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Universität Zürich
Rechtswissenschaftliches Institut
Lehrstuhl für Privatund Wirtschaftsrecht
Prüfung Bachelor
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CH-8001 Zürich
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Aktienrecht
10. Juni 2010
Prof. Dr. Hans Caspar von der Crone
Ordinarius
Musterlösung [23.09.2010]
Lösung
Punkte
Frage 1
[Total 10]
a) Geben Sie einen Überblick über die wichtigsten Schritte einer ordentlichen Kapi-
talerhöhung nach geltendem Recht. Welche Organe nehmen welche Schritte vor?

Beschluss über ord. Kapitalerhöhung

Kompetenz der Generalversammlung (Art. 650 Abs. 1 OR)
0.25

Absolutes Mehr der vertretenen Stimmen (Art. 703 OR)
0.25

Beschluss ist öffentlich zu beurkunden (Art. 650 Abs. 2 OR)
0.25

Inhalt des Beschlusses: Art. 650 Abs. 2 OR
0.25

nach Beschluss durch die Generalversammlung ist die Kapitalerhöhung vom Verwaltungsrat innerhalb von drei Monaten durchzuführen
(Art. 650 Abs. 1 OR)
0.5

Emissionsprospekt (Art. 652a OR)
0.5

Zeichnung der Aktien (Art. 652 Abs. 1 i.V.m. Art. 630 OR)
0.5

Leistung der Einlagen (Art. 652c i.V.m. 632 ff. OR)
0.5

Verwaltungsrat muss Kapitalerhöhungsbericht erstellen (Art. 652e OR)
0.5

Prüfungsbestätigung durch zugelassenen Revisor wegen Einschränkung Bezugsrecht (Art. 652f OR)
0.5

Statutenänderung durch Verwaltungsrat (Art. 652g OR)
0.5
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
Eintrag im Handelsregister aufgrund von Anmeldung durch Verwaltungsrat (Art. 652h OR)
0.5
b) Was war zu beachten, damit die neu geschaffenen Aktien direkt an die neuen
Aktionäre im Publikum ausgegeben werden konnten?

Besonders zu beachten: Bezugsrechtsproblematik (Art. 652b OR)


1
1. Variante: Bezugsrechtsausschluss durch GV

Beschluss GV, öff. Beurkundung (Art. 650 Abs. 2 Ziff. 8 OR)

Wichtiger Grund gefordert, damit Generalversammlung das Bezugsrecht ausschliessen kann (Art. 652b Abs. 2 OR)
1

Durch die Aufhebung des Bezugsrechts darf niemand in unsachlicher Weise begünstigt oder benachteiligt werden (Art.
652b Abs. 2 OR)
1

Schonende Rechtsausübung, Sachlichkeit, kein Rechtsmissbrauch
0.5

2/3-Mehrheit verlangt (Art. 704 Abs. 1 Ziff. 6 OR)
0.5
2. Variante: Verzicht auf Ausübung des Bezugsrechts durch Aktionäre nach Schaffung des Aktienkapitals
Frage 2
0.5
0.5
[Total 10]
Aktionär X ist der Meinung, Alberto, Bruno und Carla hätten nur mit maximal 5%
im Aktienbuch eingetragen werden dürfen. Ist das richtig?

Nein. Eintragungen sind zu Recht erfolgt.
1

Beschränkung der Übertragbarkeit: Art. 685 ff. OR
1

Unterscheidung der Vinkulierungsgründe von börsenkotierten und
nicht börsenkotierten Gesellschaften
2

Art. 685d Abs. 1 OR: Prozentklausel (5% problematisch? Bei börsenkotierten AGs weniger problematisch als bei nicht börsenkotierten AGs)
3

Gesetzlicher Ausschluss der Vinkulierung bei Erbgang (Art. 685d
Abs. 3 OR)
3
Frage 3
[Total 10]
Hatte Tito aufgrund des Geschäftes mit Alberto börsenrechtliche Pflichten zu erfüllen?

