laden - Wissenschaft und Aberglauben

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WISSENSCHAFT UND ABERGLAUBEN – DIE DOSSIERS
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ASTROLOGIE 2.9.2001 Version 6.3
 2001 Werner Schneider u.a.
Konservative Thesen zur <Astrologie> WS 11.02.1998 , 20.02.2001, 02.09.2001
Konservativ
Astrologie ist vor allem ein Kulturprodukt, eine gesellschaftliche Konstruktion,
errichtet allerdings auf einer soliden natürlichen Grundlage, die mit den Mitteln
der Physik, der Chemie und der Biologie zwanglos erklärt und gut verstandenwerden kann.
Die Astrologie ist ebensosehr und ebensowenig naturwissenschaftlich beweisbar
wie die Eisenbahn. Beide, Astrologie und Eisenbahn, beruhen auf den Naturgesetzen, sind aber nicht naturgesetzlich entstanden, sondern menschliche Kulturleistungen, hauptsächlich intuitiv-empirisch hervorgebracht, also ohne theoretisches Verständnis der zugrundeliegenden Naturgesetze. Die Dampfmaschine
ging der Thermodynamik historisch voraus; der Wunsch, die Erfindung zu verbessern, war ein Hauptmotiv der theoretischen Arbeit.
BeimStandeunseresbestenWissenswäreesunvernünftig,imFallederAstrologie
anders vorzugehen. Und noch eins: weder Astrologie noch Eisenbahn funktionieren von alleine. Beide erfordern Pflege und Wartung.
Die Astrologie ist ein System zur Abstraktion der Zeitmuster seelischer Ereignisse. Ihr
Ziel ist es, eine zeitliche Orientierung innerhalb dieser Ereignisse zu ermöglichen. Die
Astrologie hat ein komplexeres Zeitmodell als unsere gewohnte lineare und homogene
Zeit: sie operiert mit einer multimodalen, phasensensitiven Zeitrechnung.
Wenn wir lediglich unterstellen, dass das menschliche Seelenleben in hohem
Maße rhythmisch ist – also irgend eine, sich meist langsam und stetig ändernde
Zeitstruktur hat und zeitlich nicht völlig chaotisch ist – folgt bereits, dass Astrologie funktionieren muss, wie jedes andere System, das den Frequenzbereich typischer menschlicher Ereignisscharen mit einer gut verteilten Schar von reproduzierbaren Frequenz- und Phasennormalen abdeckt.
Es gibt allerdings gute kosmobiologische Gründe, aus denen die spezifischen Elemente der Astrologie deutlich besser funktionieren als andere, rein willkürlich
gewählte. (Die fortgeschrittenste naturwissenschaftliche Theorie relevanter kosmobiologischer Wechselwirkungen findet sich bei P. Seymour →As-41)
Je mehr nämlich diese Frequenz- und Phasennormale prominenten physikalischen, biologischen, soziologischen und kulturologischen Fundamentalfrequenzen und -phasen entsprechen, umso verallgemeinerungsfähiger (universaler) und
strukturell einfacher wird das darauf gründende zeitliche Abstraktionssystem sein
(aus elementaren schwingungsphysikalischen Gründen).
Vorausgesetzt, esgibtcharakteristischePhasenbeziehungenzwischenverschiedenen Ereignistypen, die für die Menschen eine bestimmte seelische Bedeutung haben, so werden schon allein dadurch relativ konstante Rhythmen erzeugt: modale
AttraktorenimSinnedernichtlinearenDynamik.SeelischeStimmungenwechselwirken dabei mit körperlichem Verhalten und gedanklichen Aktivitäten.
Uhrzeit, Tag/Nachtwechsel, Kalender und Jahreszeiten choreografieren ein
rhythmisches Verhalten der Menschen im Stunden-, Wochen-, Tages- und Monatstakt. Diese werden gestützt durch quasi-autonome chronobiologische Zeitgeber mit passenden charakteristischen Frequenzen; es gibt Hunderte von neuronalenundchemischenUhren,diestarkaufdieStimmungeinwirken. (380) Verhalten
und seelische Befindlichkeit der Menschen folgt nichtlinearen, durch eigene
Energie aufrechterhaltenen, sensibel auf rhythmische Außeneinflüsse reagierenden, langsamen Schwingungen. Die astronomisch-kalendarischen Schwingungen,
die selber (wegen großer Massenträgheit ihrer planetarischen Träger) sehr stabil
sind, werden die biologischen Schwingungen im gesellschaftlichen Mittel ‘versklaven’ und zum potenziellen Zentrum (‘Trägerfrequenzen’) stabiler Schwingungsmoden werden.
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Diese lassen sich gut durch planetare Rhythmen und Phasenbeziehungen modellieren, da die planetaren Rhythmen durch gesellschaftliche Konvention (Kalender, Festtage; Sekunde – Minute – Stunde – Tag – Woche – Monat– Jahr – Jahrzehnt – Jahrhundert – Jahrtausend) in starre und harmonisch einfache (ganzzahlige) Frequenzbeziehungen gebracht werden.
Wie die moderne Chronobiologie zeigt, ist ganzzahlige Unterteilung astronomischer Rhythmen eine Lieblingsstrategie der Evolution, um Basisfrequenzen für
das interne Zeitgerüst tierischer und pflanzlicher Organismen festzulegen. (380)
Es gibt aber auch ausgesprochen kausale, streng periodische und eminent verstärkte Wirkungen zwischen Sternen und Planeten einerseits, und dem menschlichenSeelenleben andererseits. Um die sattsam bekannten Tatsachen zu rekapitulieren: (difficile est satiram non scribere!)
Energetisch schwaches, aber charakteristisch korreliertes Licht von Sternen und
PlanetentrifftdieNetzhäuteeinigerMenschenoderspezielleDetektoren(‘Teleskope’) und wird methodisch verstärkt. Komplizierte neuronale Verschaltungen
im Innern bestimmter Menschenarten (‘Astronomen’) formen daraus seelisch
wirkungsvolle (‘numinose’)Vorstellungenundbildendiejeweilige‘Konstellation’
bewusst und unbewusst in den gemeinsamen geistigen Vorstellungsraum der Kultur ab; als mittelnde Funktion dienen Mythen, Kalender und ähnliche direkte und
indirekte Lenkungsmethoden der Aufmerksamkeit. Weitere Menschenarten
(‘Astrologen’) bringen dieses an Hand astronomischer Rhythmen gewonnene polyrhythmische mentale Ballett in neuronal verstärkte Verbindung. Dadurch katalysieren sie die allgemeine gesellschaftliche Synchronisation der zugehörigen
Rhythmen.HinreichendsindvielleichtschondieubiquitärenZeitungshoroskope,
die sehr viele Menschen flüchtig amüsiert zur Kenntnis nehmen. Aber es gibt weitere,meistunbewusste,aberzeitlichstabilisierte,davonvorabgestimmtenbiologischen und gesellschaftlichen Uhren aufgenommene, nichtlinear phasengekoppelteRhythmen;periodischevozierte,starrphasengekoppelteErwartungshaltungen, self fulfilling prophecies,u.a.enormeneuronal-psychologisch-sozial-kulturelle
Selbstverstärkungen des Tanzwesens Mensch.
ErfolgreicheModeschöpferundinnovativeUnternehmerbenötigeneinensiebten
Sinn für unser fein gesponnenes Zeitgeflecht, ob sie sich auf Astrologie stützen
oder nicht. Ihr Erfolg hängt davon ab, zeitig zu raten, was ‘angesagt’ ist.
Die obgenannten ‘sozialpsychologischen’ Effekte werden die Stimmigkeit der
Astrologie nun keineswegs verschlechtern, sondern deutlich verbessern. Wie der
Kalender und der Eisenbahnfahrplan wird die Astrologie umso besser funktionieren, je mehr Menschen sie beachten, wobei das Verhalten der Lokomotivführer
wichtig ist, aber auch der Reisenden. Kalender, Eisenbahnfahrplan und Astrologie sind enorm nützliche gesellschaftliche Orientierungs- und Organisationsinstrumente, die einer großen Anzahl von Menschen eine gut abgestimmte und vor
allem selbst bestimmbare, demokratisch gut kontrollierbare (wenn wir sie ernst
nehmen!) Koordination und Optimierung ihrer gesamten Lebensumstände auf
der Zeitachse ermöglichen: eine gewaltige kulturelle Errungenschaft, eine hochwirksame soziale Konstruktion auf physikalisch stabilem und evolutionär gut vorbereitetem Boden.
Planetare Grundelemente: Sonne, Jupiter, Mond als <Zeitgestalten> WS 17.7.97, 29.7.98 →H-2
Grundbass
Die Astrologie stellt eine Beziehung zwischen ‘mythischer Zeit’ und moderner
Zeit her, indem sie die Planetenrhythmen als ‘Grundbass der Götter’ – kollektiver
Zeitgestalten, nach Krønbesch (K24) und Hübner (248) – identifiziert. Viele Ereignisrhythmen haben wegen ihrer Periodizität ausgesprochen scharfe Spektrallinien,besondersdieunmittelbarastronomischbegründeten.DassdieseRhythmen
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Sonne
Mond
Jupiter
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von Natur und Kultur in das allgemeine Rhythmengeflecht eingebaut werden, ist
imLaufederbiokulturellenEvolutionzuerwartenundwirdauchvondenChronound Kosmobiologen nicht bestritten.
Im wahrsten Sinne ist natürlich, dass die Sonne sowohl in der Mythologie als auch
in der Astrologie eine so prominente Stelle einnimmt; tatsächlich regiert sie ja
praktisch alle Rhythmen: der Einfluss der Jahreszeiten ist ubiquitär. Die Sonne ist
darüber hinaus so gut sichtbar, bedeutungsvoll für die Natur und regiert so offensichtlich, dass auch ein naiver Rationalist dies nicht leugnet, und der fast schon
kausal zu nennende Zusammenhang war in der Antike (noch) wohl bekannt; auch
wenn mittlerweile Sklaven sich um die Landwirtschaft kümmerten, drang die Bedeutung der Sonne noch bis in die Herrenhäuser der aristokratischen Philosophen. Die Sonne kann man analytisch behandeln; sie ist hell, sie ist laut, sie tönt
nachalterWeise,auchderUnsensibelstereagiertunverzüglichaufsie.Esgibtweit
ausgedehnte Gründe für ihre tatsächliche Wirksamkeit, denn sie ‘versklavt’ direkt
und indirekt viele wichtige Schwingungsmoden, sie regiert überall hinein.
ÄhnlichesgiltfürdenMond,dessen(optischeindrucksvoller)synodischerUmlauf
gut mit der (nur instrumentell erkennbaren) Eigenrotation der Sonne (mit all ihren Flecken) übereinstimmt. Über Gezeiten und kurzperiodige Schwankungen
des elektromagnetischen Wetters wirkt der Mondrhythmus ebenfalls ‘versklavend’, und wird wegen seiner guten Beobachtbarkeit kalendarisch verstärkt.
DenkenwirnochmalsandieSonnenfleckenundderenerstaunlicheHarmoniemit
derJupiterperiode(genauer:HalbsummeJupiter+Neptun),undwirmüssenauch
Jupiter die Prominenz zugestehen, die ihm in Mythologie und Astrologie zukommt. Jupiter, ein schöner, ruhig und klar leuchtender Planet, nicht so ‘laut’ wie
dieSonne,phrasiertaberdennochvieleklimatischwichtige,subtileRhythmen,die
allerdingsnichtsoklarzuanalysierensindwiediesonnenversklavtenJahreszeiten.
Die Jupiterperiode von knapp 12 Jahren wird dennoch seit vielen Jahrtausenden
aufmerksam beobachtet, wegen der stetigen, auffallenden Helligkeit des Planeten
für außerordentlich wichtig erachtet (Marduk-, Zeus-, Jupiter-Kulte) und drang
somit tief ins kulturelle Unbewusste. Die Jupiterfrequenz ist ohnedies die erste
Harmonische des wichtigsten Rhythmusgefüges im Sonnensystem, von der man
Grund hat zu vermuten, dass sie den Sonnenfleckenzyklus regiert. Eine eher subtile Wechselwirkung, denn sie beeinflusst langfristig das elektromagnetische Wetter des Planeten; aufgrund von überlagerten Schwankungen eine eher breite spektrale Resonanz. Und die Sonnenflecken sieht man nicht direkt! Letztlich erfolgt
aber doch ein über lange Zeit hinweg periodischer Einfluss auf alles, was auf elektromagnetische Felder reagiert; das wichtigste Reagenz dürfte unser Hauptbestandteil, das Wasser, sein, welches in lebenden Zellen durch parametrische Verstärkung ein große Bandbreite von Reaktionen periodisch verändert – es ist kaum
anzunehmen,dassdieEvolutiondiesnichtindenvergangenenJahrmilliarden‘gemerkt’ und sich darauf eingestellt hat. (Wichtiger intermediärer Parameter: zelluläre Reaktionsgeschwindigkeiten) Heißes Thema der ‘feuchten’ Neurobiologie.
Seit es Mobiltelefone gibt, läuft hierzu ein spannender Großversuch, auf dessen
Ergebnis wir gespannt sein dürfen. Vielleicht dürfen wir uns auch abregen; neben
dieser relativ strengen Periodizität sind Sonnenflecken dennoch reichlich turbulent und darum en detail nicht so relevant. Vielleicht aber doch!
Vergleiche hierzu die ziemlich weit ausgearbeitete magnetische Theorie der Astrologie!
Eysenck / Nias: Astrologie: Wissenschaft oder Aberglauben?
Polarisierung nach dem Gewissheitsprinzip
(147p11-12)
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“Es scheint seltsam, dass es auf die einfache empirische Frage – ob sich nämlich
astrologische Aussagen bewahrheiten lassen oder nicht –, zwei so so entgegenge-
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setzte Reaktionen geben kann, geäußert von zwei Gruppen von Personen, die sich
p12 heftig befeinden. Eine mögliche Erklärung dafür findet sich in einem der wenigen zuverlässigen und allgemeingültigen Lehrsätze der Sozialpsychologie, nämlich in dem ‘Gewissheitsprinzip’, ⟨→WS-48) welches zu einer Polarisierung umstrittener Standpunkte führt, wobei jeder der beiden Pole von ihren Parteigänger
völlig unabhängig von rationalen (Schein-)Argumenten als gewisslich wahr angenommen werden.
“Eindeutig gilt es im Falle der Astrologie. Umso notwendiger ist es daher, das Beweismaterial mit unverstelltem Blick zu mustern.”
Einwände gegen die Astrologie (Die berühmte Erklärung im Humanist, 1975)
“Deramerikanische Humanist (eineZeitschrift,diesichmitdemDiskursüberGe(147p17)
sellschaftsprobleme und Irrationalität befasst) brachte in seiner Ausgabe vom
September 1975 die nachfolgende Erklärung unter dem Titel: Einwände gegen die
Astrologie. Sie war von 186 führenden Wissenschaftlern, darunter 18 Nobelpreisträgern, unterzeichnet:
p17-18
)
‘Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche haben sich mit der zunehmenden
(147
BeliebtheitderAstrologieinvielenTeilen p18 derWeltbeschäftigt.Wir,dieUnterzeichneten–Astronomen,AstrophysikerundNaturwissenschaftlerandererFachrichtungen – möchten die Öffentlichkeit vor einem ungeprüften Vertrauen zu den
Vorhersagen und Ratschlägen warnen, die Astrologen privat und öffentlich
machenund erteilen. Wer an die Astrologie glauben möchte, sollte sich vor Augen
halten, dass es für ihre Lehren keine wissenschaftliche Grundlage gibt.
In alten Zeiten glaubten die Menschen an die Vorhersagen und Ratschläge von
Astronomen, weil die Astrologie ein selbstverständlicher Bestandteil ihres magischen Weltverständnisses war. Himmelskörper galten als Wohnsitz oder Zeichen
der Götter, die in direkter Beziehung zu Ereignissen auf der Erde standen. Von
den riesigen Entfernungen zwischen der Erde und den Planeten und Fixsternen
hatte man keinerlei Vorstellung. Jetzt, da man diese Entfernungen berechnen
kannundauchberechnethat,könnenwirerkennen,wieunendlichkleindieGravitations-undanderenKräftesind,dievondenfernenPlanetenunddenunabsehbar
weiterentferntenFixsternenausgehen.EsisteinfacheinIrrtum,sichvorzustellen,
dassdieimAugenblickderGeburtvonSternenundPlanetenausgeübtenKräftein
irgendeiner Weise unsere Zukunft formen könnten. Auch ist es nicht richtig, dass
die Positionen entfernter Himmelskörper gewisse Tage oder Zeitabschnitte für
ein bestimmtes Handeln geeigneter machen, oder dass das Sternzeichen, unter
dem jemand geboren wurde, darüber entscheidet, wie sehr oder wie wenig er mit
anderem Menschen zusammenpasst.
Warum glauben wir an Astrologie? In diesen unsicheren Zeitläuften sehnen sich
vielenachderBequemlichkeit,sichbeiihrenEntscheidungenleitenundlenkenzu
lassen. Sie glauben nur zu gern an ein Schicksal, das von Kräften außerhalb ihrer
eigenen Kontrolle vorherbestimmt ist. Wir müssen jedoch alle der Welt ins Auge
sehen, und wir müssen erkennen, das unsere Zukunft bei uns selber liegt und nicht
indenSternen.Mankönntesichvorstellen,dassesindieserZeitderweitverbreiteten Aufklärung und Bildung unnötig ist, Überzeugungen zu entlarven, die sich auf
Magie und Aberglauben stützen. Dennoch findet sich allenthalben in der modernen Gesellschaft das Vertrauen in die Astrologie. Besonders irritiert uns die
fortwährende unkritische Verbreitung astrologischer Tabellen, Vorhersagen und
Horoskope durch die Medien und durch ansonsten seriöse Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverleger. Dies kann nur zur Zunahme von Irrationalismus und Obskurantismus beitragen. Wir glauben, dass es an der Zeit sei, die anmaßenden Behauptungen astrologischer Scharlatane direkt und nachdrücklich in Zweifel zu
ziehen. Es sollte offenkundig sein, dass jene Personen, die weiter Vertrauen in die
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Astrologie setzen, dies der Tatsache zum Trotz tun, dass es keine bewiesene wissenschaftliche Grundlage für ihre Überzeugungen gibt, und dass in Wirklichkeit
starke Beweise für das Gegenteil vorliegen.’ ”
Zur Entstehungsgeschichte der Erklärung: “Prof. B. J. Bok, ehemaliger Präsident
der American Astronomical Society, wurde gebeten, eine kurze Schrift mit einer
Liste von wissenschaftlichen Einwänden gegen die Methoden der Astrologie zu
entwerfen. Dieser Entwurf wurde überarbeitet, zu der oben zitierten Erklärung
erweitert und einer ausgewählten Anzahl hervorragender Mitglieder der
American Astronomical Society und der National Academy of Sciences zur Billigung
zugesandt.
