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MARATHONRAD
LEICHTATHLET
Ein leichtes Rad ist der Traum vieler Rennradler. Die Frage ist nur: Überstehen leichte Tuningteile auch
Rennen und Trainingsalltag? TOUR hat’s ausprobiert und ein Sechs-Kilo-Rad für die Transalp aufgebaut
TEXT: DIRK ZEDLER
A
nfang März 2006. Der Winter
hat Deutschland noch im Griff,
bei mir herrscht Sonnenschein
und Vorfreude: Ich habe einen Startplatz für die TOUR-Transalp und
kann für TOUR nun meine Wunsch24
TOUR 9/ 2006
Geschichte verwirklichen: Dienstlicher Auftrag ist es fortan, das leichtestmögliche Rennrad aufzubauen, mit
dem man möglichst schnell und trotzdem sicher die Alpen überqueren kann.
Die Frage ist: Wie renn- und alltagstauglich ist ultraleichtes TuningMaterial? Schließlich locken leichte,
edle Teile viele Radsportler, die aber
nicht nur wegen der teils exorbitanten
Preise vor dem Kauf zurückschrecken,
sondern auch wegen der Unsicherheit,
ob das sündhaft teure Zeug hält.
Die vollmundigen Versprechen vieler Hersteller im Hinterkopf, peile ich
beim Gesamtgewicht des Boliden die
Schon nach den ersten Telefonaten
mit den Herstellern meiner WunschTeile kommt das Projekt ins Stocken:
Die dreiwöchige Lieferfrist bis zum
Beginn des Trainingslagers ist für viele
zu kurz. Andere geben Vollgas: NokonHersteller Carl Stahl fertigt und
schickt die nicht vorrätigen schwarzen
Nokon-Züge binnen vier Tagen; Isaac
lässt sich auf die Sonderlackierung eines Sonic-Rahmens ein, der in weniger
als drei Wochen von der Produktion in
Fernost auf meinen Montageständer
gelangt. Ich gebe zu: Die schicke Schale des Rahmens ist ein Hauptgrund für
meine Wahl; geringes Gewicht (Platz
drei im TOUR-Leichtrahmen-Test,
Heft 2/06) und die reichlich bemessene
Steifigkeit für mich als 66-Kilo-Leichtgewicht bestätigen das auch aus technischer Sicht. Ein leichter Zahnkranz
mit Alu- oder Titanritzeln lässt sich
hingegen nicht beschaffen. Nach dem
Hinweis auf den geplanten Einsatz bei
der TOUR-Transalp hüllen sich die
befragten Hersteller dauerhaft in
Schweigen.
Isaac-Rahmen dreht sich unten jedoch
ein 1-1/4-Zoll-Lager. Einen passenden neuen Lagerkonus fertigt ein befreundeter Dreher an. Zugeständnis
bei der Sattelstütze: Weil sich das
Carbon gestell des gewählten AXLightness-Sattels nicht mit leichten
Joch-Sattelstützen verträgt, kommt
Ritcheys 60 Gramm schwerere WCSStütze ans Rad, deren breite Auflage
das Sattelgestell bei meiner Sattelposition fast in der Mitte unterstützt. Kurz
vor der Reise ins Trainingslager wandert das fertige Rad vom Montageständer an die Waage: 5,9 Kilogramm mit
Pedalen, Radcomputer und zwei Flaschenhaltern. Erstes Ziel erreicht.
Die ersten Meter unter spanischer
Sonne. Das Rad fährt, die Laufräder
machen Geräusche wie Scheibenräder,
nur leiser. Die Schaltung rappelt etwas,
aber das war klar. Im Wiegetritt ist das
Gewicht eine Offenbarung: Das Rad
lässt sich federleicht bewegen, durch
die geringe Masse des Vorderrades
fühlt sich das Rad enorm wendig an,
ohne bei schneller Fahrt schwammig
zu wirken. Die seitensteife Gabel und
der steife Rahmen machen zielgenaues
Lenken zum Vergnügen. Der erste
Griff in die Bremse bringt dann die
Ernüchterung. Laut quietschend und
ruppig stotternd packen die Beläge zu.
