MANAGEMENT „Was dreimal Melken gebracht hat“ Helge Haase aus Weesby hat seine Kühe zeitweise dreimal gemolken, um mehr Milch abzuliefern. Das Resultat schildert Dr. Katrin Mahlkow-Nerge, LK Schleswig-Holstein. W as kann man tun, wenn die Quote nicht voll wird? Im vergangenen Jahr erging es etlichen Betrieben so. Eine Möglichkeit ist der kurzfristige Zukauf von Kühen. Ein zweiter Weg ist der Übergang zum dreimaligen Melken. Schließlich kann dadurch nach wissenschaftlichen Erkenntnissen die Milchleistung wirtschaftlichen Gründen nicht mehr zu leisten. Die Kühe wurden wieder zweimal täglich gemolken. 20 Prozent mehr Milch Was hat das dreimalige Melken Helge Haase gebracht? Nach Abschluss seines Praxisversuchs hat der Betriebsleiter für sich persönlich Bilanz gezogen. Es war Übers. 1: Milchleistung bei dreimaligem Melken kg Trockenmasse/Tier und Tag 3x Melken 15 .0 2 15 . .0 3 15 . .0 4 15 . .0 5 15 . .0 6 15 . .0 7 15 . .0 8 15 . .0 9 15 . .1 0 15 . .1 1 15 . .1 2. 15 .0 15 1. .0 15 2. .0 15 3. .0 15 4. .0 15 5. .0 15 6. .0 15 7. .0 8. 26 24 22 20 18 16 14 12 10 2002 2003 Bereits in der ersten Woche nach der Umstellung auf dreimaliges Melken stieg die Milchmenge deutlich an. um bis zu 20 Prozent gesteigert werden. Vor dieser Frage stand auch Milchviehhalter Helge Haase aus Weesby in Schleswig-Holstein im letzten Herbst: „Da der Zukauf von weiteren Tieren mit 1500 E pro Färse zu teuer gewesen wäre, blieb nur noch die Möglichkeit durch dreimaliges Melken mehr Milch anzuliefern.“ Von November 2002 bis Juni 2003 hat er seine 100 HF-Kühe dreimal täglich gemolken. Die bereits vorhandene Fremd-AK übernahm das Melken morgens um 4 und mittags um 12 Uhr, die dritte Melkzeit um 20 Uhr abends leistete der Betriebsleiter selbst. Im Sommer 2003 war Helge Haase konnte die Milchleistung seiner die dritte Melkzeit aus arbeitsHerde um 20 % steigern. R 22 top agrar 1/2004 nicht möglich, im gleichen Zeitraum Kühe nur zweimal zu melken, um den Vergleich zu haben. Daher ist es kein wissenschaftlicher Versuch. Der Betriebsleiter hat deshalb die aktuellen Leistungen seiner Kühe mit denen des Vorjahres verglichen. Dabei waren die Tiere nahezu im gleichen Laktationsstadium (167 bzw. 164 Laktationstage). Daraus lassen sich unter Vorbehalt gewisse Tendenzen ableiten. Bereits in der ersten Woche nach der Umstellung vom zwei- auf das dreimalige Melken stieg die Milchleistung der Tiere deutlich an. Bis zur 21. Woche ging die Milchmenge weiter nach oben, um danach auf höherem Niveau zu stagnieren (Übersicht 1). Bei dreimaligem Melken erzielten die Kühe 36,0 kg7Tag gegenüber einer Leis- R I N D Übers. 2: Fett- und Eiweißgehalt in der Tankmilch kg Trockenmasse/Tier und Tag 4,4 tung von 29,8 kg im Jahr zuvor bei zweimaligem Melken. Das entsprach einer Steigerung um 20 % gegenüber der Vorjahresleistung. Dieser Zuwachs ist physiologisch bedingt. Durch den häufigeren Milchentzug werden die für die Milchproduktion verantwortlichen Hormone, insbesondere Prolaktin, stärker stimuliert. Dadurch wird die Bildung sekretorischer Zellen angeregt und so mehr Milch produziert. Darüber hinaus reduziert der häufigere Milchentzug den Euterinnendruck, sodass das Euter besser durchblutet und damit die Milchsynthese positiv beeinflusst wird. Weniger Inhaltsstoffe und Zellen Der größte Leistungszuwachs wurde nicht, wie zunächst vermutet, im ersten Laktationsdrittel, sondern ab dem 100. Laktationstag gemessen. Dabei reagierten die Färsen am stärksten auf die höhere Melkfrequenz. Bereits in der ersten Woche nachdem die Kühe wieder zweimal täglich gemolken wurden, war mit 2 kg Milch je Kuh der größte Leistungsabfall zu verzeichnen. Die Milchmenge ging bis zum letz- 4,2 Fett Eiweiß 3x Melken 4,0 3,8 3,6 3,4 3,2 3,0 3. 