Die unterzeichnete Erklärung wurde anschließend an Tausende von Zeitungsredakteuren in den Vereinigten Staaten und dem Ausland mit dem Vorschlag versandt, den Text abzudrucken, p20 vor allem dann, wenn sie tägliche oder wöchentlicheHoroskop-Kolumnenbrächten.DieAbsichtdabeiwarnatürlich,derwachsenden Popularität der Astrologie bei der Leserschaft entgegenzuwirken, die kaum
Zugang zu einer entsprechenden wissenschaftlichen Kritik hat. Dies ist eine ehrenwerte Absicht, aber wir werden die Frage zu stellen haben, ob die Erklärung
richtig ist. Sie ist schon in ihrem Ansatz unwissenschaftlich. Diesen Aspekt hat
Carl Sagan, ein Wissenschaftler, der dem Text die Unterschrift verweigerte, in
einem Brief an den Humanist klar herausgerarbeitet:
Stellungnahme von Carl Sagan gegen die Erklärung:
(147p20-21)
‘Ich sehe mich außer Stande, der Erklärung Einwände gegen die Astrologie zuzustimmen – nicht, weil ich das Empfinden habe, die Astrologie habe auch nur den
geringsten wissenschaftlichen Wert, sondern weil ich den Eindruck hatte und
habe, dass der Tonfall der Erklärung autoritär ist. Das Hauptproblem ist nicht,
dass die Astrologie aus dem Aberglauben entstanden ist. Dies trifft auch für die
Chemie, Medizin und Astronomie zu, um nur drei Fächer zu erwähnen. Die
Erörterung der psychologischen Motivationen derjenigen, die an Astrologie glauben, scheint im Hinblick auf die Frage nach ihrer wissenschaftlichen Geltung ganz
peripher zu sein. Dass wir uns kein System denken können, nach dem die Astrologie funktioniert, ist bedeutsam, aber nicht überzeugend. Beispielsweise war kein
Schema der Kontinentalverschiebung bekannt, als Wegener sie zur Debatte stellte. Dennoch erkennen wir, dass Wegener Recht hatte, diejenigen hingegen Unrecht, die auf Grund eines noch nicht beweisbaren Denkmodells Einwände erhoben.
Urteile über Grenz-, Volks- oder Pseudowissenschaft, die in einem autoritären
Tonfall vorgetragen werden, können mehr schaden als nutzen. Sie überzeugen
diejenigen, die mit Pseudowissenschaft kokettieren, nicht, sondern bestärken sie
womöglich noch in ihrem Eindruck, dass Wissenschaftler unflexibel und engstirnig seien...
Unterschrieben hingegen hätte ich eine Erklärung, welche die wesentlichen Lehren des Astrologieglaubens beschreibt und p21 widerlegt. Ich bin davon überzeugt,
dasseinesolcheErklärungvielüberzeugendergewesenwäreundwenigerKontroversen ausgelöst hätte als die tatsächlich in Umlauf gebrachte.’
Autorität oder Beweise?
Die Wissenschaftler, welche die Erklärung des Humanist unterzeichneten, waren
sichdarin einig, dass es sich bei der Astrologie um Volks- und Aberglauben handle
und dass es keine wissenschaftliche Grundlage für sie gebe. Leider haben sie für
ihre Anklageschrift kein Beweismaterial ausgewertet, das ihre Behauptung
gestützt oder widerlegt hätte. Somit blieb ihre Reaktion weithin emotional... 1920
versuchte eine rassistische deutsche Gruppe, die Relativitätstheorie dadurch zu
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widerlegen, dass sie eine emotionsgeladene Zusammenkunft in der Berliner Philharmonieabhieltunddann100Professorendazuüberredete,EinsteinsTheoriein
einem Buch zu verurteilen. Einstein bemerkte dazu: ‘Hätte ich Unrecht, wäre ein
einzelner Professor völlig ausreichend gewesen.’
Feyerabend stelle fest (157), “dass die 186 Wissenschaftler den Fehler begingen,
die Grundannahmen der Astrologie zu kritisieren, nicht aber die Art und Weise,
wie sie praktiziert wird. Er beobachtete, dass ‘es interessant ist zu sehen, wie sehr
sich beide Parteien in Nichtwissen, in der Selbstgefälligkeit und in dem Wunsch
gleichen, mühelos Macht über Meinungen auszuüben’, und er bemerkt
schließlich, dass nach Erscheinen der Erklärung viele der Wissenschaftler Interviews mit der Begründung abgelehnt hätten, dass sie Astrologie nicht studiert
hätten. Es scheint, als hätten sie nur auf Grund einer religiös empfundenen Überzeugung unterschrieben.
Feyerabend behauptet, dass diese Überzeugung die Astronomen dazu gebracht
habe,sogarBeweismaterialzuübersehen,mitdemsievertrautgewesenseien.Beispielsweise hat Bok 1975 in einem Begleitartikel zu der Erklärung geäußert, wegen ihrer weiten Entfernung von uns könnten die Planeten keinen Einfluss auf
menschliche Angelegenheiten ausüben; so glaubte er auch, die Wände des Kreisssaales schirmten das neugeborene Kind gegen Strahlungen ab, die von den Planeten ausgingen. Er machte diese Angaben, obwohl er als Astronom hätte wissen
müssen, dass die Planeten die Sonnenaktivität beeinflussen können, die ihrerseits
verschiedene Auswirkungen auf uns hat; ebenso ist bekannt, dass bestimmte Arten von Strahlungen sehr dicke Wände durchdringen können, wobei diejenige
eines Kreisssaales keine Ausnahme bilden.
Die Erklärung der Wissenschaftler provozierte eine 1976 von der astronomischen
[sic] Zeitschrift Aquarian Agent veröffentlichte Gegenerklärung ... Zu dieser Erklärung gewann man die Unterschriften von 187 [!] Personen mit akademischen
Graden. Dieses Papier pocht zwar auch auf Autorität, vertritt aber eine weniger
von Vorurteilen geprägte Ansicht. Natürlich besagt die Feststellung, man sei für
weitere Forschungen, wenig mehr als wenn man sagt, dass man gegen Sünde und
fürMutterschaftist.DochselbstdiesisteinFortschrittimVergleichzuderschlichten voreingenommenen Weigerung, das Beweismaterial zu prüfen.
Natürlich ist es möglich, das keinem Teilaspekt der Astrologie Wahrheitsgehalt
zukommt. Der springende Punkt aber ist, dass die 186 Wissenschaftler dies nicht
bewiesen haben.”
Eysenck zitiert Hynek in seinem Vorwort zu einem der Bücher der Gauquelins
1978: ‘Es geschieht mit erheblichem Zögern..., dass ich dieses Vorwort schreibe,
weil es offenbar genügt, einen Astronomen aus der Gemeinschaft der Wissenschaftler auszuschließen, wenn er sich mit etwas beschäftigt, was auch nur entfernt
mit Astrologie zusammenhängt.’
“Vor diesem Hintergrund offener Feindseligkeit gegenüber neuen Ideen und Experimenten mussten aufgeschlossene Wissenschaftler kämpfen, welche der Frage
nach dem Wahrheitsgehalt der Astrologie nachgehen wollten. Sie mussten oft sogar ihr Recht verteidigen, auf diesem Gebiet zu forschen. Die Folge war, dass es
etabliertenWissenschaftlernoftmalsdasBestezuseinschien,nichtszusagen,statt
Hohn und Spott auf sich zu nehmen. Nur wenige hatten den Mut zuzugeben, dass
etwas daran sein könnte.”
“GoodsteinundBrazis(1970)gebeneinenBerichtdarüber,wiesieeinenFragebogen über eine astrologische Studie an 1000 aufs Geradewohl ausgewählte Mitgliederder American Psychological Association versandt hätten. Die Psychologen wurden aufgefordert, die Qualität und den wissenschaftlichen Wert der Studie zu beurteilen, die sich mit der Frage befasste, ob der Planetenstand bei der Geburt im
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Zusammenhang mit dem späteren Beruf stehe. Die Studie war in Wirklichkeit fiktiv. Man hatte zwei Versionen vorbereitet, die zu gleichen Teilen an die befragten
Psychologenversandtwordenwaren.IndereinenVersionwurdenErgebnisseeingeführt, die zeigen sollten, dass es in der Tat Beweise für einen Zusammenhang
zwischen Planeten und Berufswahl gebe. Die andere Fassung war genauso angelegt wie die erste, nur mit Abweichung, dass die Ergebnisse keinen Zusammenhang anzeigten.
Die erhoffte objektive Beurteilung der Studie durch die Psychologen blieb aus.
Viele gaben den Fragebogen unausgefüllt und mit rüden Kommentaren zurück.
Nur 282 lieferten brauchbare Antworten, und diejenigen, denen die Studie mit
einem negativen Ergebnis zugesandt worden war, beurteilten sie als besser angelegt, glaubwürdiger und ergiebiger für angemessene Schlussfolgerungen. Dieser
Beweis für Voreingenommenheit, verstärkt durch die emotionalen Randbemerkungen, die einige der Psychologen hinzugesetzt hatten, veranlasste Goodstein
und Brazis zu dem Fazit: ‘Es ist ein Jammer, dass Psychologen, die sich der üblen
Auswirkungen von Vorurteilen und Emotionen auf kritisches Denken bewusster
sein sollten, nicht objektiver und unvoreingenommener zu sein scheinen, als ihre
wissenschaftlichen Kollegen.’”
Eysenck beschäftigt sich mit Einwänden gegen die Astrologie; zuerst einmal die,
die “den Karren vor das Pferd spannen” und gravierende Unkenntnis wissenschaftlicher Methodik beweisen, wie der Astronom Bok, der sich erst mit statistischen Tests über die Astrologie beschäftigen wollte: ‘Doch ich gab diesen Plan als
Zeitvergeudung solange auf, bis mir jemand zunächst zeigen könnte, dass es für
die Astrologie so etwas wie eine physikalische Grundlage gibt.’
“Jerome (1977) trägt in einem Buch mit dem Titel ‘Astrology disproved’ p29 die
grundlegende Position vor, wonach ‘Astrologie falsch ist, weil sie sich auf Magie
gründet.’ Der Autor weist darauf hin, dass das alte ‘Prinzip der Korrespondenz
oder Analogien’ noch immer angewandt werde ... wegen dieses offensichtlich irrationalen Fundaments aus Magie und Aberglauben lehnt Jerome eine weitere Beschäftigung mit Astrologie ab. Um ihn selber zu zitieren: ‘Falls die Grundannahmen einer Hypothese wertlos sind, besteht kein Bedürfnis, Material zu ihrer Verifizierung zu sammeln’ und er schließt: ‘Für den modernen Menschen ist die Astrologie eine historische Kuriosität, und sie sollte es auch bleiben.’
Jerome mag durchaus Recht haben, aber er hat versäumt, es zu beweisen...
Die Kritik Jeromes erinnert, obwohl sie nicht richtig ist, wenigstens ihrem Wesen
nach an eine rationale Kontroverse, wie sie in wissenschaftlichen Kreisen und in
der Wissenschaftsphilosophie geführt wird, wenn es um die Zulässigkeit oder
Nichtzulässigkeit bestimmter Theorien geht. Doch Vieles, was sich in den Büchern und Artikeln, die wir gelesen haben, als wissenschaftlich ausgibt, ist in
Wirklichkeit wenig mehr als Verleumdung und Vorurteil. Wie Ertel u.a. (1978)
dokumentiert haben, sind ‘Argumente ad hominem’ (persönlichen Schmähungen) und Anschuldigungen, die durch Analogieschlüsse entstanden (einige Astrologen hätten auch andere unwahrscheinliche Dinge geglaubt), ebenso häufig zu
finden wie Prophezeiungen über die Gefahr, die der Glaube an die Astrologie in
sich berge. Dabei wird immer wieder die eigene Autorität betont. Diese Art der
Kritik ist natürlich nicht von wissenschaftlichem Belang.”
Feyerabend vergleicht die Humanist-Erklärung mit dem malleus maleficarum.
“Feyerabends Schlussfolgerungen fallen sehr zum Nachteil jener Erklärung aus.
Die Verfasser des malleus, so sagt er, wussten eindeutig, wovon sie sprachen: Sie
ließen sich nicht zu argumenta ad hominem herab; sie untermauerten ihre Auffassungen durch logische Erörterungen. Feyerabend zitiert die Eingangsworte des
malleus, die aus einer Bulle von Papst Innozens VIII stammen, und verweist da-
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rauf, dass ‘die Worte fast die gleichen sind wie die Worte am Anfang der
Erklärung, und das Nämliche gilt für die artikulierten Gesinnungen. Sowohl der
Papstsowiedie186führendenWissenschaftlerbeklagendiezunehmendePopularitätdessen,was sie für anrüchige Ansichten halten. Doch – welch ein Unterschied
in Bildung und Gelehrsamkeit!’”
In einem Überblick über die Geschichte der Astrologie stellt Eysenck unter Beweis,
dass er im Grunde mit derselben Voreingenommenheit an die Dinge herangeht. So zitiert er Culver und Ianna und übernimmt deren These, “dass die Babylonier hätten
kaum noch abergläubischer sein können. Sie sahen Schicksalszeichen in allen
denkbarenErscheinungen, in einfachen Alltagserereignissen bis zum Zustand der
Eingeweide von eigens geopferten Tieren. Nur einen kleinen Teil dieser Zeichen
entnahmen sie den Bewegungen der Gestirne.” Dann kommen einige typische
Beispiele für Weissagetafeln. Der Kernsatz: “Auf dieser Grundlage scheint es wenig Zweifel daran zu geben, dass Aberglaube die eigentliche Mutter der Astrologie war”, ein Satz, den ein unbekannter Leser auch prompt unterstreicht.
Das sind natürlich alles höchst schwer beweisbare und darum auch unbewiesene Annahmen, getragen von der Unterstellung, dass die alten Babylonier halt noch doof waren, dass sie aberwitzige statistische Methoden benutzten, um zu ihrem umfangreichen
Spruchsammlungen zu kommen und einfach nicht merkten, dass alles völliger
Blödsinn ist. Man sollte aber eher davon ausgehen, dass nichts aufgeschrieben wurde,
was sich nicht in der Praxis irgendwie als nützlich erwies! Schreiben war damals noch
ein wenig mühsamer als heute, wo Papier allerdings geduldig ist.
Eysenck hier im Banne derselben unbesonnenen Denkreflexe, die er bei den Unterzeichnern der ‘Erklärung’ klar erkennt, nämlich Ereignisse seien solange als inkohärent zu betrachten, wie kein rationales Schema zu ihrer Ordnung bekannt sei. So
könne man aus Eingeweiden prinzipiell (!) keine sinnvollen Aussagen gewinnen.
Nun gibt es aber doch Zusammenhänge zwischen Eingeweiden geschlachteter Tiere
und psychosozialen Befunden; die Frage ist, ob sie kohärente und signifikante Muster
bilden: BSE-Erreger in geschlachteten Rinder-Innereien sagen doch sehr viel über unsere Esskultur – oder? Und Rückschlüsse aus Magen- und Darminhalt sind wissenschaftliche und forensische Standardprozeduren.
Wir alle sind anfällig gegenüber dem gedankenlosen Reflex, alles, was wir ‘Modernen’
nicht sofort verstehen, für absolut unverständlich zu halten.
Muss man irgendwo eine Grenze der Plausibilität ziehen, bei deren Überschreiten man
sich den Vorurteilen des gesunden Menschenverstands unkritisch überlassen darf? Im
Alltag oft; solange man aber wissenschaftlich ex cathedra spricht, also behauptet, gerade eine wissenschaftliche Aussage zu treffen: nie und nimmer! Es ist natürlich vielfach
eine Frage der persönlichen Vorlieben und der Zweckmäßigkeit, wo man zu hinterfragen aufhört und das Fundament seiner Prämissen zu gießen beginnt; aber irgendwelche Thesen über den Alltag der Babylonier sind dazu wohl schlecht geeignet.
(147p47)
(147p53-53)
“Heute studiert nach den Schätzungen Deans u.a. (1977) in den westlichen
Ländern einer von 10000 Menschen ernstlich Astrologie – es ist etwa die gleiche
Fülle wie bei den Psychologen.”
Die Autoren unterstreichen die Komplexität des astrologischen Deutungssystems. p53 “Da jeder dieser Faktoren verstärken, verringern, entwerten oder auf
zahlreiche andere Weisen mit jeden anderen Faktor in Wechselbeziehung treten
kann, sind die Vorhersagemöglichkeiten nahezu unendlich.
Berücksichtigt man dazu den Umstand, dass bei den meisten Faktoren die genaue
Anwendungsweise umstritten ist ...: dann beginnt man zu verstehen, dass ‘die
AstrologiefastsoverworenistwiedasalteChaos,dassieklärensoll.’M.a.W.:esist
beinahe unmöglich, keine Übereinstimmung zwischen astrologischen Faktoren
auf der einen Seite, und den bekannten Tatsachen auf der anderen zu finden. Dies
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müssen wir in Erinnerung behalten, wenn es darum geht, die Bedeutung der astrologischen Ergebnisse zu erör-tern.”
In der Tat bildet die Inflation der Deutungselemente ein echtes Problem und den
hauptsächlichsten Grund für massenhaften Missbrauch der Astrologie, zumal ihre
Praxis heute weit hinausreicht über den immer noch erlesenen Kreis der 0,01%, die sie
ernsthaft studiert haben.
Aber das Thema ist eine weitere Erörterung wert. Natürlich soll man Occams Skalpell
benutzen und die Elemente tunlichst vereinfachen; und m.E. geht das bis zu einem bestimmten Punkte auch. Dies kann m.E. fallweise geschehen, was auf eine Wichtung
der Faktoren hinausläuft.
Nie aber darf man vergessen: das eigentliche Problem ist die Realität. Mehr noch als
beim Wetter ist die seelische Realität komplex und schwer vorhersagbar; und vielleicht
ist ein Gutteil dieser Komplexität irreduzibel. Dann darf man folglich von keinem Modell dieser Realität verlangen, einfach und eindeutig zu sein: das hieße seine Falschheit
verlangen!
TatsächlichstelltunseremoderneWissenschaftfürdieBeurteilungderSignifikanzpsychologischer Diagnostik und Prognose keine Mittel zur Verfügung. Damit entfällt jede
Möglichkeit,die komplexeren Aussagen der Astrologie wissenschaftlich zuüberprüfen.
Dazu wäre noch eine eigene Methodologie zu erarbeiten, um Überprüfbares herauszufiltern.