Ich hoffe, dass sich das nach kurzer
Zeit gibt, schließlich stammen Bremsbeläge und Laufräder vom selben Hersteller. Der Sattel ist
erstaunlich bequem,
nur die Lenkerform
harmoniert nicht mit
Campas ErgopowerGriffen, die ich gewählt habe, weil sie
leicher als Shimanos
Dura-Ace-Hebel
sind. Um die Bremshebel mit meinen
kleinen Händen auch
„5“ vor dem Komma an. Die RennradBranche zieht bei meinem Plan mit,
Geld spielt also zum Glück keine Rolle.
Eher die Optik und 25 Jahre Rennraderfahrung: Bahnreifen ohne Pannenschutz, ausgehöhlte Schaltbremsgriffe,
antiquierte Unterrohrschalthebel oder
eine Kriteriums über setzung von 11
auf 21 Zähne scheiden aus. Außerdem
will ich meine knappe Trainingszeit so
effizient wie möglich gestalten, weshalb ein SRM-Powermeter unbedingt
ans Rad soll, trotz des Mehrgewichts
von knapp 150 Gramm gegenüber einer serienmäßigen Dura-Ace-Kurbel
oder von 253 Gramm gegenüber einer
THM „Clavicula“.
Die Montage der Bauteile erweist sich
als zeitintensive Herausforderung, obwohl es sich fast ausschließlich um
käufliches Serienmaterial handelt. Der
Ersatz vieler Stahl- durch Aluschrauben und die Kombination von Teilen
verschiedener Hersteller erfordert
Umsicht. Um Klemmkräfte gering zu
halten, schmiert Dynamic-Montagepaste die Passungen. Besonders widerspenstig: das gesamte Schaltsystem. Als
Umwerfer fungiert Campas RecordModell mit Carbonführ ung, das
Schaltwerk ist ein 127 Gramm leichter
Prototyp von Lightweight – ohne jede
Verstellmöglichkeit. Von Anfang an
hakt es im Getriebe. Versuche mit verschiedenen Kettenlängen bringen
kaum Besserung, die Führungs rolle
kommt nicht auf die nötige Distanz zu
den Ritzeln – es lassen sich nur neun
von zehn Gängen schalten, das 13erRitzel bleibt vorerst unbenutzt. Der
Grund: Das Schaltauge des Rahmens
liegt nicht innerhalb der Geometrievorgaben des Schaltungsherstellers.
Nächste Hürde: Die Montage der
leichtesten mir bekannten Seriengabel
von THM statt der rund 400 Gramm
schweren Seriengabel. Die „Scapula
SP“ ist auf 1-1/8-Zoll ausgelegt, im
SIMON (2)
DECKBAR
ERST QUIETSCHT’S...
Leicht aber
nicht locker:
Ritcheys Sattelstütze WCS
Carbon mit
Tune-Klemmschelle (oben).
Filigran und
fest: der
Flaschenhalter
von Tune
TOUR 9/ 2006
25
MARATHONRAD
Am fünften Fahrtag beginnt ab der
Hälfte der geplanten 140-KilometerRunde die Kette zu springen. Diagnose: drei steife Kettenglieder. Ich
muss rund 70 Kilometer über Berg
und Tal mit 53/21 fahren, weil nur in
diesem Gang die schwachen Schaltungsfedern die Kette einigermaßen
im Zaum halten. Genervt tausche ich
Schaltwerk und Kette aus.
... DANN KRACHT’S
DECKBAR
im Unterlenker gut greifen zu können,
habe ich sie tief im Bogen angebracht.
Dadurch muss ich den Lenker verhältnismäßig hoch drehen, um akzeptabel
auf den Griffhöckern fahren zu
können. Ich hoffe auf Gewöhnung.
Die nächsten Tage bringen viele
Kilometer – und Schraubarbeit. Der
Umwerfer sträubt sich gegen die Wippermann-Leichtkette. Das titangetunte
Gliederband klettert unwillig aufs große Blatt und fällt beim Runterschalten
gelegentlich nach innen aufs Tretlager,
von wo es sich mit dem Umwerfer
nicht mehr hoch holen lässt. Nachdem
ich mehrmals absteigen und die Kette
von Hand auflegen muss, stelle ich den
Umwerfer so ein, dass die Kette im ersten Gang schleift – das geringere Übel.
Das Bremsverhalten wird nicht besser,
dafür muss das Lenkungslager aufgrund des ständigen Bremsruckelns
alle zwei Tage justiert werden.
