Zöschen Heimat- und Geschichtsverein Zöschen Resümee der Ausstellung im Rathausfoyer Zu unserer Ausstellungseröffnung „70 Jahre AEL Spergau - Zöschen - Impuls zur Erinnerung und Versöhnung“ am 18. Mai 2012 im Leunaer Rathaus, waren neben Bürgern aus der Stadt Leuna auch Gäste aus den Niederladen, Polen, der Ukraine und Russland gekommen. Das Foyer des Rathauses konnte diese Menge an Interessierten nicht fassen. Nach der Eröffnung durch die Bürgermeisterin Frau Dr. Hagenau, hielt der Stadtarchivar Dr. Schade ein Referat zum Thema „Arbeitserziehungslager im Allgemeinen und im speziellen AEL Spergau - Zöschen“. Nach den Ausführungen von Dr. Schade wurden von Frau Göhricke die in der nächsten Zeit anstehenden Projekte vorgestellt. Bei der anschließenden Besichtigung der Ausstellung durch die Besucher erhielten die Organisatoren viel Zuspruch und Anerkennung. Gerade die Gäste, die eine weite Reise auf sich genommen hatten, ermutigten sie in ihren Bemühungen um die Aufarbeitung dieser unrühmlichen Zeit der deutschen Geschichte fortzufahren. Für viele Besucher aus der näheren Umgebung war es neu, dass auch in Spergau, Zöschen und Schkopau Arbeitserziehungslager in denen hauptsächlich ausländische Gefangene waren, existiert haben. Die gekommenen Zeitzeugen, welche das Lager in Zöschen mit aufgebaut haben, erzählten über ihre schlimmen Erfahrungen. Anschließend wurden am Gedenkstein in Spergau Kränze niedergelegt. Um auch Besuchern, die nicht zu den regulären Öffnungszeiten des Rathauses die Ausstellung besuchen können, wurde am 5. Juni 2012 eine verlängerte Öffnungszeit bis 20:00 Uhr angeboten. Dies wurde gut angenommen und es wurden angeregte Gespräche mit den anwesenden Organisatoren Edda Schaaf vom Heimat- und Geschichtsverein Zöschen und Dr. Schade geführt. Die positive Resonanz auf die Ausstellung bestärkt die Organisatoren in ihren Bemühungen fortzufahren. Es ist angedacht, die Ausstellung in Beverwijk in den Niederlanden, woher viele Häftlinge aus dem AEL Spergau - Zöschen kamen, zu zeigen. In der Ausstellung spielte auch das Vorgänger - Arbeitserziehungslager in Spergau eine wichtige Rolle. Zu diesem Lager liegen folgende Informationen vor: Das Gemeinschaftslager Spergau war eines von vier Großlagern der Leuna-Werke. 2.5.1939: 1.9.1939: Erster Spatenstich für ein Lager mit 22 Baracken. Eröffnung mit 1300 dienstverpflichteten Arbeitskräften aus dem Saarland. Sie kamen aus dem Steinkohlebergbau und der Metallurgie und wurden hier auf die Belange der Braunkohleförderung und -verarbeitung umgeschult. 1940: Erweiterung des Lagers um weitere 22 Baracken für Zwangsarbeiter aus Westeuropa. - Aushub von 1000 m Splitterschutzgraben. Diese deckte man mit 30 cm starken Betonplatten ab. Oktober 1941: Im Gemeinschaftslager wurden die ersten französischen Kriegsgefangenen untergebracht. 