Eysenck tut dies in m.E. sehr anfechtbarer statistischer Manier, welche die interessantesten signifikanten Strukturen methodisch glättet. Grundproblem der statistischen
Unschärferelation. Die Autoren zu den methodischen Grundsatzproblemen:
“Wir haben versucht, jenen Astrologen zu antworten, die den wissenschaftlichen
Ansatz verunglimpfen und behaupten, die wissenschaftliche Methode [!1] könne
mit so komplexen und subtilen Theorien wie den ihren nicht umgehen.”
(147p42)
[!1]
(147p48)
(147p56)
Wer formuliert: “Keine der vorliegenden sozialstatistischen Methoden ist dafür geeignet”, begeht keine Verunglimpfung, sondern trifft eine gut belegte und schwer bestreitbare Tatsachenaussage über den Stand der Humanwissenschaften.
Die Autoren behaupten, dies läge schlicht an einem Mangel an Kenntnis. Retourkutsche: ich muss die Autoren auf mangelndes Bewusstsein der prinzipiellen Schwächen sozialstatistischer Methoden hinweisen! Dies ist ein weites Feld.
Was nicht heißt, man könne nicht Ereignisse oder Sequenzen von Ereignissen herausfiltern, die in der Tat auch mit den vorliegenden Methoden überprüft werden können.
Nur sind dies gerade oft nicht die Fälle, die für die Anwender der Astrologie von Interesse sind!
Die Autoren führen Beispiele einander widersprechender und doch angeblich
schlüssiger Interpretationen an Hand des (abgedruckten) Horoskops Beethovens
vor. Sie geben eine exemplarische Deutung:
“Beethoven war ein schwieriger und reizbarer Mensch, wie Merkur (Mentalität)
genau gegenüber vom Mars (Kraft) zu erkennen gibt, und hatte ein ungeordnetes
Privatleben, wie Uranus (Veränderung) in Opposition zum Deszendenten
(Freunde) zeigen.”
Darauf schütteln sie eine kontroverse Deutung aus dem Ärmel. “Beethovens Geburtshoroskop beispielsweise lässt sich leicht so deuten, dass es das Gegenteil aussagt: So ließen sich Fehlen musikalischer Begabung mit dem Saturn (Begrenzung)
in Opposition zu Himmelsmitte in Zusammenhang bringen, eine angenehme,
friedfertige Person lässt der Herr des Horoskops, nämlich Venus (Harmonie) erkennen, und Saturn (Ordnung, Begrenzung) im 4. Haus (Häuslichkeit) samt Venus (Liebe, Harmonie) im Steinbock (regiert von Saturn) verweisen auf ein geordnetes Privatleben.”
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Pseudowissenschaftliche Methodik!
Analogie
(147p56-57)
In der Tat der Stil vieler astrologischer Deutungen (vor allem derer aus dem Computer), und Eysencks Vorbehalte kann man immer dann teilen, wenn die Darstellung den
Eindruck erwecken will, einen Begründungs- oder Rechtfertigungszusammenhang zu
bilden. Begründungen und Rechtfertigungen lassen sich so nicht erbringen, hier
benötigt man eine ausführlichere Darstellung, für die ein guter, seriöser Astrologe
schon einmal einen Monat Arbeit investiert. Und immer noch ist der Text, den er am
Ende produziert, lediglich ein Kondensat, eine Veranschaulichung all der Punkte im
Horoskop, die auf Grund seiner wochenlangen Studien sich als signifikant erwiesen
haben, ausgerichtet auf die Interessen des Klienten, welche ganz andere sind als die ein
Skeptikers. Die immer wieder angeführten Texte sind keine Belege der Deutung, schon
gar nicht eine Skizze vom Gang der Untersuchung.
Für wissenschaftliche Untersuchungen müssen hinter diesem klientenzentrierten Ergebnis Beweise und Analysen stehen, über die der seinem Astrologen vertrauende
Klient genausowenig wissen will und muss wie der Fernsehzuschauer über elektromagnetische Wellen.
Nun ist das Leben hart, besonders für skeptische Wissenschaftler; denn praktisch nie
wird der gute Astrologe auch ein guter Analytiker seiner selbst sein. Was wir mit einiger
Aussicht auf Erfolg erwarten können, ist eine rationale Rekonstruktion seiner Horoskopsynthese: und dazu sollte dem erfolgreichen Astrologen während seiner Arbeit und
danach ein getreuer Eckermann zur Seite stehen, ebenfalls astrologiekundig, der möglichst wenig stört, aber möglichst objektiv zu protokollieren bzw. zu rekonstruieren versucht, nach welchen Prinzipien die Deutungen in Gang und zu Stande kamen. Um
auch nur ein einziges Horoskop in seriöser Manier für wissenschaftliche Tests aufzubereiten, ist sicher eine hoch zu bezahlende Expertentätigkeit von 60 bis 80 Manntagen
erforderlich; nach den üblichen Kalkulationen also Kosten von 80 bis 160 TDM. Warnung vor billiger arbeitenden Idealisten!
Alle die üblichen Astrologiestudien mit dutzendweis oder gar im Hundert aus der Hüfte
geschossenen Horoskopen kann man nur als methodisch höchst unseriös bezeichnen:
ein schwerer Fall von Pseudowissenschaft!
Ebenso leichtfertig könnte man mit mathematischen Texten umspringen, da die expliziten Beweise dort gerne dem Leser überlassen bleiben. Wenn ein Scharlatan hier auf
die Leichtgläubigkeit des Lesers baut, lässt sich unter oberflächlich richtig aussehendem Gebrauch mathematischer Symbolik und Terminologie ebenfalls so ziemlich
alles behaupten. Ich meine sogar, dass dies gerade in der Statistik oft geschieht, wie der
Volksmund weiß: es gibt Lügen, grobe Lügen und Statistik.
Als Lösung für diese Dilemmata der Nachprüfung plädieren die Autoren für eine Art
Komplexitätsreduktion, die sicher in vielen Fällen möglich ist, aber – so der schmutzige
Verdacht – nur in den trivialen.
“Unverkennbar hängt alles von den Verfahren der Horoskopsynthese ab. Daher
möchte man unzweideutige Regeln erwarten, die einem sagen, wie genau der eine
Faktor gegen den anderen abzuwägen sei. Doch die Astrologen waren nicht im
Stande,sichaufsolcheRegelnzueinigen(inderTatbehauptenviele,Regelnseien
unerheblich für das, was sie empfinden, es handele sich vielmehr um einen rein intuitiven p57 Prozess), und die einzige allgemein anerkannte Regel besagt, dasskein
Faktor für sich allein beurteilt werden dürfe. Solange man dies berücksichtigt, ist
also alles möglich – einschließlich [?lies: ausschließlich!] einer Hoffnung auf klare
Resultate für die Erforscher der Astrologie.”
Die Autoren bauen hier eine falsche Alternative auf zwischen ‘alles ist möglich’ und ‘es
gibt eindeutige Regeln’. Dass die Astrologen sich auf Intuition berufen, erweckt den
begründeten Verdacht, es handele sich um eine Immunisierungsstrategie. Es ist auch
eine andere Interpretation möglich, und dann kann ich diesen Verweis unterschreiben,
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Keine Panik
(147p57)
Gutes Beispiel!
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nämlich, dass viel Erfahrung notwendig ist, die sich tatsächlich nicht völlig kodifizieren lässt; allein schon, weil die Wissenschaft in den vergangenen drei Jahrhunderten
Kodifizierungen dieser Art strikt ausgeklammert und sich auf einfache Gegenstände
wie Planetensysteme oder Moleküle beschränkte. Letztlich benötigt ein Astrologe Geschmack, gesunden Menschenverstand, Menschenkenntnis, Erfahrung, Erfahrung,
Erfahrung, klinische Praxis: Intuition fällt nicht vom Himmel, sondern beruht auf
großenteils unbewusster Auswertung langjähriger Studien und Erfahrungen, die
manchmal im Nachhinein einleuchtend begründet werden können, manchmal aber
auch nicht.
Eine typische Falle des in unserer Kultur von Kindesbeinen trainierten Diskurses ist es,
eine lokal gültige Logik vorschnell zu verallgemeinern und irgendein “Lieblingssystem” zu forcieren! Man kann es den Astrologen nicht verdenken, dass auch sie oft hineintappen – aber es nervt und führt allzu oft zu abwegigem, verstiegenem Schwadronieren, vor allem bei dem herrschenden Boom. Man kann schon verstehen, dass sich realitätsbewusste Leute mit Grausen abwenden. Aber keine Panik, liebe Leute: bleibt
dran! Es lohnt sich!
Immerhin sind die Autoren nicht völlig blind für dieses Problem: sie argumentieren:
“Es ist offensichtlich angebracht, die Frage zu stellen, wie ein derart ausgefeiltes,
subjektives Verfahren die Grundlage einer wissenschaftlichen Untersuchung bilden kann. Doch dieser Einwand trifft die Sache nicht. Falls die der Astrologie zu
Grunde liegenden Lehrsätze richtig sind, sollten sie, ungeachtet aller sonstigen
Finessen, für sich selbst sprechen. Um ein Analogon anzuführen: nehmen wir an,
wir überprüfen die Überzeugung, dass es einen Zusammenhang zwischen Ernährung und Körpergewicht gebe. Natürlich kommen zahlreiche andere Faktoren ins
Spiel, so etwa Erbanlage, Alter, Körperbewegung, Gesundheit usf. Dennoch
dürfen wir, wenn unsere Auswahl groß genug ist, Anzeichen dafür finden, dass
dicke Menschen meist gut genährt sind, hungernde Menschen meist mager. Wenn
an der Astrologie etwas Wahres ist, muss sie einen solchen Test bestehen. Sehen
wir also zu!”
Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Körpergewicht ist tatsächlich ausschlaggebend; jede detaillierte Studie wird dies erhärten, mit enormer statistischer Signifikanz. Die anderen Faktoren entsprechen hier inkohärentem Rauschen, das nur
einen unbedeutenden Beitrag zur gemessenen Korrelation liefert. Solche ‘Erkenntnisse’ bilden den einen Pol der statistischen Unschärferelation: hohe Signifikanz bei
platter Banalität: niemand würde zum Beweis dieser Trivialität die Wissenschaft anrufen.
Die Faktoren der Astrologie sind dagegen stark kohärent und nichtlinear gekoppelt.
Durch lineare Überlagerung vieler Einzelfälle lassen sich darum nicht einzelne kohärente Relationen vor einem inkohärenten, sich zu Tode oszillierenden Hintergrund
herausschälen: ‘Rauschbefreiung durch kohärente Addition’ funktioniert nicht. Je
größer die Stichprobe, desto mehr ist zu erwarten, dass sich alle Faktoren gegenseitig
‘zu Tode oszillieren’, und je spezifischer die zu prüfende Aussage, umso niedriger ihre
Signifikanz: diese ‘statistische Unschärferelation’ gilt in der Astrologie genauso wie in
den übrigen Sozialwissenschaften. Um Aussagen zu erhalten, müssten wir Horoskope
mit dominanten Faktorengruppierungen aussuchen, und die Stichproben demgemäß
zusammenstellen. Das erfordert aber eine Theorie dieser Faktoren: ein größeres Forschungsprogramm, das vielleicht von einer Faktorenanalyse ausgehen könnte. Wie in
jeder Wissenschaft müssen wir erst die richtigen Beobachtungstheorien aufstellen, bevor wir astrologische Beobachtungen machen können!
Diese–zuentwickelnde–SozialstatistikwürdevielleichtauchausPsychologieundSoziologie regelrecht praktikableWissenschaften machen! (Einige Ansätze bei S. Ertel(122p115f))
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Zodiakale Projektion
(147p58-59)
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Zwischen Körpergewicht und Ernährung besteht eine ziemlich stabile, praktisch rückkopplungsfreie Beziehung, die die anderen Faktoren über einen weiten Regelbereich
‘versklavt’. In der Astrologie müssen wir davon ausgehen, dass gerade die für die Horoskopbeschreibung relevanten Elemente stark nichtlinear sind: jedes hängt mit mit jedem zusammen in dem Sinne, dass jedes jedes beeinflusst: eine mindestens zehnpolige
Dialektik. Die resultierenden mathematischen Nichtlinearitäten bedeuten Sensibilität
gegenüber kleinen Veränderungen (darum kommt es ‘auf die Minute an’!), potenzielle
Neigung zu nichtlinearer Phasenkopplung, aber auch Nichtvorhersagbarkeit (Irreversibilität). Dennoch bedeutend Anwesenheit von Chaos nicht totale Unmöglichkeit der
Beschreibung: wir sollten nach Attraktoren und charakteristischen Frequenzen oder
Phasenbeziehungen suchen, den berühmten ‘Inseln im Chaos’.
Das ist ein noch nirgendwo ernsthaft betriebenes Forschungsprogramm: Faktorenanalyse auf der sozialstatistischen, Dimensionalitätsanalyse auf der signaltheoretischen Seite. Wenn wir die Basis-Faktoren und die zugehörigen (vermutlich fraktalen)
Dimensionen der prominenten Zeitreihen haben, dann erst besteht eine wissenschaftlich seriöse Grundlage für die hier von den Autoren angegebenen Kovarianztests: eine Brücke zwischen ‘statischer’ Charakterbeschreibung (Spektralbereich) und
‘dynamischer’ Verhaltensbeschreibung (Zeitbereich).
Wir werden es hier nicht weit bringen, wenn die Sozialstatistiker weiter einen Bogen um
die Signaltheorie (Laplace- und z-Transformation) machen. (Ist es nicht fürchterlich:
wer Phasenbeziehungen in die Statistik einbeziehen will, muss Hand in Hand mit den
Elektrotechnikern die komplexe Ebene durchstreifen!)
“IneinemkleinenExperimentzeigtenwirdietatsächlichenSternkonfigurationen,
welche die zwölf Tierkreiszeichen ausmachen, einer Anzahl von Menschen und
fragten diese, was einem Löwen, einem Skorpion, einem Zwillingspaar usf. ähnlich sehe. Niemand kam auf mehr als zufällige Trefferquoten.”
Dies widerlegt die notorische ‘Erklärung’, die Menschen hätten in der Antike vom Aussehen der Sternbilder am Himmel auf die zugehörigen Charaktere geschlossen: denn
sie hätten niemals Einigkeit erzielt! Die Sternbilder sind in der Tat nur die ‘Benutzeroberfläche’ des Tierkreises, auf die man bereits bekannte Eigenschaften ‘ikonisch’ projiziert hat. Darum ist auch ohne Bedeutung, dass die Sternbilder gegenüber dem Tierkreis verschoben sind: die Sternbilder wurden nicht ‘aus dem Himmel herausgelesen’,
sondern ‘in den Himmel hineingelesen’, und zwar in jener historischen Epoche, in der
Tierkreiszeichen und Sternbilder sich gerade deckten. Die Bezeichnungen sind historisch, und mit der realen Form der Sternbilder haben sie gar nichts zu tun.
Letztlich erweist sich die Gültigkeit eines Satzes von Symbolen in der Praxis. Ihre Nomenklatur kann durchaus historisch sein! Die Sicht der Autoren ist reichlich naiv:
Denkfehler:
“Auch auf andere Weise lässt sich manchmal zeigen, dass die Grundlage der Symbolik unrichtig ist.” Dann kommt ein Beispiel mit einem grundlegenden Missverständnis: “Ptolemäus bringt in seinem Tetrabiblos zahlreiche symbolreiche Deutungen, die von einer physikalischen Grundlage für astrologische Regeln ausgehen. Viele davon beruhen auf einem Irrtum. Von Mars beispielsweise nahm man
an (zu Unrecht), er befinde sich nahe bei der Sonne, sei heiß und trocken und übe
daher einen trockenden Einfluss aus. Vom Mond, welchem der Erde am nächsten
ist,glaubtean,ersaugeFeuchtigkeitaufundhabedeshalbeinebefeuchtendeWirkung.Jetztwissenwir,dassesaufdemMarsbeträchtlicheMengenWassergibt(allerdings gefrorenes), und dass der Mond knochentrocken ist.
Nicht die Physik war Grundlage der astrologischen Deutung, sondern umgekehrt: ausgehend von der (nachprüfbaren) astrologischen Wirkung auf der Erde spekulierte man
auf die (nicht nachprüfbaren) Eigenschaften der Himmelskörper! Nachdem die
Astronomie unabhängige Methoden zur Erforschung der Himmelskörper entwickelt
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hat, müssen wir die Physik nicht mehr auf die Astrologie gründen und konnten irrige
Ableitungen korrigieren. Damit begannen bereits die Babylonier!
Weil man sozialpsychologisch bewahrheitete Symbole auf die Physik übertrug und so
ihren Deutungsbereich überspannte,zog man falsche physikalische Schlussfolgerungen. Heute begehen die Psychologen den umgekehrten Fehler! Dumm und ärgerlich,
dass die Autoren auch die ewige Ignoranz über die Präzession der Äquinoktien herbeten: eben derselbe Denkfehler.
Die Autoren behaupten, die östliche Astrologie richte sich nach dem siderischen
Tierkreis, und dies stünde im Widerspruch zur westlichen.
Es geht um Konventionen, um willkürliche, historisch bedingte Phasenfestlegungen.
Der erfolgreiche östliche Astrologe muss das Horoskop etwasandersdeuten;konstante
Phasenverzögerungen machen aber keinen großen methodischen Unterschied. Die erforderliche Korrektur lässt sich in der Begrifflichkeit verankern, die sich dann aber
tatsächlich langsam ändern muss. All dem liegt das projizierte Missverständnis zugrunde, die Astrologen würden ihre Symbole ikonisch deuten, und nicht aus ihrem Zusammenhang und der Praxis heraus.
(147p66)
Zeitreihenanalyse
“Häufig verwenden Astrologen das Geburtshoroskop, um zu erklären, warum ein
Unglück zu einem bestimmten Zeitpunkt und zu keinem anderen stattfindet. Es
gibt aber auch genügend andere Erklärungen.”
Auch so ein typisches Missverständnis unter Halbgebildeten, das sich neben vielen
richtigen Aussagen durch ganze Seiten zieht. Hier wird eine frühmoderne Engführung
des Kausalbegriffs auf die Astrologie projiziert. Monokausalität und Determinismus,
diese in der Astronomie so spektakulär erfolgreichen Kinder der französischen Aufklärung und des englischen Puritanismus, sind aber der Astrologie fremd: ‘Die Sterne
zwingen nicht, sie machen nur geneigt.’
Astrologie denkt in Analogien; ihre ‘Erklärungen’ sind ‘Übersetzungen’ in das symbolische Modell des Horoskops, welches – wie oben ausgeführt – nicht eindeutig durch
theoretische Regeln determiniert ist. Herausragende Ereignisse – Unglücksfälle, große
Reisen, Eheschließungen, wichtige Examen – sind ein Rosettestein, der ein Horoskop
besser verstehen lässt, indem er Mehrdeutigkeiten immer genauer auflöst und die konkrete Bedeutung eines Horoskopsymbols für den Eigner liefert (für die Astrologiebücher bestenfalls ‘first guesses’ liefern). Man ‘eicht’ das Horoskop an der Wirklichkeit: nicht Geschehnisse werden aus dem Horoskop abgeleitet, sondern umgekehrt das
Horoskop aus dem Geschehnis.
