DESINFACTS SPECIAL Weniger waschen, mehr cremen Rund 70 Prozent aller Berufskrankheiten beim Pflegepersonal in Krankenhäusern sind Hautleiden. „Desinfacts“ sprach mit dem Marburger Dermatologen Professor Dr. Harald Löffler, erster stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Kontaktallergie-Gruppe und Spezialist für irritative Hautschäden und Berufsdermatosen, über die Krankheitsbilder, Risikofaktoren und Präventionsstrategien. 70 Prozent aller Berufserkrankungen Handekzeme überschneiden. Charakteritiven Hautschäden führen. Entscheidend unter Pflegekräften sind Hautleiden. Welstisch beim Abnutzungsekzem ist jedoch ist dabei nicht die Einzelschädigung, dieche Krankheitsbilder verbergen sich hindas ständige Auf und Ab. se kann gering sein. Erst wenn über Jahter der Statistik? re hinweg ein andauernder Kontakt mit In erster Linie das Handekzem, Wie macht sich das bemerkbar? diesen – im Fall von Wasser eigentlich „Die meisten bei dem Hautärzte drei Formen Während der Arbeit verschlechtert harmlosen – Stoffen erfolgt, wird die gehen nicht sich der Hautzustand, am Wochenunterscheiden: das irritative Haut geschädigt. Kontaktekzem, auch kumulati- zum Arzt“ ende verbessert er sich wieder. ves Abnutzungsekzem genannt, Wird nichts zum Schutz der Haut Was spielt sich dabei „unter der Haut“ das atopische Ekzem und das allergische getan, tritt eine Linderung nur ab? Kontaktekzem. noch während des Urlaubs ein, Auch wenn jeder Schadstoff spe„Allergien sind zifisch wirkt, beeinträchtigt ein schließlich wird die irritative seltener als häufiger Kontakt mit diesen SubHört sich kompliziert an. Wie kann der Haut zum Dauerzustand. man denkt“ stanzen zunächst den SchutzLaie wissen, was er hat? Am weitesten verbreitet ist das kumulatiDie Entwicklung eines Ekzems mantel der Haut und damit ihre ve Abnutzungsekzem. Die Haut erscheint kann also lange dauern? natürliche Barriere. Die Hornschicht rot, rissig, trocken bis schuppig, vor allem Hauptursache eines Kontaktekzems ist quillt, Hornzellen werden abgelöst und in den Fingerzwischenräumen und auf häufig der Kontakt mit Wasser. Aber auch der Haut die eigenen Lipide, die wichtidem Handrücken. Symptome, die sich Seife und Chemikalien oder zu lange Tragen Hautfette, entzogen. Häufig kommt zum Teil auch mit denen der anderen gezeit bei Handschuhen können zu irritanoch ein erhöhter so genannter transepi- 6 BODE–SCIENCE–COMPETENCE Haut bei Kontakt mit Alkohol – ist das Zeichen einer vorgeschädigten Haut – als Folge der bereits genannten dauerhaften Einwirkung schädlicher Substanzen. Da Alkohol dann leicht die lebenden Zellen der Oberhaut erreicht, kommt es zu diesen Symptomen auch ohne Allergiegeschehen. „Alkoholische HändeDesinfektionsmittel bieten der Haut die Chance, sich zu erholen“ Was empfehlen Sie in diesen Fällen? Auf gar keinen Fall anstelle der alkoholischen Händedesinfektion aufs Händewaschen auszuweichen. Abgesehen von der rechtlichen Seite, die vorschreibt, wann aus Gründen des Infektionsschutzes die Hände zu desinfizieren sind, begibt sich der Betroffene in einen Teufelskreis. Wie das? Wasser und Seife schädigen die irritierte Haut nur noch mehr: Sie verschieben dermaler Wasserverlust – der TEWL – den pH-Wert, zerstören die Hautbarriere, hinzu. Die Folge: Die Hornschicht wird führen zur Quellung der Hornhaut usw. durchlässiger, schädigende Substanzen usf. Besser wäre es, auf das Händekönnen besser und tiefer eindringen. waschen ganz zu verzichten und die Hände trotz Brennens mit alkoholischen Und als nächstes kommt die