Prophylaktische und therapeutische Strategien bei

Werbung
UPDATE: KNOCHENMETASTASEN
41
rning.de
cme.medlea
MkteE
CPun
sammeln
Prophylaktische und therapeutische Strategien bei
Knochenmetastasen
Ursula Nestle1, Anja Hirschmüller2, Daniel Schnell1, Hans Christian Rischke3, Cornelius F. Waller1, 1Klinik für
Strahlenheilkunde, 2Department Orthopädie und Traumatologie, 3Klinik für Nuklearmedizin, 4I. Medizinische
Klinik, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg im Breisgau
Die Prophylaxe und das Management ossärer Metastasen sind eine indisziplinäre onkologische
Herausforderung. Das Spektrum der zur Verfügung stehenden Methoden reicht von der Chirurgie
über die perkutane Strahlentherapie und Radionuklidtherapie bis hin zur systemischen Therapie.
bedingt, wie durch den vorzeitigen
Verlust der Ovarfunktion bei Verwendung von Aromatasehemmern beim
Mamma- oder die antiandrogene
Therapie beim Prostatakarzinom.
Zur Symptomkontrolle steht zunächst
die medikamentöse Schmerztherapie
zur Verfügung, die hier nicht im Detail dargestellt werden kann. Im Fol-
genden werden weitere aktuelle Aspekte der Diagnostik und Therapie
von ossären Metastasen vorgestellt.
Bildgebende Verfahren
Zum Nachweis oder Ausschluss von
Knochenmetastasen ist die Skelettszintigrafie mit 99m-Technetiummarkierten Bisphosphonaten nach
Quelle: Cavallini/BSIP – Your Photo Today
Knochenmetastasen stellen mit einer
Inzidenz von bis zu 80 % eine sehr
häufige Manifestation verschiedener
maligner solider Tumorerkrankungen dar. Das Skelett ist nach Lunge
und Leber der dritthäufigsten Manifestationsort einer Filiarisierung,
meist ausgehend von Primärtumoren
der Prostata, Mamma und Lunge.
Schmerz, Funktionseinschränkungen
und Störung der skelettalen Integrität mit all ihren Folgen sind die wichtigen durch ossäre Metastasen verursachten Probleme, ihre Diagnostik
und Behandlung eine interdisziplinäre Herausforderung für Radiologie,
Onkologie, Chirurgie, Strahlentherapie, Schmerz- und Palliativmedizin.
Mit einer mittleren Lebenserwartung von 24 Wochen [1] bei multipler
Metastasierung (solitär 36 Wochen)
sind die Patienten überwiegend in
der palliativen Situation. Die Diagnostik und Therapie solitärer Knochenmetastasen ist auch Baustein moderner oligometastatischer Konzepte.
Die wesentlichen Schritte der Knochenmetastasierung sind Invasion,
Adhäsion, Induktion von Stroma, Metastasenwachstum und Destruktion
des Knochens (Abb. 1, S. 42). Skelettale Komplikationen solider Tumoren (SRE, skeletal-related event) umfassen Komplikationen wie Knocheninstabilität, Verlust an Knochensubstanz, Frakturen, spinale Kompression und Hyperkalzämie. Sie können
besonders bei osteolytischen Filiae
durch den Tumor selbst verursacht
sein, sind zum Teil aber auch therapie-
06/2013
ONKOLOGIE heute
42
rning.
cme.medlea
UPDATE: KNOCHENMETASTASEN
de
MkteE
CPun
sammeln
Durchschnittlich 6 – 18 Monate früher
als mit konventionellen Röntgenaufnahmen kann die Skelettszintigrafie
Metastasen erkennen. Mit konventionellen Röntgenaufnahmen können
gerade osteolytische Metastasen erst
im fortgeschrittenen Stadium sicher
erkannt werden, wenn je nach Lokalisation etwa 50 % der Knochenmasse
zerstört sind. Osteoblastische Läsionen sind im Röntgenbild meist besser
zu erkennen [3]. Konventionelle
Röntgenaufnahmen eignen sich daher nicht zum Screening, sondern primär zur Diagnostik symptomatischer
oder auch szintigrafisch auffälliger
Skelettabschnitte bei Verdacht auf
Skelettmetastasen.
