Pipelines zum Herzen.

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MEDIZIN
R
Gesunde Venen sind für den
menschlichen Blutkreislauf
essenziell: Sie befördern täglich
rund 7000 Liter Blut zurück
zum Herzen.
Pipelines
zum Herzen
Fotos: Gettyimages, mauritius images, ZVG
Tausende Liter Blut pumpen die Venen täglich durch den Körper.
Leiern sie aus, kommt es zu Krampfadern. Doch eine Operation ist nur
mehr selten nötig. Im Kampf gegen Krampfadern siegen heute meist
moderne, minimal-invasive Methoden. TEXT Mirjam Oertli
12 November 2016 — Life!
ichtige «Stampfer», beschreibt
Maria Märki*, wie sich abends
ihre Beine anfühlen. Am Abdruck
der Socken stellt die 35-jährige Mutter
zweier Kinder jeweils die Schwellungen
fest: «Links ist es besonders schlimm.»
Erstmals aufgefallen war ihr nach der ersten Schwangerschaft vor einigen Jahren,
wie schwer und müde ihre Beine abends
waren. Inzwischen schmerzen sie auch
immer öfter.
Märki steht im Behandlungszimmer
von Marion Kritikos, Venenspezialistin
bei den Pallas Kliniken in Olten. Die
Ärztin beobachtet per Ultraschall die
Blutzirkulation in ihren Beinen: «Ich drücke an bestimmten Stellen und schaue,
wohin es fliesst.» Im menschlichen Blutkreislauf herrscht klare Arbeitsteilung:
Die Arterien bringen sauerstoffreiches
Blut vom Herzen zu Organen und Geweben. Die Venen sind die Pipelines für den
Rücktransport. Rund 7000 Liter Blut be­
fördern sie täglich wieder zum Herzen.
Schwerstarbeit, vor allem, wenn es nach
oben geht. Nicht selten «leiern» sie mit der
Zeit «aus». So schliessen die ventil-artigen
Venenklappen nicht mehr richtig. Blut
fliesst zurück nach unten und staut sich in
den Beinen. Die Folge: Krampfadern, im
Fachjargon «Varizen»!
«In 90 Prozent der Fälle ist eine Venenschwäche genetisch bedingt», so Kritikos.
Bei Frauen können auch Schwangerschaften und hormonelle Veränderungen dazu
beitragen. Wirklich verhindern lassen sich
Varizen also nicht. Auch wenn Übergewicht, Berufe, in denen man viel sitzt oder
steht und zu wenig Bewegung nicht eben
förderlich sind. «Doch selbst Marathonläufer haben manchmal Krampfadern»,
so die Expertin.
Sind sie nah an der Oberfläche, sieht
man sie als geschlängelte, knotige, blaue
Stränge. Schön ist anders: Wie Besen­
reiser, eine Unterform der Krampfadern,
stören sie viele Menschen optisch. Im Gegensatz zu den feinen roten Linien haben
Krampfadern aber Potenzial zum medizinischen Problem. «Neben Schwellungen
und Schmerzen kann es auch zu offenen
Beinen kommen», sagt Kritikos. Zudem
hätten Leute mit Krampfadern ein erhöhtes Thrombose-Risiko, neigten also eher
zu Blutgerinnseln.
Um sie loszuwerden, gab es früher nur
die klassische Operation. Dabei wurde
die kranke Vene komplett entfernt. Inzwi-
Die Methoden
Operation
Veröden
Sie ist die Klassische: Bei
der Operation – dem ältesten
Verfahren zur Behandlung
von Krampfadern – wird die
kranke Vene komplett entfernt.
Das Verfahren ist langjährig
bewährt und kann auch bei
stark geschlängelten Venen
angewendet werden. Danach
sind die Patienten je nach
Beruf einige Tage bis zu zwei
Wochen krankgeschrieben
und müssen mehrere Wochen
Kom­pressionsstrümpfe tragen.
