Angst ist ein schlechter Ratgeber

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(Medien-Information der Astronomischen Gesellschaft Winterthur)
Fünf Gründe, warum die Welt am 21. Dezember nicht untergeht
„Angst ist ein schlechter Ratgeber“
Winterthur, 8. Dezember 2013 – Der Leiter der Winterthurer Sternwarte Eschenberg,
Markus Griesser, ist in diesen Tagen ein gefragter Mann. Die Kontakte mit Menschen,
die sich ernsthaft Sorgen machen, ob da am 21. Dezember nicht doch die Welt untergeht, hätten in den letzten Tagen sprunghaft zugenommen: „Telefon-Anrufe und E-Mails
zeigen mir, dass vor allem Jugendliche und junge Erwachsene Angst haben, sagt er.
Griesser macht sich ernsthaft Sorgen darüber, dass es im unmittelbaren Vorfeld des 21.
Dezember zu Dramen kommen könnte. Und er appelliert an die Verantwortung der Medienschaffenden, sich dieser Thematik mit kritischem Respekt zu nähern.
Der Winterthurer Astronom hat sich über Monate hinweg mit den wichtigsten Behauptungen zum aktuellen Weltuntergangs-Szenario auseinander gesetzt und in Publikationen und Vorträgen immer wieder Entwarnung gegeben: „Manchmal komme ich mir zwar
vor wie Don Quijochte im Kampf gegen die Windmühlen“. Gebetsmühlenartig werde
immer wieder der gleiche Unsinn erzählt, oft von Leuten, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hätten. - Nachstehend die wichtigste Fakten, weshalb wir auch dieses Jahr
werden Weihnachten feiern können:
1. Läuft der Maya-Kalender aus?
Ein Kalender ist grundsätzlich ein System, um in einer Gesellschaft, Organisation oder
Religion den Überblick über die Zeit zu bewahren. Ein Kalender hat zwar einen definierten Beginn – meist willkürlich festgesetzt – aber er läuft nie aus. Ein Kalender ist kein
Countdown! In unserem heute weltweit gebräuchlichen Kalender definieren wir die Daten in geschichtlichen Zusammenhängen jeweils in Angaben „vor Christus“ und „nach
Christus“. Wir tun also so, als ob wir die Geburt Christi genau kennen und setzen dort
den Startpunkt. - Aber: Es gibt keinerlei Quelle, die das Ereignis von Christi Geburt im
nachprüfbaren zeitlichen Sinn festlegt, – nicht einmal die Bibel sagt dazu was aus.
Wie alle Hochkulturen hatte auch das Volk der Mayas, deren Gesellschaft übrigens aus
bis heute unklaren Gründen im 10. Jahrhundert zusammenbrach, ein eigenes Kalenderwesen, mit einem zivilen und einem rituellen Kalender sowie mit der „lange Zählung“.
Die startet – wie einige spärliche Quellen vermuten lassen – mit der Erschaffung der
Welt im Jahr 3114 v.Chr. Nun ist es offensichtlich so, dass am 20. Dezember in der
Zählweise der Mayas eine bestimmte Ziffernreihenfolge erreicht wird, deren Fortsetzung
unklar ist.
Am besten lässt sich dies mit unserem Milleniumswechsel vergleichen: Vor 12 Jahren
schrieben wir den 31.12.1999. Am Neujahrstag lief dann unser Kalender weiter mit einer
völlig neuen Ziffernfolge, nämlich dem 1.1.2000. Ähnlich ist das im Maya-System. Aber:
Der Maya-Kalender ist seit Jahrhunderten nicht mehr im Gebrauch, nicht mal bei den
rund 6'000 heute noch existierenden Nachkommen dieses einst so grossen Volkes. Und
so weiss heute niemand, wie dieser Kalender dann weiterläuft. Aber dass er weiterläuft,
ist sonnenklar, denn er ist eben ein Kalender!
2. Umkreist der Planet X, auch „Nibiru, genannt, als „Brauer Zwerg“ in 3'600 Jahren die Sonne und steht am 21. Dezember in Erdnähe?
Diese Frage betriff Griessers Spezialgebiet, die Asteroidenforschung. Als braune Zwerge bezeichnen Astronomen Himmelskörper, die massiv grösser sind als unser Planetenriese Jupiter, aber doch noch deutlich kleiner als ein Zwergstern. Mit simpler Himmelsmechanik lässt sich nachweisen, dass sich unser Sonnensystem mit einem solchen
Riesenbrocken drin sich nie hätte bilden können. Es wäre instabil. Ebenfalls mit nur wenig Aufwand lässt sich die Bahn erstaunlich genau ermitteln, die ein solcher Planet um
die Sonne beschreiben müsste. Und aus dieser Bahn lässt sich dann leicht ableiten,
dass „Nibiru“ schon seit Monaten mondhell vom Himmel leuchten müsste. Und selbst
wenn er jetzt viel kleiner wäre als ein Brauner Zwerg, ein paar Dutzend oder einige
Hundert Kilo-meter, hätte er von den Roboter-Teleskopen, die heute auf der Suche nach
erdnahen Asteroiden den Himmel ständig neu scannen, längst gefunden werden müssen. Selbst das relativ bescheidenen 40cm-Teleskop auf der Sternwarte Eschenberg
weist einen nur zwei Kilometer kleinen Asteroiden in aktuellen Entfernungen von bis zu
300 Millionen Kilometer nach!
3. Die Planeten stehen in einer Reihe und uns droht ein Gravitationskollaps?
Mit jedem einfachen Planetariumsprogramm lässt sich zeigen, dass die Planeten am 21.