Ähnliches gilt prinzipiell für die CT,
wobei aufgrund der hohen Ortsauflösung auch kleinste ossäre Veränderungen erkannt und oft treffsicher
zugeordnet werden können (Sensitivität 70 bis 100 %).
Die MRT eignet sich zur detaillierten Beurteilung von Knochen- bzw.
Knochenmarkläsionen und/oder dem
Knochen benachbarten Weichteilprozessen. Da Knochenmarkveränderungen durch charakteristische Signalveränderungen frühzeitig detektiert werden können, ist die MRT sehr
sensitiv (82 bis 100 %). Sie eignet sich
besonders zur Diagnose von Wirbelsäulenmetastasen, da gleichzeitig
auch Spinalkanal und Nervenwurzeln
beurteilt werden können.
Moderne nuklearmedizinische Methoden wie die PET/CT können hochspezifisch und sensitiv sämtliche Tumorläsionen einschließlich Skelettmetastasen nachweisen. Dabei ist die
PET/CT der klassischen Skelettszintigrafie überlegen. Je nach verwendetem radioaktiv markiertem Tracer
kann entweder der Tumorstoffwechsel in den Metastasen selbst [18F-Fluorodeoxyglucose (18F-FDG), 18F-Fluorethylcholin (18F-FECh) beim Prostatakarzinom, Abb. 2] oder wie in der Skelettszintigrafie auch die Osteoblastenaktivität [18F-Fluorid (18F-NaF)] visualisiert werden. Die Ortsauflösung
ist doppelt so hoch wie bei der klassischen Skelettszintigrafie, wodurch
die Sensitivitäten bei 90 bis 100 % liegen. Aufgrund der charakteristischen
spezifischen Anreicherungsmuster
der Tracer werden in Kombination
mit der gleichzeitig akquirierten morphologischen Information der CT
ebenfalls sehr hohe Spezifitäten von
90 bis 95 % bei der Detektion von Metastasen erreicht [4] .
Chirurgische Therapie
mod. nach Roodman D. N Engl J Med 2004;350:1655-64
wie vor das am weitesten verbreitete
Verfahren. Gründe dafür sind die hohe Sensitivität bei gleichzeitiger Darstellung des gesamten Skelettsystems
und die relativ geringen Kosten bei
einfacher Durchführbarkeit. Die radioaktiv markierten Tracer zeigen im
Skelett Orte mit erhöhter Osteoblasten-Aktivität an. Diese kann jedoch
nicht nur infolge einer Metastase,
sondern auch durch benigne Prozesse, wie z.B. degenerative Skelettveränderungen erhöht sein. Deshalb ist
die Spezifität des Verfahrens limitiert.
Eine Verbesserung der Spezifität
kann durch die SPECT/CT-Technik insbesondere bei Läsionen im Stammskelett bzw. in der Wirbelsäule erreicht werden. Hier kann die anatomische Tracerverteilung durch 3D-Rekonstruktionen übersichtlich dargestellt und mit der (Patho-)Anatomie
im CT direkt korreliert werden. Je
nach Tumortyp fällt die osteoblastische Reaktion, die man im Szintigramm sieht, unterschiedlich stark
aus, so dass z.B. rein osteolytisch
wachsende Erkrankungen wie das
multiple Myelom szintigrafisch in der
Regel nicht dargestellt werden
können.
Bei den häufig ossär metastasierenden soliden Tumoren besteht jedoch
meist eine gut detektierbare osteoblastische Reaktion, woraus sich die
hohe Sensitiviät der Skelettszintigrafie von 87 % ableitet [2].
Abb. 1: Mechanismen der Knochenmetastasierung
ONKOLOGIE heute
06/2013
Die Morbidität der chirurgischen Therapiemaßnahmen hat in den vergangenen Jahren aufgrund minimalinvasiver Therapieverfahren, moderner
Implantate und schonender Narkoseverfahren deutlich abgenommen, so
dass die operative Behandlung insbesondere bei einer drohenden Extremitätenfraktur, einer reduzierten
Stabilität des knöchernen Achsenskelettes oder einer relevanten Spinalkanalkompression zunehmend indiziert
ist [5]. Auch aufgrund der oft erheblichen Verbesserung der Lebensqualität durch den Zugewinn an Mobilität,
Schmerzlinderung und Abnahme der
körperlichen Erschöpfung wird die
chirurgische
Metastasentherapie
heute weniger kritisch betrachtet [6].