Die chemische Alternative: Zur
Sklerosierung wird ein alkoholhaltiges Verödungsmittel in die
Krampfader gespritzt. Dieses
führt zu einer künstlichen Entzündung an den Venenwänden:
Die Vene verklebt sich und wird
vom Körper mit der Zeit abgebaut. Diese minimal-invasive
Methode gibt es bereits länger,
erstmals erwähnt wurde sie
1944. Sie erfolgt ambulant.
Das Verfahren kann auch bei
grossen Krampfadern eingesetzt werden, eignet sich allerdings besser für kleinere Venen-Nebenäste. Selten kann
es danach zu allergischen Reaktionen kommen.
Venen-Stripping
Hitze-Therapie
Endovenöse
thermische Ablation
Hier wird es heiss: Bei der Therapie mit Hitze wird ein Katheter
in die kranke Vene eingeführt.
Danach folgen mehrere Spritzen
zur örtlichen Betäubung (Tumeszenzanästhesie). Über den
Katheter wird die Wand der
Vene nun mit Laser oder Radiowellen Abschnitt um Abschnitt
stark erhitzt. So kommt es zur
Blutgerinnung, zur Schrumpfung
und somit zum Verschluss der
Vene. Diese wird vom Körper mit
der Zeit abgebaut. Das minimalinvasive Verfahren gibt es seit
rund 15 Jahren. Es ist ambulant
durchführbar, die Patienten sind
am Folgetag meist wieder vollständig einsatzfähig.
Sklerosierung
Verkleben
Venaseal
Die ganz Neue: Ein Acrylklebstoff wird in die kranke Vene
gespritzt und verklebt dort die
Wände. Auch diese Therapie
ist minimal-invasiv und kann
ambulant durchgeführt werden. Allerdings verbleibt der
Klebstoff als Fremdstoff im
Körper – die Folgen davon sind
noch nicht abschliessend erforscht. Daten zu Langzeitwirkungen fehlen bisher. Die Methode wird erst seit wenigen
Jahren durchgeführt und ist
nicht kassenpflichtig.
Venenspezialistin Marion Kritikos der Pallas Kliniken untersucht
den Zustand der Beine von Patientin Maria Märki per Ultraschall.
November 2016 — Life! 13
MEDIZIN
Kampf den Krampfadern!
Dysfunktion der Vene
Leiern Venen im Bein aus, können die
ventil-artigen Venenklappen nicht mehr
richtig schliessen. Die Folge: Das Blut
fliesst wieder zurück nach unten und staut
sich in den Beinen. Durch die Fehlfunktion
verändern sie zudem ihre Form. Schlängelnde, knotige Stränge sind die Folge.
Normaler
Blutfluss
Sind Krampfadern einmal da, verschwinden sie nicht ohne Eingriff.
Man kann aber vorbeugen oder ihr Fortschreiten hinauszögern.
Abnormaler
Blutfluss
Geöffnete
Venen-Klappe
Do’s:
Wann zum Arzt?
¡ Viel Bewegung im Alltag
¡ Sport (z. B. Schwimmen oder Radfahren)
¡ Spazieren (auf weichem Grund)
¡ Kaltes Abduschen der Beine
¡ Bei längerem Sitzen: Gelegentlich mit den
Füssen wippen, regt die Wadenmuskulatur an
¡ Beine öfters mal hochlegen
¡ Kneipp-Therapien
¡ Bei Beschwerden: Kompressionsstrümpfe
können z. B. bei langen Reisen oder
langem Stehen die Symptome lindern
Ob und wie Krampfadern behandelt werden
sollten, ist unbedingt individuell ärztlich
abzuklären. Heute gibt es unzählige Verfahren, welche, je nach Art der Krampfadern,
eingesetzt werden können. Meist handelt es
sich dabei um minimal-invasive Eingriffe,
die ohne Komplikationen durchgeführt werden. Bei diesen Symptomen sollten Sie zum
Arzt gehen: Sie haben vermehrt schwere,
müde, geschwollene oder gar stark schmerzende Beine. Sie spüren einen undefinier­
baren Juckreiz, stellen Hautveränderungen
(Pigmentierungen) oder gar Ekzeme an den
Beinen fest. Oder Sie leiden bereits unter
sichtbaren Krampfadern oder Venenentzündungen (erkennbar an der schlängelnden
Form und dunklen Farbe der Venen).