Wenn man eine kohärente Deutung aller Faktoren eines Horoskop gefunden hat, die
sich in konsistenter Weise auf möglichst viele Ereignisse der Vergangenheit abbilden
lässt, dann, ja dann kann man den umgekehrten Vorgang wagen und aus dieser Deutung auch Ereignisse in der Zukunft vorhersagen, und dann sehr konkret und spezifisch und – wissenschaftlich exzellent nachprüfbar.
Den Zeitreihenanalytiker wunderts überhaupt nicht, er ahnt schon jetzt, wie’s funktioniert. Und dass es prinzipiell auch mit einem anderen Satz von Planeten, Zeichen,
Häusern funktionieren müsste. Die Zeitmess-Funktion einer Uhr hängt nicht wesentlich an Umlaufgeschwindigkeit und Benennung der Zifferblätter! Der Streit um das
‘wahre Häusersystem’ ist von nachgeordneter Bedeutung.
Die Autoren verstehen die methodische Irrelevanz der Kausalität für die Astrologie
nicht; sie arbeiten sich an obsoleten Spekulationen ab, die mit dem astrologischen
Phänomen nichts zu tun haben. Sie sprechen von ‘astrologischen’ und ‘nicht-astrologischen’ Effekten. Aber ‘Effekte’ sind nie ‘astrologisch’! Jedes durch die Astrologie behandelte Ereignis ist vollkommen kausal erklärbar, aber diese Erklärung ist für die
Astrologie kontingent, also ohne systematischen Wert. Die Astrologie liefert ‘hypothesenfreie Modelle’ im selben Sinne wie die prädiktive Modellierung einer Zeitreihe zu
‘nicht-genetischen’ Modellen führt, welche die künftigen Werte nur aus den (je vergan-
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genen) Werten der Zeitreihe gewinnen, ohne Interpretation und ohne Annahmen über
ihre speziellen physikalischen Ursachen. Kenntnisse über den Mechanismus einer
Zeitreihe können das Modell allerdings erheblich verbessern und erlauben eine genetische Interpretation; sie ‘widerlegen’ also nicht die Richtigkeit des Prädiktors, sondern
bereichern unsere Kenntnis.
Künstliche neuronale Netze können heute auch nichtlineare, mehrdimensionale Korrelationen allein aus den Daten synchroner Zeitreihen aufspüren, also ein implizites,
vorhersagetüchtiges Modell aufstellen, ohne die geringste ‘Ahnung’ von einer
womöglich zugrundeliegenden Kausalität zu haben. Natürliche neuronale Netze sind
da womöglich noch besser ... wenn wir bloß aufmerksam hinschauen und nicht vorschnell denken: ach, alles bloß Zufall. Nur am Rande.
Die von den Autoren angeführten Befunde sind dennoch interessant, denn umgekehrt
wirds ein Schuh: bestimmte “physikalisch, psychologisch, soziologisch begründete”
Phänomene sind, da sie ja physikalisch, psychologisch, soziologisch etc. begründet
sind, sicher real; und falls sie gut auf die astrologischen Deutungselemente (Rhythmen,
Resonanzen, Phasenbeziehungen) abzubilden sind, wissen wir, dass sie besonders gut
astrologisch behandelbar sein müssen!
Die “anderen Erklärungen” sind also astrologie-unabhängige Erklärungen der Astrologie; sie schwächen sie darum nicht ab, sondern erhärten ihre Gültigkeit und bieten
gute wissenschaftliche Angriffsflächen. Weiter im Text:
(147p66)
“Andere Erklärungen, ja es gibt sogar Anzeichen für eine erhöhte Zahl von Flugzeugabstürzen, schweren Autounfällen und Selbstmorden nach dem vermehrten
Erscheinen von Presseberichten zu solchen Themen.
Hier scheint etwas von den Zusammenhängen auf, auf denen astrologische Zusammenhänge ‘kausal’ beruhen: charakteristische Phasenbeziehungen zwischen verschiedenen Ereignistypen, die für die Menschen eine bestimmte seelische Bedeutung haben.
1978 untersuchte Phillips die Auswirkungen von 18 ausführlich publizierten Morden in den Vereinigten Staaten. Er stellte fest, dass die Zahl der Unfälle mit privatenFlugzeugensichnachdiesenZeitungsberichtenmerklicherhöhte.Diemeisten
Unfälle ereigneten sich drei Tage nach dem Erscheinen des ersten Berichts.
Darüber hinaus beobachtete er eine signifikante Beziehung zwischen der Menge
der Zeitungsartikel über einen Mord und der Anzahl der Flugzeugunfälle danach.
Man baute verschiedene Kontrollverfahren in diese Studie ein. Konnte ein Ergebnis, dass sich die meisten Unfälle drei Tage nach einem Mord ereigneten, auch auf
die Auswirkungen eines bestimmten Wochentags zurückzuführen sein? Falls beispielsweise Morde besonders häufig an Freitagabenden begangen werden, und
Flugzeugunfälle sich vermehrt an Montagvormittagen ereignen, dann ließe sich
der Zusammenhang auch durch die besonderen Wochentage erklären [PseudoErklärung! Das Phänomen verliert dadurch nichts von seiner Merkwürdigkeit!]: er
wäre, was Statistiker ein “Artefakt” [Noch lange nicht! Psychologen und Statistik,
ein Trauerspiel] nennen. Phillips untersuchte diese Möglichkeit, indem er überprüfte, ob ein solcher 3-Tage-Rhythmus auch noch nach einer Woche nach diesen
Berichten auftrat. Da dies nicht der Fall war, konnte Phillips folgern, dass tatsächlich die Pressemeldungen eine Unzahl von Selbstmorden auslösten [Verfrüht! Da-
zu genügen niemals solche ausschließenden Tests, dasgehörtenpositiveGegenprüfungen dazu!], die nur wie zufällige Flugzeugunfälle aussahen[Fragwürdige Spekulation].
(147p66-67)
Im Zusammenhang mit diesem traurigen Thema sei darauf verwiesen, dass eine
Anzahl psychologischer Faktoren ermittelt wurde, die an der genauen Todeszeit
beteiligt sind, so etwa der Lebenswille eines Menschen. Beispielsweise sinkt die p67
Todesrate in manchen Ländern in den Tagen vor wichtigen Ereignissen wie den
olympischen Spielen.”
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Ein Experiment von Gauquelin 1979
(147p76-77)
“Er annoncierte in Ici Paris, er werde völlig kostenlos ein persönliches Horoskop
erstellen. Aus ganz Frankreich gingen Anfragen ein. Jedermann bekam das gleiche Horoskop zugesandt... Die an jenem Anzeigentest Beteiligten wurden aufgefordert mitzuteilen, ob sie sich in dem Horoskop wiedererkannten. Ihre Antworten fielen vorwiegend positiv aus, und einige Leute waren so beeindruckt, dass sie
für detailliertere Analysen Geld boten. Von den ersten 150 Antworten erklärten
p77 94%, das fingierte Horoskop gebe ihren Charakter wieder, und 90% fanden
diese Genauigkeit von ihren Familien und Freunden bestätigt.”
Eine Folgeuntersuchung: “Statt die Menschen einfach zu fragen, ob sie mit einer
Beschreibung ihrer selbst einverstanden seien, legte er jeder Person in seiner
neuen Gruppe zwei Beschreibungen vor, von denen sich die eine tatsächlich auf
das eigene Horoskop der jeweiligen Versuchsperson stützte, die andere hingegen
nicht. Als die Probanden gefragt wurden, welche der beiden Beschreibungen besser auf sie passten, nannten sie mit ebensogroßer Wahrscheinlichkeit die fiktive
wie die richtige.”
Diesen Beschreibungen liegen natürlich plausible und allgemeine Beschreibungen zu
Grunde, und das Ergebnis ist nicht überraschend. Viel interessanter wäre natürlich
einmal, wirkliche, echte, von Profis erstellte Horoskope in die Untersuchung einzubringen, doch bedeutet die Realität an der Stelle mal wieder Geld. Die Kosten für ein
solches Experiment, in das etwa 100 bis 200 Probanden einzuschließen wären, um statistisch signifikante Resultate zu erhalten, belaufen sich leicht auf etwa eine Million
DM, und soviel Geld ist für astrologische Forschung natürlich nicht da.
(147p78)
(147p81)
Eine Beschreibung des von mir immer wieder geforderten Kontrollexperimentes,
bei der auch die herkömmliche, allgemein anerkannte Psychologie einbezogen
wird: Es fanden sich Beweise, “dass ein Psychologe mit einem Persönlichkeitsfragebogen mehr Ansehen genießt als ein Astrologe. Rosen (1975) veranlasste eine
Gruppe von Studenten, sich einem Persönlichkeitstest zu unterziehen und auch
ihre Geburtsdaten anzugeben. Dann erhielten alle dieselbe Reihe von Ergebnissen – vermeintlich ein Profil der jeweiligen individuellen Persönlichkeit. Die
Hälfte bekam gesagt, die Resultate seien die Beurteilungen durch einen Psychologen, und den anderen sagte man, die Profile stammten von einem Astrologen. Als
die Studenten aufgefordert wurden, die Genauigkeit der Profile zu beurteilen,
zeigten ihre Bewertungen, dass sie meinten, der Psychologe habe bei ihrer Persönlichkeitsbeschreibung bessere Arbeit geleistet...
Eine englische Studie führten Snyder u.a. 1976 durch. Sämtliche beteiligten Studenten erhielten dasselbe Persönlichkeitsprofil, bekamen aber gesagt, es stützte
sich entweder auf Psychologie (den Tintenkleckstest), auf Graphologie (die
Handschriftenbeurteilung)oderaufAstrologie.DieStudentenallerdreiGruppen
waren bereit, das Profil als zutreffend zu akzeptieren. Am meisten – wenn auch
nicht sehr ausgeprägt – wurde die psychologische Methode akzeptiert, gefolgt von
der graphologischen, und die astrologische bildete das Schlusslicht.”
Jetzt hätten wir noch gerne eine Studie, wo getürkte und echte psychologische Auswertungen zu unterscheiden wären. Ich würde erwarten, dass auch hier nur Zufallstreffer
erzielt würden!
“Es ist richtig, dass das Tierkreiszeichen[welches? in jedem Horoskop sind 12!], wie
die Astrologen betonen, nur einen unter einen ganzen Reihe von Faktoren darstellt, die in jedem einzelnen Fall seine Wirkung verdecken oder sogar aufheben
können.NehmenwirjedocheineausreichendgroßeGruppevonMenschen,sollte
sich sein Einfluss zeigen. Wenn sich im Durchschnitt dieser Gruppe kein wahrnehmbarer Effekt zeigt, so hat es keinen Sinn, das Tierkreiszeichen weiter in Betracht zu ziehen.”
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Vielleicht meint er das Zeichen, in dem die Sonne, Aszendent oder Mond steht; eine
Chance hätte m.E nur eine Gruppe von Horoskopen, in der diese drei Elemente im je
gleichen Haus und je gleichen Zeichen stehen; die haben die größte Chance, mit vereinten Kräften eine ‘versklavende Mode’ bilden. Da kriegt man aber keine Stichprobe
zusammen! Aber mit nur einem Element in einem Zeichen sollte die Signifikanz sich
mit wachsender Gruppengröße zu Tode oszillieren! Einzelmerkmale sind in größeren
Gruppen immer gleichverteilt! Die Annahme der Autoren ist also methodisch falsch,
es sei denn, es werden externe Faktoren berücksichtigt.
(434)
(147p143)
Gunter Sachs beschränkt seine Studie – wohl wegen der guten Verfügbarkeit der
Daten – auf das Sonnenzeichen, welches sicher ziemlich dominant ist; es gibt gute
Gründe, den Aszendenten für noch dominanter zu halten. Sachs führt formal signifikante statistische Verzerrungen vor, die mit ganz leicht ‘versklavendem’ Einfluss des Sonnenzeichens gedeutet werden könnten (aber auch anders). Ich bin da
aus methodischen Gründen äußerst skeptisch, weil ich denke, dass solche Untersuchungen die tatsächliche Relevanz der Horoskop-Faktoren vollkommen verschleiern.
Eysenck lehrt uns das Gruseln: “Angenommen, wir könnten eine Verbindung zwischen der Geburtsjahreszeit eines Menschen und beispielsweise seiner Chance
entdecken, ein Genie, ein Wahnsinniger oder ein Krebspatient zu werden: welche
ungeheuren Vorteile für das Menschengeschlecht ergäben sich daraus! Einfach
dadurch, dass man für den Zeitpunkt der Empfängnis eine bestimmte Jahreszeit
statteineranderenwählt,könntenwirdieChancenunsererKinder,glücklicheund
erfolgreiche Menschen zu werden, positiv beeinflussen.”
Und damit wären wir schon auf dem Holzweg, methodisch und moralisch! In zwei
Richtungen: einmal trübt eine solche Vorgabe den Blick für die Wahrheit, indem sie gefährliche Illusionen weckt, und in die andere Richtung: sollte sich dennoch ein derart
vordergründiger Zusammenhang nachweisen lassen, gibt sie uns der Versuchung
preis, zum wahrhaft terriblen Simplifikatör zu werden, und auf oberflächliche Weise in
Dingeeinzugreifen,diewesentlichtieferesVerständniserfordern.Solchenbrachialeinfach scheinenden Rezepten für bisher unlösbar scheinende Probleme sollte unser methodisches Misstrauen gelten!
Ähnliche Probleme stellen sich tatsächlich in der vordergründig fummelnden Genetik,
und sie würden sich ebenfalls stellen, wenn man z.B. das Geschlecht seines Kindes vorherbestimmen könnte. Wir sollten hier etwas in Erinnerung bringen, was dem Komment moderner Wissenschaften total widerspricht: das Schweigegebot des Alchemisten und Magiers. Nicht jede Erkenntnis kann (und/oder darf) man jedem zugänglich
machen; sittliche Reife sollte (wieder) die Voraussetzung für den Zugang zu gewissen
Gebieten des Wissens werden. Nur die Illusion einer ‘objektiven’ Wissenschaft kann
uns den Blick dafür verstellen. Wenn dies vielleicht schon für die Physik gilt (vgl.
Dürrenmatts ‘Physiker’), um wieviel mehr gilt dies für übergeordnete Wissenschaften
wie Biologie, Psychologie und Astrologie! Vgl Skinner, Walden Two.
Die Astrologie ist keine Wissenschaft für jedermann, kann sie nicht sein; doch ich denke, sie schützt sich weitgehend selbst gegen Missbrauch. Sie kann z.B. nicht benutzt
werden, um Menschen auszuspionieren! Es ist gut, dass für die Humanwissenschaften
eine gewisse Art der ‘Objektivierung’, die ihre Gegenstände jedem unabhängig vom
Grad seiner seelischen und geistigen Entwicklung zugänglich macht, nicht möglich ist.
This is a feature, not a bug.
Insofern ist es nicht allzu traurig, dass Eysenck methodisch ein paar gewaltige blinde
Flecken hat, sondern geradezu erleichternd. z.B.:
(147p143)
“Genau genommen, sind die Auswirkungen der Jahreszeiten nicht astrologischer
Natur.” Er spricht auch von “astrologischen Ursachen”.
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As-17
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Noch mal: Astrologie erklärt nicht, sondern symbolisiert. Es gibt keine ‘Auswirkungen
astrologischer Natur’, und auch keine ‘astrologischen Ursachen’. Was soll das auch
sein? ‘Unter’ der Astrologie wirken bereits bekannte und noch unbekannte Kräfte der
Natur, Gesellschaft und Kultur; sie hat es mit der Zeitstruktur der Ereignisse zu tun,
nicht mit einer wie immer gearteten speziellen Ätiologie. Offensichtlich haben sich beide Autoren von modernen Lehrbüchern der Astrologie eisern ferngehalten und auch
nie mit einem gebildeten Astrologen gesprochen.
Eine moderne Begrifflichkeit der Astrologie wäre zu suchen im Umkreis systemischer
Analogien oder komplexer Darstellungen in noch zu definierenden Phasenräumen.
Natürlich kann man auch kausaldenken,wennsdennhilft;dannsolltemanabernicht
vergessen, dass astrologische Situationen stark überdeterminiert sind: mit einer einzigen Ursache kommen sie eigentlich nie aus, wie die Psychologie ja auch nicht. Je nach
Perspektive, steht jedes Ereignis in Tausenden von je ‘notwendigen’ Ursachenzusammenhängen; aber es gibt genausowenig eine absolute Ursache und eine absolute Wirkung, wie es ein absolutes Vorne und ein absolutes Hinten gibt.
Darum brauchen wir eine nicht nur standpunkt-, sondern auch blickrichtungsabhängige Statistik, wogegen die normale Statistik sich sozusagen mit jedem neu aufgenommenen Fall einmal um sich selber dreht, über 2π aufintegriert, wobei nach
genügend Umdrehungen alle zu beobachtenden Effekte nivelliert sind, bis auf pathologische, sozusagen phasenräumlich verzerrte Fälle, und das sind die einzigen, die am
Ende in Eysencks (oder Sachs’) methodischem Netz zappeln, aber nicht unbedingt die
interessanten.
Jahreszeitliche Trends (147p152f)
Prominenz
gemessen an Erwähnung in Encyklopedia Britannica und Dictionary of American
(147p152f)
(147p154)
(147p161)
Biography. Maximum verschiebt sich mit minderer Prominenz Richtung März.
Minimum um Juni/Juli. IQ ist nicht ausschlaggebender Faktor:
“Um eine hervorragende Person zu sein, benötigt man eben mehr als nur Intelligenz ... Ein hohes Energieniveau, weitgespannte Interessen und Hartnäckigkeit
scheinen wichtige Faktoren zu sein, auch ein Hang zur Exzentrizität wird oft aufgeführt.”
