11 PRO & CONTRA Brauchen wir eine Zwangsabgabe auf Plastiktüten? Oft werden die Tüten nur ein Mal benutzt und dann weggeworfen. Verschwendung, sagen Umweltschützer und fordern eine Abgabe. Lassen sich die Probleme so lösen? Illustrationen Anje Jager PRO In Deutschland werden pro Minute mehr als 10 000 Plastiktüten verbraucht. Pro Jahr macht das 5,3 Milliarden Stück. Der Durchschnittsver­ brauch eines Deutschen liegt mit 65 Tüten jährlich zwar unter dem europäischen Durchschnitt von 176, aber das tatsächliche Einsparpotenzial ist hier beson­ ders groß. Nur ein Bruchteil der verwendeten Plastiktüten landet zum Recycling in der gelben Tonne. Der Rest wird verbrannt oder weggeworfen und verschmutzt Grünflächen und Gewässer. Oft bietet der Einzel­ handel die Tüten wie selbstverständlich kostenlos an und verhindert dadurch Bemühungen, die Verbrau­ cher zur Wahl einer umweltfreundlichen Tragetasche zu bewegen. Um die Menge von Einwegtüten zu reduzieren, ist eine verbraucherbezogene Abgabe in Höhe von 22 Cent auf jede Plastiktüte die erfolgversprechends­ te Maßnahme. Das zeigt die Erfahrung anderer Länder: In Irland etwa senkte eine Abgabe von 22 Cent den Plastiktütenverbrauch von 328 auf 16 Stück pro Kopf und Jahr. Die vom Handel beklagten Zusatzkosten für Verbraucher werden sich ebenso schnell verringern wie die Nutzung der umwelt­ schädlichen Plastiktüten. Thomas Fischer contr a Ressourcenschonung? Klimaschutz? Mehrfach verwendete Einkaufstaschen? Natürlich dreimal Ja! Wenn es aber um staatliche Regulierun­ gen geht, stellt sich die Frage: Wo können wir eine große Wirkung mit wenig Aufwand erzielen? In Deutschland sind Tüten in der Landschaft kein wirklich relevantes Problem: Einwegtüten werden nach Gebrauch zu mehr als 95 Prozent recycelt oder mit Energienutzung verbrannt. Dabei fallen Treibhaus­ gase an, ebenso wie in der Herstel­lung, aber das gilt auch für andere Tüten. Wer die Emissionen drosseln will und deshalb eine Abgabe von 20 Cent pro Tüte fordert, müsste bei einer Gleichbehandlung aller Ma­ terialien auch 10 Cent für braune Papiertüten kassie­ ren, 23 Cent für weiße Papiertüten und 15 bis 30 Cent für biologisch abbaubare Tüten. Die Abgabe entsprä­ che einem Preis von fast 4000 Euro pro Tonne CO₂ – viel Einsatz für wenig Wirkung! Es gibt bessere Mög­ lichkeiten, CO₂ einzu­sparen, sie kosten zehn bis 50 Euro pro Tonne. Ökobewusstsein ist gut, aber bitte dort, wo der Hebel am größten ist. Jede verfahrene Tankfüllung entspricht der CO₂-Bilanz von 3000 Plastiktüten. Und zwei Grad weniger im Kühlschrank sparen im Jahr so viel CO₂ wie 400 Plastiktüten verursachen. Harald Pilz pro Thomas Fischer leitet den Bereich Kreislaufwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe. contr a Harald Pilz berechnet Ökobilanzen bei der Umweltberatung denkstatt.at