Grundlage für die Wahl des bestmöglichen Behandlungsregimes ist
die realistische Einschätzung der Lebenserwartung. Bei der Indikationsstellung zur operativen Therapie
UPDATE: KNOCHENMETASTASEN
43
rning.de
cme.medlea
MkteE
CPun
sammeln
muss darüber hinaus der Allgemeinzustand der Patienten, der Patientenwunsch, die individuelle Schmerzsituation, sowie die knöcherne Stabilität
und die Kompromittierung umgebender neurovaskulärer Strukturen
berücksichtigt werden. Diesbezüglich
stehen diverse valide Scoringsysteme
zur Verfügung, die objektive Entscheidungsgrundlagen liefern [7].
Die Ein-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit kann anhand des Bauer- Scores abgeschätzt werden,zur
Risikoabschätzung einer pathologischen Fraktur langer Röhrenknochen
wird der Mirels-Score empfohlen [8].
Bei Wirbelsäulenmetastasen werden zur Prognosebewertung und
Festlegung eines Therapieregimes
meist der modifizierte TokuhashiScore und der Tomita-Score verwendet [9]. Zur Beurteilung der Stabilität
wird der SIN-Score (Spinal Instability
Neoplastic Score) empfohlen [10].
Die Primärziele der operativen Versorgung sind Schmerzlinderung, Wiedererlangung der Mobilität, Herstellen einer belastungsstabilen Situation
bei drohender oder bereits eingetretener Extremitätenfraktur sowie Verkürzung der Hospitalisationsdauer.
Um das Ausmaß der Operation festzulegen, müssen Allgemeinzustand
und Prognose der Patienten genau
bewertet werden. Da die operative
Therapie bei drohender pathologischer Fraktur eine geringere Komplikationsrate hat, bessere Ergebnisse
zeigt und einfacher durchzuführen ist
als bei eingetretener Fraktur, sollte
die operative Versorgung bereits bei
Frakturgefahr erfolgen.
Bei solitären Extremitätenmetastasen und günstiger Prognose ist eine
weite, extraläsionale Resektion der
tumortragenden Region anzustreben. In wenig belasteten Skelettanteilen wie Skapula, Clavicula und Fibula kann dies als isolierte Tumorresektion durchgeführt werden.
Bei einer Lokalisation in gewichtstragenden Skelettanteilen ist eine
gleichzeitige knöcherne Rekonstruk-
Abb. 2: 18F-Cholin-PET/CT eines Prostatakarzinom-Patienten mit einer Knochenmetastase im os sacrum.
tion im Sinne einer (Verbund-)Osteosynthese oder Endoprothesenimplantation, in seltenen Fällen auch eine
Amputation indiziert. (Drohende) pathologische Frakturen im Bereich des
Schaftes langer Röhrenknochen werden in der Regel nach Kürettage der
Metastase und Auffüllung mit Knochenzement mit winkelstabilen Plattensystemen oder Marknägeln osteosynthetisch stabilisiert. Bei einer gelenknahen Metastasenlokalisation
wird, v.a. bei guter Langzeitprognose
die Implantation einer Totalendoprothese favorisiert. Im Falle großer Defektzonen gibt es Langschaftprothesen mit Verankerung im Schaft sowie
modulare Tumorprothesen.
Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten ist eine radikale Tumorresektion an der Wirbelsäule selten
möglich. Bei stabilitätsgefährdenden
Metastasen oder bereits eingetretener Wirbelkörperfraktur werden an
der Brust- und Lendenwirbelsäule am
häufigsten minimalinvasive, dorsale
Stabilisierungsverfahren mittels Pedikelschrauben-Stab-Systemen („Fixateur interne“) ggf. in Kombination
mit einer Dekompression des Spinalkanales angewendet. Die alleinige
Stabilisierung hat den Vorteil einer
kürzeren Operations- und Krankenhausaufenthaltsdauer und ist damit
auch für Patienten in weit fortgeschrittenen Krankheitsstadien geeignet. Bei ausgedehntem Tumorbefall
mit Invasion des Spinalkanals wird neben der Anlage eines Fixateur intern
ergänzend die Entfernung des Wirbelkörpers, die Implantation eines
Wirbelkörperersatzes (distrahierbare
Metallimplantate oder sog. „Cages“)
und die Stabilisation mit einer winkelstabilen Platte empfohlen. Mit der Kyphoplastie
(Zementaugmentation
des Wirbelkörpers) steht außerdem
eine wenig invasive Behandlungsoption zur Verfügung, mit der in palliativen Therapiesituationen eine schnelle Schmerzlinderung und prompte
Mobilisation des Patienten erreicht
werden kann. Auch eine Kombination mit einer minimalinvasiven
dorsalen Stabilisierung oder einer
Hemilaminektomie sind möglich.
Bei zervikalen Metastasen steht die
ventrale Dekompression mit Korporektomie, Wirbelkörperersatz und
winkelstabiler Plattenosteosynthese
im Vordergrund. Primäre Ziele sind
die Tumorreduktion und die Resektion der dorsalen Spinalkanalbegrenzung, um eine Querschnittsläsion zu
verhindern[5]. Besteht durch die Metastasen eine neurale Kompromittierung mit neurologischen Ausfällen
oder eine Störung der Blasen-Mast-
06/2013
ONKOLOGIE heute
44
rning.
cme.medlea
UPDATE: KNOCHENMETASTASEN
de
MkteE
CPun
sammeln
darm-Funktion, so besteht eine absolute Operationsindikation. Sowohl
bei Extremitätenmetastasen als auch
bei Wirbelsäulenmetastasen muss in
der präoperativen Planung bei stark
vaskularisierten Tumoren wie dem
Nierenzellkarzinom und dem Schilddrüsenkarzinom das erhöhte Blutungsrisiko bedacht werden. Bei diesen Primärtumoren ist eine präoperative Embolisation der Tumorgefäße
unbedingt anzustreben.
Radiatio/Radionuklidtherapie
Perkutane Strahlentherapie: Nach
wie vor ist die perkutane Strahlentherapie die Standardbehandlung von
Patienten mit einer ossären Metastasierung. Gute Ergebnisse in der Palliation, ein vertretbares Nebenwirkungsprofil und die mittelfristige Rekalzifizierung nach dieser schnell und
nicht invasiv durchführbaren Behandlung bilden hierfür die Grundlage.
Ziel der Behandlung ist zunächst
die Schmerzbehandlung bzw. die Reduktion der erforderlichen medikamentösen Schmerztherapie. Zudem
steht der Funktionserhalt im Vordergrund, so dass die Stabilitätsgefährdung eine wesentliche Indikation für
die Strahlentherapie darstellt.
Anlass für die Strahlentherapie sind
meist Tumorschmerz, Stabilitätsgefährdung mit oder ohne pathologische Frakturen sowie spinale Kompressionssyndrome, selten auch Hyperkalzämie. Im Rahmen oligometastatischer Konzepte ergibt sich zunehmend auch die Indikation der lokalen
Tumorablation, die durch die moderne Hochpräzisionsstrahlentherapie
schonend möglich geworden ist.
Im Hinblick auf Gesamtdosis und
Fraktionierung bestehen weltweit
große Variationen [11]. Die verschiedenen Schemata reichen von Einzeitbestrahlungen mit 8 Gy über mittellange, fraktionierte Kurse mit 20 Gy in
5 oder lange, fraktionierte Kurse mit
bis zu 35 Gy in 14 Bestrahlungssitzungen [12]. Die einzelnen Bestrahlungsfraktionen werden einmal täg-
ONKOLOGIE heute
06/2013
lich an Wochentagen gegeben; dadurch rangieren die Zeitspannen der
Behandlung von einem Tag bis zu
mehr als 2 Wochen.
