Erfahrungsbericht PJ-Tertial für Innere Medizin im Zhejiang

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Erfahrungsbericht
PJ-Tertial für Innere Medizin
im Zhejiang-Krankenhaus, Linyin Lu 12, Hangzhou, China
4. Juni bis 21. September 2007
Motivation
Nach einer kurzen Reise nach meinem Abitur und einem dreimonatigen Aufenthalt in China,
bei dem ich bereits in Wuhan famuliert habe, sowie nach mehr als drei Jahren Sprachunterricht und Kursen über chinesische Literatur, Geschichte und Politik an der Uni, wollte ich
gern mein Wissen über China und meine Sprachkenntnisse durch eine weiteren mehrmonatigen Aufenthalt in dem Land erweitern. Außerdem fand ich es spannend, ein völlig anderes
Medizinsystem mit anderen Ansichten zu Krankheit und Gesundheit kennen zu lernen.
Bewerbung
Die Charite, Berlin, hat einen Austausch mit Hangzhou, die wichtigsten Informationen findet
man unter http://www.charite.de/international/cooperation/partner_8.html Erforderlich sind ein
Motivationsschreiben und der Lebenslauf auf Englisch.
Voraussetzungen
Die wichtigste Voraussetzung aus meiner Sicht sind Kenntnisse in der chinesischen Sprache, dabei sollte man sich darüber im Klaren sein, dass ein Semester Sprachkurs lange nicht
reicht. Zwar können die meisten Ärzte im Krankenhaus und auch die meisten Jugendlichen
gut Englisch sprechen, trotzdem sollte man sich darauf nicht verlassen. Ohne Sprachkenntnisse bleibt man die meiste Zeit zum Zuschauen verdammt, versteht keine Anamnesen und
kann auch nicht in Krankenakten nachlesen, geschweige denn Formulare ausfüllen.
Ansonsten benötigt man in China noch viel Geduld, Toleranz und Flexibilität.
Reisevorbereitung
Das wichtigste ist das Visum, das man aber vergleichsweise unbürokratisch mit Hilfe der
Einladung aus China in der chinesischen Botschaft in Berlin beantragen kann, die Bearbeitungszeit beträgt ca. eine Woche.
Für den Flug nach Shanghai Pudong (von dort gibt es einen Shuttlebus nach Hangzhou)
muss man ca. 600 Euro rechnen, Air China ist dabei meist recht günstig, bietet aber keine
Anschlussflüge innerhalb Deutschlands an. Ich selbst bin mit der Transsibirischen Eisenbahn
von Moskau nach Peking gefahren, was zwar wesentlich mehr Zeit benötigt und letztendlich
auch nicht wirklich billiger als der Flug ist, aber dafür noch mal ein Abenteuer für sich ist.
Eigentlich kann man mit leichtem Gepäck fahren, da man alle westlichen Produkte, die wir im
Alltag benötigen auch in China kaufen kann, und das meist zu einem günstigeren Preis. Kittel werden vom Krankenhaus gestellt. Ich war ganz froh,den Herold dabei zu haben, weil es
in der Krankenhausbibliothek wenig nicht-chinesische Literatur gibt, aber man kann natürlich
auch alles im Internet nachlesen.
In den großen Städten Chinas sind Tropenkrankheiten selten, sodass abgesehen von der
Hepatitis A-Impfung und einem aktuellen Impfstatus (Hepatitis B, Tetanus, Diphtherie) keine
weiteren Impfungen oder eine Malaria-Standby-Prophylaxe nötig sind.
Unterkunft
Die Unterkunft, die kostenlos vom Krankenhaus zur Verfügung gestellt wird, ist für chinesische Verhältnisse sehr gut, besonders wenn man bedenkt, dass sich die chinesischen Studenten zu viert ein Zimmer mit Deckenventilator teilen. In der Regel ist man im Einzelzim -
mer, mit Klimaanlage, Fernseher und eigenem Bad untergebracht. Das Gebäude wird von
einem netten älteren Ehepaar verwaltet und ist nur 5 bis 10 min Fußweg vom Krankenhaus
entfernt.
Alltag
Es bietet sich an, eine chinesische Sim -karte fürs Handy zu kaufen, die meisten sind Prepaid-Karten und können sehr einfach aufgeladen werden. Auf diese Weise kann man innerhalb China ziemlich günstig telefonieren und einfach mit den Kollegen Kontakt halten.
