V2.3 Signalübertragung und Leitungen - public.fh

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V2.3 Signalübertragung und Leitungen
1 Theorie
Messsignale müssen von der Quelle zum Messgerät übertragen werden, häufig über große
Entfernungen. Dabei sollen die Eigenschaften der Signale, die Amplitude, der Frequenzinhalt
und die Kurvenform möglichst wenig verändert werden. Die Eigenschaften von verschiedenen Leitungen und die Auswirkung bei Signalen mittlerer und höherer Frequenz werden
untersucht.
1.1 Eigenschaften einer Leitungsverbindung
In Schaltplänen oder Skizzen werden Leitungsverbindungen immer als ideale verlustlose
Verbindung zweier Schaltungsknoten betrachtet. In der Realität hat aber jede Verbindungsleitung einen ohmschen Widerstand sowie induktive und kapazitive Eigenschaften.
In der Praxis werden Signale in einem Stromkreis übertragen, der immer aus Hin- und Rückleitung besteht. Dabei kann nicht mehr angenommen werden, dass der Rückleiter überall das
gleiche Potential hätte („Masse“). Aus den ungezählten Möglichkeiten der ungeordnet
verlegten Leitungen werden hauptsächlich 2 Anordnungen von Stromkreisen betrachtet – die
unsymmetrische Koaxial-Leitung und die symmetrische Doppelleitung. Diese Leitungen
haben berechenbare und praktisch gut reproduzierbare Eigenschaften für die Wellenausbreitung.
Dient ein Koaxialkabel zur Vernetzung von Rechnern oder PCs, soll es Rechtecksignale mit
mehr als 1 MHz unverzerrt übertragen. Ein BK-Fernsehkabel soll einen Frequenzbereich von
40..400 MHz übertragen. Ein ISDN-Hausanschluss überträgt auf einer Doppelleitung
Rechecksignale mit mehr als 200 kHz. Die Verluste in einem Kabel, hervorgerufen durch den
Leitungs(draht)widerstand und frequenzabhängige Verluste im Dielektrikum, verursachen
eine Dämpfung der Amplitude am Empfangsort. Bei Leitungslängen von mehreren ...10 m
sind diese Verluste meist noch vernachlässigbar.
1.2 Wellenleiter
Jede Leitung hat besitzt sowohl induktives als auch kapazitives Verhalten. Bei Signalübertragungen kleiner Leistung ist der ohmsche Anteil häufig vernachlässigbar. Ein idealisiertes
verlustfreies Leitungssystem aus Hin- und Rückleiter kann man als eine Kette unendlich
vieler kleiner Induktivitäten und Kapazitäten darstellen. Für jeden Abschnitt ∆l gibt es ein
leitungsspezifisches ∆L und ein ∆C. Dabei ist die Größe der spezifischen Induktivität und
Kapazität abhängig von Durchmesser der Leitungen, vom Abstand und dem Dielektrikum
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(Isolationsmaterial) zwischen den Leitern, sind also Eigenschaften dieser Leitung. Typische
Werte für L´ und C´ liegen im Bereich von wenigen ...µH und ..100 pF pro Meter.
Abb. 1 idealer verlustloser Wellenleiter
Als Impedanz oder Wellenwiderstand Z0 einer Leitung bezeichnet man die Wurzel aus dem
Quotienten aus L´ und C´.

UN
L´
Henry / m 
Z0=
=
Ω =

IN
C´
Farad / m 

Auch wenn die Einheit in Ohm dargestellt wird, gilt dieser Wellenwiderstand auch für eine
verlustlose Übertragungsleitung ohne ohmschen Widerstand.
Im Vakuum breiten sich die Wellen mit einer Phasengeschwindigkeit vPh aus, die der Lichtgeschwindigkeit c entspricht.
v =c =
PH
1
µ0 ⋅ε 0
Breiten sich die Wellen in einem Isolator mit einem Dielektrikum mit εr > 1 aus, verringert
sich die Phasengeschwindigkeit vPh auf
v =
vLuft
Ph
εr
je nach verwendetem Isolationsmaterial. Mit diesem Verkürzungsfaktor wird auch eine
Wellenlänge der Schwingung auf einem Kabel kürzer als bei der Ausbreitung in Luft.
