26 : : SCHWERPUNKT DIGITALISIERUNG VERNETZUNG REVOLUTIONIERT DIE MILCHVIEHHALTUNG Melken rund um die Uhr mit Melkrobotern Text: Tatjana Wanner Fotografie: Moritz Ortjohann Technikbegeistert, schnell im Umgang mit Smartphone sowie Tablet und hoch motiviert – so arbeitet der 32-jährige Andre Hornberg auf seinem Hof in Gütersloh-Isselhorst. Gemeinsam mit seinem Vater entschloss er sich 2013, den alten Kuhstall aus dem Jahr 1981 mit einem Melkstand für 80 Tiere durch einen hoch modernen offenen Stall ab­ zulösen. Hier leben, fressen und schlafen heute insgesamt 144 Kühe. Das Beson­dere in der Stallmitte: Zwei Melkroboter bieten 128 Tieren einen „24-Stunden-Melkservice“. : : 27 „D ie Tiere wählen ihren eigenen Rhythmus und können Tag und Nacht zum Melken gehen“, betont Andre Hornberg. Dazu durchlaufen sie eine Art Schleuse. Der Melkvorgang an sich läuft komplett automatisch: Während die Tiere Kraftfutter zu fressen bekommen, melkt ein Becher vor und reinigt alle Zitzen. Dann fahren alle Becher mittels Kamera und Laser automatisch ans Euter und beginnen zu melken. Eine Melkung dauert etwa sechs bis sieben Minuten. Die Tiere tragen Sender, über die der Melkroboter erkennt, welche Kuh gerade zum Melken gekommen ist. Über ein großes Display kann Andre Hornberg sowohl die erwartete Milchmenge ablesen als auch die Menge, die an diesem Tag bis zu diesem Zeitpunkt gemolken wurde. „In der Regel kommt es zu 2,6 bis 2,8 Melkungen innerhalb von 24 Stunden. Tiere, die viel Milch haben, können natürlich auch bis zu fünf Mal zum Melken gehen. Das ist für die Tiere wesentlich gesünder“, so der Landwirt. Kontrolle versus Erfahrung Wenn sich Tiere auffällig verhalten, kann sie Andre Hornberg in seiner App kennzeichnen. Über die Aktivitätsmessung per Sender wird dokumentiert, wie sich die Kühe verhalten – ob sie zum Melken gehen oder vielleicht aus Krankheitsgründen liegen bleiben, darüber informiert dann das Smartphone. „Die Schnittstelle zwischen Mensch und Tier hat sich durch den Einsatz neuer Technologien tatsächlich stark verändert“, erläutert Andre Hornberg. Man sei natürlich durchs Melken näher am Tier dran gewesen, hätte aber auch weniger Zeit für die Tiere gehabt. „Heute erleichtern mir die technischen Kontrollen meine Arbeit und ich kann mich da, wo es erforderlich ist, mit meiner Erfahrung den Tieren persönlich widmen.“ Im luftdurchlässigen Stall mit hohem Lichteinfall herrscht entspannte Ruhe: Die Tiere bewegen sich frei, liegen trocken auf Streu, fressen geduldig oder gehen zum Melken. Große Massagebürsten sind beliebte Anlaufpunkte für die Kühe. Ein Spaltenroboter fährt seine einprogrammierte Tour und reinigt die Böden. Kühe mit Sender, Tablets im Einsatz bei der Außenwirtschaft, Melkroboter oder automatisch gesteuerte Massagebürsten – die Digitalisierung spielt in der Landwirtschaft eine zentrale Rolle. 28 : : SCHWERPUNKT DIGITALISIERUNG „Roboter gibt es seit 20 Jahren, aber neu ist die Vernetzung“, so der überzeugte Milchviehhalter, der schon in der Zeit der Ausbildung und während seines viermonatigen Neuseeland-Aufenthaltes hier seinen Schwerpunkt setzte. Er weiß es zu schätzen, dass er über das Smartphone die Maschinen im Stall fernbedienen kann, Zugriff auf den Stall-PC mit allen Daten hat, im Internet recherchieren kann und natürlich jederzeit erreichbar ist. Er habe alle Daten täglich vorliegen: Milchmengen, Zwischenmelkzeiten