12 3. . 01 3. . 02 3. . 03 3. . 04 3. . 05 3. . 06 3. . 07 3. . 08 3. . 09 3. . 10 3. . 11 3. . 12 . 3. 01 3. . 02 3. . 03 3. . 04 3. . 05 3. . 06 3. . 07 3. . 08 . Für sechs Monate wurde im Doppel12er-Fischgrätenmelkstand dreimal täglich gemolken. Fotos: Mahlkow-Nerge 2002 2003 Sowohl die Fett- als auch die Eiweißprozente bewegten sich deutlich nach unten. ten Tag der Aufzeichnung kontinuierlich bergab. Letztlich betrug der Rückgang der täglich abgelieferten Milch 13 Prozent (Übersicht 2). Während die Milchmenge anstieg, nahmen Fett- und Eiweißgehalt ab. Der Fettgehalt sank von durchschnittlich 3,83 auf 3,43 Prozent. Durch das häufigere Melken konnte die Fettmenge insgesamt aber um 11 Prozent gesteigert werden. Der Eiweißgehalt ging von 3,38 auf 3,23 Prozent zurück. Die gesamte Eiweißmenge war dennoch um 16 Prozent erhöht. Letztlich verbesserten die Tiere ihre tägliche Fett- und Eiweißmenge in allen drei Laktationsdritteln um 0,28 kg oder 13 Prozent. Der Zellgehalt in der Tankmilch verringerte sich bei höherer Melkfrequenz um 21 Prozent: von 250 000/ml Milch bei zweimaligem Melken auf 198 000/ml Milch bei drei Melkzeiten am Tag. Euterpathogene Keime werden durch den häufigeren Milchentzug vermutlich schneller ausgeschwemmt. Der Euterinnendruck ist nicht so groß wie beim zweimal täglichen Melken. Die Kühe lassen in den Zwischenmelkzeiten weniger Milch laufen, und die Infektionsgefahr ist geringer. So wurden insgesamt deutlich weniger Mastitiserkrankungen registriert. Die Kosten für Medikamente und tierärztliche Behandlungen betrugen in den letzten sechs Monaten vor der Umstellung, von Dezember 2001 bis Juni top agrar 1/2004 R 23 MANAGEMENT Übers. 3: Futteraufnahme bei dreimal Melken kg Trockenmasse/Tier und Tag 26 24 22 20 18 16 14 12 10 3x Melken 15 .0 2 15 . .0 3 15 . .0 4 15 . .0 5 15 . .0 6 15 . .0 7 15 . .0 8 15 . .0 9 15 . .1 0 15 . .1 1 15 . .1 2. 15 .0 1 15 . .0 2 15 . .0 3 15 . .0 4 15 . .0 5 15 . .0 6 15 . .0 7. 2002, insgesamt 1511 E. Im vergleichbaren Zeitraum mussten bei dreimaliger Melkfrequenz lediglich 410 E für Euterbehandlungen bezahlt werden. „Ein günstiger Nebeneffekt des dreimal täglichen Melkens ist die bessere Tierkontrolle“, erklärt der Betriebsleiter. So kann frühzeitig reagiert werden. Mit der Einführung der dritten Melkzeit wurde auch eine zusätzliche Reinigung der Liegeboxen und Laufflächen vorgenommen, was ebenso zur Erhaltung gesunder Euter beiträgt. Als wieder zweimal täglich gemolken wurde, erhöhten sich die Zellzahlen sofort nach der Umstellung wieder. Akute Mastitiden nahmen zu. Allerdings waren die Tiere hier zusätzlich durch hochsommerliche Temperaturen leichtem Hitzestress ausgesetzt. Die Futteraufnahme stieg durch die höhere Melkfrequenz um 13 Prozent. Während die Tiere vorher durchschnittlich 18 kg Trockenmasse am Tag aufgenommen haben, waren es 20,3 kg nach der Umstellung. Das dürfte auch der R I N D 2002 Die Tiere nahmen durch die Einführung einer dritten Melkzeit ca. 2 kg mehr Trockenmasse auf. Grund sein, warum sich die Körperkondition der Tiere während der sechs Monate nicht veränderte. „Ein zügiger Melkprozess ist beim dreimal täglichen Melken noch wichtiger. Damit sind die Dreimal Melken lohnt sich ab 15 Prozent mehr Milch Z um dreimaligen Melken gibt es auch in Deutschland erste umfangreiche Erhebungen. Dr. Birgit Jahnke von der Landesforschungsanstalt in Mecklenburg-Vorpommern hat die Daten von drei Betrieben mit insgesamt 1000 Kühen ausgewertet, die vom zweimal täglichen Melken auf dreimal umgestiegen sind. Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze: ■ Das dreimal tägliche Melken führte gegenüber dem zweimaligen Melken zu ca. 17% mehr Milch, in Abhängigkeit von den Haltungsbedingungen und dem Management. ■ Der Anstieg der Milchmenge war mit einem Absinken des Fettgehaltes um 0,3 % verbunden. Durch mehr Milch steigt aber die absolute Fettmenge. ■ Der Eiweißgehalt sank nur geringfügig um 0,1%. Absolut nahm die Eiweißmenge zu. ■ In den drei Betrieben sank die somatische Zellzahl im Mittel von 318 000 auf 227000 Zellen/ml Milch. ■ Bei Jungkühen fielen die Leistungssteigerungen höher aus als bei Altkühen. Erst im 6. Laktationsmonat ging die Milchmenge auf die Einsatzleistung zurück. ■ Bei zweimal gemolkenen Kühen ging die Milchmenge dagegen bereits im 3. Laktationsmonat zurück, die Laktationskurve verlief insgesamt auf niedrigerem Niveau. R 24 top agrar 1/2004 2003 ■ Dreimal gemolkene Kühe zeigten ein besseres Durchhaltevermögen. Die Milchleistung blieb während der Laktation auf einem höheren Niveau im Vergleich zu zweimal gemolkenen Kühen. Bei Jungkühen konnten allein 625 kg Milch in der Laktationsleistung, das entspricht einem Leistungszuwachs von 8 %, auf die bessere Persistenz zurückgeführt werden. Für Kühe ab der zweiten Laktation konnten 530 kg (+ 5,8 %) Milch mit besserer Persistenz begründet werden. ■ Der höhere Nährstoffanspruch der dreimal gemolkenen Kühe im letzten Laktationsdrittel führte dazu, dass die Kühe vor der Abkalbung weniger verfetten. ■ Die zusätzliche dritte Melkzeit verursachte Mehrkosten von circa 110 E pro Kuh/Jahr für Wasser, Energie, Desinfektionsmittel, Reparaturen und Personalkosten. Für Lohnkosten müssen etwa 50 E/Kuh/Jahr angesetzt werden. Hinzu kommen Futterkosten in Abhängigkeit von der Milchleistung. ■ Unter Berücksichtigung der genannten Eingangswerte lohnt das dreimalige Melken bei Leistungssteigerungen von 15 bis 20 %. Voraussetzung ist ein ausgezeichnetes Management schon beim zweimaligen Melken. Quelle: Dr. Birgit Jahnke, Institut für Tierproduktion Dummerstorf, LFA Mecklenburg-Vorpommern Tiere nicht zu lange vom Futter getrennt und haben weniger Leerlaufzeiten,“ betont Betriebsleiter Haase. Wie hat sich das dreimalige Melken gerechnet? Die betriebliche Milchquote wurde im Betrieb Haase ohne Superabgabe um 10 Prozent überliefert. Der Betriebsleiter hat für sich folgende Rechnung aufgemacht: ■ Die Mehreinnahmen durch 20 Prozent mehr Milch (112 840 kg) betrugen in den sechs Monaten unter Berücksichtigung der Fettkorrektur rund 340 E pro Kuh (Basispreis 30,4 Ct/kg, 3,55 % Fett, 3,23 %Eiweiß). ■ Durch die Kosten der zusätzlichen Melkzeit für Futter, Wasser, Energie, Desinfektionsmittel, Abschreibung und die Lohnkosten der AK (10 E pro h) wird dieser Erlös fast aufgewogen. ■ Unterm Strich bleiben 11 E pro Kuh in den sechs Monaten übrig, die durch die Einsparung der Tierarztkosten durch weniger Mastitisbehandlungen entstanden. ■ Hinzu kommt dadurch ein indirekter Vorteil, da weniger Wartezeit eingehalten werden musste. Fazit Trotz Einsatz einer Fremd-AK wurde im Betrieb Haase durch die dritte Melkzeit ein Gewinn von ca. 1100 E erwirtschaftet. Hinzu kommt die bessere Eutergesundheit und weniger akute Mastitiserkrankungen. „Für den Betrieb hat sich das Experiment gelohnt“, sagt Helge Haase. „Wenn ich mich auch in diesem Jahr dazu entscheiden sollte, eine dritte Melkzeit einzuführen, dann werde ich dafür eine zusätzliche AK einstellen.“ Momentan sieht es aber nach Überlieferung aus und Zukauf von Quote ist ihm bei den derzeitigen Milchpreisen zu teuer.