Härtetest für Fahrer und Technik: Dirk Zedler
und sein Leichtbaurad auf der TOUR-Transalp
Am sechsten Tag das nächste Tief
der jungen Liebe. Ich bin kurz unaufmerksam, muss hart bremsen – die
Vorderradbremse tut erst gar nichts
und beißt sich dann so fest, dass ich
über den Lenker auf den Asphalt
stürze. Die Folgen für das Fahrrad sind
zum Glück überschaubar. Lenkerband
und hinterer Schnellspanner sind angekratzt, die Flaschen aus den Haltern gepurzelt – übrigens der einzige
Fahrtenbuch des TOUR-Marathonrads
KMSTAND EREIGNIS
65 Umwerfer schaltet schlecht hoch
166 Bremse stottert und quietscht,
Lenkkopflager wird lose
374 Schaltung arbeitet mäßig und laut
Umwerfer schaltet schlecht hoch;
Kette fällt nach innen
Lenkkopflager lose
454 Kette springt
532
532
542
730
915
915
1.780
2.218
2.614
2.669
2.715
3.505
4.179
4.578
4.700
4.818
4.932
5.048
26
URSACHE
Bremsverhalten
Lightweight-Räder und -Beläge
Leitrolle steht schief
Bremsverhalten
drei steife Kettenglieder; Schaltwerk baut zu wenig Spannung auf
Umwerfer wohl zu breit für
Kette fällt nach innen
Dura-Ace-Kurbel
Bremsverhalten
Lenkkopflager lose
abrupter Vorderrad-Stillstand,
Sturz über den Lenker bei etwa 15
km/h, Lenkerband leicht aufgerieben, inakzeptables Ansprechverhalten
der Bremse
Umwerfer und Sattel leicht zerkratzt
Bremsfläche passt nicht zu Belag
Bremsverhalten
Durchschlag hinten mit Seitenwand- empfindliche Seitenwand?
schaden durch relativ kleinen Stein
Reibung in den Perlen und Hülsen
Nokon-Züge knarren, wenn der
Lenker bewegt wird
keine Schraubensicherung
Kurbel wird lose – wohlgemerkt,
vorgesehen
bevor Teile verloren gingen
Reibung in den Perlen und Hülsen
Nokon-Züge knarren, wenn der
Lenker bewegt wird
Wettkampfkontrolle
Sattel extrem rutschig im Regen
Krämpfe und Schmerzen im Gesäß
steifes Verschlussglied, SchaltKette springt
werk baut zu wenig Spannung auf
Züge knarren wieder
Furcht vor Transalp-Pässen
Lightweight-Räder und -Beläge
Bremsbeläge hinten rubbeln
Verschleiß
Beläge vorne abgefahren
Dauerregen
keine Bremsprobleme zu erwarten
Sonne
Schaltung rappelt
Demontage
TOUR 9/ 2006
MASSNAHME
verdreht und neu eingestellt
Lager nachgestellt
Schaltauge feinjustiert; Schaltwerk in sich verdreht
nachjustiert
nachgestellt
Neue Kette (Wippermann 10S1) und Campa-RecordSchaltwerk mit mittellangem Käfig montiert
Endanschlag eingedreht; Kette fällt nicht mehr herunter,
streift dafür im ersten Gang
nachgestellt
auf Shimano Dura-Ace-Carbonvorderrad plus Bremsbeläge
gewechselt
vorne Campagnolo-Beläge für Carbonfelgen montiert
Reifen unterwegs getauscht, anschließend neuen Conti
Competition geklebt
mit Sprühöl behandelt
neu eingestellt und gemäß Bedienungsanleitung angezogen
mit Kettenspray behandelt (einziehen lassen, Überschuss
abgewischt)
Inspektion, alle Schrauben kontrolliert etc., Kette geflutet
unterwegs keine, danach auf Selle Italia SLR TT gewechselt
unterwegs keine; Schaltauge mit besserer Geometrie und
neue Kette (Campagnolo ultra narrrow) montiert
schmieren
38er Specialites TA-Kettenblatt montiert
auf Campa-Beläge gewechselt, Kurbelschrauben kontrolliert
auf Campa-Beläge gewechselt
auf Tune-Vorderrad (DT Alu-Felge), Campa-Beläge gewechselt
zurück auf Lightweight-Räder gewechselt
nachjustiert
FRAGEN AN DIE HERSTELLER
Warum ging das nicht?