Eine 2011 publizierte evidenzbasierte Leitlinie der Amerikanischen
Gesellschaft für Strahlentherapie
(ASTRO) fasst die verfügbare Literatur zusammen [12]. Allein 9 prospektive randomisierte Studien gingen der
Frage nach der optimalen Dosis und
Fraktionierung nach. Fast alle verglichen eine Einmalbestrahlung mit einer fraktionierten Therapie von bis zu
2 Wochen. Bei gleichermaßen 60 bis
85 % Schmerzlinderung und 10 bis
30 % überwiegend moderater Toxizität nach beiden Arten der Fraktionierung zeigte sich nach Einmalbestrahlung eine signifikant höhere Rate von
Patienten, die im weiteren Verlauf eine erneute Behandlung der bestrahlten Knochenmetastasen benötigten.
Einzelne Serien zeigen zudem einen
exzellenten Lokaleffekt bei deutlich
höher dosierter Bestrahlung einzelner Knochenherde [13]. Dies ist gut
vereinbar mit dem bekannten nachhaltigeren Effekt hoher Strahlendosen (Dosis-Wirkungsbeziehung) auch
bei anderen Tumorlokalisationen.
Somit muss bei der Differentialindikation bezüglich der Fraktionierung
die Belastung des Patienten durch
wiederholte Bestrahlungen gegen
die so erreichbare bessere lokale Tumorkontrolle abgewogen werden.
Steht die Schmerztherapie bei sehr
fortgeschrittener Tumorerkrankung
im Vordergrund, ist eher eine Einmalbestrahlung indiziert, während bei
Patienten mit wenigen Metastasen in
gutem Allgemeinzustand die Langzeitwirkung eher für eine fraktionierte Behandlung spricht.
Eine besondere Situation stellt die
Strahlentherapie bei metastatischer
Myelonkompression dar [14]. Dies ist
eine Notfallsituation, in der es darum
geht, durch schnelles Handeln die
Gehfähigkeit zu erhalten. 2005 wurde eine randomisierte Multicenterstudie zum Vergleich von operativer
Dekompression mit nachfolgender
Strahlentherapie und alleiniger
Strahlentherapie publiziert [15] – mit
dem primären Endpunkt Gehfähigkeit der Patienten. Die Analyse der
über 10 Jahre randomisierten 101 Fälle zeigte zunächst eine Überlegenheit
der operativen Therapie, doch wurde
die Studie wegen potenzieller Verzerrungen stark kritisiert. Eine 2010 publizierte matched pair-Analyse zur
selben Fragestellung mit über 300 Fällen kam zu gegenteiligen Ergebnissen [16], so dass eine endgültige Bewertung derzeit nicht möglich ist.
Trotzdem führte zumindest bei Patienten mit prognostisch ungünstigen Histologien (NSCLC, CUP, Nierenzellkarzinom, kolorektales Karzinom)
die operative Dekompression + Stabilisierung, anders als die alleinige Laminektomie, zusätzlich zur Strahlentherapie zu besseren Ergebnissen
[17]. Somit wird empfohlen, bei metastatischer Myelonkompression immer eine Strahlentherapie durchzuführen [12]. Eine interdisziplinäre Abwägung der Indikation zur zusätzlichen Dekompression abhängig von
Primärtumor, Allgemeinzustand des
Patienten, Lebenserwartung und allgemeiner Tumorlast ist sinnvoll. Ein
schnelles Einleiten der Therapie beim
beginnendem Querschnitt ist für den
Erhalt der Gehfähigkeit ggf. wichtiger ist als die Art der Therapie.
Insgesamt ist die Toxizität der perkutanen palliativen Strahlentherapie
ossärer Metastasen moderat und gut
beherrschbar [12]. In prospektiven Serien werden Raten von 10 – 30 % akuter Toxizität und <10 % Spätfolgen
berichtet. Die Art der Toxizität hängt
naturgemäß von der Lokalisation des
Zielvolumens und der Art der benachbarten Normalgewebe ab. Bei Bestrahlung der Hals- oder Brust-Wirbelsäule tritt häufig eine passagere
Ösophagitis auf, bei Zielvolumina in
LWS oder Becken muss mit vorübergehenden gastrointestinalen Beschwerden gerechnet werden. Die Risiken für Organe wie Nieren oder Lun-
UPDATE: KNOCHENMETASTASEN
45
rning.de
cme.medlea
MkteE
CPun
sammeln
ge können bei der heute üblichen 3DPlanung gut kalkuliert werden, so
dass die Rate von Spätfolgen gering
ist. Dies gilt auch für das Rückenmark,
so dass zunehmend auch die Re-Bestrahlung spinaler Knochenmetastasen diskutiert wird. Angesichts einer
drohenden Querschnitts-Symptomatik tritt das Risiko einer nach Monaten
oder Jahren eintretenden StrahlenMyelopathie in den Hintergrund.