29.6.1942: Besprechung der Abwehrbeauftragten der Chemiebetriebe von Leuna, Schkopau und Wolfen mit der Gestapo-Leitstelle Halle zum Thema „Vertragsbruch der Zwangsarbeiter und ihre schlechte Arbeitsdisziplin“. Die Gesprächsteilnehmer einigten sich darauf, für solche Arbeitskräfte Arbeitserziehungslager einzurichten. Die Haftdauer sollte maximal 56 Tage dauern und Gefangene, bei denen kein Erziehungsfortschritt zu verzeichnen war, beabsichtigte man ins KZ Buchenwald zu überstellen. Die Leuna-Werke übernahmen bereitwillig die Kosten für ein solches Lager, da sie das größte Interesse an einer solchen Einrichtung hatten. Die Gestapo Halle machte ihre Zustimmung von der Bereitschaft der Leuna-Werke abhängig, die Gefangenen des gesamten Wehrkreis IV (Sachsen, preußische Provinz Sachsen und der Gestapo-Leitstelle Weimar) zu übernehmen. Die SS sah sich jedoch nicht in der Lage, das komplette Wachpersonal zu stellen. Zöschen Heimat- und Geschichtsverein Zöschen 29.6.1942: Die Polizeidienststelle der Leuna-Werke musste mit ihrer Kriminalpolizeiabteilung 20 Mann für die SS stellen: alter Kripodienstgrad Kriminalassistenten im Vorbereitungsdienst Kriminalassistentenanwärter Kriminalassistent auf außerplanmäßiger Stelle Kriminalassistent Kriminaloberassistent Kriminalsekretär Hilfskriminalkommissar Kriminalkommissar Kriminaloberkommissar alter Polizeidienstgrad Anwärter Unterwachmeister Rottwachmeister Wachtmeister Oberwachtmeister Hauptwachtweister Polizeimeister Polizeileutnant Polizeioberleutnant Polizeihauptmann neuer SS-Dienstgrad SS-Anwärter SS-Sturmmann SS-Rottenführer SS-Unterscharführer SS-Scharführer SS-Oberscharführer SS-Hauptscharführer SS-Sturmscharführer SS-Untersturmführer SS-Obersturmführer SS-Hauptsturmführer Gründe für eine Internierung in einem Arbeitserziehungslager: Arbeitsniederlegung, andere Arbeitskräfte aufhetzen die Arbeit zu verlassen, Begünstigung von Kriegsgefangenen, Beleidigung eines deutschen Arbeiters, Fluchtversuch von der Arbeitsstelle, Beleidigung des Führers, Betteln, Diebstahl, freches Verhalten, nächtliche Ruhestörung, Nichttragen des Ostarbeiterabzeichens, Sabotage, Tierquälerei, Tausch von Zigaretten gegen Brotmarken, Verbreiten von beunruhigenden Gerüchten, Verfolgen der Frontbewegung ausländischer Armeen und alle Vergehen, die nicht gerichtlich verfolgt wurden. Verantwortlich für Festnahme und Zuführung der Delinquenten war die Gestapo. SS-Obergruppenführer Oswald Pohl (Chef des SS Wirtschaftsverwaltungsrates): „Die Verwahrung von Häftlingen aus politischen Gründen steht nicht mehr im Vordergrund, der Schwerpunkt hat sich auf die wirtschaftliche Seite verlagert.“ Die Gefangenen des Arbeitserziehungslagers Spergau wurden in drei Kategorien eingeteilt Kategorie 1: (leichte Fälle; Umschulungskompanie) In diese Kategorie fielen kleine Nazis und SA-Leute, die Gerüchte verbreitet hatten. Erziehungsziel: Auffrischung der NS-Ideologie Diese Gefangenen mussten sich am Vormittag Vorträge zur NS-Politik anhören und am Nachmittag über das Gehörte Aufsätze schreiben. Freizeit: Kasernendienst und Exerzierübungen Verpflegung: wie SS-Wachmannschaft Kategorie 2: (mittelschwere Fälle; Arbeitskompanie) Diese Kategorie umfasste Arbeitsscheue und „eingebildete“ Kranke. Erziehungsziel: Dem NS-System entsprechendes Elementarverhalten erlernen. Die Delinquenten mussten im Werk besonders harte und schmutzige Arbeiten ausführen. Freizeit: Exerzierübungen Verpflegung: Wassersuppe Kategorie 3: (schwere Fälle, Strafkompanie) In die Strafkompanie kamen die Rückfalltäter der Kategorie 1 und 2. Erziehungsziel: Erziehung einer Arbeitskraft, die den Anforderungen der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft gewachsen war. Bei Nichterreichen des Erziehungszieles erfolgte nach 56 Tagen die Überstellung ins KZ Buchenwald. Die