24 A S T R O L O G I E & W I S S E N Astrologie und Psychologie Zwei wesensverwandte Gebiete, die sich ergänzen können V O N P m i c h ael A llgeier sychologie heißt soviel wie die Lehre von der Seele und ist eine rein empirische Wissenschaft. Das heißt, sie versucht das Erleben und das Verhalten von Menschen anhand von inneren und äußeren Umständen zu erklären. Sich selbst und andere besser zu verstehen, ist das erklärte Ziel der Psychologie. Die Psychologie ist von den Wissenschaften nicht eindeutig zuzuordnen, lebt sie doch im Spannungsfeld zwischen Natur- und Geisteswissenschaft. Die akademisch betriebene Wissenschaft ist auf jeden Fall eine streng empirische, deren Methodik überwiegend naturwissenschaftlich ist. Das Vorgehen ist hier nüchtern, pragmatisch. Erkenntnisse beruhen auf Statistiken, Wahrscheinlichkeiten und experimentellen Auswertungen. Die Mathematik spielt hier eine große Rolle. Diese schulische Psychologie entspricht nicht dem Bild, das wir als Menschen, die ein großes Interesse an inneren seelischen Vorgängen haben, von ihr haben. Junge Menschen, die mit großem Enthusiasmus und Idealismus ihr Psychologie-Studium starten, werden doch recht häufig desillusioniert. Die Astrologie ist ebenfalls eine empirische Wissenschaft, aber ebenfalls Natur- und Geisteswissenschaft. Empirisch deshalb, weil ihr Wissen auf der Jahrtausende langen Beobachtung des Sternenhimmels basiert. In der Zeit, in der die Astronomie und Astrologie noch eins waren, wurden nicht nur die Umlaufzeiten, Positionen etc. der Planeten erforscht, sondern auch deren inhaltliche Bedeutung, da man hier Parallelen bestimmter Aspekte und Konstellationen zu den Geschehnissen auf der Erde beobachten konnte, um es ganz grob zu sagen. Diese Beobachtungen haben sich im Laufe der Jahrhunderte gesetzt und vertieft und haben die Astrologie zu dem gemacht, was sie heute ist. Astrologie ist demnach eine durchaus geprüfte Erfahrungswissenschaft, wenn ihr auch die statistischen Erhebungen der akademischen Psychologie völlig fehlen. Experimentelle Auswertungen funktionieren in der Astrologie nicht, da sie keine Naturwissenschaft in unserem Verständnis ist. Sie besitzt eine völlig andere Sprache, sie „denkt“ in Bildern, Symbolen und deren Entsprechungen (Analogien). Naturwissenschaft, die auf kausalem Denken und offensichtlichen Fakten beruht, wird niemals mit der Astrologie übereinkommen können. Alle Versuche in dieser Richtung führten bisher zu keinem wirklich glücklichen Ergebnis für die Astrologie, die sich hier auf einem Terrain bewegt, das einfach artfremd ist. Naturwissenschaft ist die abendländische Astrologie nur insofern, da sie eng mit den Jahreszeiten, den Rhythmen der Natur, dem Sonnen- und Mondlauf usw. verknüpft ist und Menschen, Tiere und Pflanzen als einen Teil der Schöpfung wahrnimmt. Tatsächlich hat sich die Beobachtung des Sternenhimmels im Laufe der Zeit extrem verfeinert. Nachdem erst die Planeten und ihre Einflüsse auf das Wetter und das weltliche Geschehen beobachtet wurde, entstand später die Individualastrologie, in der das persönliche Horoskop eines Menschen gedeutet wurde. Diese Individualastrologie war schon sehr nahe an der Psychologie, schließlich ging es hier ebenfalls um die Seele und den Geist des Menschen und noch viel mehr, um seine gesamte Anlage, seinen Charakter und seine Fähigkeiten. Erst Astrologie, dann Psychologie Die Astrologie ist damit ein ganz natürlicher Vorgänger der Psychologie. Bei der Begründung der Psychologie im 19. Jahrhundert wurden spirituelle, metaphysische Inhalte aber strikt abgelehnt und eben ausschließlich naturwissenschaftliche Methoden aus der R O & D A A SS T A K LT O UG E ILE L E Biologie, Physik, Mathematik und Statistik angewandt, um die Seele zu erforschen. In der Epoche der Aufklärung geriet die Astrologie gleichzeitig immer mehr als Aberglaube in Verruf und zog sich nahezu vollständig aus dem öffentlichen Leben zurück in diverse Geheimbünde. C.G. Jung und die Astrologie Die Psychologie, die wir kennen und schätzen, ist die Tiefenpsychologie, die ebenfalls naturwissenschaftlich nicht anerkannt ist, da sie unter anderem den unbewussten seelischen Vorgängen, die das Wirken und Handeln von Menschen beeinflussen, einen hohen Stellenwert einräumt. Sigmund Freud (geboren am 6. Mai 1856 in Freiberg in Mähren, gestorben am 23. September 1939 in London) war der erste, der aus seinen tiefenpsychologischen Studien die sogenannte Psychoanalyse begründete. Ein Brücke von der Tiefenpsychologie zur Astrologie schlug sein Schüler C. G. Jung (geboren am 26. Juli 1875 in