Nach einigen eindrucksvollen Untersuchungen zeige sich besonders für Schizophrene ebenfalls ein ausgeprägtes Februarhoch. Ähnlich für Manische und
Manisch-Depressive. Die Autoren spekulieren über einen gemeinsamen Faktor
für Februar, ohne dass ihnen aufzufallen scheint, dass dies ein ausgesprochener
Wassermann-Faktor ist, Arsch auf Eimer passenderweise:
“Eine von mehreren Erklärungen... besagt, dass die Schizophrenie besonders
häufig im Zusammenhang mit einem niedrigen sozioökonomischen Status auftritt; in einer solchen sozialen Schicht könnte es in einer kritischen Phase der
Fötusbildung während des Sommers vor der Geburt zu Ernährungsmängeln kommen.” Diese These wurde aber durch schichtspezifische Untersuchungen weitgehend entkräftet, (147p158) und man kommt auf Skurrilität/Bizarrerie usw. als
möglichen Kofaktor zurück:
“Aufmerksame Leser werden bemerkt haben, dass sowohl besonders viel hervorragende Personen als auch Psychotiker (Schizophrene und manisch Depressive)
im Umkreis des Februar geboren sind. Es kann sein, dass diese beiden Befunde
nicht unzusammenhängend sind. Seit den Zeiten der alten Griechen hat oft Genie
und Wahnsinn miteinander verknüpft, und wir erwähnten schon früher ..., dass
GenialitätundExzentrizitätzusammenzugehenscheinen.EsgibtBeweiseausempirischen Studien, dass Originalität und Kreativität mit denjenigen Persönlichkeitszügen in Verbindung stehen, die auch bei Psychosen eine Rolle spielen...
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ASTROLOGIE 2.9.2001
Wassermann!
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2001 Werner Schneider u.a.
Weniger seine Intelligenz, sondern vielmehr seine Kreativität und Originalität
sind wohl die entscheidenden Wesenszügen eines herausragenden Menschen.
Bezug zum Tierkreiszeichen Wassermann drängt sich förmlich auf, nicht bezüglich der
Prominenz, sondern der Exzentrizität, mit Originalität und Kreativität im Licht,
Schrulligkeit und Verschrobenheit im Schatten – wenn man den Daten denn trauen
kann; die Autoren selber weisen darauf hin, dass es sich um einen vom Jahresbeginn
verursachten Artefakt handeln könnte. Dann müssten die Autoren der zitierten
Studien aber schwere methodische Dusseligkeiten mit dem Datenfenster angestellt
haben, was ich kaum glauben kann!
Glaubwürdige Langzyklen, ihre Abhängigkeit von der Breite
(147p174-175)
(147p175-178)
“Seit 1735 macht die Hudson-Company Aufzeichnungen über die Anzahl der von
Trappern abgelieferten Luchsfelle. p175 Es gab riesige Unterschiede: von wenigestens 2000 Pelzen im Jahr bis 70000, und nahezu zweieinhalb Jahrhunderte lang
hielt sich der Zyklus mit einer außergewöhnlichen Genauigkeit an eine Durchschnittslänge von 9,6 Jahren...: wahrscheinlich ... eine periodische Zunahme und
Abnahme der gesamten kanadischen Luchspopulation... ähnlicher Zyklus für viele Arten wildlebender Tiere und auch für eine Anzahl anderer Phänomene, wie
das Auftreten von Herzkrankheiten...
Eine sehr auffällige Eigenschaft dieser Zyklen ist der p176 Umstand, dass in derselben geografischen Breite sämtliche Zyklen derselben Länge zum gleichen Zeitpunkt umschlagen. Ferner verlagert sich der Höhepunkt des jeweiligen Zyklus auf
einen immer späteren Zeitpunkt, je mehr man sich dem Äquator nähert, ein als
‘Breitendurchgang’ bekannter Effekt. Der zeitliche Unterschied zwischen dem
Pol und dem Äquator ist proportional zur Länge des betreffenden Zyklus und
beträgt im Durchschnitt 0,7 Zyklen. Wie die Zyklen selber harrt dieses Phänomen
der Erklärung – und es wird wie diese von modernen Forschern vernachlässigt...
Eine Folge von Zyklen ... hängt mit dem Krieg zusammen... Der einfachste dieser
Kriegszyklen zeigt alle 142 Jahre einen besonderen Höhepunkt internationaler
Schlachten, aber man hat auch drei kürzere Zyklen erkannt. Wenn man alle vier
miteinander kombiniert und sie auf einen allgemeinen Auf- und Abwärtstrend
abstimmt, kann man zu einer mathematisch definierten Kurve gelangen, die dem
tatsächlichenVorkommen der Schlachten mit recht hoher Genauigkeit folgt... p178
Einer der drei kürzeren Zyklen hat dieselbe Länge wie der kanadische Luchszyklus... Man hat auch behauptet, es gebeeinenKriegszyklusvon11,1Jahren,unddas
entspricht der Duchschnittslänge des Zyklus der Sonnenflecken...”
Noch einmal der klassische Aberglaube in aller Schönheit (gähn):
(147p197)
“Falls die Sonne oder ein anderer Himmelskörper einen Einfluss auf das menschliche Leben ausübt, muss es einen Mechanismus geben, durch den dies geschieht.
Eine bestimmte Materie- oder Energieübertragung muss stattfinden.”
Verletzung des Grund-Satzes der Wissenschaften: “Korrelationen sind keine Kausalitäten.” Es handelt sich vermutlich um viel allgemeinere Zusammenhänge. Da
grundsätzlich von überall nach überall Energie und Materie ausgetauscht wird, ist
natürlich ein triviales Körnchen Wahrheit an obiger Aussage; aber keine ‘bestimmte’
Energie gemäßt einer festen Abfolge, die die Bezeichnung ‘Mechanismus’ verdient. Irgendwelche x-beliebige rhythmische Kopplung, und sei sie noch so schwach und
scheinbar umbedeutend, kann genügen.
Sonnenflecken in Resonanz zu Planeten. (147p204)
Referenz
G.A. Dean, A.C.M. Mather & weitere 52 Autoren (1977): Recent Advances in
Natal Astrology: aber Critical Review 1900–1976 Perth
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ASTROLOGIE 2.9.2001
(147p209-211)
Mondeinflüsse
(147p230)
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Dominante planetarische Resonanz zwischen Halbsumme Jupiter/Neptun und
Sonnenfleckenaktivität. Zusätzliche Überlagerung weitere Planeten. Datenbasis:
Planetenbahnen und Sonnenfleckenaktivität über 320 Jahre hinweg.
Die Halbsumme Jupiter/Neptun bewegt sich in 22 Jahren außerhalb der Ebene
des Sonnenäquators um die Sonne. Schnitt mit dieser Ebene (ca. alle 11 Jahre):
Sonnenfleckenmaximum; Zeitpunkte größter Auslenkung aus Äquatorialebene:
Sonnenfleckenminimum. Aufsteigende Halbbahn: Flecken auf nördlicher Sonnenhalbkugel haben positive magnetische Polarität; absteigende Halbbahn: umgekehrt.
Umlaufbahnen andererPlanetenoderPlaneten-Halbsummenfallenz.T.mitHarmonischen von Jupiter/Neptun zusammen. Bemerkenswerte Tendenz der Bahnphasen: Durchquerungen von Jupiter/Neptun und solchr anderer Bahnen oft
gleichzeitig. In Ausnahmefällen geraten auch die Sonnenflecken außer Takt mit
Jupiter/Neptun: am stärksten 1770 bis 1800: “ungewöhnliche Anzahl von konkurrierenden Planetenkombinationen.”
“Galileis Meinung über die Theorie, nach der Gezeiten vom Mond verursacht
seien, lautete kurz und bündig: astrologischer Unsinn.”
Bradley, Woodbury und Brier (1962) “stellten die kombinierten Niederschlagswerte von nicht weniger als 1544 Wetterwarten in Nordamerika für eine mit dem
Jahr 1900 beginnende 50-Jahres-Periode grafisch dar und kamen in der Tat zu
einemsiginifikantenErgebnis.EsregneteamStärksteninderMittedererstenund
der dritten Woche, d.h. ein paar Tage sowohl nach Voll- wie nach Neumond. Am
geringstenwar p233 derNiederschlagimzweitenwieimviertenViertel,nämlichvor
Neu- und Vollmond.
Um ihre Ergebnisse zu überprüfen, unterteilten die Forscher die 50-Jahres-Periode in zwei Hälften und verglichen die Werte der beiden 25-Jahres-Perioden
miteinander. Die Zahlen waren sich sehr ähnlich; es herrschte ein ausgezeichnete
Korrelation zwischen ihnen: 0,8.
BrierundBradley(1964)setztendieAnalyseihrerNiederschlagsdatenfürdieVereinigten Staaten fort und entdeckten einen 14,8-Tage-Zyklus, einen halben
Mondmonat...
Adderley und Bowen (1962) führten eine ähnliche Studie für die südliche Hemisphäre durch, hatten aber die Veröffentlichung hinausgezögert, weil ‘die Mutmaßung einer Auswirkung des Monds auf den Regen einfach nicht auf die richtige
Reaktion gestoßen wäre’. Ihre Ergebnisse von 50 Wetterwarten in Neuseeland,
gesammelt für eine Periode von 25 Jahren, waren denjenigen von Nordamerika
sehr ähnlich.
Diese Arbeiten liefern Belege dafür, dass man an Hand der Mondphasen eine
erhöhte Wahrscheinlichkeit von Regen ein paar Tage nach Neu- und Vollmond
vorhersagen kann. Der Effekt ist sehr gering. Eine riesige Materialmenge war
nötig, um ihn nachzuweisen.”
“Vor über 50 Jahren beschrieb eine Stuttgarter Forscherin, Lili Kolisko p235 in
einem Buch mit dem Titel ‘Der Mond und das Pflanzenwachstum’, wie ihre neun
Jahre lang durchgeführten Experimente u.a. zeigten, dass Getriede u.a. Pflanzen,
die zwei Tage vor Vollmond ausgesät worden waren, größer wurden, als wenn sie
zwei Tage nach Vollmond gesät wurden.
... Paleg und Aspinall (1970) berichten, dass Scheinwerferlicht das Wachstum von
Gerste um drei bis vier Wochen beschleunigt.”
Zwei weitere interessante Studien finden sich bei Best (1978): “Die erste ist ein
astrologisches Experiment mit Mondzeichen und Wachstum. In Zusammenarbeit
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mit einem Großgärtner in Sussex in England legte N. Kollerstrom 24 Reihen Kartoffeln aus, und zwar zwei Monate lang jede Reihe bei einer anderen Position des
Mondes. An Hand seines u.a. Experimente, besonders einer Versuchsreihe, die
Maria Thun ausgeführt hatte, folgerte er, Kartoffeln u.a. Knollengewächse gediehen am Besten, wenn der Mond bei ihrer Aussaat in Erdzeichen stehe, nicht aber
in Wasserzeichen. Seine Kartoffeln, die unter Erdzeichen ausgelegt worden seien,
hätten einen um 25% höheren Ertrag gebracht.
Das zweite Experiment arbeitete mit den Mondphasen. Brown und Chow (1973)
führten tägliche Messungen durch und fanden dabei, dass bei ausgesäten Bohnenkernen die p263 Menge der Wasseraufnahme mit der Mondphase wechselte. Ein
Maximum gab es bei Neumond, bei Vollmond und bei jedem der beiden Halbmonde, also vier Höhepunkte im Monat. Als allerdings das Experiment auf die
Temperatur hin geprüft wurde, blieb allein das Maximum bei Vollmond signifikant.”
“Ein ... interessanter Effekt gründet sich auf elektrische Spannungsunterschiede
zwischen einzelnen Teilen von Bäumen. Der Pionier auf diesem Gebiet war Burr
(1972), ein emeritierter Anatomieprofessor der Yale University. Er nahm über
eine Reihe von Jahren hinweg gewissenhafte Messungenvor, indem er an jedem
Baum Elektroden an unterschiedlichen Stellen anbrachte. Dabei stellte er fest,
dass mehrere Faktoren die Spannungsunterschiede zwischen den Stellen beeinflussten. UnterdiesenFaktorenfandsichaucheinZyklusvon14,75Tagen,halbso
lang wie der synodische Mondzyklus. Burr arbeitete auch über Spannungsunterschiede im menschlichen Körper; das gleiche tat Leonard Ravitz (1962), ein Neurologe an der Duke-University, und beide behaupteten, Beweise für einen Mondrhythmus gefunden zu haben. Über Replikationen wurde jedoch nichts publiziert,
und solange es diese nicht gibt, können wir diese vorläufigen Ergebnisse nur als
interessante Kuriositäten sehen.”
“Es gibt zahlreiche Berichte darüber, wie manche Lebewesen vom Mond beeinflusst werden, und viele davon wurden sorgfältig belegt... Nach Wing (1962) ist der
Brutrhythmus der Rauchschwalbe auf Ascension Island einzigartig. Anderer Arten brüten gewöhnlich alljährlich zur selben Zeit, die von Faktoren wie der Temperatur bestimmt ist. Die Rauchschwalbe hat einen 9,7-Monate-Zyklus, und ihr
Brutrhythmus ist aus unbekannten Gründen auf den zehnten Vollmond abgestimmt. Die Paarung findet des Nachts unter diesem Vollmond statt, weswegen
die Einheimischen diese Tiere als die ‘wide awakes’, die Hellwachen, bezeichnen.
Nach der Brutzeit fliegen sie übers Meer weg, um zur Zeit des zehnten Vollmonds
zurückzukehren. Wing nimmt an, dass vom Vollmond ein physiologischer Rhythmus von ungefähr 9,7 Monaten ausgelöst wird.”
“Es überrascht nicht, dass die Aktivität bestimmter Meerestiere von den Gezeiten
und damit von den Mondphasen abhängt. Austern öffnen ihre Schalen bei Flut,
um sich zu ernähren, und schließen sie bei Ebbe, damit sie nicht austrocknen...
FrankBrown,ProfessorfürBiologieanderNorthwesternUniversity...führteeine
Studie durch (Brown 1954 und 1959), die gewissermaßen ‘klassisch’ wurde. Er
nahm zwölf Austern von der Küste von Long Island, Connectivut, und schaffte sie
1600 km weit in sein Laboratorium p238 in Evanston, Illinois. In ungefähr den
ersten zehn Tagen öffneten und schlossen die Austern ihre Schalen weiterhin so,
als seiensienochimmerinConnecticut.SieschienenalsodieAnnahmezubestätigen, dass sie eine innere Uhr besäßen. Doch dann verschob sich ihr Rhythmus auf
eine andere Zeit, nämlich auf diejenige von Ebbe und Flut in Evanston, wenn es
dort eine Meeresküste gäbe. (Man kann für jeden Punkt der Erde einen theoretischen Gezeitenwechel errechnen.) Nun öffneten die Austern ihr Schalen, um sich
zuernähren,wennderMondinihrerneuenHeimatgenauüberihnenstand.Daim
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Laboratorium von Evanston Licht, Temperatur und Luftdruck konstant gehalten
wurden, hatte es den Anschein, als reagierten die Tiere unmittelbar auf Gravitationskräfte, die vom Mond ausgingen, und hätten danach ihre Uhren neu eingestellt.EsgabjedenfallskeineandereeinleuchtendeErklärungfürdiesesErgebnis.
Hier lag mithin der Beweis dafür vor, dass vom weither kommende Himmelskräfte, auch wenn sie außerordentlich schwach sind, lebende Organismen beeinflussen können.
Brown hat seine Versuche auf Pflanzen und Landtiere sowie auf andere Meerestiereausgedehnt.Erwar...aneineminteressantenExperimentmiteinerRattebeteiligt, die unter gleichbleibenden Licht- und Temperaturbedingungen in einem
Käfig gehalten wurde (Brown und Terracini 1959). Wenn der Mond unterhalb des
Horizonts stand, war die Ratte doppelt so aktiv, wie wenn er über dem Horizont
stand. Dies war eine Einzelstudie, die dringend der Replikation bedarf.
Bei einem anderen Experiment (Brown und Park 1967) wurden vier Hamster zwei
Jahre lang beobachtet, wie sie ihr Tretrad betätigten (was sie nach Lust und Laube
tun konnten), wobei die Umdrehungen automatisch gezählt wurden. Die Tier
wurdenineinemRaumgehalten,dernacheinemregelmäßigentäglichenZeitplan
beleuchtet wurde. Sie hielten sich in ihrer Tätigkeit an einen klaren 24-StundenRhythmus. p239 Im Dunkeln waren sie aktiv, im Licht hingegen untätig. Die Aktivität ließ unmittelbar vor dem Einschalten des Lichts nach und stieg unmittelbar
vor dem Ausschalten des Lichts wieder an, m.a.W. die Tiere waren offensichtlich
imstande, den Lichtrhythmus vorauszusehen.
Die Experimentatoren fanden auch Hinweise auf einen Mondrhythmus, [und
zwar] schwankte die Aktivität im Verlauf der Mondmonate, wobei es vier Tage
nachVollmondzueinemMaximumundzuhohenWerteneinpaarTagenachdem
Neumond kam. Nach Brown und Park sind diese Ergebnisse äquivalent dem Umstand, dass die höchste Aktivität unmittelbar vor Mondaufgang und unmittelbar
nach Monduntergang stattfindet, d.h. zu einer ‘dunklen’ Zeit... Zwei Jahre lang
[kam es] bei den Hamstern zu immer wieder ähnlichen p240 Ergebnissen, wobei die
Korrelation 0,52 betrug, also sehr signifikant war. Es scheint daher, dass biologische Rhythmen sowohl und Sonnen- wie unter Mondeinfluss stehen. Eine
Orientierung am Mond musste bei Meeresorganismen wegen der Gezeiten eine
nützlicheRollespielen,undÜberrestedavonmögennochimmerinArtenvorhanden sein, die sich aus solchen Organismen entwickelt haben.”
“Verschiedene Forscher haben versucht, festzustellen, ob der Mond Mörder beeinflussen kann. Im Amerika analysierten Lieber und Sherin (1972) Mordakten in
Dade County aus dem Jahre 1956 bis 1970. Bei einer Gesamtzahl von 1887 Morden fanden sie einen signifikante Tendenz dahingehend, dass sie bei Neumond
oder bei Vollmond begangen worden waren... Andere Forscher konnten keinen
Zusammenhang zwischen Mord und Mond feststellen, doch Lieber verweist darauf, dass ihre Analysen sich nur mit dem Zeitpunkt des Todes befassten und nicht
mit demjenigen des Angriffs, der normalerweise nicht festgehalten sei. Dade
County sei eine glückliche Ausnahme, weil hier auch die mutmaßliche Tatzeit dokumentiert ist. Lieber und Sherin argumentieren, dass die schwache Korrelation
zwischen Mord und Mond, die sie gefunden haben, nicht mehr auftreten dürfte,
wenn man stattdessen den Todeszeitpunkt in den gleichen Mordfällen zum Bezugspunkt mache. Sie haben dieses Argument dadurch stützen können, dass sie
sich die Mühe machten und ihre Daten diesmal im Hinblick auf die Todeszeit analysierten. Der leichte Einfluss des Mondes, der sich bei der Berechnung aufgrund
der Tatzeit gefunden hatte, zeigte sich nun nicht mehr.”
“Tasso und Miller (1976) ordneten 34318 Straftaten, darunter Vergewaltigung,
Einbruch und Totschlag, nach Mondphasen ein. Bei den meisten Verbrechensar-
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ten stellten sie in der Tat eine höhere Rate zur Vollmondzeit fest, jedoch nicht bei
Totschlag und Autodiebstahl. Die Größe der Stichprobe machte den Befund signifikant, aber der Effekt war nur sehr gering.”