λKabel =
λLuft
εr
1.3 Leitungsaufbau
Die „symmetrische Doppelleitung“ hat für den Hin- und Rückleiter gleiche Leitungseigen-
schaften. Werden die beiden Leitungen eng beieinander geführt, kann die Abstrahlung von
Magnetfeldern und Einkopplung von äußeren Feldlinien gegenüber einer „wilden“ Verdrahtung start verringert werden. Es ist vorteilhaft, die Signalquelle und den Verbraucher
symmetrisch zur Bezugsmasse, d.h. auf halber Spannung anzuschließen, mit einem
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symmetrischen Generator oder angepasst mit einem geeigneten Symmetrieglied, z.B. einem
Übertrager oder einem Widerstandsnetzwerk.
Wird ein solches Leitungspaar noch verdrillt, so kompensieren sich die meisten äußeren
magnetischen und kapazitiven Einflüsse, weil sie etwa gleich auf den einen und dann den
anderen Leiter wirken. Der Wellenwiderstand Z0 ist durch den Leiterabstand, das Isolationsmaterial und teilweise durch die Montage bestimmt und liegt bei 100...600 Ω. Da das mit der
fortschreitenden Welle verbundene elektrische und magnetische Feld den Raum in der Nähe
der Leitungen durchdringt, kann die Wellenleitung durch benachbarte metallische Körper
oder andere Leitungen gestört werden.
Die Koaxial-Leitung besteht aus einem röhrenförmigen Außenleiter und einem zentrisch
angeordneten Innenleiter („ko-axial“). Der Außenleiter bildet den Rückleiter und gleichzeitig
eine metallische Abschirmung. Der Zwischenraum wird meistens mit einem Isolator
Abb. 3 unsymmetrische Koaxial-Leitung
(Dielektrikum) gefüllt. Der Wellenwiderstand Z0 dieser Leitung ist durch die Herstellung
bestimmt und liegt bei 50..75 Ω, der Verkürzungsfaktor bei etwa 0,66. Der Außenleiter bildet
das Bezugspotential für das übertragene Signal. Bei beweglichen Kabeln wird er als Geflecht
aus verzinnten Drähten hergestellt. Weil das mit der Welle verbundene elektrische und
magnetische Feld sich überwiegend im Inneren des Kabels befindet, besteht nur eine geringe
Empfindlichkeit gegen äußere Störungen. Um die Störeinleitung und –abstrahlung weiter zu
verringern, sind z.B. BK-Fernsehkabel zusätzlich zum Abschirmgeflecht mit einer leitfähigen
Folie umwickelt.
1.4 Anpassung
Im Idealfall wird an einem Ende der Leitung eine elektrische Leistung P eingespeist und am
anderen Ende entnommen. Das geschieht optimal, wenn der Quellenwiderstand ZG genauso
wie der Verbraucherwiderstand ZL den gleichen Wert wie die Leitungsimpedanz Z0 hat. Dann
spricht man von einem angepassten reflexionsfreien Abschluss.
Bei tiefen Frequenzen (Netzfrequenz 50 Hz, Audiofrequenzen) ist die Wellenlänge λ so groß,
dass die Wellenausbreitung auf der (‚kurzen‘) Leitung meistens noch keine Rolle spielt,
sondern nur die kapazitiven und induktiven Eigenschaften. Bei einem üblichen Koaxialkabel
beträgt die Kabelkapazität C´ etwa 100 pF /m. In Verbindung mit einem Quellen-Innenwiderstand von wenigen Kiloohm kann sich ein Tiefpass bilden, der höherfrequente Signalanteile
reduziert oder unterdrückt.
Haben der Quellenwiderstand oder der Lastwiderstand andere Werte zwischen Kurzschluss
und Leerlauf oder sind Blindelementen wie C oder L angeschlossen, werden Teile oder die
gesamte Leistung P an den Enden reflektiert, es entstehen eine Welligkeit der Signalhöhe auf
der Leitung mit frequenzabhängigen Überhöhungen und Absenkungen.
Bei einem Kurzschluss am Ende entsteht ein Strom-Maximum ohne Spannung, so dass alle
Leistung reflektiert wird, bei einer am Ende offenen Leitung ein Spannungs-Maximum ohne
Stromfluss.
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1.5 Reflexionen
Auf der Leitung bildet sich eine hinlaufende Welle und im Falle des nicht-idealen Abschlusses eine reflektierte Welle. Mit z als Leitungskoordinate und einem Phasenkoeffizient β
kann man die Spannungsverteilung auf der Leitung als U(z) beschreiben.
U ( z ) = U hinl . * e − jβ z + U refl . * e + jβ z ,
β=
2π
λ
KABEL
Für Vielfache von z=λK/4 und nicht-idealem Abschluss ergeben sich Resonanzeffekte.
Der Reflexionsfaktor r einer Übertragungsleitung ist definiert als
r=
ZL − Z 0
UR
=
=
ZL + Z 0
UN
P REFL.