Kesswil; gestorben am 6. Juni 1961 in Küsnacht), der vielleicht bedeutendste Tiefenpsychologe überhaupt, der den großen Wahrheitsgehalt der Astrologie wiederentdeckte, auch deshalb, weil tiefenpsychologische Studien letztlich unweigerlich in die spirituelle Welt hineinführen. Zusammen mit Alfred Adler entwickelte Jung die Individualpsychologie, in der wiederum der Menschen in seiner Beziehung zu seiner Umwelt untersucht wird. C. G. Jung gab unumwunden zu, dass er sehr viel von der Astrologie hielt. Dem indischen Astrologen Raman schrieb Jung Ende 1947, er interessiere sich „seit über 30 Jahren“ für „astrologische Probleme“ und ziehe bei schwierigen psychologischen Diagnosen oft das Horoskop des Patienten „zur Erhellung“ zu Rate, „um neue Gesichtspunkte zu gewinnen.“ In vielen Fällen enthielten die „astrologischen Angaben eine Erklärung für bestimmte Tatsachen, die ich sonst nicht verstanden hätte.“ C. G. Jung hat die Astrologie geschätzt und zur Hilfe genommen. Er, der größte und kompetenteste Tiefenpsychologe überhaupt. Allerdings lehnte er auch sehr entschieden wissenschaftliche Beweisführungen zugunsten der Astrologie ab, da er erkannte, dass eine Horoskopinterpretation immer auch den wissenschaftlichen Makel behielt, persönlich und nicht hundertprozentig objektiv zu sein. C. G. Jung nahm die Astrologie zur Hilfe, um in seiner Psychoanalyse weiterzukommen. Wir Normalsterblichen haben den großen Fehler begangen, aus der Astrologie die so genannte psychologische Astrologie zu kreieren, in der ie Psychologie einfach auf die Astrologie „aufgepfropft“ wird. Sich hat uns die Psychologie, insbesondere die Tiefenpsychologie, in unserem Verständnis der inneren Vorgänge weitergebracht und großartige Erkenntnisse vermittelt. Ein Denken, das heutzutage automatisch in die Astrologie einfließt. Aber müssen wir sie deshalb gleich psychologische Astrologie nennen? Die Astrologie ist eine eigene, sehr stolze Wissenschaft, die weitaus länger existiert als die Psychologie. Die Psychologie hat die Astrologie sicherlich stark beeinflusst, indem der Astrologe heutzutage entwicklungsorientierte Beratungen anstrebt und die Themen Willens- und Schicksalsfreiheit, Schwächen und Chancen betont. Dennoch sollten wir beides trennen. Ein Astrologe ist kein Psychologe, auch kein psychologischer Astrologe. Beide nebeneinander, die Astrologie und Psychologie, sind Gold wert, vermischt schwächen sie sich letztlich nur gegenseitig. S S TWHI E M EAN 25 Astrologie vertiefen Die Lichter In der klassischen Astrologie werden Sonne und Mond als die sogenannten Lichter bezeichnet. Sie nehmen schon alleine deshalb eine Sonderrolle ein, weil es sich tatsächlich ja nicht um Planeten handelt. Inhaltlich und psychologisch gesehen stehen Sonne und Mond für die Geschlechtscharakteristik. Während der Mond für die weibliche Seite steht, symbolisiert die Sonne die männliche. Durch die Lichter wird ferner der Gegensatz zwischen der sonnenhaften Geistund Willensseite zur mondhaften Seelenund Triebseite dargestellt. Findet sich in einem Geburtshoroskop ein Sextil oder ein Trigon zwischen Sonne und Mond, stehen Seele und Geist, Gefühl und Einsicht in Harmonie miteinander. Menschen, die diese harmonischen Aspekte im Horoskop haben, tun sich oft leicht mit großen Entscheidungen, da das Bauchgefühl eben nicht im Clinch liegt mit den geistigen Erwägungen. Dieser Konflikt ist häufig vor allem bei Menschen zu beobachten, bei denen Sonne und Mond ein Quadrat im Horoskop oder eine Konjunktion (Neumond) bilden. Psychologisch orientierte Astrologen sehen in diesem Aspekt auch eine Uneinigkeit der Eltern, unter der der Geborene leidet, da die Sonne eben auch Symbol für den Vater und der Mond, Symbol für die Mutter ist. Die Sonne-Mond-Opposition wird normalerweise nicht schwierig gewertet, da es sich hier ja um eine Vollmond-Geburt handelt und Vollmond ist grundsätzlich ein Zeichen starker seelischer Kräfte. Die Sonne ist, sowohl im Horoskop eines Mannes als auch in dem einer Frau, die männlich-aktive Seite. Die Sonne will sich entfalten, aus sich selbst heraus leben, freie Entscheidungen treffen und auf die Umwelt einwirken. Der Mond repräsentiert die seelisch-unbewussten Seiten von Mann und Frau. Da Frauen natürlicherweise mehr mit dem Mond verbunden sind und ihre seelisch-weiblichen Kräfte stärker leben, erscheinen sie dem seine Sonne stärker lebenden rationalen Mann in ihren gefühlsmäßigen Handlungen und Reaktionen oft schwer zu verstehen. Die Reaktionen und Handlungen der Sonne sind durch die Einsicht motiviert, die des Mondes durch seelische Impulse.