“Auch der Selbstmord könnte vom Mond beeinflusst sein. In fünf neueren Untersuchungen hat man Selbstmord mit tödlichem Ausgang, die zu Neu- bzw. Vollmond verübt wurden, mit Fällen verglichen, die zu anderen Zeiten geschahen.
Nach einer dieser Studien ergab sich eine schwache, nicht signifikante Tendenz zu
einer ansteigenden Selbstmordrate bei Neu- und Vollmond... (Garth und Lester,
1978). Eine ähnliche Arbeit von Jones und Jones (1977) ergab eine signifikant höhere Anzahl von Selbstmorden während der Neumondperiode, doch die Anzahl
bei Vollmond lag nur um einen Bruchteil unter der Wahrscheinlichkeitserwartung.”
“Das Gesamtergebnis aller fünf Untersuchungen zeigt insgesamt eine schwache
Tendenz, dass Selbstmorde häufiger bei Neumond oder Vollmond begangen werden.”
Eine umfangreiche Bestandsaufnahme von Gunn und Jenkins (1937) habe ergeben, dass der durchschnittliche weibliche Zyklus 29,5 Tage beträgt. Wohlgemerkt
ein Durchschnittswert, der aber verblüffen genau dem Mondzyklus von 29,5 Tagen entspricht.
“Nach R. J. Reiter (1976) wird Melatonin, das die Hormonproduktion hemmt, bei
Dunkelheit erzeugt. Es kommt zu einer Zunahme um das Fünffache bei Nacht...
Bei einem Experiment in Dewans 1967 und 1969 stellten ‘fast alle’ Frauen mit
Menstruationsunregelmäßigkeiten,dieinder14.undinder17.NachtihresZyklus
bei angeschaltetem Licht schliefen, fest, dass die Unregelmäßigkeiten behoben
waren.”
DieTheorievonEugenJonas,einestschechoslowakischenPsychiaters:einOvulationsmaximum trete dann ein, wenn sich der Geburtsaspekt von Sonne und Mond
wiederhole. “Jonas meinte, ein Geschlechtsverkehr zu dieser Zeit könne die Ovulation auslösen, was mit dem normalen Ovulationszeitpunkt zusammenfalle, aber
nicht müsse. Er behauptete, herausgefunden zu haben, dass diese astrologisch determinierte Zeit der höchsten Fruchtbarkeit für rund 80% aller Schwangerschaften verantwortlich sei.”
“Edson Andrews (1960), ein Chirurg aus Florida, berichtet, dass seine Krankenschwester stets die Daten festhielt, wenn es nach Mandeloperationen zu
übermäßigen Blutungen kam, wobei sie feststellte, dass dies häufig bei Vollmond
der Fall war. Daraufhin notierte man wesentliche Einzelheiten über alle Mandelund Polypenfälle von 1956 bis 1958, insgesamt mehr als tausend. Bei 44 der 1000
Fälle traten Probleme mit Blutungen während der Operation oder danach auf, so
dass eine besondere Behandlung notwendig wurde, etwa die Zurückholung der
Patienten in den Operationssaal. Als man die Daten dieser Fälle auf die Mondphasen bezog, bestätigte sich die ursprüngliche Beobachtung der Krankenschwester. Die problematischen Fälle häuften sich um die Zeit des Vollmonds; 82% der
Problemfälle fielen ins zweite und ins dritte Mondviertel eine Woche vor und nach
Vollmond.
Ähnliche Ergebnisse fand man in einer anderen Klinik, und zwar für 24 Fälle in
einer Sechs-Jahres-Periode. Eine Analyse von 66 Fällen blutender Magengeschwüreergabeneinähnliches,dochwenigerausgeprägtesMuster.Obgleichdiese
Resultate keiner statistischen Analyse unterzogen wurden, dürfte das Gesamtmuster eindeutig genug sein, um mehr als zufällig zu sein. Andrews war so beeindruckt, dass er schrieb: ‘Diese Daten sind für mich so schlüssig und überzeugend,
dass ich Gefahr laufe, ein Wunderdoktor zu werden und nur p263 noch in dunklen
Nächten operiere, während ich die Mondnächte den Liebespaaren überlasse.’
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Leider wartet Andrews Studie noch auf eine unabhängige Replikation. Dies ist
schade, da eine solche Wiederholung leicht durchzuführen und eine Bestätigung
von großem Wert für die chirurgische Praxis wäre. Andrews stellt auch fest, dass er
zur Vollmondzeit weniger Patienten hatte und vermutete, dass Laien davor zurückscheuen,umdieseZeitindieKlinikzugehen,weilsiemehrvondiesenDingen
wissen als die Ärzte.”
Gauquelins Ergebnisse
(147p258)
(147p259)
(147p259-260)
Gauquelin wählte in einem ersten Versuch zum Test der Bedeutung des Häusersystems “576 Mitglieder der französischen Akademie für Medizin. Doktoren, die
sich durch ihre Forschungen großes akademisches Ansehen verschafft hatten,
wurden nach objektiven Kriterien aus Ärzte-Adressbüchern ausgewählt, damit
eine Beeinflussung durch Voreingenommenheit vermieden werden konnte.”
Um statistisch unverzerrte Ergebniss zu erhalten, unterteilte er “den Tierkreis in
zwölf Abschnitte, die den astrologischen Häusern ähneln, aber nicht mit ihnen
identisch sind. Diese Unterteilung ist so angelegt, dass ein Planet, solange er keinem verzerrenden astronomischen Einfluss unterliegt, ein Zwölftel der Zeit in jedem Abschnitt verbringt. Dies bedeutet natürlich, dass bei einer gleichmäßigen
Verteilung der Geburtszeiten einer beliebigen Gruppe von Menschen 16,7% der
Geburten auf die Zeit entfallen, in der sich ein Planet in einem bestimmten Sektorenpaar aufhält. Gauquelin fand mit seiner Stichprobe aus hervorragenden Ärzten heraus, dass merklich mehr als 16,7% von ihnen geboren wurden, als sich Mars
oder Saturn in den Abschnitten nach dem Aufgang oder nach der Kulmination befanden.
Andersals viele vorangegangenem Ergebnisse zu Gunsten der Astrologie ließ sich
dieseseinenichtdurcheinenbekanntendemografischenoderastronomischenEffekt erklären. Um ganz sicher zu sein, sammelte Gauquelin die Geburtszeiten
einerKontrollgruppeausdernormalenBevölkerung,dieeraufsGeradewohldem
Wählerverzeichnis entnahm, und die in denselben Zeitspannen geboren waren
wie die Ärzte. Diese Gruppe bestätigte die theoretische Erwartung. Wie ließ sich
also Gauquelins erstes Resultat erklären? Da er sovieleastrologischeBehauptungengetestethatte,musstesichschonnachdenRegelnderWahrscheinlichkeiteine
davon früher oder später als statistisch signifikant erweisen.”
Also macht sich Gauquelin die Mühe, das Experiment zu wiederholen “anhand
einer anderen Gruppe französischer Ärzte, die in der Forschung Hervorragendes
geleistet hatten. Das gleiche Muster wie beim ersten Mal trat zutage: auch bei
dieser Gruppe von 508 Ärzten zeigte sich eine überdurchschnittliche Tendenz zu
Geburtsdaten zu einer Zeit, als Mars oder Saturn soeben aufgegangen waren oder
kulminierten.”
“Neugierig geworden, dehnte Gauquelin seine Forschungen auch auf andere Berufe und Länder aus. Er reiste durch Deutschland, Italien, Belgien und Holland,
bis er insgesamt 25000 Geburtsdaten aus Standesämtern gesammelt hatte. Von
ein paar Ausnahmen abgesehen, stellten sich weiterhin positive Ergebnisse ein.
...Zunächst beschäftigte sich Gauquelin mit dem Unterschied zwischen den
Künsten und der Wissenschaft, der in der Erziehung seit langem eine Rolle spielt.
Er stellte 5100 erfolgreiche Künstler 3647 erfolgreichen Wissenschaftlern gegenüber und fand heraus, dass Saturn p260 der Planet war, der diese Gruppen am
bestenvoneinander unterschied... Die Wissenschaftler [waren] häufiger zu Zeiten
geboren, wo dieser Planet soeben aufgegangen war oder die Himmelsmitte passiert hatte; die Künstler hingegen waren mit signifikant geringerer Wahrscheinlichkeit zu diesen Zeiten geboren. Bei ihnen zeigte sich eine deutliche Tendenz,
geradeSaturnzu meiden. ÄhnlichunterschiedlicheErgebnissestelltensichein,als
bestimmteGruppen,wieetwaSoldatenundMusiker,miteinanderverglichenwur-
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den. Die Resultate von Musikern, die auf Militärmusik spezialisiert waren, lagen
tatsächlich meist in der Mitte zwischen denen für Soldaten und sonstigen Musikern.”
In den Geburtshoroskopen von 3438 führenden Militärs war Mars statt bei den zu
erwartenden 590 in 680 Fällen in den kritischen Zonen. “Darüber hinaus war Jupiter mit 703 Fällen statt der erwarteten 572 noch deutlicher im Spiel.
Während dieser Forschungen stellte sich heraus, dass die kritischen Planetenpositionen nur bei Geburtsdaten berühmter oder hervorragender Personen in Erscheinung traten. Ebenso wie aufs Geradewohl der Gesamtbevölkerung entnommene Kontrollgruppen Resultate erbrachten, die mit den Wahrscheinlichkeitsgesetzen übereinstimmten, war dies auch bei Kontrollgruppen der Fall, die aus Positionen von Personen unterhalb der ‘hervorragenden’ Stellungen gebildet waren.
M.a.W.: für gewöhnliche oder erfolgslose Vertreter eines Berufs gab es keinen offenkundigen Planeteneffekt. Saturn nahm beispielsweise bei einer Gruppe von
1458 gewöhnlichen Wissenschaftlern nicht häufiger als nach den Regeln der
Wahrscheinlichkeit die kritischen Zonen ein. Weder Mars noch Jupiter waren in
den Geburtshoroskopen gewöhnlicher Soldaten vorherrschend.
Dies scheint zu zeigen, dass die Planeten im Zusammenhang mit Schicksal, Erfolg
und Glück stehen. Um dies zu überprüfen, entschloss sich Gauquelin, die Horoskope einer Gruppe junger Soldaten zu befragen, die durch Tod oder verkrüppelnde Verletzungen aus dem Rennen geworfen waren, ehe sie eine Chance gehabt hatten, die Stufenleiter des Erfolgs zu erklimmen. Jeder war schon für seine
Tapferkeit ausgezeichnet worden. Diese Gruppe erbrachte Ergebnisse, die denen
von Generälen und anderen führenden Militärs ähnelten. Mars und Jupiter dominierten auch hier. Dies war ein entscheidender Befund, weil er nahelegte, dass
die Planetenbeziehung nicht zum ‘Schicksal’ bestand, sondern zum Charakter
oder zu der Persönlichkeit, die für den Erfolg verantwortlich sind.”
“Beim Studium der Biografien von berühmten Sportlern stellt Gauquelin fest,
dass sie meistens etwas besaßen, dass man einen ‘eisernen Willen’ nennen könnte.
Diese Leute zeichneten sich durch Entschlossenheit, Furchtlosigkeit, Tatkraft,
Beharrlichkeit und dergleichen aus. Nachdem er zuvor gefunden hatte, dass Mars
in den Gruppen erfolgreicher Sportler dominiert, wiederholte Gauquelin nun die
Analyse, doch diesmal im Hinblick auf die Persönlichkeit. Aufgrund ihrer biografischen Beschreibungen bildete er zwei Untergruppen berühmter Sportler: die
eineGruppebestandaustypischenSportlernmit‘eisernemWillen’unddieandere
aus ‘willensschwachen’ Sportlern, die man mit Bezeichnungen wie ‘unbeständig’,
‘dilettantisch’, ‘ohne große Energie’, ‘unehrgeizig’, ‘zurückhaltend’ und dergleichenbeschrieb.ZurerstenGruppegehörtenvieleberühmteNamen,derenTräger
sichtrotzverschiedenerkörperlicherBehinderungendurchgesetzthatten,unddie
zweite Gruppe enthielt viele ‘Naturtalente’, die mit einem Minimum an Anstrengung nach oben gekommen waren; vermutlich waren ihre körperlichen Eigenschaften mehr als ausreichend, um einen Mangel an Entschlossenheit auszugleichen.” Tatsächlich “zeigte sich der ‘Marseffekt’ nur bei der Gruppe der ‘Willensstarken’. Er hatte p263 hatte nichts mit Sportlern zu tun, die eine atypische
Persönlichkeit besaßen. Der Planeteneffekt erwies sich abermals als eine Sache
der Persönlichkeit und wieder nicht als eine Sache des Schicksals.
Bei einem weiteren Versuch, Planetenpositionen unmittelbar mit der Persönlichkeit statt mit dem Beruf in Zusammenhang zu bringen, wurden berühmte Menschen nach ihren Persönlichkeiten klassifiziert, wie sie sich in ihren Biografien widerspiegelten (Gauquelin u.a. 1979). Die Probanden, 2089 Sportler, 1409 Schauspieler und 3647 Wissenschaftler wurden nach Eigenschaften wie ‘extravertiert’,
‘introvertiert’, ‘instabil’ und ‘unsentimental’ eingeordnet. Diese Persönlichkeits-
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beschreibungen wurden anschließend auf die Planetenstände zur jeweiligen Geburtszeit bezogen. Diese letztere Information war unabhängig aufhezeichnet worden p264 und wurde von der Psychologin (Sybille Eysenck), die jeden Probanden
nach den Persönlichkeitsdimensionen bewertet hattem geheim gehalten. Dieses
Verfahren (auch als ‘Blindbeurteilung’ bekannt), bei dem die beiden zu korrelierenden Variablen unabhängig voneinander bestimmt werden, stand im Einklang
mit den Erfordernissen moderner Psychologie.
...Unabhängig vom Beruf ergab sich, dass die Persönlichkeit in Zusammenhang mit
den Planeten standen, die sich in einer der kritischen Zonen befanden. Extravertierte
und unsentimentale Menschen bespielsweise waren häufig unter dem ‘Einfluss’
von Mars und Jupiter geboren, während die Introvertierten, die Zartfühlenden
‘unter’ Saturn geboren waren. Die Persönlichkeit, nicht der Beruf hatte etwas mit
den Planeten zu tun, und nur weil eine bestimmte Persönlichkeit in einem gewissen Beruf für Erfolg steht, hatte Gauquelin seine ursprünglichen Ergebnisse erzielt.
Ist es möglich, eine Liste von Charaktermerkmalen aufzustellen, die für jeden Planeten repräsentativ sind? Genau das versuchten die Gauquelins zu tun. Indem sie
Eigenschaftsbezeichnungen mit den Geburtshoroskopen der betreffenden Personen verglichen, stellten sie eine Liste von Merkmalen auf, die mit jedem der überprüften Planeten zusammenhingen. Eine Zusammenstellung der Schlüsselwörter
fürjedenPlanetenfindetsichinderTabelleunten.Dasbesagt,dasseinMenschen,
dessen Persönlichkeit durch diese Schlüsselwörter beschrieben wird, mit größerer
Wahrscheinlichkeitgeborenwurde,wennderbetreffendePlaneteheralsjederandere entweder gerade aufgegangen war oder kuliminiert hatte.
Der Planeteneffekt auf den Charakter (147p264-265)
Mars
Jupiter
Saturn
Mond
(147p267-268)
aktiv, ungeduldig, streitsüchtig, rücksichtslos, kampfbereit, mutig, dynamisch,
energisch, erregt, unermüdlich, kämpferisch, aggressiv, furchtlos, unverblümt, robust, unerschrocken, tapfer, vital, lebhaft, eigenwillig.
ungezwungen, ehrgeizig, opportunistisch, autoritär, gesprächig, durchsetzungswillig, Gespür fürs Komische, kommunikativ, gutmütig, verschwenderisch,
fröhlich, gern gestikulierend, gutmütig, unabhängig, glücklich, diesseitig, großzügig, scherzhaft, liebenswert, eitel.
förmlich, zurückhaltend, gewissenhaft, kühl, methodisch, genau, bescheiden, aufmerksam, gründlich, nicht gesprächig, präzis, nachdenklich, zurückhaltend, reserviert, vernünftig, melancholisch, furchtsam, fleißig, schweigsam, traurig.
freundlich, viele Freunde, einfach, gesellig, gutmütig, entgegenkommend, unordentlich, geistesabwesend, großzügig, fantasievoll, leicht beeinflussbar, beliebt,
weltzugewandt, nachlässig, poetisch, verträumt, hilfsbereit, ziemlich dünkelhaft,
oberflächlich, tolerant.
Bemerkenswert an diesen Ergebnissen ist, dass die mit den einzelnen Planeten
zusammengehörigen Merkmale ein sinnvolles, sich ergänzendes Muster zu bilden
scheinen.
Neue Forschungen haben auch eine Gruppe vom Merkmalen, die man mit
‘Weichherzigkeit’ assoziiert, für die Venus zutage gefördert. Versuche jedoch,
PersönlichkeitsbeziehungenmitanderenPlanetenaufzuspüren,sindbislangohne
Erfolg geblieben. Für die Sonne oder für Merkur sowie für die äußeren Planeten
Uranus, Neptun und Pluto ist keine solche Verbindung erkennbar.”
“War einer der Elternteile oder waren beide Eltern geboren, als ein Planet soeben
den Aufgangspunkt passiert oder als er soeben kulminiert hatte, dann zeigte sich
eine signifikante Tendenz dahingehend, dass auch ihre Kinder ‘unter’ diesen Planeten geboren waren... p268 Am ausgeprägtesten war der Effekt bei Mond, Venus
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und Mars, gefolgt von Jupiter und Saturn. Nicht erkennbar war er bei der Sonne,
bei Merkur und bei den äußeren Planeten... Man kann außerdem festhalten, dass
diese Studie einen Planeteneffekt für gewöhnliche Menschenen nachwies, während die vorangegangenen Studien diesen nur bei hervorragenden Personen gefunden hatten.”
GauquelinunterteiltseineFälleindiebeidenKategorien‘natürlicheGeburt’oder
‘künstlich eingeleitet’ durch Medikamente oder Zangengeburten, Kaiserschnitte.
“Tatsächlich zeigte sich der Planeteneffekt nur für die natürlichen Geburten. Dies
legt nahe, dass die Planeten weniger die Entwicklung, sondern vielmehr die natürliche Geburtszeit beeinflussen und es wahrscheinlicher machen, dass ein Menschen eines bestimmten Typs zu einem bestimmten Zeitpunkt und nicht irgendwann sonst geboren wird.