Gefangenen mussten mit bloßen Händen unter SS-Aufsicht Arbeiten auf der Halde verrichten. Freizeit: Zwei bis drei Stunden am Tage schwere Walzen Zöschen Heimat- und Geschichtsverein Zöschen Verpflegung: durch das Lagergelände ziehen und mit schweren Steinen beladene Schubkarren über den Appellplatz schieben. Brot und Wasser 24.8.1942: Die Gestapo Merseburg machte aus dem Gemeinschaftslager Spergau das Arbeitserziehungslager Spergau. Der Lagerbetrieb begann mit 22 Gefangenen und 12 Mann Wachmannschaft (ein Lagerleiter von der SS, zwei Polizeiinspektoren, ein Polizeiassistent, ein Kriminalsekretär, ein Dolmetscher, zwei zivile Büroangestellte, ein Kriminalangestellter und drei Mitarbeitern aus dem öffentlichen Dienst. Die erste Arbeit bestand im Bau eines Stacheldrahtzaunes um das Lagergelände und dem Aufstellen von Wachtürmen. 7.12.1942: Runderlass des Reichsführes SS „Zur Gefahrenabwehr beim Arbeitseinsatz“ „a) Abwehr der Gefahren für die Sicherheit des Reiches, Sabotage, Spionage u.s.w. b) Abwehr der Gefahren für den rassischen Bestand des deutschen Volkes. Die Abwehr der Gefahr für den rassischen Bestand des deutschen Volkes macht volkstumsmäßige Unterscheidungen notwendig, da Gefahren nur von nicht stammesgleichen Völkern drohen können. Die ausländischen Arbeiter werden daher in folgende Gruppen gegliedert: Gruppe a) Italiener: Die Sonderstellung einer bevorzugten Behandlung hatte der „deutschitalienischen Kampfgemeinschaft“ Rechnung zu tragen. Gruppe b) Angehörige germanischer Völker (Flamen, Dänen, Holländer und Norweger). Diese Fremdarbeiter waren durch großzügige Behandlung für den Gedanken eines großgermanischen Reiches zu gewinnen. Gruppe c) Angehörige nichtgermanischer Völker, mit denen das Deutsche Reich verbündet war, wie Slowaken, Kroaten, Ungarn, Rumänen, Bulgaren, Spanier und Franzosen. Obwohl hier keine „blutnahen Verbindungen“ bestehen, sind diese Völker jedoch als in Europa geachtete Nationen zu betrachten und „dem berechtigten Führungsanspruch Großdeutschlands nutzbar zu machen“. Ihnen gebührt daher eine verständnisvolle Behandlung. Gruppe d) Angehörige nicht germanischer slawischer Völker wie Tschechen, Serben, Slowenen, Polen und Ostarbeiter. Bedingt durch die „krassen rassischen Unterschiede“ ist hier eine straffe Führung und ein klarer Abstand geboten. Es war Aufgabe der Staatspolizei, diesen „gebotenen Abstand“ sicherzustellen. Nach genannten Kriterien ist in den Unterkünften (Lagern, Baracken und Stuben) eine Trennung nach den Gruppen a, b, c, und d durchzuführen. Innerhalb der Gruppe der Ostarbeiter waren wiederum Polen und Russen zu trennen“ Februar 1943: Die Ostarbeiter aus den Arbeitserziehungslager Spergau wurden in das Lager Daspig verlegt. 24.6.1943: Tagung der Gestapo mit Abwehrbeauftragten der Chemiebetriebe zum Thema „Unterbindung von Fluchtversuchen aus den Arbeitserziehungslagern“ in der Gestapo-Leitstelle Halle. Die Beratungsteilnehmer einigten sich darauf, dass jeder Betrieb im Wehrkreis IV, der einen Betriebsschutz unterhält, eine Sicherheitsfach-kraft an die SS-Dienststelle des AE Spergau abtritt.8.1.1944: Weisung von Dr. Schneider (Leiter der Leuna-Werke und Abwehrbeauftragte der gesamten IG-Farben) zum Umgang mit Arbeitserziehungs-lagerinsassen aus der Sowjetunion: „1. Die im Reichsgebiet eingesetzten russischen Zivilarbeiter sind von der deutschen Bevölkerung, anderen ausländischen Arbeitern und allen Kriegsgefangenen streng abzusondern. Sie sind in geschlossenen Lagern untergebracht, die sie nur zum Zwecke der Arbeit in Begleitung des Wachpersonals verlassen dürfen. 