„Warum verzögern die
Lightweight-Bremsbeläge
so ruppig auf LightweightLaufrädern?“
„Bei den ersten Felgen-Exemplaren war
zu viel Versiegelungsharz aufgebracht, das sich
beim Bremsen verschieben konnte. Der Reibwert von Harz und Härter unterscheidet sich,
dadurch entsteht das Rubbeln. Inzwischen werden die Bremsflanken geschliffen. VentouxLaufräder, die das Problem aufweisen, bessern
wir kostenlos nach. Zu Bremsbelägen gibt es
verschiedene Erfahrungen. Wir arbeiten an einem vollständig neuen Produkt, bis dahin hilft Erhard Wissler,
nur Ausprobieren, ob Beläge von Lightweight, Carbonsports
Campa oder Shimano die bessere Wahl sind.“
„Warum arbeitet die Campa-Schaltung am Isaac-Rahmen
nur eingeschränkt?“
„Das lag an der Position des
Schaltauges. Inzwischen wurde
die Geometrie der auswechselbaren Schaltaugen geändert,
damit auch Campa-Schaltungen mit großen Ritzeln sauber funktionieren. Seit
einiger Zeit ist das überarbeitete Schaltauge in
die Serie eingeflossen.
Roger Milenk,
Isaac-Fahrern, die mit
Isaac
der Schaltfunktion Probleme haben, bieten wir das neue Schaltauge
zum kostenlosen Tausch an.“
„Kann man was dagegen tun, dass der leichte
und sehr bequeme AX-Lightness-Sattel bei
Regen so rutschig wird?“
„Viele unserer Kunden kleben einfach einen
Streifen raues Gewebeband auf. Bei einem
bekannten deutschen Profi hat man
das schön öfter gesehen, das kann
ja sogar ganz hübsch aussehen.“
P R I VAT ( 4 ) ; Z E D L E R ( 4 )
Axel Schnura,
AX-Lightness
„Warum bekamen zwei Wippermann-Ketten steife Glieder und
sprangen als Folge davon über die Ritzel?“
„Die Rollen der beiden Ketten erreichten aufgrund von Abweichungen in der Materialzusammensetzung nicht die geforderte Härte.
Wippermann hat in ein spezielles Mikroskop
investiert, um künftig das Rohmaterial in der
Serienproduktion genauer untersuchen
zu können und nur noch hundertprozentiges Material zur
Weiterverarbeitung
im Hause freizuReinhard
geben.“
Bludom,
Wippermann
MARATHONRAD
Das Leichtrad im Detail
Die Tabelle dokumentiert die Zusammenstellung bei der TOUR-Transalp.
Der Gesamtpreis ist nur ein Anhaltspunkt: Er addiert alle Preise der Einzelteile, von denen einige doppelt bestellt wurden,
andere waren Einzelanfertigungen, ausgetauschte
Teile wurden nicht gegengerechnet. Beispiel: Das
Rahmen-Set wird nicht in dieser Lackierung, aber
mit Gabel geliefert. Die Gewichtsangaben für Rahmen und Gabel im Leistungsfeld nennen die auf Rahmengröße 58 normierten Werte, in der Tabelle
links unten stehen die tatsächlich gewogenen Gewichte.
Kraftübertragung (93 Nm/°)
12
2
12
Komfort
Fahrstabilität
(87 Nm/°)
11
SIMON
Gewicht Rahmen/Gabel
(995 g/286 g)
12
Seitensteifigkeit Gabel
(48 N/mm)
L/F/BA/G: 5/4/2/2*
BAUTEIL HERSTELLER, TYP
Rahmen 1)
SattelstützenKlemmschelle
Steuersatz
Gabelkonus
Ahead-Kappe
Schraube
Gabel
Gabelkappe
Spacer
Vorbau 2)
Vorbauschrauben
Lenker
Lenkerband
Lenkerstopfen
Schaltbremshebel
Schaltzüge
Bremszüge
Bremskörper
Innenlager 3)
Kurbel 4)
Kleines Kettenblatt
Großes Kettenblatt
Pedale 5)
Umwerfer
Schaltwerk
Kette
Kassette
Laufradsatz
Schnellspanner
Reifen
Sattelstütze
Sattel
Flaschenhalterschrauben
Flaschenhalter
Radcomputer
(Kabel, Halter, Displ.) 6)
SUMME
28
TOUR 9/ 2006
Isaac Sonic
Tune Würger
FSA integriert
Eigenbau
Carbon Ti
Schmolke Carbon
THM Scapula SP, Schaftlänge
230 mm, inkl. Gegenhalter
THM Spina Scapulae
Carbon (20mm)
Syntace F99
Syntace Ti
Schmolke Carbon SL
Kork
Schmolke Carbon (2 Stk.)