P VORW .
und führt zu dem Welligkeitsfaktor s der Spannung auf der Leitung ....
s=
U max 1 + r
=
U min 1 − r
Will man bei der Übertragung von Messsignalen höherer Frequenzen (etwa oberhalb 500
kHz) noch eine gewisse %-Genauigkeit der Größenbestimmung (Amplitudenmessung)
erreichen, muss man die Eigenschaften der Signalquelle, die der Übertragungsleitung und die
Eigenschaften des Messgeräte-Eingangs berücksichtigen.
Die auf einem Oszilloskop angegebene obere Grenzfrequenz bezieht sich auf einen Abfall der
Empfindlichkeit um –3 dB entsprechend etwa -30% gegenüber niedrigen Frequenzen.
1.6 Laufzeit und Echo
In einem optimal abgeschlossenen Leitungssystem ergeben sich fortschreitende Wellen, die
komplett am Ende der Leitung absorbiert werden. Zwischen Einspeisung und Ankunft am
Ziel ergibt sich eine Laufzeit ∆T der Welle. Besser als mit Sinuswellenzügen lässt sich dies
mit digitalen Rechteckpulsen mit ungleichem Puls/Pausenverhältnis (30/70%) zeigen.
Ist die Leitung am Ende nicht korrekt abgeschlossen, wird ein Teil der Welle bzw. des
Impulses reflektiert und wird verzögert nach 2 ∆T wieder am Sendepunkt sichtbar. Mit
diesem Verfahren lässt sich in der Praxis die Länge einer Leitung oder die Entfernung bis zu
einer Störstelle / Beschädigung ermitteln.
1.7 Teiler-Tastkopf
Die Belastung einer Signalquelle durch die Kabelkapazität und die Eingangskapazität eines
Oszilloskops lässt sich durch die Verwendung eines Teilertastkopfes vermeiden. Bei ihm wird
aus einem Widerstand in der Messspitze und dem Eingangswiderstand des Oszilloskops ein
Spannungsteiler 10:1 gebildet. Zum Ausgleich der Kabelkapazität wird ein kapazitiver Teiler
Abb. 4 Teilertastkopf 10:1
aus C1, CK // CI parallelgeschaltet. Sind die Teilerverhältnisse gleich, ergibt sich ein frequenzmtlab2v305.doc / 22.09.2004 09:40
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unabhängiger Spannungsteiler. Als wirksamer Eingangswiderstand ergibt sich die Reihenschaltung von R1 und Ri, etwa 10 MΩ. Als wirksame Eingangskapazität für die Signalquelle
ergibt sich die Reihenschaltung von C1, CK//CI, etwa 15 pF.
Für genaue Messungen über einen großen Frequenzbereich sollte der Tastkopf am Oszilloskop auf das korrekte Teilerverhältnis durch Einstellen von C1 während der Darstellung eines
Rechteck-Signals justiert werden.
Bei hohen Frequenzen (> 20 MHz) können auch auf dem Kabel eines Teilertastkopfes wegen
der Fehlanpassung an den Enden Reflexionen und Resonanzeffekte auftreten.
Literatur:
Nachrichtenübertragungstechnik, U.Freyer, Hanser Verlag, 1988
Elektrische und elektronische Messtechnik, Felderhoff, Hanser Verlag 2003
Elektronische Messtechnik, Schmusch, Vogel Verlag, 2001
Bei dem Versuch eingesetzte Geräte:
Oszilloskop
L/C-Messgerät
Funktionsgenerator
Frequenzmessgerät
Hameg HM 1502-2
Hameg HM 8019
Thurlbey Thandar
Voltcraft MXC-1600
Datenblätter und Anleitungen zu den Geräten finden Sie auf den Webseiten des MesstechnikLabors des Fachbereichs Elektrotechnik.
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2.3 Signalübertragung und Leitungen
2 Vorbereitung
Bei dem Versuch wird die Signalübertragung an zwei realen Übertragungsleitungen, 50 m
einer Doppelleitung und 25 m (mechanische Länge) einer Koaxial-Leitung untersucht. Beide
werden an einem Sinus-/Rechteckgenerator 0-20 MHz mit einem Ausgangswiderstand Z0 =
50 Ohm betrieben. Das Signal für die Doppelleitung wird mit einem Symmetrier-Element
50 Ω -> 120 Ω angepasst.
Generator
Doppelleitung
Koaxial-Leitung
Ausgangswiderstand 50 Ohm
Wellenwiderstand Z0 = 120 Ohm
Verkürzungsfaktor ca. 0,63.