InderkonventionellenMedizinweißmannochnicht,wasdenGeburtsvorgangbeginnen lässt. Man ist davon überzeugt, dass ein komplexes Wechselspiel hormonellerEinflüssezwischenMutterundKindabläuft,dochdaseigentlichauslösende
Moment ist unbekannt. Gauquelins Arbeit zeigt eine neue Möglichkeit auf: dass
nämlich die Planeten gleichsam als himmlische Hebammen fungieren. Irgendein
von den Planeten ausgehendes Signal mag irgendwie mit dem Fötus im Mutterleib
interagieren und ihn anregen, zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Welt zu
drängen.”
Das dürfte ziemlich ins Leere gehen. Ich denke, die Erklärung ist etwas komplexer und
hat mehr mit langfristigen zeitlichen Resonanzen zu tun. Die folgende Überlegungaber
ist auch in diesem Fall von Interesse, weil er eine von den vielen, vielen Möglichkeiten
der “Verrauschung” der je grundlegenden Korrelation beleuchtet:
“Wenn der betreffende Planet eine Art Signal aussendet, das den Geburtsvorgang
einleitet, entsteht natürlich eine Zeitverschiebung zwischen dem Signal und der
dadurch ausgelösten Geburt, die von der Dauer der Wehen bestimmt ist. Diese
Zeitspanne ist unterschiedlich lang – zwischen einer Stunde und vielen Stunden.
Erstgeburten dauern im Durchschnitt neun Stunden, Zweitgeburten fünf Stunden, und nächtliche Wehen sind durchschnittlich um 25% kürzer als solche am
Tag. Dies lässt sich mit der durchschnittlichen Zeitspanne zwischen Planetenaufgang und Kulimination vergleichen. M.a.W.: selbst wenn die Geburten aller künftigen Spitzensportler in dem Augenblick beginnen, in dem sich Mars in einer speziellen Position befindet, müsste die unterschiedliche Dauer des jeweiligen Vorgangs eigentlich den Effekt soweit abschwächen, dass er so gut wie unentdeckbar
würde. Dieser Einwand verlöre an Gewicht, wenn das Planetensignal nach Beginn
der Wehen und näher am Zeitpunkt des Austritts einträfe, doch in diesem Falle
wäre es überflüssig.”
Jetzt gestatten sich die Autoren ein paar Spekulationen, die aber ziemlich hilflos
sind.
“Ein Kind tendiert dazu, unter einem bestimmten Planeten geboren zu werden,
wenneinElternteil–entwederdieMutteroderderVater–ebenfallszudieserZeit
geboren wurde. Der Befund, dass der Vater eine solche Rolle spielt, kann nur bedeuten, dass das Kind selber, nicht die Mutter, den Geburtsvorgang einleitet.
Überdies fand Gauquelin, dass sich die Aussichten eines Kindes, ‘unter’ einem bestimmten Planeten geboren zu werden, verdoppelten, wenn beide Eltern dann
geboren wurden, als sich dieser Planet in einer der kritischen Positionen befand.
Das stimmt mit den Gesetzen der Genetik überein.
Bei wieder einer anderen Analyse untersuchte Gauquelin die mögliche Auswirkung von Tagen mit magnetischen Störungen. Die Abbildung zeigt, dass Kinder mit höherer Wahrscheinlichkeit ‘unter’ demselben Planeten wie ihre Eltern
geboren wurden, wenn das irdische Magentfeld am betreffenden Tag gestört war.
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Esistnichtbekannt,wieMagnetstürmeoderdiedamitzusammenhängendenSonnenfleckenaufdieAngelegenheiteinwirkenkönnten.Eswärehöchstensdenkbar,
dass die Planeten dann, wenn sie eine Geburt stark beeinflussen, auch auf die
Sonne starken Einfluss ausüben.
Nach dem französischen Mathematiker Laplace muss das Gewicht der Beweise
zur Ungewöhnlichkeit der Tatsachen passen. Von diesem Prinzip überzeugt, erkannten die Gauquelins, dass es unerlässlich war, ihre Ergebnisse bezüglich der
Vererbung zu replizieren. Sie taten dies mit zwei neuen Stichproben, deren jede
über 15000 Eltern und ihre Kinder umfasste. (Man beachte, dass hier, anders als
bei dem meisten Replikationsversuchen, der Stichprobenumfang vergrößert statt
verkleinert wurde!) Abermals zeigte sich, dass der Effekt unabhängig vom Geschlecht des fraglichen Elternteils war, dass sich seine Intensität erhöht, wenn beide Eltern das gleiche Planeten-Erbgut haben, dass der Effekt verschwindet, wenn
es bei dem Kind um eine künstlich eingeleitete Geburt handelt, und dass sich der
Effekt verstärkt, wenn die geomagnetische Aktivität gestört ist.”
Beurteilungen und Replikationen. Irrationalismus der <Kommission Para>.
(147p274)
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“Von Anfang an übersandte Gauquelin seine Resultate zur Beurteilung an anderer Wissenschaftler. Wenige waren bereit, sich dazu zu äußern, und erst jetzt beginnen Forscher ihre eigenen Studien durchzuführen. In Belgien allerdings gibt es
ein Team aus 30 Astronomen, Demografen, Statistikern u.a. Wissenschaftlern,
eine Kommission zur wissenschaftlichen Untersuchung vermeintlicher paranormaler Erscheinungen (abgekürzt die Kommission Para). Die ausdrückliche Absicht dieser Forscher ist es, Beweismaterial zu überprüfen, von dem behauptet
wird,esbestätigedasVorhandenseinparanormalerPhänomene.IhrMottolautet:
‘Nichts wird von vornherein abgelehnt, nichts wird ohne Beweis gebilligt.’ In der
Praxis haben sie die Thesen, die sie prüften,weit häufiger widerlegen als verifizieren können.
Nach 15-jähriger Prüfung, bei der sie keine ernsthaften p275 Fehler in den Methoden und dem Berechnungen Gauquelins gefunden hatten, beschlossen die MitgliederderKommission,eineeigeneReplikationdurchzuführen...Mankam...auf
das gleiche Resultat wie früher... Jetzt stehen die Chancen, dass dieses Ergebnis
durch Zufall zu Stande kam, bei 1 zu mehreren Millionen.
Trotz dieser offensichtlich sehr erfolgreichen Replikation war die Kommission
Para nicht überzeugt. In einer 1976 veröffentlichten kurzen Erklärung gab sie zu
verstehen, die Ergebnisse könnten auch auf ein Artefakt zurückzuführen sein.
‘Die Kommission Para kann die Schlussfolgerungen aus den Forschungen Monsieur Gauquelins nicht akzeptieren, da sie auf Hypothesen basiert, in denen die
Kommission Unstimmigkeiten gefunden hat.’
Die Zweifel betrafen den theoretisch erwarteten Wert von 16,7. Nur falls die Geburtenfrequenz über alle 24 Stunden des Tages hinweg stabil sei, und nur wenn die
Geburtenfrequenz in der zu untersuchenden anstehenden Zeitspanne von 1872
bis 1945 stabil gewesen sei, sei dieser theoretische Wert immer richtig. Doch darin
darf man einen sehr schwachen Einwand sehen, da jede Abweichung von jenen
‘idealen’ Bedingungen nur einen geringfügigen Unterschied bewirken könnte.
Darüber hinaus übersah die Kommission Para, als sie ihren Einwand vorbrachte,
den Umstand, dass Kontrollgruppendaten p276 für 717 gewöhnliche Sportler und
für verschiedene andere Gruppen zur Verfügung standen. Diese Materialien
haben jedesmal Ergebnisse erbracht, die sehr nahe an den theoretisch erwarteten
Wert von 16,7 herankamen.
Verschiedene andere Kritiker haben angemerkt, dass sich die tatsächliche Geburtenverteilung für die Zeitspanne, in der sich ein Planet in einer der beiden kritischen Positionen befinde, lediglich schätzen lasse. Man könne sie nicht exakt be-
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stimmen, ohne die genauen Geburtszeiten einer völlig zufälligen Stichprobe aus
der allgemeinen Bevölkerung tabellarisch zu erfassen. Doch wie die Kommission
Para haben diese Kritiker die verfügbaren, von Gauquelin zusammengestellten
Kontrollgruppen übersehen, die sämtlich eine Zahl in der Nähe der theoretisch
abgeleiteten erbrachten. Es dürfte kaum notwendig erscheinen, ihre Stichhaltigkeit noch weiter zu erhärten.
p276-277
)
Die Verleger des Humanist, die ... den Behauptungen Gauquelins sehr kritisch ge(147
genüberstanden, einigten sich darauf, einen Universitätsstatistiker heranzuziehen, der als Schiedsrichter bei der Auseinandersetzung fungieren sollte. Der für
die Tätigkeit ausgewählte Marvin Zelen (1976) schlug einen endgültigen Test vor,
der den Einwand der Kommission Para berücksichtige... In Reaktion auf das Angebotdes Humanist,dieErgebnisseeinessolchenTestszuveröffentlichen,wieimmer er ausgehe (bislang hatte man nur Kritiken an der Astrologie publiziert)”,
führten die Gauquelins diesen Test durch, der zu einer ganz klaren Bestätigung
ihres Planeteneffekts führte. p277 Trotzdem “entschied The Humanist, die Kommission Para noch eine weitere Untersuchung durchzuführen. Man wollte erkunden, ob sich der Mars-Effekt auch US-Sportlern replizieren ließ.”
Aufgrund des US-Privacy-Act wurden ihnen nicht genug Unterlagen zur Verfügung gestellt; man erhielt für eine kleine Stichprobe einen knapp signifikanten Effekt, vergrößerte ihn dann durch “viele Sportler, die merklich unter internationalem Rang lagen. Für die Gesamtgruppe ... ergab sich kein signifikanter Mars-Effekt. Das Kommittee kam zu einer negativen Schlussfolgerung.”
p278
Darüber hinaus hatte diese Untersuchung beträchtliche methodische Mängel: die
(147 )
künstliche Geburteneinleitung, die zur Routinesache geworden war, war zu
berücksichtigen; und wenn man dies tat, zeigte sich der Marseffekt wieder. Ferner
unterteilten die Gauquelins die gesamte Stichprobe “in sehr erfolgreiche und weniger erfolgreiche Sportler und fanden abermals, dass der Marseffekt auf die sehr
erfolgreichen beschränkt blieb. Er lag signifikant höher für 88 hervorragende
Sportler als für die übrigen 320, die zwar gut, aber nicht ganz bis zur Spitze vorgedrungen waren...
Angesichts der Schwierigkeiten bei der Datenbeschaffung für hervorragende
Sportler aus den Vereinigten Staaten entschlossen sich die Gauquelins, auf eigene
FaustnocheinenweiterenReplikationsversuchzuunternehmen”–wiedermitpositivem Resultat.
“Es bleibt festzustellen, dass die Replikationen der Gauquelins selbst gut geplant
(147p279)
und durchgeführt waren, dass man das aber nicht von den von anderen durchgeführten Replikationen sagen kann.”
Palmström und die Gauquelins
Ein paar Worte über die Kritiker der Gauquelins, “besonders über die mit natur(147p279-280)
wissenschaftlicher Ausbildung. Wir haben festgestellt, dass die Kritiker keineswegs die Objektivität erkennen ließen, die man allgemein von Wissenschaftlern
p280 erwartet, sondern dass sie alle daran setzten, um Voreingenommenheit, Vorurteil und Feindseligkeit zu demonstrieren. Vieles am Verhalten der Kritiker war
moralisch nicht vertretbar. So entschied sich, um die belgische Kommission Para,
die Ergebnisse Gauquelins widerlegen wollte, gegen die Veröffentlichung ihres
vollständigen Berichts, als sich zeigte, dass dessen Befunde für die Gauquelins
sprachen. Dies ist ein sehr ungewöhnliches Verhalten im wissenschaftlichen Diskurs. Daher haben wir unsere Erkenntnisse über die Ergebnisse der Kommission
hauptsächlich aus Zitaten und Erörtungen bei Gauquelin. Obwohl wir nicht bezweifeln, dass diese Zitate korrekt sind (andernfalls hätte die Kommission sicherlich ein Dementi veröffentlicht), hätten wir es natürlich vorgezogen, in den Kommissionsbericht Einsicht zu nehmen.
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AuchdasamerikanischeKomiteeerhobgewissestatistischeEinwändeundeinigte
sich mit den Gauquelins darauf, dass deren Ergebnisse anzuerkennen seien, wenn
jene Einwände berücksichtigt seien. Die Gauquelins sammelten eine große Menge an Material, das die gestellten Bedingungen erfüllte, und kam zu Ergebnissen,
die ihren bisherigen Aussagen völlig entsprachen. Dennoch weigerte sich das Komitee zuzugeben, dass die Gauquelins ihre Sache bewiesen hatten. Dies ist abermals eine ungewöhnliche Verfahrensweise in der Wissenschaft, die nicht gerade
für das Komitee spricht. Eine vollständiger Darstellung dessen, was sich bei dieser
spannenden, aber unglücklichen Episode hinter den Kulissen abspielte, haben
Rawlins (K48) und Curry (89) gegeben. Falls diese Berichte wahr sind, hat das Komitee allerlei zu erklären.”
Die Autoren Culver und Ianna (1979) ergehen sich in unfairer und verzerrter Berichterstattung. Die Autoren erwecken den Eindruck, es seien “Fehler begangen
worden, wo es in Wirklichkeit keine Fehler gab.” Vage methodische Einwände
verunsichern den Leser.
“Wir hatten sorgfältig die Argumente in Zusammenhang mit der statistischen Beurteilung und der Planung der Experimente geprüft und haben mit großem Interesse die Auseinandersetzung zwischen den Gauqelins und ihren Kritikern über
verschiedene Punkte verfolgt. Wir sind zu der definitiven Schlussfolgerung gelangt, dass diese Kritiker oft irrational p282 und in wissenschaftlich unzulässiger
Weise argumentiert haben; dass sie Prinzipien verletzten, die sie selber aufgestellt
hatten; dass sie die Gauquelins weder über die Details durchzuführender Tests
konsultierten noch über wichtige Punkte der Ergebnisse informierten. Ähnliche
Versäumnisse haben wir bei den Gauquelins nicht festgestellt, die sich offenbar
gelassen, rational und wissenschaftlich akzeptabel gehalten haben, die auf Kritik
dadurch eingingen, dass sie das Material auf angemessene Weise nochmals analysierten, dass sie neue Daten sammelten, wie mühsam das Verfahren auch sein
mochte, und dass sie sachlich argumentierten. Wir glauben nicht, dass die Gemeinschaft der ‘Wissenschaftler’ mit vielen Lorbeeren aus dieser Gegenüberstellung hervorgeht.”
Anhaltender Streit um die Daten: Carlson (64) vs. Gauquelin
(463p290)
Seymour:
Anthony Garret stellt in einer Besprechung einer früheren Auflage von Percy Seymours magnetischer Theorie der Astrologie (463) Carlsons Untersuchung der von
Gauquelin entgegen:
“Es hat in der Astrologie nur einmal einen Doppelblindtest unter Mitarbeit von
Astrologen gegeben, [nämlich Carlsons], und dieser besitzt daher große Bedeutung. Der Test ergab, ‘dass das Experiment die astrologische Hypothese klar verneint’.Vondaheristesirritierend,dassSeymourdiesinzweiAbsätzenabtut...Der
Blickwinkel ist so eingeengt, dass man durchaus schließen könnte, Seymour verfolge eine persönliche Leidenschaft.”
WS Soll jetzt ne fiese Unterstellung sein, ist aber in Wirklichkeit unbedingte Vorbedingung
für kreative, innovative Wissenschaft. Könnte Seymour auf sich sitzen lassen: Leidenschaft (euphemisch: Idealismus, Engagement) und Tunnelblick (euphemisch: Konzentration aufs Wesentliche) sind wesentliche Zutaten jeder wissenschaftlichen Pionierleistung, lehrt die Wissenschaftsgeschichte von Kepler bis Einstein.
Und in der Tat deckt Gauquelin das Wesentliche ab, und Carlsons Untersuchung ist
reichlich peripher . . . Seymours Haltung ist also gut rational begründbar; wahre Leidenschaft schärft den Tatsachensinn . . .
“Ich hatte den Befunden der Carlson-Studie (64) keine große Bedeutung zugemessen, (463p128) da die Studie im Wesentlichen Persönlichkeitsmerkmale, die
subjektiv von Astrologen aus dem Geburtshoroskop vorhergesagt waren, mit
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(463p290-291)
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Persönlichkeitsmerkmalen verglich, die sich aus einem Standard-Persönlichkeitstestergaben.DadassubjektiveUrteilderAstrologeneinfloss,zeigtdieStudienur,
dass die traditionellen Astrologen nicht in der Lage waren, aus Geburtshoroskopen Persönlichkeitsmerkmale richtig abzuleiten.”
Seymour zitiert aus einem “Leserbrief von Eysenck in der astrologischen Forschungszeitschrift Correlation vom Juni 1986” über Carlsons Studie:
“Der jüngst in der Nature (Band 318, 1985 p419-425) erschienene Artikel eines jungenPhysikers,ShawnCarlson,beschreibteinsehrsorgfältigdurchgeführtesExperiment über die Aussagekraft der Astrologie. Der negative Ausgang dieser Studie
ist oft zitiert worden und scheint besonders eindrucksvoll, p291 wenn klar wird, dass
der gesamte Ablauf des Experiments von den teilnehmenden Astrologen gutgeheißen wurde. In Wirklichkeit illustriert das Experiment die Gefahren, wenn ein
psychologisches Experiment durchgeführt wird (und jedes Experiment, das mit
Persönlichkeitsvariablenarbeitet,istnotwendigeinpsychologischesExperiment),
ohne dass erfahrene Psychologen die hierfür relevanten Anteile des Experimentdesigns übernehmen. Sowohl in der Liste der Menschen, die den Autor berieten,
alsauchindenReihenderAstrologen,diedemVersuchsentwurfzustimmten,fällt
das Fehlen erfahrener Psychologinnen auf.”
Tscha, wir Physiker, wir könn’ halt alles . . .
Der angewandte Test sei bestenfalls zweidimensional:
“Der CPI (Californian Personality Inventory) ist ein bekannter und weithin gebräuchlicher Persönlichkeitstest, aber er wurde a priori konstruiert und nicht auf
der Basis einer sauberen Korrelations- und Faktorenanalyse. Solche neuerdings
durchgeführten Analysen zeigten, dass die meisten aus der Vielzahl der Testabläufe von nur zwei Faktoren getragen sind: Neurose-Stabilität und Extraversion-Introversion. Das entspricht dem Gesamtvermögen des Tests, verschiedene
Verhaltensmuster vorherzusagen. Insofern liegt bereits im Test ein Mangel, der
entscheidend sein könnte.”