Ja. Tito muss den Vertrag betr. Kaufrecht (call option) melden (Art. 20
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BEHG).

call option räumt Tito das Recht ein, jederzeit das Aktienpaket von
Alberto zu erwerben (Art. 20 Abs. 2 BEHG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 lit.
a Ziff. 2 BEHV-FINMA i.V.m. Art. 15 Abs. 1 lit. a BEHV-FINMA)
2

20% der Aktien der Adria AG, so dass 3%-, 5%-, 10%-, 15%- und
20%-Schwelle kassiert werden
1

Meldepflicht entsteht mit der Begründung des Anspruchs auf Erwerb oder Veräusserung von Beteiligungspapieren (Verpflichtungsgeschäft) (Art. 11 Abs. 1 BEHV-FINMA)
2

Meldung muss innert 4 Börsentagen nach Entstehen der Meldepflicht gegenüber der Gesellschaft und den Börsen schriftlich erfolgen (Art. 22 Abs. 1 BEHV-FINMA)
1

Prinzip der Doppelmeldung: weitere Meldung im Zeitpunkt der Ausübung der Option notwendig (Art. 13 Abs. 2 BEHV-FINMA)
1

Da nur 20% keine Pflicht zur Unterbreitung des Angebots (Art. 32
BEHG)
1
Frage 4


[Total 40]
a) Hatte Tito aufgrund des Geschäftes mit den drei Investoren börsenrechtliche Pflichten zu erfüllen?
[10]
Ja, Tito muss melden (Art. 20 BEHG)
0.5

Qualifikation als Kaufrecht (call option)
0.5

Zeitpunkt: Vertragsabschluss am 21. Februar 2010
Begründung

3
Auch wenn die Verträge an die Bedingung geknüpft sind, dass Tito
ein öffentliches Kaufangebot lanciert, liegt es doch allein in der
Hand von Tito, die Bedingung zu erfüllen und das Kaufrecht auszuüben.
(0.5)
Damit kann der Vertragsabschluss mit den drei Investoren als „anderer Vorgang, die im Ergebnis das Stimmrecht über die Beteiligungspapiere vermittelt“ (Art. 9 Abs. 3 lit. d BEHV-FINMA), betrachtet werden
(1)

Jeder Investor hat 5% der Aktien der Adria AG, so dass die 3%und 5%-Schwelle kassiert werden.
(1)

Meldepflicht entsteht mit der Begründung des Anspruchs auf Erwerb oder Veräusserung von Beteiligungspapieren (Verpflichtungsgeschäft) (Art. 11 Abs. 1 BEHV-FINMA)


Meldung muss innert 4 Börsentagen nach Entstehen der Meldepflicht gegenüber der Gesellschaft und den Börsen schriftlich erfolgen (Art. 22 Abs. 1 BEHV-FINMA)
(bei 2 der 3
Punkte: 0.5)
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
Prinzip der Doppelmeldung: weitere Meldung im Zeitpunkt der Ausübung oder Nichtausübung der Option notwendig (Art. 13 Abs. 2 Art.
15 Abs. 3 BEHV-FINMA)

Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots (Art. 32 BEHG)?

2
Als Auslöser der Angebotspflicht gilt der Zeitpunkt des Eigentumserwerbs, d.h. nicht schon das Verpflichtungsgeschäft sondern erst
das Verfügungsgeschäft
1
Nur wenn bereits durch Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts ein
faktischer Kontrollwechsel stattfinden würde, löst bereits dieses die
Angebotspflicht aus
0.5

Ein faktischer Kontrollwechsel liegt z.B. beim indirekten Erwerb
oder beim Erwerb in gemeinsamer Absprache vor
0.5

Solange Tito seine call option jedoch noch nicht ausgeübt hat, hat
er auch keinen indirekten Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte, weshalb i.c. mit Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts kein
faktischer Kontrollwechsel stattgefunden hat


Angebotspflicht wird zwar durch das Verpflichtungsgeschäft noch
nicht ausgelöst, aber der Vollzug würde die Verpflichtung zur Unterbreitung eines Angebots auslösen. Darum Art. 9 Abs. 6 UEVUEK anwendbar. Angebot muss sich auf alle Aktien beziehen. Der
Preis des Angebots muss den Bestimmungen über Pflichtangebote
entsprechen.