2. Die Ostarbeiter haben auf der rechten Brustseite ihrer Kleidung das Kennzeichen „Ost“ stets sichtbar zu tragen. Zöschen Heimat- und Geschichtsverein Zöschen 3. Den Ostarbeitern ist jeder nicht durch den Arbeitseinsatz bedingte Umgang mit deutschen Personen und anderen ausländischen Zivilarbeitern verboten. 4. Wer zur Beaufsichtigung von Ostarbeitern am Arbeitsplatz bestimmt wird, hat streng darüber zu wachen, dass die ihm zugeteilten Ostarbeiter ihren Arbeitsplatz nicht verlassen, insbesondere auch nicht verbotenen Umgang mit anderen Gefolgschaftsmitgliedern pflegen. Die Ostarbeiter müssen auf allen Wegen innerhalb des Werkes von Aufsichtspersonen begleitet sein. Die Führung vom Lager zum Arbeitsplatz und zurück wird vom Werksschutz durchgeführt. 5. Das Aufsichtspersonal hat alle unnötigen Gespräche mit Ostarbeitern zu unterlassen. 6. Besteht akute Gefahr für die Sicherheit des Betriebes, so hat der mit der Aufsicht Beauftragte den Ostarbeiter vorläufig festzunehmen und den Werkschutz zu verständigen.“ 11.5.1944: Das Reichssicherheitshauptamt verfügt, dass die Wachmannschaften und Verwaltungsmitarbeiter der Arbeitserziehungslager, die SS-Angehörige waren, auch auf dem Lagergelände wohnen mussten. Sie sollten Aufgrund des Personalmangels 24 Stunden für den Lagerdienst zur Verfügung stehen. 12.5.1944: Erster großer Luftangriff auf die Leuna-Werke: 86 Gefangene des Arbeitserziehungslagers kamen ums Leben. Es gab im Lager schwere Schäden. Es konnte nur noch ein Notbetrieb durchgeführt werden. 6.7.1944: Ein Transport mit 776 holländischen Gefangenen (darunter 300 Geiseln von Beverwijk) für den Arbeitsamtsbezirk Halle/Merseburg gehen im Durchgangslager Amersfoort auf Reise. 20.7.1944: schwerer Luftangriff auf die Leuna-Werke und das AE Spergau 28.7.1944: Transport aus Amersfoort kommt im Arbeitserziehungslager an. 29.7.1944: Beim Luftangriff um 9.00 Uhr auf die Leuna-Werke wurde das AE Spergau schwer in Mitleidenschaft gezogen. Der Lagerleiter droht alle Feuerwehrleute zu erschießen, die im Lager Löscharbeiten durchführen wollen. Alle kranken Häftlinge verbrannten in der Sanitätsbaracke. Fast alle Baracken brannten ab. Der Lagerleiter teilte dem SS-Wirtschaftshauptverwaltungsamt den Zustand des AE Spergau mit. Die SS-Dienststelle erklärte das Erziehungslager mit sofortiger Wirkung als geschlossen und ordnete die Verlegung von Personal und Häftlingen in das 12 km entfernte Gemeinschaftslager Buna-Werke Schkopau (Korbethaer Straße) an. Der Fußmarsch der Gefangenen nach Schkopau begann nach dem Abendappell. Die Insassen waren die ganze Nacht unterwegs. Die Lagerleitung lief an der Spitze der Marschformation. Ihr folgten die Häftlinge mit der schlimmsten körperlichen Verfassung. Den Schluss bildeten die neuen Holländer. Sie hatten noch den besten körperlichen Zustand und mussten in der Marschformation die anderen Gefangenen „vor sich her treiben“. Todesfälle in den knapp zwei Jahren Arbeitserziehungslager Spergau: 1943: 9 Sterbefälle, 3 Hinrichtungen 1944: 172 Sterbefälle, 15 Hinrichtungen Susanne Göhricke