Mittlerweile gibt es solide Konzepte
zu Dosis und Fraktionierung [18].
Die Strahlentherapie steht auch im
Kontext mit der medikamentösen Behandlung. So wurde z.B. die Kombination mit Bisphosphonaten untersucht [12]. Obwohl Kombinationsbehandlungen den palliativen Effekt
der Strahlentherapie nicht verbessern, ist klar, dass auch keine erhöhte
Toxizität zu erwarten ist. Möglicherweise wird die Re-Kalzifizierung der
behandelten Metastasen nach Radiatio durch kombinierte Behandlung mit Bisphosphonaten verbessert
(Abb. 3). Es besteht auch hier Bedarf
an größeren prospektiven Studien.
Die lokal ablative stereotaktische
Strahlentherapie (SBRT) [19] ist eine
hochpräzise Form der Strahlentherapie, die eine hohe Konformalität in
Bezug auf die Zielvolumenabdeckung erreicht. Realisiert wird eine
hohe Strahlenintensität im Tumor mit
steilem Dosisabfall zum umliegenden
Gewebe. Dadurch können angrenzende Risikoorgane wie z.B. Rückenmark, Nieren oder Darm optimal geschont werden. Auch bei Re-Bestrahlung sind diese Eigenschaften der
SBRT vorteilhaft, da die umliegenden
Organe durch vorangegangene Bestrahlungen bereits vorbelastet sind.
In der Praxis wird diese „punktgenaue“ Bestrahlung durch optimale
Lagerung und Lagerungskontrolle
des Patienten sowie durch bildgeführte Techniken (IGRT, image guided Radiotherapy) realisiert. Am modernen Linearbeschleuniger sind dafür spezielle Computertomografen
installiert (z.B. „Cone Beam CT“). An-
hand der vor jeder Bestrahlungssitzung akquirierten CT-Bilddaten kann
die Lage von Patient bzw. Tumor kontrolliert und bei Bedarf individuell
modifiziert werden [20].
Der Stellenwert der SBRT bei der
Behandlung von Knochenmetastasen
wird derzeit noch evaluiert. Es existieren monozentrische Daten mit hervorragenden lokalen Ergebnissen
überwiegend von spinalen SBRT-Serien; das Nebenwirkungsprofil steht in
engem Zusammenhang zur Bestrahlungsregion. Ungelöst sind die Fragen
der optimalen Fraktionierung, der
Zielvolumina und profitierenden Patientenpopulationen. Daher ist die
SBRT derzeit kein Standardverfahren.
Radionuklidtherapie: Bei diesem Verfahren werden osteotrope radioaktive Medikamente zur systemischen Behandlung genutzt. Diese zeigen –
ähnlich den beim Knochenszintigramm verwendeten Tracern – eine
spezifische Akkumulation in ossären
Metastasen sowie eine sehr niedrige
Anreicherung im Normalgewebe.
Diese Konstellation – verbunden mit
der Markierung des Tracers durch einen geeigneten Alpha- oder Betastrahler mit geringer Reichweite – ist
Voraussetzung für eine effektive und
zugleich schonende Nuklidtherapie.
Heute stehen etliche Tracer (153Samarium EDTMP, 186Rhenium-HEDP,
demnächst auch 223Radium-Chlorid)
zur Verfügung. Der palliative Effekt
von 89Strontium-Chlorid ist in prospektiven [21], der von 153Samarium
EDTMP und 186Rhenium-HEDP auch in
randomisierten Doppelblindstudien
belegt [22,23]. Nach Therapie mit
223Radium-Chlorid wurde kürzlich
auch eine signifikante Verlängerung
des Überlebens von Patienten mit ossär metastasiertem hormonresistenten Prostatakarzinom gezeigt [24].