Dezember bunt verteilt in ihren Bahnen stehen. Und selbst wenn sie in einer Reihe
stünden, würde dies den Gravitationseinfluss des Mondes auf die Erde um gerade mal
zwei Prozent erhöhen. Im Unterschied zu den durch Mond und Sonne verursachten Gezeiten hätte diese Steigerung kaum messbare Auswirkungen in den Weltmeeren.
4. Gibt es am 21. Dezember einen Sonnensturm?
Das ist gut möglich, wäre dann aber eine völlig natürliche und keineswegs einzigartige
Naturerscheinung. Unsere Sonne erzeugt in ihrem Innern bei extrem hohen Drücken
und Temperaturen durch kernphysikalische Prozesse Energie, die dann von der Oberfläche her abgegeben wird. Durch bis heute nicht ganz klar durchschaubare Prozesse
zeigt die Sonne in einem Rhythmus von 11 Jahren verstärkt dunkle Stellen, sogenannte
Sonnenflecken. Dort behindern lokale Magnetfelder den Energiefluss aus dem Sonneninneren, sodass die Temperatur im Inneren des Flecks um rund 1'000 Grad absinkt. Die
Energie sucht sich dann in der Umgebung des Flecks einen Ausweg, bricht mit ungestümer Gewalt aus der Sonnenoberfläche heraus und schleudert elektrisch geladene
Teilchen aus, die nach einem rund achtstündigen Flug auch die Erde erreichen können.
Die Teilchen laufen entlang der irdischen Magnetfeldlinien zu den Polen und lösen dort
die so wunderbar leuchtenden Polarlichter aus. Doch diese Sonnen-Teilchen können
auch Störungen im irdischen Funk- und Handy-Verkehr verursachen und sogar Satelliten in ihren Funktionen beeinträchtigen.
Das nächste Sonnenaktivitäts-Maximum ist auf 2013 vorausberechnet. Doch wir hatten
schon in diesem Frühling und auch im Sommer zwei grössere Sonneneruptionen mit
Auswirkungen auf die Erde. Gut möglich, dass uns also auch zum Jahresende ein weiterer Ausbruch erwartet. Doch es handelt sich so oder so um eine vorübergehende, natürliche Erscheinung, die keineswegs bedrohlich ist für die Erde.
5. Kippt die Erdachse am 21. Dezember und zeigt dann in Richtung des Milchstrassenzentrums, aus dem uns dann ein „Synchronisationsstrahl“ bedroht?
Diese Behauptung zeigt, dass jene, die solchen Unsinn verbreiten, selbst elementarste
astronomische Zusammenhänge nicht begriffen haben. Tatsache ist nämlich, dass die
Erdachse bereits gekippt ist. Ihre Neigung zur Vertikalen von 23,5 Grad ist ja die Ursache, weshalb es auf unserem Planeten Jahreszeiten gibt. Ausgerechnet zur WinterSonnwende zeigt die nördliche Erdachse in die dem Milchstrassenzentrum abgeneigte
Richtung. - Und was ein „Synchronisationsstrahl“ sein soll, wissen lediglich die kreativen
Wortschöpfer aus der Esoterik-Szene. In der Wissenschaft ist der Begriff unbekannt.
Keine Panik
Von all den vermeintlich so tiefgründigen Behauptungen zum bevorstehenden Weltuntergang bleibt nach Griessers Analyse so gut wie nichts mehr übrig. Natürlich werde
auch am 21. Dezember irgendwo auf dieser Erde ein Unglück geschehen, sich möglicherweise eine Naturkatastrophe ereignen oder auch wir persönlich in unserem Umfeld
allenfalls mit einem schwierigen Ereignis konfrontiert werden. Doch dies alles hat nichts
mit einem Weltuntergang zu tun.
Wenn wir die Bedrohung in einem erdgeschichtlichen Zeitmassstab betrachten, bestehen zwar sehr wohl Risiken für uns Bewohner dieses blauen Planeten. So wird nach
einer Hochrechnung der Spaceguard Foundation unsere Erde etwa alle 100 Millionen
Jahre von einem zehn Kilometer grossen Asteroiden getroffen - mit drastischen Folgen
für das jeweilige Leben. Auch ein Supervulkan kann ausbrechen oder ein sonnennaher
Stern explodieren. Doch alle diese Szenarien sind laut Griesser äusserst seltene Extreme. „Die Chance, dass wir Menschen uns in einer überschaubaren Zeit durch hemmungsloses Ausplündern unserer Um- und Mitwelt oder gar durch kriegerische Auseinandersetzungen mit Massenvernichtungswaffen selber zugrunde richten, ist jedenfalls
erheblich grösser, als alle diese natürlichen Bedrohungen zusammen.“
(agw)
Kontaktadresse:
ASTRONOMISCHE GESELLSCHAFT WINTERTHUR
Markus Griesser, Leiter der Sternwarte Eschenberg
Breitenstrasse 2
8542 Wiesendangen
Phone: +41 52 337 28 48
[email protected]
www.eschenberg.ch
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