Leider gab es zur Zeit meines Aufenthalts noch keinen Internetanschluss auf dem Zimmer,
man kann aber in der Bibliothek, deren Öffnungszeiten den Arbeitszeiten im Krankenhaus
entsprechen, ins Internet gehen. Abends oder am Wochenende kann man preiswert im Internetcafe (1h 2-3 RMB) oder mit dem eigenen Computer in einem Cafe mit Free-Wifi surfen.
Geld kann man bei den meisten Banken in den meisten Städten Chinas ganz einfach mit der
EC-Karte am Geldautomaten, die es an jeder Ecke gibt, abheben, Traveller-Cheques oder
Geld umtauschen hat sich bisher als wesentlich komplizierter herausgestellt, aber auch kein
Problem. Vorsichtshalber hatte ich noch eine Visa-Karte dabei, die ich aber nicht gebraucht
habe.
Das Krankenhaus ist zwar sehr schön gelegen, aber der nächste Supermarkt und die Innenstadt sind ein bisschen entfernt, so dass es sich empfiehlt, diese Strecken mit dem Fahrrad
zurückzulegen. Ansonsten kann man auch einen der Stadtbusse nehmen, die zwar günstig,
aber auch recht langsam und während der Rushhour auch recht voll sind. Außerdem kann
man die Fahrpläne ohne Chinesischkenntnisse nicht lesen. Zurzeit wird eine Metro gebaut,
die aber wohl erst 2010 fertig ist.
Die Lebenshaltungskosten in China sind ziemlich gering und betragen ca. 1/5 der Kosten in
China, jedoch haben Kinos, Bars und Kaffees ähnlich hohe Preise wie in Deutschland.
Hangzhou
Hangzhou ist eine 4-5 Millionen-Stadt, ca. 150 km von Shanghai entfernt. Die Hauptattraktion ist der Westsee, in dessen Nähe auch mein Krankenhaus lag. Die Gegend um den Westsee ist sehr grün, auch wenn sie am Wochenende von Touristen überlaufen ist. Informationen über die Stadt, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, aber auch Tipps fürs Ausgehen,
Einkaufen und was man sonst so braucht, enthält eine Broschüre, die man an jeder Touristeninformation bekommt. Außerdem gibt es eine monatliche Zeitschrift, MORE HANGZHOU, die in den Bars oder Hostels der Stadt kostenlos ausliegt und auch eine recht hilfreiche Website hat (www.morehangzhou.com).
Weil in Hangzhou viele ausländische Firmen ansässig sind, an den Unis viele ausländische
Studenten studieren und es dazu noch eine Menge ausländische Touristen gibt, hat Hangzhou eine große Auswahl an Cafes, westlichen Restaurants und Bars. Außerhalb der Touristengebiete ist Hangzhou aber eine typisch chinesische Stadt und man kann am chinesischen Alltag teilhaben, Chinesisch essen gehen, auf den Märkten handeln oder einfach versuchen im Verkehrschaos zu überleben.
Krankenhausalltag
Arbeitsbeginn ist um acht Uhr, mittags hat man ca. zwei Stunden zum Essen und für ein Mittagsschläfchen, Feierabend ist um halb sechs Uhr abends. Der Stationsalltag unterscheidet
sich nicht groß von deutschen Verhältnissen. Morgens gibt es eine Morgenrunde, wo sich
alle Ärzte und Schwestern versammeln und die Ereignisse der letzten Nacht und neue Patienten besprochen werden. Im Anschluss findet meist die Visite statt, die je nach Station kurz
oder lang ausfallen kann, einmal die Woche findet auch eine Chefarztvisite statt. Im Anschluss an die Visite werden die nötigen Untersuchungen angefordert, die Patientenberichte
in die Krankenakten geschrieben und neue Patienten aufgenommen bzw. Entlassungsberichte geschrieben.
Auffällig ist, dass die Chinesen entgegen unseren romantischen Vorstellungen von chinesischer Medizin viel Apparatemedizin betreiben und dabei versuchen, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben, es werden ganze Serien von Bluttests angeordnet und wenig hinterfragt, ob alle diese Untersuchungen nötig sind. Die Behandlung orientiert sich aber meistens
an internationalen Leitlinien. Immer häufiger trifft man aber auch auf Studenten und Ärzte der
traditionellen Chinesischen Medizin, die versuchen durch Kombination von westlicher und
chinesischer Medizin die Therapie für den Patienten zu optimieren, sodass es im Krankenhaus auch Abteilungen für Akupunktur, Tuina und eine chinesische Apotheke gibt.