Campagnolo Record
Nokon
Nokon
Campagnolo Record
Acros Ceramik
SRM/Shimano Dura-Ace
Specialites TA, 38 Z
Carbon Ti
Speedplay Zero Titan
Campagnolo Record
Campagnolo Record MC
Campagnolo Ultra Narrow
Campagnolo Record 13-29
Lightweigt Ventoux
Tune AC 14
Continental Competition
Tubular (2 Stk.)
Ritchey WCS Carbon
Selle Italia SLR
Schmolke Carbon (4 Stk.)
Tune Wasserträger Uni (2 Stk.)
SRM
PREIS
GEWICHT
2.499
75
920
9
0
17
9,5
678
60
11
4
1
273
70
6
108
21
369
11
28
304
67,75
42,89
246
99
3.248
29
199
275
102
259
49
234
3.690
87
119,90
4
8
86
11
157
35
4
329
97
104
311
92
673
33
77
166
71
187
245
233
998
54
515
189
109
32
98
162
145
2
28
115
13.371,04
6.220
Kontrollverlust des ebenso filigranen wie überzeugenden Tune-Modells für alle gängigen Radflaschen. Der
Tune-Halter für Tacx-Flaschen ist zwar noch leichter, gibt die Flasche aber nach einigen Stunden Fahrt
kaum mehr frei, weswegen er für Gruppentouren oder
Rennen nicht taugt. Ach ja: Ich trage beim Sturz leider
einen schmerzhaften Rippenbruch davon.
Wegen der anhaltend schwachen Bremsleistung
montiere ich zum Test Shimanos Dura-Ace-Carbonvorderrad samt passender Beläge. Es folgt ein echtes
Aha-Erlebnis und die traurige Erkenntnis: Der Rippenbruch wäre nicht nötig gewesen. Ich pro bie re eine
weitere Kombination und montiere das LightweightVorderrad mit Campas Bremsbelägen für Carbonfelgen.
Auch diese Variante bremst deutlich besser als das
Lightweight-Ensemble, wenn auch nicht so gut wie die
Dura-Ace-Kombination. Das Lenkungslager muss ich
bis Ende des Trainingslagers nicht mehr nachstellen.
... UND IRGENDWANN PASST’S
Nachdem die Rippen verheilt sind, taucht im Trainingsplan der Gerolsteiner-Marathon als Wettkampf auf
dem Weg zur TOUR-Transalp auf. Das Rad begnügt
sich bis dahin mit regelmäßigem Schmieren der Kette
und der ohne Fett nervtötend knarrenden Nokon-Züge.
Trotz Regen kurble ich zügig, ich will die 210-Kilometer-Runde fahren. Doch nach eineinhalb Stunden plagen mich Krämpfe an einer Stelle, wo ich sie noch nie in
meiner Rennradkarriere hatte. Der nasse Sattel scheint
mit Schmierseife überzogen, die Gesäßmuskeln suchen
im Wortsinn krampfhaft Halt. Ich fahre mehr als eine
Stunde im Stehen, massiere, dehne, dann geht’s – bis
zum nächsten Malheur: Die Kette springt wieder. Als
nach 99 Kilometern die erste Runde zu Ende geht, biege
ich genervt und enttäuscht ab zum Duschen.
Ich beschließe, bei der Transalp keine Experimente
mehr zu machen und schraube meinen gewohnten und
1) Sonderlackierung, Gewicht mit Zugstellschrauben, Kabelführung und Umwerferhalter; 2) Gewicht ohne Schrauben; 3) Gewicht ohne Schmutzhülse; 4) Gewicht
ohne Blätter mit Schrauben; 5) Gewicht ohne Platten; 6) im Preis des SRM-Powermeter enthalten; * Lackqualität/Finish/Bedienungsanleitung/Garantie
bewährten Selle Italia SLR TT ans Rad. Kurz vor dem Start
trifft auch noch das geänderte Schaltauge von Isaac ein, mit
dem die Schalteigenschaften endlich wieder einem modernen Rennrad entsprechen. Die Transalp selbst wird zu einem
unvergesslichen Erlebnis, aus dem sich das Rad weitgehend
ausblendet – mit einer wesentlichen Ausnahme. Als es bei
leichtem Regen den 16 Prozent steilen Passo Giao runtergeht, mache ich mir vor Angst fast in die Hosen, weil das
Bremsverhalten der Carbonfelgen praktisch völlig erstirbt.
