Wenn das Geld nicht mehr für`s Essen reicht

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STRAUBINGER RUNDSCHAU
Montag, 21. September 2015
27
Wenn das Geld nicht mehr für’s Essen reicht...
Viele bedürftige Menschen kommen jeden Donnerstag zur Tafel – Niemand geht leer aus
Von Marie Sepaintner
N
och eine halbe Stunde bis
zur ersten Ausgabe der Lebensmittel. Und doch warten schon rund 20 Menschen vor
dem großen, grauen Tor der Straubinger Tafel an der Johannes-Kepler-Straße. In ihren Händen halten
sie Taschen, Tüten und Rucksäcke.
Eine junge Frau schiebt mit einem
alten Einkaufswagen vor das Tor
und grüßt die anderen. Man kennt
sich. Hinter dem grauen Tor räumen
ehrenamtliche Mitarbeiter mit
orangen Schürzen eifrig die Regale,
Tische und Theken mit Lebensmitteln voll, eine Frau bringt noch
schnell ein paar Schachteln mit Eiern vorbei. Pünktlich um 13.15 Uhr
ist alles fertig und liegt an seinem
Platz: Die Ausgabe kann beginnen.
Etwa 300 bedürftige Menschen
kommen dafür jeden Donnerstag
zur Tafel.
Die Gruppe, die eine grüne Karte
hat, ist heute wie immer die erste,
die in die Tafel kommen darf und
Lebensmittel bekommt. „Grüne
Karten bekommen Mütter mit Kindern und behinderte Menschen“, erklärt Gerda Liebl, die schon jahrelang ehrenamtlich bei der Tafel
hilft. „Grün ist immer als erstes
dran.“ Drei weitere Gruppen gibt
es: blau, rot und gelb. Deren Reihenfolge ändert sich wöchentlich.
Nach der Vorlage des Hartz-IV-Bescheids oder des Grundsicherungsbescheids bekommen die Leute solche Karten mit einer Farbe. Vor der
Lebensmittelausgabe ziehen sie alle
eine Nummer. So lässt sich der riesige Ansturm besser regeln.
Eine Tür gleich links hinter dem
Eingang führt in ein großes Büro.
Hier geben die Bedürftigen ihr Los
bei Galina Kerber ab. Sie kontrolliert die Losnummer, auf die Berechtigungskarte schreibt sie das
heutige Datum. Zwei Euro muss jeder noch zahlen, der sich Lebensmittel holt. Galina Kerber ist schon
viele Jahre bei der Tafel. „Ich bin so
gerne hier. Zweimal in der Woche
komme ich und helfe“, erzählt sie.
Wer die zwei Euro nicht zahlen
kann, müsse eben anschreiben, erklärt sie und zeigt die Liste mit Namen. „Die müssen dann aber beim
nächsten Mal bezahlen.“ An einem
anderen Tisch wird von einer Mitarbeiterin alles geregelt, wenn Leute
zum ersten Mal zur Tafel kommen.
Hier bekommt man dann auch seinen Berechtigungsschein.
| „Haben Sie heute
auch Windeln?“
Mit ihren Karten in der Hand holen sich die Menschen anschließend
Lebensmittel. Im Ausgabezimmer
gegenüber dem Büro steht eine gro-
ße weiße Kühltheke mitten im
Raum und nimmt viel Platz ein. Die
Scheiben sind angelaufen und man
kann von außen gar nicht sehen,
was sich dahinter alles befindet. Es
gibt abgepackte Wurst, Joghurt,
Käse und frisches Gemüse. Im Regal
dahinter stehen Babynahrung, Soßen und Konserven. Eine Frau geht
zur Theke und sagt: „Hallo, drei
Leute.“ Von einer Mitarbeiterin
hinter der Kühltheke bekommt sie
dementsprechend Joghurt, verpackte Wurst und Käse auf die Theke gelegt und die Frau packt die Sachen
in ihre Tasche. „Haben Sie heute
auch Windeln?“, fragt eine junge
Mutter mit ihrem kleinen Jungen an
der Hand. „Heute leider nicht“, sagt
eine Mitarbeiterin. Und während
sich die Mutter noch unterhält,
packt der kleine Junge seiner Mutter den Salat aus der Tasche, die am
Boden steht und er lacht.