oder die Aktivitätsmessungen. Damit seien die Dokumentationspflicht und auch ein entscheidender Teil seiner Arbeit relativ schnell erledigt, freut sich Andre Hornberg. Nachwuchskräfte mit Technikverständnis Die heutige Azubi-Generation bringe Vorkenntnisse mit, so der Landwirt auf die Frage nach den Nachwuchskräften. Die Azubis seien das Arbeiten mit Computern gewohnt, ganz zu schweigen vom erfahrenen Umgang mit dem Smartphone. „Was hier im Betrieb gelernt werden muss, das ist das Interpretieren – sprich verstehen der Daten. Und natürlich auch das Einschätzen der Tiere. Grundsätzlich sind wir alle gegenüber technischen Neuerungen offen und daran sehr interessiert“, betont Andre Hornberg, der sich derzeit auch in der Softwarebranche engagiert. Gemeinsam mit einem Team aus der Urkaine entwickelt er Apps für die Landwirtschaft und kümmert sich dabei um die Anpassung der Programme an den deutschen Markt. // Andre Hornberg berichtet überzeugt von den Vorteilen der Digitalisierung für seinen Betrieb. Dabei sind er und sein Team grundsätzlich offen gegenüber allen technischen Neuerungen. Statement zur Landwirtschaft 4.0 Herr Dr. Uppenkamp, welche Bedeutung hat die Digitalisierung für die Landwirtschaft? Abhängigkeit von der Auslastung die Vorfahrtgeschwindigkeit des Traktors: Liegt viel Stroh im Schwad1, fährt der Der Trend in der Landtechnik – speziell in der Außenwirtschaft – geht eindeutig in Richtung Vernetzung. Die neuen Technologien senken den Arbeitszeitbedarf sowie die Kosten für Betriebsmittel und Arbeitsleistung. Traktor langsam, bei wenig Stroh fährt er schneller. Sind Maschinen untereinander vernetzt, vereinfachen und verbessern sich logistische Prozesse wie Transporte bei der Ernte. Aber auch die Vernetzung von Maschinen auf dem Feld mit anderen Firmen ist von großem Vorteil – Stichwort Teleservice. Worin liegen die Vorteile der digitalen Vernetzung? Die digitale Vernetzung zwischen Maschinen auf dem Feld und Hof-PC erleichtern die Dokumentation der geleisteten Arbeit. Über GPS-Systeme werden Ort und Zeit des Einsatzes der Landmaschinen dokumen­tiert und auf den Hof-PC übertragen. Da­rü­ber hinaus besteht durch die Vernetzung immer und überall schneller Zugang zu ex­ternen Informationsquellen. Die Vorteile liegen weiterhin im Datenaustausch zwischen Traktor und Gerät. So regelt eine Strohpresse in eine Firma. Das bedeutet aber, dass auch der Datenaustausch mit vielen Partnern möglich sein muss, was zu relativ „offenen“ Systemen führt, mit den aus dem Internet bekannten Sicherheitsproblemen. Wo geht die Reise hin? Die treibende Kraft und Schlüsseltechnik wird meiner Einschätzung nach auch in Zukunft die Nutzung von GPS sein. Gibt es auch Risiken? Ja, die Datensicherheit ist ein Riesenthema. Wer Zugriff auf das Datenmaterial hat, ist nicht immer leicht abzuschätzen. Es gibt Landmaschinenhersteller, die firmeninterne Lösungen anbieten. Oft ist es dann so, dass der Landwirt alles aus einer Hand bezieht – vom Traktor über Bodenbearbeitungsgeräte, Sägeräte bis zur Software. In den USA ist das weiter verbreitet als hier. Unsere Landwirte scheuen die bedingungslose Bindung an Das Gespräch führte die faktor3Re­daktion mit Dr. Norbert Uppenkamp, Berater und Referent für Technik in der Außenwirtschaft bei der Landwirtschaftskammer Nord­rhein-Westfalen. 1 Das auf Reihen zusammengerechte Mähgut bei der Ernte bezeichnet man als „Schwad“.