Supergedächtnis-Gene verschlimmern Kriegstrauma

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NZZ.CH
WISSENSCHAFT
Supergedächtnis-Gene verschlimmern
Kriegstrauma
Wissenschaft Montag, 14. Mai, 21:00
Bestimmte Genvarianten verleihen ihren Trägern ein
überdurchschnittlich gutes Gedächtnis. Nun wies ein
Forscherteam unter Basler Leitung nach, dass diese Gene bei
Kriegsopfern posttraumatische Stress-Störungen fördern
können.
sda Fast jeder hätte gern ein besseres Gedächtnis. Doch ein Supergedächtnis
kann auch Schattenseiten haben, wie Forscher um Dominique de Quervain und
Andreas Papassotiropoulos von der Universität Basel in einer neuen Studie
zeigen: Wer eine Genvariante trägt, die ein besseres Gedächtnis verleiht, den
belasten negative Erlebnisse auch stärker.
Die Wissenschafter haben zusammen mit Kollegen der ETH Zürich und aus
Deutschland eine Genvariante namens PRKCA identifiziert, deren Träger
emotional aufgeladene Erinnerungen markant besser abrufen können. Für ihre
Studie mussten sich 723 Studentinnen und Studenten 72 Bilder mit positiven,
negativen oder neutralen Sujets merken. Dann prüften die Wissenschafter, an
wie viele der negativen Bilder sie sich erinnerten.
Es stellte sich heraus, dass dies Trägern einer bestimmten Form des PRKCAGens besser gelang, wie die Forschenden am Dienstag im Fachblatt
«Proceedings of the National Academy of Sciences» berichteten. Die
Überprüfung im Kernspintomographen zeigte, dass bei ihnen zwei Gehirnareale
aktiver waren, die mit dem emotionalen Gedächtnis in Verbindung gebracht
werden.
Gutes Gedächtnis ist Hypothek bei Kriegsflüchtlingen
Im zweiten Teil der Studie wollten die Forschenden wissen, ob das bessere
Gedächtnis die Auswirkungen von schlimmen Erlebnissen vergrössert.
Zusammen mit Kollegen von den Universitäten Konstanz und Ulm suchten sie
die Genvariante im Erbgut von Flüchtlingen des Bürgerkriegs in Rwanda.
Tatsächlich litten Träger eben jener Genvariante von PRKCA häufiger an
quälenden Erinnerungen an Kriegserlebnisse wie Verwundungen oder
Vergewaltigungen. Sie wiesen häufiger Symptome des posttraumatischen StressSyndroms (PTSD) auf, indem sie zum Beispiel immer wieder das Geschehene
durchlebten oder Gedanken und Gespräche darüber vermieden.
«Bisher gab es nur schwache Hinweise darauf, dass Menschen mit besonders
gutem Gedächtnis anfälliger für PTSD sind», erklärten die Forschenden. «Wir
zeigen nun, dass es eine genetische Verbindung zwischen dem Gedächtnis und
dem Risiko für PTSD gibt.» In Zukunft könnte ein genetischer Test womöglich
dabei helfen, posttraumatische Probleme gezielter zu behandeln.
Kein Gen-Doping fürs Gedächtnis
Wer sich von solchen Studien ein Gen-Doping für ein besseres Gedächtnis
erhofft, wird enttäuscht: Über die Gehirnleistung eines Einzelnen sagen
Gedächtnis-Gene nichts aus. Die Unterschiede im Erinnerungsvermögen sind
nur in grossen Gruppen statistisch messbar. Am Gedächtnis wirken viele Gene
mit und eben auch die Umwelt.
Doch könnte die Erforschung dieser Gene Ansatzpunkte für Medikamente gegen
Gedächtnisstörungen aufzeigen, wie sie bei Depressionen und Stress auftreten.
Erste Tests mit derart identifizierten Molekülen an Menschen laufen bereits.
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