Ungefähr 30 ehrenamtliche Mitarbeiter hat die Tafel. „Ich bin
schon so lange dabei, es macht einfach Spaß“, erzählt Gerda Liebl. Jeden Donnerstag hilft sie mit. Dienstag und Mittwoch holt sie zusammen mit anderen Mitarbeitern Lebensmittel, die gespendet werden.
„Die sortieren wir dann und räumen sie ein. Verfaulte Sachen kommen natürlich weg.“ Auch die Kühlung ist voll mit frischen Lebensmitteln. „Das brauchen wir heute
aber auch noch alles“, sagt sie. Sogar einige bunte Schultüten und
Malkästen konnte Gerda Liebl auftreiben. „Die Kinder freuen sich
doch, wenn sie zum Schulanfang
auch eine Schultüte haben, das können sich hier nur wenige leisten.“
Was es in der Tafel alles gibt, hängt
davon ab, welche Spenden sie von
Discountern und Geschäften erhalten. „Heute haben wir zum Beispiel
auch viel Grillkohle und Waschpulver da“, sagt Gerda Liebl und zeigt
auf einen Wagen im großen Raum
gleich hinter dem Eingang, auf dem
Waschmittel gestapelt ist. Eine ältere Dame stupst sie an: „Darf ich mir
da auch eins nehmen?“
| „Das Geld reicht
einfach nicht“
In dem größeren Raum gibt es
noch Brot, Lebkuchen, Kuchenböden und viel frisches Obst. Bananen, Nektarinen und Erdbeeren liegen auf dem Tisch. „Ja habt ihr jetzt
schon Lebkuchen“, ruft ein Mann
und lacht. Sogar bunte Blumen und
frische Kräuter gibt es heute in der
Tafel. Vor dem grauen Tor sitzt eine
Dame auf der Bank. Sie hat sich
schon ihre Lebensmittel geholt und
wartet jetzt, bis sie abgeholt wird.
Vor ihr steht ein kleiner Trolley, darauf hat sie eine bunte Plastiktüte
gestellt. „Ich habe heute Wurst, Jo-
ghurt, Obst und Gemüse bekommen, das freut mich sehr“, sagt die
80-Jährige. „Sogar Schokolade und
eine Packung Suppe ist heute dabei,
die mag ich besonders“, schwärmt
sie. Seit mehreren Jahren schon
kommt die Dame zur Tafel. „Das
Geld reicht bei meiner kleinen Rente einfach nicht. Ich lebe alleine, die
Sachen der Tafel kann ich gut brauchen. Ich bin sehr zufrieden mit allem, alle sind freundlich zu mir.“
| „Wir stoßen manchmal
an unsere Grenzen“
Der Bezirksgeschäftsführer der
Malteser, Franz Liebl, will vor allem
darauf aufmerksam machen, dass
Helfer bei der Tafel immer willkommen sind. „Wir können jede Hand
gebrauchen, vor allem männliche
Helfer haben wir kaum welche. Wir
brauchen Leute, die die Lebensmittel holen und welche, die bei der
Ausgabe helfen. Wir haben zwei
Männer hier, die schon seit zehn
Jahren helfen, einer aus Afghanistan und einer aus Pakistan. Das sind
super Jungs, ein Musterbeispiel für
Integration.“
Seit 1999 gibt es die Tafel in
Straubing. Die Zahl der Menschen,
die jeden Donnerstag zur Tafel
kommt, steige stetig, erklärt der Bezirksgeschäftsführer. „Wir stoßen
manchmal schon an unsere Kapazitätsgrenzen“, sagt er. Zur Entlastung wird demnächst auch eine Tafel in Bogen eröffnet. Zwei weitere
gibt es bereits in Mallersdorf und
Geiselhöring. Menschen aus der
Nähe von Bogen sollen sich ihre Lebensmittel zukünftig auch dort holen. Da die gespendeten Lebensmittel aber dann auch auf zwei Tafeln
aufgeteilt werden müssen, gebe es
immer noch das Problem mit zu wenig Lebensmitteln. „Wir können
immer Spenden brauchen. Vor allem Grundnahrungsmittel sind gefragt und Süßigkeiten für die Kinder“, erklärt Liebl. Auch finanziell
kann die Tafel natürlich unterstützt
werden. „Haben Sie auch Wurst
ohne Schwein?“, fragt ein Mann mit
Rucksack die Mitarbeiterin hinter
der Kühltheke. „Aber sicher, du bekommst die mit Pute“, sagt sie und
legt ihm die Packung auf die Theke.