Don’ts:
schen hat sich einiges getan: «Es gibt heute eine grosse Auswahl an hervorragenden
minimal-invasiven Möglichkeiten», sagt
Béatrice Amann-Vesti, Direktorin der Klinik für Angiologie am Universitätsspital
Zürich. So wird inzwischen auch mit Hitze, Schaum oder Kleber behandelt.
Amann-Vesti therapiert am häufigsten
mit Hitze. «Diese Behandlungsform hat
eine grosse Entwicklung durchgemacht
und ist gut etabliert.» Ein dünner Katheter
wird in die Vene eingeführt. Dieser erhitzt
mit Laser oder Radiowellen die Venenwände. Auf rund 110 Grad mit Radiowellen, auf bis zu 400 Grad mit Laser. Dabei
kommt es zum Verschluss der Vene von
innen. Bei der Verödung, einer weiteren
minimal-invasiven Methode, wird eine
alkoholhaltige Substanz, flüssig oder als
Schaum, in die Vene gespritzt, die die
Venenwand mechanisch schädigt. «Der
Schaum dehnt sich auch in kleinere Äste
14 November 2016 — Life!
aus, was die Methode effektiv macht», so
Amann-Vesti. Je nachdem können Hitze
und Schaum auch kombiniert werden.
«Die neuen Verfahren entwickeln sich
stetig weiter. So wird die KrampfadernTherapie hoffentlich immer einfacher»,
so Amann-Vesti. Allerdings: «Der Erfolg
hängt bei jeder Art des Eingriffs stark von
der Erfahrung des Arztes ab.» Eine ganz
«Es gibt eine grosse
Auswahl an minimalinvasiven Verfahren.»
neue Methode kam vor wenigen Jahren
hinzu: Die Vene wird dabei mit einem
acrylhaltigen Klebstoff verklebt. AmannVesti wendet dieses Verfahren bisher
jedoch selten an, auch wenn es gut funk­
¡ Heiss baden
¡ Sauna, Dampfbad, Thermalbad
¡ Langes Stehen oder Sitzen
¡ Sonnenbäder / Übergewicht
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Fotos: mauritius images, Thinkstock
Geschlossene
Venen-Klappe
tioniere. Es fehlten Langzeiterfahrungen,
und der Eingriff werde nicht von der Krankenkasse bezahlt.
Die Hitze-Therapie wurde Anfang 2016
neu in die Grundversicherung aufgenommen. Doch noch nicht alle Kassen haben
einen gesetzeskonformen Tarifvertrag.
Nicolas Diehm, Gefässspezialist am
Zentrum für Gefässmedizin Mittelland
in Aarau, rät Patienten daher, die
Finanzierung mit der Kasse vorab zu
klären. Gerade die Hitzetherapie sieht er
als gute Alternative zur Operation: «Sie
ist dieser mindestens ebenbürtig.» Die teurere OP sei nur noch in etwa 10 Prozent
der Fälle nötig, z. B. bei sehr geschlängelten Venen. Da sei es schwierig, den Katheter einzuführen. Allerdings warnt der Belegarzt der Hirslanden Klinik Aarau davor,
jede Krampfader zu therapieren. «30 Prozent der Leute sind in ihrem Leben von
Varizen betroffen. Nicht immer sind diese
ein relevantes medizinisches Problem.»
Nicht so bei Maria Märki. In Olten
ist der Blick der Ärztin noch immer auf
den Bildschirm gerichtet. Ihr Urteil: «Das
linke Bein muss behandelt werden. Da
ist eine Vene defekt, das Blut fliesst zurück
ins Bein.» Weil die kranke Vene zudem
stark verschlungen ist und oberflächlich
liegt, sei eine minimal-invasive Methode
nicht ideal. Märki brauche deshalb eine
OP. «Ich hatte gehofft, dass es nicht so
schlimm ist», sagt sie. Dennoch sei sie froh,
nun Gewissheit zu haben. * Name geändert
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