Wellenwiderstand Z0 = 50 Ohm
Verkürzungsfaktor ca. 0,66.
(1) Berechnen Sie, bei welchen Frequenzen hier mit Resonanzeffekten gerechnet werden
muss.
(2) Berechnen Sie näherungsweise den Reflexionsfaktor und Welligkeit für die 25m lange
Koaxial-Leitung, wenn jeweils am Ende statt des Abschlusswiderstands nur der
Oszilloskop-Eingangswiderstand mit 1 MΩ angeschlossen wird.
3 Durchführung
Am Versuchsplatz befinden sich ein Generator, ein Frequenzzähler, die Leitungen, ein
Oszilloskop und die notwendigen Zusatzeinrichtungen (siehe Grafik).
Versuchsteil Koaxial-Leitung
(2.1) Schließen Sie die Koaxial-Leitung an den Generator an, parallel dazu den Kanal 1des
Oszilloskops. Schließen Sie am Ende den Nenn-Abschlusswiderstand und das Kanal 2
des Oszilloskops an. Stellen Sie an der Generatorseite eine Spannung von Û=2,0 V
ein. Messen Sie die Spannungen an Anfang und Ende der Leitung für den Frequenzbereich von 1 kHz bis 20 MHz.
(2.2) Entfernen Sie am Ende der Leitung den Abschlusswiderstand („offenes Ende“).
Schließen Sie den Kanal 2 des Oszilloskops direkt an. Messen Sie den Spannungsverlauf im Bereich 1 kHz bis 20 MHz und in der Nähe der berechneten oder
beobachteten Resonanzfrequenzen.
(2.3) Trennen Sie den Anschluss zu Kanal 2 des Oszilloskops, befestigen die Kurzschlussbrücke am Leitungsende. Messen Sie den Spannungsverlauf am Anfang der
Leitung zwischen 1 kHz und 20 MHz sowie in der Nähe der berechneten oder
beobachteten Resonanzfrequenzen.
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(1) Versuchsteil symmetrische Doppel-Leitung
Schließen Sie zur Speisung der Leitung das Anpassungsnetzwerk an.
(3.1) Schließen Sie Kanal 1 des Oszilloskops am Leitungsanfang an, den Abschlusswiderstand (Box) 120Ω am Ende der Leitung mit dem Kippschalter verbunden.
Schließen Sie Kanal 2 des Oszilloskops zwischen Mitte und Ende des Abschlusswiderstands an (intern verbunden). Messen Sie das Übertragungsverhalten zwischen
1 kHz und 15 MHz
Abb. 5 Aufbau zum Leitungstest
(3.2)
Ändern Sie den Abschlusswiderstand auf 3 kΩ (Schalter offen) und messen das
Übertragungsverhalten zwischen 1 kHz und 15 MHz.
(4)
(4.1)
Versuchsteil Reflexionen und Echo
Schließen Sie das Koaxialkabel an und schließen die Leitung mit dem korrekten
Abschlusswiderstand ab. Stellen Sie am Generator ein Rechtecksignal, Schalter
‚unsymmetrisch‘ EIN und Tastverhältnis ca. 30%EIN, 70%AUS, Frequenz 2 MHz,
Amplitude ca. 5 Vss ein. Messen Sie mit einem Oszilloskop die Pulsform an der
Einspeisung und am Ende, fertigen Sie eine Skizze mit Zeitmaßstab an.(oder entsprechender Ausdruck). Entfernen Sie den Abschlusswiderstand, zeichnen Sie die
dann entstehende Signalform mit Reflexionen am Leitungsanfang auf. Messen Sie mit
dem Oszilloskop die Laufzeiten aus.
Führen Sie die gleiche Messung für die Doppelleitung durch.
(4.2)
4 Auswertung
(1) Zeigen Sie in Diagrammen die Spannung am Leitungsanfang und am Leitungsende,
aufgetragen über der Frequenz, für die Abschlussfälle angepasst / offen /
kurzgeschlossen.
(2) Zeigen Sie die Veränderung der Zeitfunktion eines Eingangssignals (2 MHz Rechteck)
bei der gemessenen Frequenz für die untersuchten Abschlussfälle.
(3) In welchen Grenzen und unter welchen Umständen sind die untersuchten Leitungssysteme zur Messwert- oder Datenübertragung geeignet (kurze Begründung) ?
(4) Zeigen Sie, wie mit der gemessenen Laufzeit die Leitungslänge bestimmt werden kann
bzw. der Verkürzungsfaktor der Leitung bei bekannter Länge genau bestimmt werden
kann.
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