Ein weiterer Unterschied zu Deutschland besteht darin, dass im Krankenzimmer nicht nur die
Patienten selbst, sondern auch meistens mindestens ein Familienmitglied „wohnt“, für die es
auch extra Klappliegen gibt. Die frisch gewaschene Wäsche wird im Treppenhaus oder vor
dem Fenster aufgehängt. Tagsüber kommen dann meist noch Söhne, Töchter oder sonstige
Angehörige zu Besuch, es wimmelt also von Menschen und es wird nicht so viel Wert auf die
Privatsphäre wie in Deutschland gelegt. Medizinische Probleme werden gelegentlich auch
mit dem Zimmernachbarn oder dessen Angehörigen diskutiert. Gerade bei Patienten, die
lange im Krankenhaus liegen, übernehmen die Töchter oder Schwiegertöchter auch einen
Großteil der Pflege.
Der Arbeitsplatz ist für die Chinesen nicht nur die Arbeit, es wird viel Wert auf gemeinsames
Essen und gemeinsame Unternehmungen mit den Arbeitskollegen und die Pflege von Beziehungen gelegt. Der Chef kümmert sich um das Wohl seiner Mitarbeiter und es werden oft
auch private Angelegenheiten miteinander besprochen. Auch nach Feierabend ist es nicht
unüblich, dass man aus beruflichen Gründen angerufen wird.
Während des Praktikums bemühen sich die Chinesen zwar einem viel zu zeigen, dennoch ist
man den größten Teil der Zeit zum Zuschauen und Nichtstun verdammt. Man ist nicht wirklich in den Arbeitsalltag integriert, sondern meistens eher die Attraktion der Station und muss
Fragen über Deutschland, insbesondere die Löhne, Auto- und Wohnungspreise in Deutschland, beantworten. Dadurch kommt man zwar gut in Kontakt mit anderen Ärzten, trotzdem ist
es aber schwer diese Kontakte zu vertiefen, zum einen wegen der Sprachprobleme, zum
anderen wegen der wirklich großen kulturellen Unterschiede.
Medizinstudium
Wenn man in China Medizin studieren will, muss man zunächst hervorragede Resultate in
der Schulabschlussprüfung, dem Gaokao, erzielen und Eltern haben, die einen untersützen
können. Das Studium ist kostenpflichtig und die Studenten sind auf die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern angewiesen. Studentenjobs wie in Deutschland gibt es so gut wie gar nicht,
die Studenten müssen aber auch meist von morgens bis abends lernen, so dass eine Nebentätigkeit auch nur schwer mit dem Studium vereinbar wäre. In den ersten fünf Jahren
Studium, nach deren erfolgreichen Abschluss man Bachelor ist, erwerben die Studenten,
daxuesheng, grundlegendes medizinisches Wissen. Je nach Leistung kann man danach
bereits im Krankenhaus arbeiten oder sich danach für ein weiteres dreijähriges MasterStudium entscheiden, bei dem der yanjiusheng sich bereits in einer Fachrichtung spezialisiert. Nach Abschluss des Masters trägt man den Titel yishi, hat aber immer noch nicht volle
Rechte als Arzt, sondern es folgen weitere Qualifizierungsprüfungen. Für einen Doktortitel
wären weitere drei Jahre Studium notwendig.
Gesundheitssystem
Das Gesundheitssystem in China ist recht undurchsichtig und ich kann hier keine vollständige Aufstellung geben, die meisten Chinesen jedoch sind nicht krankenversichert und müssen
alle Leistungen selbst bezahlen. (Vor dem Eingriff sucht sich der Patient je nach Rat des
Arztes und nach seiner eigenen finanziellen Situation selbst sein Herzschrittmachermodell
aus.) Für Parteimitglieder und diejenigen, die für eine Regierungsinstitution tätig sind, gibt es
ein abgestuftes Versicherungssystem auf Stadt-, Kreis- oder Provinzebene mit unterschiedlich hohem Anteil an Eigenleistung. Andere sind auch über ihre Firma oder privat krankenversichert. Trotzdem kann es immer noch passieren, dass, wenn ein Familienmitgied schwer
erkrankt, dessen Familie aufgrund der teuren Behandlungskosten in Armut gerät.
Fazit:
Ich kann nur jedem empfehlen, ein Tertial des PJs im Ausland zu verbringen. Selbst wenn
der medizinische Wissenszuwachs geringer als der bei einem Tertial in Deutschland ist,
kann man aber viel über fremde Medizinsysteme, andere Kulturen und Arbeitsweisen lernen.
Gute Sprachkenntnisse erleichtern einem dabei vieles.
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