Wünsche und Bedürfnisse versucht
die Tafel laut Liebl so gut es geht zu
berücksichtigen. „Wir sind aber
kein Supermarkt, wir sind abhängig
von den Spenden.“
Es ist 14.15 Uhr. Nach einer kurzen Verschnaufpause ist jetzt die
blaue Karte dran. Zwei Stunden ist
die Tafel noch geöffnet. Und die
Mitarbeiter achten genau darauf,
dass auch der letzte noch etwas bekommt, denn niemand soll hier
ohne Lebensmittel heimgehen müssen.
Vor allem Grundnahrungsmittel wie Brot sind bei der Tafel sehr gefragt. Spenden sind daher immer willkommen.
Die Kühltheke ist voll gefüllt mit Joghurt, Wurst und Käse. Es wird genau darauf
geachtet, dass jeder etwas bekommt.
99 Luftballons
Kinderschutzbund macht auf Kinderarmut aufmerksam
„Herzlich willkommen, liebe
Kinder“, hat Monika Seidel, Vorsitzende des Kinderschutzbundes, am
Samstagvormittag auf dem Theresienplatz gesagt. „Kinder willkommen“ lautet auch das Motto des
Weltkindertages 2015, der am 20.
September in Deutschland und in
vielen Teilen der Welt gefeiert wird.
An diesem Tag gilt es, das Kindeswohl ins Bewusstsein zu rücken –
auch das jener Kinder und Jugendlichen, die derzeit als Flüchtlinge in
Deutschland Schutz suchen.
99 Luftballons treten ihren Flug ins Blaue an.
Mit einer Luftballonaktion wollte
der Kinderschutzbund mit seinen
freiwilligen Helfern ein äußerlich
sichtbares Zeichen setzen, hinausgetragen in den blauen Himmel
über Straubing. Deshalb hatte der
Kinderschutzbund den Leitspruch
für diesen Tag mit „Kinderarmut –
gemeinsam Barrieren überwinden“
proklamiert. „Kinderarmut hat in
Deutschland ein erhebliches Ausmaß angenommen“, sagte Monika
Seidel. 2,5 Millionen Kinder gelten
als arm, jedes sechste Kind in unserem ansonsten so reichen Land lebt
von Leistungen auf Sozialhilfeniveau und jedes 20. Kind müsse sogar auf eine tägliche warme Mahlzeit verzichten! Arm sein, bedeutet
Ausgrenzung, nicht dabei sein zu
können, wenn Klassenfahrten oder
Ausflüge anstehen. Der Kreisverband des Kinderschutzbundes versucht zu helfen, in dem er das ganze
Jahr über bedürftige Kinder und
Jugendliche aus der Stadt und dem
Landkreis unterstützt.
Auch Oberbürgermeister Markus
Pannermayr und Landrat Josef
Laumer nahmen gerne an der Veranstaltung teil und gingen in ihren
kurzen Grußworten auf die gute Arbeit des Kinderschutzbundes zum
Wohle der Kinder in Stadt und
Land und auf den Weltkindertag
ein. Die Kinder hatten zu dieser
Zeit schon viele Ballons flugfertig
gemacht – sprich mit einer anhängenden Karte versehen, auf der entweder die Absender-Adresse stand
oder aber gute Wünsche zum Kindertag. Wenn es auch hin und wieder mal knallte und halt ein Ballon
zu fest aufgepumpt wurde, so waren
doch alle mit Feuereifer bei der Sache. Zu den 97 Ballons bekamen der
Oberbürgermeister und der Landrat
noch je einen und als dann lautstark
auf Null heruntergezählt wurde,
stiegen 99 Luftballons in den blauen Himmel über Straubing. Für einige endete der Flug schon nach wenigen Metern in den Bäumen beim
Fischbrunnen. Hier wurde dann etwas nachgeholfen, damit die Ballons ihren hoffentlich weiten Flug
antreten konnten.
-wil-
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