Die singenden Häuser und Möbel des Jürg Ryser

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Die Welt der Zeitpunkt-LeserInnen
Die singenden Häuser
und Möbel des Jürg Ryser
«Verdami, was meine die eigentlech!» Die
Handwerker kommen auf die Baustelle, laden
Material und Werkzeugkisten ab und beginnen mit dem, was viele von ihnen am besten
beherrschen: Bausprache. Fluchen gehört
heute zum Bauen wie das Beten zur Kirche.
«Wenn die Handwerker dann das Haus
verlassen haben und die Baustelle immer
noch am Fluchen ist, müssen sich die neuen Bewohner mit den Flüchen auseinandersetzen.» Davon ist der selbständige Berner
Schreiner Jürg Ryser überzeugt. Und er hat
auch ein Gegenmittel: Er singt. Sein Ziel sind
singende Häuser. Seine Motivation: «Ich lebe
gerne, warum soll ich nicht auch gerne arbeiten?»
neben dem Pfeifen und den Geräuschen der
Werkzeuge das akustische Bild der Baustellen prägte, ist praktisch verstummt. Singen
braucht heute Mut – und eine lockere Konzentriertheit, die im Baustress kaum noch
Foto: avr
Jürg Ryser muss tief unten beginnen. Das
Singen, das vor der Zeit der Transistorradios
diesem Hamsterrad schwierig ist, wird halt
Ryser schenkt den Häusern etwas. Geschenke
geflucht. Das ist nicht nur kontraproduktiv,
haben keinen Preis, brauchen aber eine Wert-
sondern nach der Überzeugung von Jürg Ry-
schätzung, auch in Form von Geld.»
ser auch teuer. Wer flucht, produziert mehr
Pfusch und belastet das Klima auf den Bau-
Damit sind wir bei den Kosten der «singen-
stellen. Und dies sei entscheidend für die
den Häuser», die von gelassen-konzentrier-
Zusammenarbeit und damit auch für das
ten Handwerkern gebaut werden. Jürg Ryser
Ergebnis, sagt der auf Umbauten denkmal-
glaubt nicht, dass Häuser, die ohne Billig-
ckend», ist seine mehrjährige Erfahrung.
geschützter Häuser spezialisierte Berner Ar-
und-schnell-Stress gebaut werden, teurer
chitekt Patrick Thurston. Jürg Ryser hat er
sind. Es komme aber auch darauf an, wie
Die Auswirkungen auf der Baustelle sind
vor einigen Jahren auf Empfehlung kennen
man messe. Wie werden Fehler, unpraktische
gelernt. Er übernehme die Arbeit nur, wenn
Details und unansehnlicher Beinahe-Pfusch
auf der Baustelle nicht geflucht würde, sagte
bewertet? Und was ist einem ein Haus wert,
ihm Jürg Ryser bei der ersten Besprechung.
an dem man sich täglich freuen kann? Oder
«Zuerst dachte ich, der spinnt», erinnert sich
wie schläft es sich in einem Bett, das einen
Patrick Thurston. Heute nimmt er ihn bei ge-
in den Schlaf singt?
möglich ist. Vor allem Italiener sind heute
noch zum Singen zu animieren. Aber Jürg
Ryser will nicht missionieren. «Allein schon
nicht zu fluchen, strahlt aus und wirkt anste-
frappant. Wo nicht geflucht wird, passieren
weniger Fehler, die Zusammenarbeit ist besser und das Ergebnis macht alle zufrieden.
Für Jürg Ryser ist die Ursache der verfluchten Häuser klar: Der Druck, immer billiger
und schneller bauen zu müssen, setzt alle
Beteiligten unter einen Stress, in dem man
die Arbeit eben nicht mehr gut, sondern
nur noch billig machen kann, was den Berufsstolz und die Freude der Handwerker
empfindlich stört. Weil das Ausbrechen aus
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eigneten Aufträgen als eine Art Hausschrei-
Entscheidend dabei ist für Jürg Ryser
ner mit. Gutes Handwerk ist für Thurston,
das Vertrauen zwischen Bauherrschaft und
der vor kurzem eine mutige, viel beachtete
Handwerkern. Das schenkt und verdient
Renovation eines Bauernhauses auf dem Bal-
man sich gleichzeitig.
avr
lenberg abgeschlossen hat, nicht einfach eine
Dienstleistung, sondern ein Geschenk. «Jürg
Kontakt: Jürg Ryser, [email protected]
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