Auch die Radionuklidtherapie
kann mit anderen Behandlungen
kombiniert werden. In Kombination
mit externer Bestrahlung wurde für
89Strontium gezeigt, dass der Bedarf
Abb. 3: Patientin mit metastasiertem
Mammakarzinom; multiple Osteolysen
der BWS. A : 12/2012, vor Therapie: multiple Osteolysen nahezu aller abgebildeter Wirbelkörper, pathologische Fraktur
von BWK 9; B: 07/2013, nach Behandlung mit perkutaner Strahlentherapie,
Bisphosphonaten sowie Paclitaxel/
Trastuzumab mit guter Re-Ossifikation
sämtlicher Herde
an weiteren Therapien signifikant zurückging und PSA, Schmerzprogressionszeit und Lebenqualität signifikant
günstiger verliefen – bei tolerabler
Toxizität [25]. Auch die Kombination
mit systemischer Chemotherapie ist,
wenngleich bei erhöhter Toxizität,
möglich und effektivitätssteigernd
[26,27]. Bisphosphonate vermindern
auch hier den Therapieeffekt nicht.
Hinsichtlich der Toxizität unterscheiden sich die nierengängigen Betastrahler (153Samarium EDTMP,
186Rhenium-HEDP, 89Strontium-Chlorid) von den Alphastrahlern wie 223Radium. Während erstere eine überwiegend hämatologische, selten renale
Toxizität aufweisen, gibt es diese Probleme beim überwiegend enteral
ausgeschiedenen Radium nicht. Es ist
in therapeutischen Dosen nur minimal toxisch [24].
Das bisherige Einsatzgebiet der Radionuklidtherapie (szintigrafisch positiver) ossärer Metastasen beschränkt sich auf die palliative
Schmerztherapie. Hier ist eine Erfolgsquote im Sinne einer Schmerzoder Schmerzmittelreduktion von ca.
70 % zu erwarten. Obwohl belegt ist,
dass ein früher Einsatz der Methode
bei limitierten Knochenmetastasen
06/2013
ONKOLOGIE heute
46
rning.
cme.medlea
UPDATE: KNOCHENMETASTASEN
de
MkteE
CPun
sammeln
das Therapieergebnis verbessert,
werden die Patienten leider oft erst
sehr spät, quasi mit ubiquitärer ossärer Metastasierung, der Radionuklidtherapie zugeführt. Die neuen Studiendaten beim 223Radium werden sicher zu einem Umdenken hin zur früheren Radionuklidtherapie führen;
erste Studien zur Evalution des Benefits der Patienten bei einem solchen
Vorgehen sind in Vorbereitung [28].
Systemische Therapie
Neben den lokalen Methoden ist die
systemische Tumortherapie bei der
Behandlung von Knochenmetastasen
solider Tumoren sehr bedeutsam.
Während bei viszeralen Metastasen
die Behandlung mit Zytostatika im
Vordergrund steht, ist dies beim ossär
metastasierten Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinom die antihormonelle Therapie mit Antiöstrogenen und Aromatasehemmern. Oft demarkieren sich zuvor unerkannte
Knochenmanifestationen erst durch
die Systemtherapie. Daneben sind
knochenprotektive Substanzen (s.u.)
bei der Prophylaxe und Therapie ossärer Filiae bedeutsam.
Bisphosphonate, chemisch stabile
Analoga des physiologisch vorkommenden Pyrophosphates, sind integraler Bestandteil der Therapie von
Patienten mit ossär metastasierten
soliden Tumoren. Diese Substanzen
hemmen die wesentlichen Schritte
der Knochenmetastasierung (Abb. 1,
S. 42) – u.a. durch die Interaktion mit
Adhäsionsmolekülen, die Blockade
von Proteinasen, die Hemmung von
Prostaglandinen und Wachstumsfaktoren, die Hemmung der Neoangiogenese sowie die Induktion von
Apoptose der Osteoklasten [29]. All
dies resultiert in einer reduzierten
Knochenresorption und einer Steigerung der Mineralisierung durch Inhibition der Osteoklastenaktivität.