Am nächsten Morgen, mit der Aussicht auf weitere vier
Passfahrten in strömendem Regen, beschließe ich, auf das
sicherheitshalber mitgenommene Tune-Vorderrad mit AluFelge und passenden Bremsbelägen zu wechseln. Meine
Meinung: Bei einer Alpenüberquerung mit dem Rennrad
sind Carbonlaufräder die Teile, die man definitiv zu Hause
lassen sollte – im Regen ist das zu gefährlich! Übrigens
beneiden mich an diesem Regentag Hunderte von TransalpMitstreitern um das SKS-Steckschutzblech am Hinterrad.
WAS BLEIBT VOM TRAUMRAD?
Mein Fazit nach knapp 5.000 Trainings- und Wettkampfkilometern: Aktuell leidet die Schönheit des Boliden unter
dem auf beiden Lenkerseiten etwas verrutschten Lenkerband und den ramponiert aussehenden gelben Pedalen.
Deren Funktion freilich ist genau so tip-top wie die der
bewährten Klassiker. Tune-Schnellspanner und Campas
Serien material wie das Record-Schaltwerk zeigen sich
erwartungsgemäß unbeeindruckt, problemlos auch die
Carbon-Alu-Kettenblätter, deren Großes gegenüber dem
Dura-Ace-Pendant immerhin 29 Gramm Gewicht spart. Die
Nokon-Züge korrodieren sichtbar unter der abblätternden
Beschichtung der goldenen Hülsen; am Keramik-Innenlager
von Acros dreht sich das linke Lager etwas schwerer als das
rechte, aber auch nicht wirklich rau. Der hintere Reifen
schwindet nach mehr als 4.000 Kilometern rapide, da ist
Ersatz gefragt. Rahmen, Gabel und Laufrädern konnte der
Regen in den Alpen nichts anhaben, nirgends hat sich Wasser
angesammelt. Das Gesamtgewicht nach der Transalp beträgt
inklusive aller Umbauten aktuell 6,22 Kilogramm. So wie es
ist, könnte man mit dem Rad gleich die nächsten Kilometer
abspulen. Wäre es meines, würde ich einen Lenker montieren, der besser zu Campas Ergopower-Hebeln passt und das
zwangsläufige Mehrgewicht durch die erneute Montage des
AX-Lightness-Sattels wieder ausgleichen. Denn für Fahrten
im Regen ist so ein Rad eigentlich ohnehin zu schade.
■
BEZUGSQUELLEN/HERSTELLERNACHWEISE
• Acros (Innenlager) Telefon 0 71 59/16 95 65; www.acros.de • ACS
(Speedplay), Telefon 05 31/8 76 09-0; www.acs-vertrieb.de • Campagnolo Telefon 02 14/20 69 53-0; www.campagnolo.de • Carbonsports
(Leightweight) Telefon 0 75 41/38 89-23; www.carbonsports.de
• Carbon Ti (großes Kettenblatt) Telefon 0 76 31/ 70 41 68; www.carbon-ti.com • Continental Telefon 0 56 31/58-0; www.conti-online.de
•Cosmic Sports (Ritchey-Sattelstütze); Telefon 09 11/ 3 10 75 50;
www.ritcheylogic.com • Hanrahan (Specialités TA), Telefon 08 21/
52 25 71, www.hanrahan.de • Isaacc Telefon 05 31/8 76 09-30; www.
isaac-carbon.com • Paul Lange (Selle Italia), Telefon 07 11/ 25 88-0,
www.paul-lange.de • Nokon Carl Stahl, Telefon 0 71 62/40 07-0; www.
nokon.de •Schmolke Carbon Telefon 0 75 31/69 36 29; www.schmolkecarbon.de • SRM Telefon 0 24 61/69 12 30; www.srm.de • Stier (Carbonspacer) Telefon 07 11/61 88 01; www.stier-radsport.de • Syntace,
Telefon 0 86 34/6 66 66; www.syntace.de • THM (Gabel) Telefon
0 43 38/9 99 41 23; www.thm-carbones.com • Tune Telefon
0 76 31/7 48 07 30, www.tune.de
TOUR 9/ 2006
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