliche Aufbewahrungsfristen entgegenstehen, Grund zu der Annahme besteht, dass durch eine Löschung schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt würden, oder eine Löschung wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich ist.“ Sperrung für andere Zwecke Das Unternehmen muss in diesem Fall sicherstellen, dass die Daten tatsächlich nur noch z.B. zur Erfüllung der steuer- oder handelsrechtlichen Archivierung aufbewahrt werden. Der Kunde widerspricht der Nutzung seiner Daten für Marketingzwecke. Die Daten dürfen z.B. für Archivierungszwecke aufbewahrt werden. Sie sind allerdings für die Nutzung von Marketingzwecken zu sperren. Beispiel Sperrung bei unverhältnismäßigem Aufwand Das Unternehmen kann von der Löschung absehen, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand nach sich ziehen würde. Die Daten werden für Sicherungszwecke (Backup) gespeichert. Hier genügt ein entsprechender Sperrvermerk. Beispiel Es empfiehlt sich in diesem Zusammenhang, systemseitige Löschund Sperrkonzepte einzuführen, die unternehmensweit sicherstellen, dass Daten nicht unnötig aufbewahrt oder für Zwecke genutzt werden, für die sie nicht genutzt werden dürfen. Dabei ist auch sicherzustellen, dass Mitarbeiter auch zur Löschung von Daten angehalten werden. Ein Vertriebsmitarbeiter, der Kundendaten auf seinem Laptop speichert, sollte mittels einer entsprechenden Handlungsanweisung angewiesen werden, Altdaten zu löschen. Praxistipp 212 | 13 Der Kunde ist kein Kunde mehr – was nun? 13/2 Ist eine Verlängerung der Speicherdauer durch Zweckänderung zulässig? Unternehmen müssen bei der Erhebung der Daten festlegen, für welchen Zweck die Daten erhoben werden, und den Kunden im Rahmen der Erhebung der Daten entsprechend informieren (vgl. Kap. 3/2). Zielt die Erhebung darauf ab, die Daten umfassend für Marketingzwecke zu erheben, so darf eine weitere Speicherung für diesen Zweck erfolgen. Erst dann, wenn alle Zweckbestimmungen entfallen sind, sind die Daten zu löschen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass spätere Zweckänderungen gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG nur dann zulässig sind, wenn berechtigte Interessen des Unternehmens bestehen, denen keine erkennbaren schutzwürdigen Interessen der Kunden gegenüberstehen (siehe Kap. 3/1). Der Vertrag mit dem Kunden endet. Kurz danach beschließt die Marketingabteilung, dass die Daten nun für Zwecke der postalischen Werbung und Kundenzufriedenheitsumfragen genutzt werden sollen. Beispiel Ein solches Vorgehen wird – wenn überhaupt – nur nach einer sorgfältigen Interessenabwägung zulässig sein. Der Kunde ist ggf. über die geänderten Zwecke zu informieren (siehe dazu bereits Kap. 3/1 und 3/2.1.2), oder es sollte – sofern kein gesetzlicher Erlaubnistatbestand die weitere Speicherung erlaubt – die Einwilligung des Kunden eingeholt werden. 13 Der Kunde ist kein Kunde mehr – was nun? | 213