Die Aktivität von Bisphosphonaten
wurde in großen Phase-III-Studien
insbesondere bei Patienten mit ossär
metastasiertem Mamma- bzw. Pros-
ONKOLOGIE heute
06/2013
tatakarzinom gezeigt. Durch die Gabe von Bisphosphonaten konnten
skelettale Komplikationen vermieden bzw. verzögert sowie Knochenschmerzen erfolgreich reduziert werden. All dies führt zu einer messbaren
Verbesserung der Lebensqualität. Zudem wurde der durch eine Aromatasehemmertherapie bedingte Knochenverlust bei Patienten mit Brustkrebs verhindert. Eine Verlängerung
des Gesamtüberlebens konnte aber
nicht gezeigt werden [30 – 32].
Die Bisphophonattherapie ist insgesamt gut verträglich. Die häufigsten Nebenwirkungen sind AkutePhase-Reaktionen, okuläre Inflammation, Niereninsuffizienz, Elektrolytverschiebungen (insbes. Hypokälziämie) sowie Osteonekrosen des Kiefers. Wegen der Nephrotoxizität sollten Dosierung und Infusionsdauer an
die Nierenfunktion angepasst werden; wegen des Risikos einer Kieferosteonekrose ist eine zahnärztliche
Betreuung für die Patienten obligat.
Denosumab ist ein humanisierter
monoklonaler Antikörper, der gegen
den RANK-Liganden (RANKL) gerichtet ist. RANKL spielt u.a. eine zentrale
Rolle bei der Osteoklastenformation
und -Aktivität (Abb. 1, S. 42). Denosumab ist nachweislich wirksam zur
Prävention des Knochenverlustes bei
Patienten mit Mamma- bzw. Prostatakarzinom unter antihormoneller
Therapie [33,34]. Denosumab verlängerte bei Patienten mit fortgeschrittenem Mamma- bzw. Prostatakarzinom die Zeit bis zum Auftreten von
SREs signifikant länger als das Bisphosphonat Zoledronat. Auch bei anderen ossär metastasierten soliden
Tumoren ist er nachweislich wirksam.
Eine Metaanalyse dreier großer
Phase-III-Studien bei Patienten mit ossär metastasiertem Mamma- bzw.
Prostatakarzinom oder anderen soliden Tumoren kam zu dem Schluss,
dass Denosumab hinsichtlich der Risikoreduktion skelettaler Komplikationen und deren Verzögerung effektiver war als Zoledronat. Die Zeit bis
zum Progress und das Gesamtüberleben waren in beiden Studienarmen
aber ähnlich [33–35]. Wie bei Bisphosphonaten treten auch unter Denosumab Kieferosteonekrosen auf. Deshalb sind regelmäßige zahnärztliche
Kontrollen nötig. Daneben werden
vor allem Hypokalziämien und andere Elektrolytstörungen beobachtet.
Anders als Bisphosphonate wird Denosumab nicht über die Nieren eliminiert; deshalb ist keine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz erforderlich. Wegen des erhöhten Hypokalziämie-Risikos sollten aber bei niereninsuffizienten Patienten die Elektrolyte engmaschig kontrolliert werden.
Fazit: Das Management ossärer Metastasen ist eine interdisziplinäre onkologische Herausforderung. Bei lokalisierter Problematik stehen die
operativen Entfernung bzw. Stabilisierung sowie das Standard- und
Hochpräzisionsverfahren der perkutanen Strahlentherapie zur Verfügung – auch in der oligometastatischen Situation mit dem Ziel der lokalen Kontrolle. Die Radionuklidtherapie ist eine bewährte Methode zur
palliativen Therapie multipler Knochenmetastasen und verbessert möglicherweise die Prognose. Bei weiter
fortschreitender Erkrankung besteht
zunehmend das Risiko für skelettale
Komplikationen und therapieassozierten Knochensubstanzverlust. Mit
Bisphosphonaten und anderen Osteoklasteninhibitoren wie dem monoklonalen Antikörper Denosumab
stehen wirksame Substanzen für die
systemische Therapie zur Verfügung.
Literatur: www.onkologie-heute.info
Prof. Dr. med.
Ursula Nestle
Klinik für Strahlenheilkunde
79106 Freiburg i.Br.
ursula.nestle@
uniklinik-freiburg.de
Herunterladen