Somit hatte Tito aufgrund des Geschäfts mit den drei Investoren
keine Pflicht zur Unterbreitung eines Angebots i.S.v. 32 BEHG
b) Hat das Geschäft mit Alberto Folgen für das öffentliche Übernahmeangebot?
1
(bei einem der
beiden Argumente)
1
[15]

an Alberto bezahlter Preis übertrifft den Angebotspreis des öffentlichen
Übernahmeangebots um CHF 50.- pro Aktie (Kontrollprämie)

Problematik: best price rule
6(1)

diese Regel gilt erst ab Veröffentlichung des Angebots
(1)

Verpflichtungsgeschäft wurde vor dem öffentlichen Übernahmeangebot abgeschlossen
(1)

Vollzug erfolgt ebenfalls kurz vor dem öffentlichen Übernahmeangebot
(1)

Kaufrecht besteht unabhängig von öffentlichem Übernahmeangebot (weder von der Lancierung noch vom Erfolg eines öffentlichen
Übernahmeangebots abhängig)
(1)

Ergebnis: best price rule nicht anwendbar
(1)

Problematik: Mindestpreis

Preis muss mindestens dem Börsenkurs während der letzten 60
Börsentage vor der Publikation der Voranmeldung entsprechen und
1
7 (1)
(1)
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darf höchstens 25 Prozent unter dem höchsten Preis liegen, den
der Anbieter in den zwölf letzten Monaten für Beteiligungspapiere
der Zielgesellschaft bezahlt hat (Art. 32 Abs. 4 BEHG)

Preis entspricht dem Durchschnitt des Börsenkurses während der
letzten 60 Börsentage
(1)

Wie ist Preis, der an Alberto bezahlt wurde, zu bestimmen? Gehen
Preis plus Prämie ein?
(1)

Nein, nur Preis relevant. Die Gegenleistung für die Option ist nicht
in die Preisberechnung mit einzubeziehen.
(2)

Öffentlicher Übernahmepreis liegt 20% unter dem höchsten Preis
((250-200):250*100)
(1)

Ergebnis: Mindestpreisberechnung beachtet und öffentliches Übernahmeangebot ist darum mit dem Kaufrechtsvertrag vereinbar
1
c) Haben die Geschäfte mit den drei Investoren Folgen für das öffentliche Übernahmeangebot?
[15]

Der an die Investoren bezahlte Preis übertrifft den Angebotspreis des
öffentlichen Übernahmeangebots um CHF 35.- pro Aktie (Kontrollprämie)
1

Diskussion: ist in diesem Fall die best price rule anwendbar?
1

Best price rule gilt erst ab Veröffentlichung des Angebots
1

Verpflichtungsgeschäft wurde vor dem öffentlichen Kaufangebot
abgeschlossen, ist aber bedingt
1

Der Vollzug hat noch nicht stattgefunden, die Bedingung ist aber
am 14. Mai 2010 mit der Lancierung des öffentlichen Übernahmeangebots eingetreten
1

Das Kaufrecht ist an die Lancierung eines öffentlichen Übernahmeangebot gekoppelt (Bedingung)
1

Zweck ist letztlich die Erfüllung der Gleichbehandlungspflicht i.S.v.
Art. 24 Abs. 2 BEHG und Art. 10 Abs. 1 UEV-UEK
2

Durch den Vertrag vom 21. Februar 2010 werden die Investoren
verpflichtet, Ihre Aktien für CHF 235.-/Aktie während der Angebotsfrist anzubieten
1

Nach der Praxis der Übernahmekommission ist allein auf das Verpflichtungsgeschäft abzustellen. Keine Rolle spielt es, wann der
Vertrag vollzogen wird. D.h. wenn das Verpflichtungsgeschäft vor
dem öffentlichen Übernahmeangebot abgeschlossen wurde, findet
die best price rule grundsätzlich keine Anwendung
1