Allergie? Hände-Desinfektionsmitteln zu desinfiDas kann passieren. Mit der Zerzieren. Gerade Produkte mit störung der natürlichen SchutzPflegesubstanzen beeinflus„Viele barriere wird auch das Immunsen den Hautzustand nicht system der Haut in einen erhöhten akzeptieren negativ – die Haut könnte sich Alarmzustand versetzt. Eigentlich ihren Hautzu- so – in Abhängigkeit von der harmlose Stoffe oder Chemikalien Vorschädigung – schneller stand“ dringen vermehrt in die Haut ein, wieder regenerieren. werden vom Immunsystem als fremd erkannt und entsprechend bekämpft. Als Ist das häufige Händewaschen der KarFolge entwickelt sich ein allergisches dinalfehler bei Pflegekräften? Kontaktekzem. Zumindest waschen sich die meisten immer noch viel zu oft die Hände. Aber Viele meinen, sie hätten eine Allergie auch andere Faktoren spielen eine Rolle: gegen alkoholische Hände-DesinfekMangelnde Pflege z. B. oder zu langes tionsmittel? Tragen von Handschuhen, bzw. das TraDa muss man unterscheiden: Ein allergigen der falschen Handschuhe. Vor allem sches Kontaktekzem ist viel seltener, feuchtigkeitsundurchlässige Handschuals man denkt und tritt he können nach einiger Zeit zu einem als Ursache alkoholischer Wärme- und Feuchtigkeitsstau führen. „Aufklärung und Hände-DesinfektionsmitSchulung – so Gibt es auch Risikofaktoren, die nicht von früh wie möglich“ tel so gut wie gar nicht auf – unsere gerade laufenaußen kommen? den Studien zu SensibiliJa, ich erwähnte vorhin das atopische sierungsraten bei Hände-DesinfektionsEkzem. Ein Hautleiden, dass stark von mitteln scheinen dies auch noch einmal endogenen, bzw. genetischen Faktoren zu bestätigen. Was viele für eine Allergie bestimmt wird. Eine Atopie zeigt sich u. a. halten – das Brennen und eine gerötete durch eine Überempfindlichkeit von Haut und Schleimhäuten. Die Haut neigt oft zu extremer Trockenheit, verbunden mit Juckreiz und Ekzembildung. Ist der Pflegeberuf dann nicht eigentlich ein Tabu? Das würde ich nicht sagen: Zwar ist die Wahrscheinlichkeit, ein Hautleiden zu entwickeln bei Atopikern höher. Im Gegensatz zu Nicht-Atopikern wissen viele Betroffene jedoch um das Problem, gehen zum Arzt und sorgen mit Schutzund Pflegemaßnah- „Hautschutzpläne sind men vor. Eine Studie zum Einsatz eines pro- noch lange panolischen Hände- nicht selbstDesinfektionsmittels, verständlich“ das feuchtigkeitsfördernde Pflegesubstanzen enthält, zeigt übrigens, dass eine alkoholische Händedesinfektion auf der intakten Haut von Atopikern problemlos möglich ist. (Mehr dazu s. Seite 9. Anmerkung d. Redaktion). Generell aber ist es um das „Hautbewusstsein“ schlecht bestellt? Viele Betroffene suchen mit ihrem Hautproblem weder einen Arzt auf noch ändern sie ihr Verhalten im Hinblick auf die Risikominimierung. Der Hautzustand wird häufig einfach als zum Beruf gehörend akzeptiert. Hautschutz- und Handschuhpläne sowie Pflegekräfte, die sich daran halten, sind immer noch keine Selbstverständlichkeit. Ihr Vorschlag? Informationskampagnen, Poster, Schulungen – alles, was aufklärt. Wir müssen uns stärker auf die primäre Prävention konzentrieren. Eine von uns über einen Zeitraum von drei Jahren durchgeführte Studie mit Krankenpflegeschülern zeigte deutlich, dass von denjenigen, die in Hautfragen geschult wurden, nur die Hälfte Hautprobleme entwickelte. Also so früh wie möglich anfangen? In der Ausbildung – hier sollte die Prävention beginnen. Und für die bereits im Berufsalltag stehenden heißt es natürlich auch: Weniger waschen, mehr cremen und die Risikofaktoren reduzieren. 7