Eine Abweichung von diesem Grundsatz wird gemacht, wenn der
Erwerb der Beteiligungspapiere der Zielgesellschaft durch die Anbieterin durch eine aufschiebende oder auflösende Bedingung an
das Angebot bzw. an den Erfolg des Angebots geknüpft wird (sog.
2
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„gekoppelte Gesamttransaktion“)

Diskussion ob „gekoppelte Gesamttransaktion“ vorliegt
1

Abgrenzung zur Mindestpreisregel
2
Frage 5
a) Wie müsste Tito vorgehen, um eine Eintragung im Aktienbuch zu
erwirken?
[Total 30]
[5]

Aktienbuch: Art. 686 ff. OR
0.25

Eintragung als Aktionär ohne Stimmrecht
0.5

Automatisch, keine Ablehnung möglich (Art. 685f Abs. 3 OR)
0.5

Vermögenswerte Rechte aus Aktie können wahrgenommen werden (Art. 685f Abs. 2 OR)
0.25


Eintragung als Aktionär mit Stimmrecht
1

Gesuch beim Verwaltungsrat einreichen
0.5

Voraussetzung für Eintrag: Ausweis über Erwerb der Aktie zu Eigentum (Art. 686 Abs. 2 OR)
0.5

Verwaltungsrat „kann“ Eintragung ablehnen (Art 685d Abs. 1 OR)
0.5
Einberufung einer GV und Antrag auf Aufhebung der Vinkulierungsbestimmung
0.5

Aufgrund der Stimmenverhältnisse praktisch aussichtslos
0.5
b) Kann der Verwaltungsrat der Adria AG die Eintragung von Tito im
Aktienbuch verweigern?
[10]

Eintragung als Aktionär ohne Stimmrecht kann nicht abgelehnt werden.

Eintragung als Aktionär mit Stimmrecht kann abgelehnt werden
0.5

0.5


Ablehnung aber nur möglich für Stimmrechte über 5%
Gleichbehandlung
2
5

Wichtig: Verwaltungsrat hat zwar Freiheit, muss aber Gleichbehandlung der Aktionäre beachten.
(1)

Ausnahmen sind nur zurückhaltend und nur aufgrund sachlich objektiver Kriterien zu gewähren
(2)

Eintragung von Alberto, Bruno und Carla steht dem nicht entgegen,
da Art. 685d Abs. 3 OR
(2)
Sofern keine Antwort innert 20 Tagen: Eintragungsfiktion
c) Was könnte Tito unternehmen, wenn der Verwaltungsrat Tito gar
2
[15]
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nicht einträgt?

Aktionäre ohne Stimmrecht hat unter Vorbehalt des Missbrauchsverbots jederzeit Recht, ein neues Gesuch einzureichen (keine „Erschöpfungswirkung“ des Antrags)
1

Klage auf Anerkennung und Eintragung ins Aktienbuch (vgl. Art. 685f
Abs. 4 OR)
5 (2)

Argument „Gleichbehandlung“
(1.5)

I.c. keine Verweigerung einer Ausnahme ohne sachliche Gründe,
da bei Alberto, Bruno und Carla Aktienbesitz durch Erbgang
(1.5)
Klage auf Schadenersatz wegen unrechtmässiger Ablehnung (Art.
685f Abs. 4)
5 (1)



Diskussion, ob ein Schaden entstanden ist
(3)

Exkulpation
(1)
Hinweis VR-Beschluss als solches nicht anfechtbar


Ungleichbehandlung Anfechtungsgrund (vgl. Art. 706 Abs. 2 Ziff. 3
OR), da kein Nichtigkeitsgrund keine Nichtigkeitsklage nach Art.
714 i.V.m. 706b OR möglich
Möglichkeit einer Verantwortlichkeitsklage (Art. 754 OR)
2 (1)
(1)
2

Pflichtwidrigkeit
(1)

Liegt ein Schaden vor
(1)
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