Und nicht einmal die Abdeckung dieser beiden Dimensionen sei experimentell
abgesichert worden:
“Wenn schon der CPI benutzt werden musste, hätte den teilnehmenden Astrologen und Studenten eine lange Zeitspanne des Übens zur Verfügung gestellt werden sollen; ohne diese Trainingsphase mussten sie genauso unfähig sein, die Ergebnisse zu deuten, wie ein Studienanfänger, der durch ein Mikroskop schaut,
ohneirgendeineAnweisungerhaltenzuhaben!InderTatzeigtdieArtundWeise,
wie das ganze Experiment entworfen und von den Astrologen gutgeheißen wurde,
deutlich, dass beide Seiten psychologisches Fachwissen als vernachlässigbare
Größe ansahen. [Tscha...] Sie hatten offenbar das Gefühl, dass jeder von ihnendie
Ergebnisse von Persönlichkeitstests genauso sicher prüfen, interpretieren und
auswerten könnte wie ausgebildete Psychologen. Dies mag ein weit verbreiteter
Glaube sein, ist aber nichtsdestoweniger ein Irrtum.”
Dagegen wählte Seymour “einen Aspekt von Gauquelins Arbeit, der bis heute die
objektivsten Daten in diesem Feld repräsentiert” , nämlich die Vererbung ausgezeichneterPlanetenstände(breitereempirischeBasis,unverzerrtereDaten,leichtere Reproduzierbarkeit).
Mythische Zeit und Schwingungsphysik WS 15.3.97
Frappante formale Analogien zwischen Horoskopie und Polstellenanalyse von
Zeitsignalen fielen mir bereits vor 16 Jahren (1981) auf, und es ist mir damals immerhin gelungen, schwingungsphysikalisch vorgebildete Physik-Kommilitonen
zumindest hellhörig zu machen. Das Schöne an der Polstellenanalyse ist, dass sie
auch funktioniert, wenn man überhaupt kein physikalisches und auch kein
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Musik
Resonanz
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sonstiges kausales Modell für das Zustandekommen der analysierten Zeitsignale
hat: es erlaubt eine hypothesenfreie Analyse. Die mathematische Methode entspricht einer linearen Regression, bzw. der Bestimmung innerer (partieller) Korrelationen des Zeitsignals.
Diese Hypothesenfreiheit verleitet die Psychologen leicht dazu, aus ihren Daten
alle möglichen Variablen herauszulesen, deren individuelle Interpretation zweifelhaft erscheint. Wir bleiben auf der methodisch sicheren Seite, wenn wir die DatenalsGanzeswürdigen,solangewirnichtdochModellefürihrZustandekommen
aus anderen Evidenzen ableiten können.
Im Falle der Astrologie heißt das: nicht das einzelne Individuum ist das Entscheidende, sondern der gesamte Kosmos, in dem er lebt. Das Ding nennt man, glaube
ich, “Welt”. Das Horoskop spricht also nicht über den isolierten Menschen, sondern immer über die gesamte Welt, gesehen von diesem Menschen. Es ist wirklich
ein Allmodell! Individuelle Interpretation der analysierten Rhythmen ist erlaubt
undeinvielversprechenderAnsatz,wennmangenetischeModellefürsiehat,oder
wenn man, wie im Falle des hie und da bewussten Menschen, in diese Rhythmen
eingreifen kann, möglicherweise nur durch schlichtes Beachten.
Man führe irgendein “reserviertes Ereignis” ein, das dem entsprechenden Rhythmus möglichst zwanglos zugeordnet werden kann. Im Prinzip ist das egal (obwohl
wir in der Realität Symbole und Ikonen wählen). Man führe z.B. in den Abständen
der Fundamentalperiode des Rhythmus Kopfstände aus – eine Art Einheits-Signal, welches diesen Rhythmus eindeutig und klar markiert; also etwas, was klar abheben lässt von allem anderen, was man so den lieben langen Tag über treibt. Dies
ist einer der Hintergründe für regelmäßig wiederkehrende Zeremonien aller Art,
überhaupt für jede Art der Regelmäßigkeit. Die Disziplin ist hier kein Wert an
sich, sondern eine gesellschaftliche Abstimmung zur Kommunikation: eine Codierung. Die durch klare Einheitssignale markierte Fundamentalfrequenz – sozusagen die Idealmode – spielt, um einen naheliegenden Vergleich zu wählen, die
Rolle einer Trägerfrequenz.
Man betrachte die Musik. Hier gibt es viele Möglichkeiten, die Zeitstruktur zu
markieren; klassische Aufgabe des Schlagzeugs: der Grundbeat. Der Takt kann
aber auch vollständig off beat markiert werden.
Unterstellenwirobjektiv,mitBlickaufdie(Kosmo-undChrono-)Biologiemituns
noch unbekannten evolutionären Anpassungen: es gibt eine objektive Grundlage
dieser Rhythmen. Das heißt nicht, dass diese Rhythmen manifest, präsent, sein
müssen. Ich kann die verschiedenen Resonanzen eines Musikinstruments genau
angeben; sie sind durch das Instrument objektiv definiert; aber solange niemand
das Instrument spielt, sind sie nicht da. Nun kann ich das Instrument auf zweierlei
Art spielen: ich kann hineinblasen, Tasten betätigen, sozusagen das dem Instrument zugedachte Eingangssignal benutzen: meistens ein Delta-Puls, ein RauschenodereinanderesSignalmitweißemSpektrum.Oderaberichkannineiniger
Entfernung einige der Töne, die ich analysiert haben, erklingen lassen. Dann
kommt der Eysenck und schreit “Gemogelt! Der wusste ja Bescheid! Die kennen
ja die Astrologie und ihre Soll-Eigenschaften!”
In einem Punkt hinkt der angedeutete Vergleich: um eine Geige durch Resonanz
zum Klingen zu bringen, müssen die energetischen Kosten ganz vom Erreger getragen werden. Eine Geige ist ein gedämpftes lineares System, d.h. die gute Energie verschwindet in einer Senke und muss darum ständig nachgeliefert werden.
Die Systeme, von denen wir hier reden, sind nichtlineare, dissipative Systeme mit
eigener Energiequelle; d.h. die Energie des Erregers spielt praktisch keine Rolle;
wichtig sind korrelative Beziehungen zwischen Erreger und Eigensignalen. Die
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ASTROLOGIE 2.9.2001
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“Resonanzen” sind Grenzzyklen oder Attraktoren selbsterregter dynamischer
Systeme. “Nicht-lineare Phasenkoppelung” (nonlinear phase locking) →A7
Formenreichtum und Ähnlichkeit der “Zeitgestalten” ist wichtiger als die einzelnen kausalen Wechselwirkungspfade und die bei der Wechselwirkung ausgetauschte Energie. Wichtig ist, dass die Zeremonien zur richtigen Zeit im richtigen
Rhythmus ausgeübt werden! Nur bei den Planeten am Himmel dürfen wir unterstellen, dass sie die erforderliche Genauigkeit auch ohne menschliche Nachhilfe
schaffen, aufgrund ihrer riesigen Bewegungs- und Gravitationsenergien: die rein
“mechanisch” gegründete Wirkung schierer Masse.
Ein Attraktor im Phasenraum ist ein typisches Beispiel für eine “Raum-Zeit-Gestalt”!
Ichmussdieentscheidenden,“versklavenden”Moden(Trägerfrequenzen)finden
und mich mit ihnen in Verbindung setzen. Um auf der Tagfrequenz zu senden,
genügt es vielleicht, wenn ich jeden Tag pünktlich um 17h31, radio controled universal time, zum dritten Fenster hier gehe, das aufmache und in genau gleichem
Rhythmus und Tonfall sage: Abrakadabra! (Wobei möglicherweise gerade die
kleinen unwillkürlichen Abweichungen die eigentliche Botschaft sind – nicht anders als bei einem modulierten Radiosignal!)
Ich könnte irgendetwas anderes sagen, etwas anderes tun, wichtig wäre nur die
Herstellung einer möglichst reinen, starken Linie, und das tue ich nicht, indem ich
sehr laut spreche, sondern indem ich alles, was ich tue, so präzise wie möglich wiederhole,umeinemöglichstformenreiche,unddamitunverwechselbare,möglichst
einmalige Zeitgestaltherzustellen.IchsolltedieselbenHandbewegungenmachen,
ja sogar dasselbe dabei denken!
Vielleicht bietet das Denken den größten Formenreichtum an Zeitgestalten: die
rhythmische Wiederholung derselben Gedanken kann theoretisch die stärkste
Trägerfrequenz aufbauen. Rein theoretisch, versteht sich; wer ist schon Herr der
eigenen Gedanken ...
Wer seinen Sprechapparat einigermaßen beherrscht und eine Lautfolge wie
“Abrakadabra” bis auf Hunderstelsekunden genau wiederholt, reproduziert dabei zwangsläufig ein ganz bestimmtes neuronales Muster!
Diese Fähigkeit zur Reproduktion von Mustern ist der Anfang der Kunst der
Kommunikation mit den ‘Göttern’: wie das Zeichnen einer geraden Linie für den
bildenden Künstler, oder das Hervorbringen eines klaren Tones für den Geiger:
der Anfang der Kunst!
Komplexe Signale mit möglichst vielen Variablen. In möglichst ähnlicher Weise
reproduzieren. Abweichung=Modulation=Botschaft: Beeinflussung der Götter
oder durch die Götter. Das heißt in dieser Welt einen starken Einfluss ausüben;
nicht: schiere Intensität.
Genauigkeit und Individualität, formenreiche Ereignisse. Zeremonielle Magie.
Meditation (und immer schön an die Cargo-Kulte denken!).
Es ist klar, dass man ein so herauspräpariertes und konfiguriertes, lange geübtes
Ritual nicht ohne weiteres an andere weitergibt, weil die sich dann ja in den Funkverkehr einschalten und durch ihre Interferenzen möglicherweise die Verbindung
unbrauchbar machen.
Oder ich muss mich mit ihnen verabreden. Na schön! Funkuhren sind wunderbar,
da sind wir sogar besser dran als die Steinzeitler. Aber wie konnten sich die Menschen früher synchronisieren? Sich zeitlich koordinieren und reiche kollektive
Zeitgestalten aufbauen? Anregungen und Moden aufeinander und die Natur abstimmen?
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ASTROLOGIE 2.9.2001
Timing
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Timingistsehrwichtig.Unübersetzbar;“pünktlich”istnurinseltenenFällengutes
Timing. Der Begriff entstammt nicht dem Management, sondern der Choreografie.
Astrologie findet man also nicht nur in der Natur vor, sondern man legt es – erfolgreich – in sie hinein. Es scheint schwer, glaubhaft zu machen, dies sei erstens
möglich und zweitens einigermaßen stabil: Zeit erscheint uns ein zu flüchtiger
Tanz. Aber kulturell neu gegründete (oder domestizierte natürliche) Rhythmen
erlangen vielfache Verankerung in biologischen, jahreszeitlichen, physiologischen, zellularen Periodizitäten; in Vegetations- und Populationszyklen, in die
man auf subtile Weise eingreifend drastische und u.U. stabile Modifikationen einbringen kann: eine “relative Autonomie”, eine gewisse Selbst-Ständigkeit.
Unser rationales Zeitalter, das nur die von der Naturwissenschaft erkannten, sehr
weitmaschigen kausalen Wirkungsnetze auswirft, und alles, was sich nicht in diesem groben Netze verfängt, als zufällig und irrelevant ansieht, unterschätzt den
Macht- und darum auch den Verantwortungsbereich des Menschen über die Natur gewaltig. Das ist sehr bequem, aber ein ungeheurer Mangel an Verantwortungsbewusstsein. Wiegen wir uns nicht in Sicherheit! Unterschätzen wir nie den –
überweiteStreckenstrukturierten–EinflussdesMenschenaufdengesamtenPlaneten. Nicht wir Moderne erfanden die Globalisierung, sondern unsere afrikanischen Urahnen, als sie vor 150 Kilojahren vom Viktoriasee aufbrachen, begannen
das Antlitz der Erde irreversibel und in großem Maßstab zu verändern. (277)
VielleichtlebenheutesovieleMenschen,wievordenheuteLebendenjegelebthaben. Dann hat die heutige Weltbevölkerung in etwa denselben ”Wirkungsquerschnitt” mit der Natur, wie alle unsere Vorfahren zusammen.
Was heute Milliarden von Menschen in ein paar Jahrzehnten wirken, wirkten vielleicht früher ein paar Hunderttausend in ein paar Jahrzehntausenden. Hier wird
Zeitwirkung und Scharwirkung numerisch gleichgesetzt, eine Art kulturelle Ergodenhypothese, die wahrscheinlich so nicht gilt. Ich nehme eher an, dass früher der
Wirkungsquerschnitt der Einzelperson mit der sie umgebenden Umwelt größer
war: heute sind viele Menschen gleichgeschaltet, es gibt durch politische Macht
hoher Reichweite künstlich korreliertes Verhalten, gleichzeitig wurde in neuerer
Zeit durch gesellschaftliche Organisation der Pflegebedarf der Natur für einige
Zeit verringert. Die Technik hat uns – zumindest für gewisse Zeit – unabhängig
von zahlreichen natürlichen Variablen gemacht, so dass diese nicht mehr beachtet
werden, anders herum formuliert. Das geht nicht mehr lange!
Das Resultat der Wirkung ist eine tiefgreifende Umgestaltung der Umwelt (Gestaltung der Welt), die in der Steinzeit tiefgreifender war als heute. Die Paläolithen werkelten aber weniger “per Schar”, sondern “per Zeit”, buchstäblich
“auf dieDauer”.DasistdieVoraussetzungeinerstabilen,reichstrukturiertenGestaltung des Zeitgefüges.
Astrologie als Konstruktion
Der Mensch griff in natürliche Abläufe ein, veränderte sie und musste sich rückwirkend wieder darauf einstellen. Wir dürfen unterstellen, dass die ersten Jahrzehntausende seiner Existenz (vielleicht 160-120 KJ v.h., und während der Jahrhunderttausende der Evolution seiner Hominidenvorfahren) dies noch über biologische Evolution vermittelt wurde: Eigner von unpassend zeitfilternden Hirnen
waren im scharfen Wettbewerb benachteiligt), dann in zunehmendem Maße via
Kultur.
Inwieferndies“bewusst”oder“unbewusst”erfolgte,isteinekniffligeFrage;sicher
ist, dass Bewusstseinsfunktionen selektiert wurden, und damit Typen von Bewusstsein. Hat das Bewusstsein ein Bewusstsein seiner Funktionen oder seines
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Zeitungshoroskope
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Typus?ZweifellosdecktunserSelbst-BewusstseinnichtdasganzeBewusstseinab.
Wahrscheinlich wird die Selbstwisserei irgendwo so problematisch, wie sich auf
den eigenen Schoß zu setzen, vermeldet unser philosophischer Urin. Meine Vermutungist,dassdasSelbstbewusstseindesMenschenderModerneingewissekognitive “Richtungen” so weit geht wie noch nie, aber, über alle Richtungen integriert, einen kleineren Raum abdeckt als bei einigen Angehörigen älterer Kulturen. Chance, kein narzisstisches Problem! Was könn’wa heute alles können!
Uns interessieren hier die Einflüsse auf die Zeitgestalten, die gut auf astronomischebzw.kalendarischeRhythmenpassenbzw.sichpassenlassen;dennesdürften
die wichtigsten und verbreitesten sein. Astronomische Rhythmen bieten eine
Menge Vorteile, an denen weder die biologische noch die kulturelle Evolution
vorbeigehen würde: ihre große Zuverlässigkeit und zeitliche Stabilität; die Möglichkeit interkontinentaler Koordination, so dass die Menschenwesen mit wachsender Verbreitung ihren Einfluss immer kohärenter ausübten, was wiederum der
Stabilität und Vorhersagbarkeit für die ganze Spezies verbesserte: es gewährleisteteine globale Koevolution der Menschen über den ganzen Planeten hinwegzum
gemeinsamen Vorteil. Die schwer beeinflussbaren astronomischen Rhythmen
sind ein stabiles Felsenfundament zur Errichtung hochkomplexer Zeitgefüge.
Wir reden hier von der Konstruktion der Astrologie wie von der Konstruktion der
Eisenbahn. Natürlich könnten wir auch von der Evolution der Eisenbahn reden:
dieistjakeineKopfgeburtfleißigerPlanerdergöttlichenDeutscheBahnAG,sondern entstanden in langer Evolution/Koevolution von Inland und Ausland, Landschaften, Besiedelungen, technischen Randbedingungen, zivilisatorischen Errungenschaften, wirtschaftlichen Erfordernissen, Streckennetzen, Fahrplänen, Lebensgewohnheiten, usw. usw. Zwischendurch waren immer wieder planerische
Episoden geschaltet, die in der Gesamtsicht der Eisenbahnevolution wie zufällige
Mutationen gesehen werden können. Welche Unmengen an Fehlplanungen und
letztlich nicht erhaltenen Abänderungen und Ergänzungen mag es gegeben haben, die “sich auf Dauer nicht durchgesetzt haben”. Wie etwa vom Transrapid
schon jetzt abzusehen.
Die kurzfristigen, (zumindest scheinbar) “rein kulturell” bedingten Rhythmen
und “Moden” sind das zeitliche Kurzzeitgedächtnis der Kultur; auch für sie dürfte
dieAstrologieOrientierungs-undBeeinflussungsmöglichkeitenbereitgestellthaben. Dieser Teil der kulturellen Infrastruktur dürfte heute aber ziemlich vergammelt sein. Zumindest im Kalender finden sich Verankerungen für Frequenzstrukturen: Woche und Monat (Mond); Festtage, Namenstage (Sonne); Ostern und
Pfingsten (Sonne und Mond); Semesterstruktur (Merkur); Schulzeit (Jupiter),
Lehr- und Ausbildungszeit (Mars, Jupiter). Das kulturelle Zeitgefüge enthält
zahlreiche astronomische Rhythmen; diese werden, wenn auch ziemlich “mechanisch”, immer noch bedient, und zumindest als “Trägerfrequenzen” am Leben gehalten.DochkaumeinertrinktausdemBrunnen:dannwürdeererstrichtiglebendig!
Systematische semiotische Analyse der Zeitungshoroskope und ihrer Rezeption
würde sicher lohnen. Sie lösen zwar nur grob auf, so dass individuelle Wirkungen
lediglich Zufallstreffer sind (Woche im Zeitbereich, Dekade oder Tierkreiszeichen im Frequenzbereich); aber durch entsprechende Wichtung der angestoßenen Themen kann im Kollektiv eine höhere Genauigkeit erreicht werden
(per Interpolation), und damit eine gewisse kollektive Pflege der involvierten Planetenrhythmen – abhängig davon, welche Planeten die lieben Unterhaltungsastrologen in ihre Horoskope einbringen.
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Verantwortung
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Wie haltet ihrs damit, liebe Unterhaltungsastrologen? Wie ernst nehmt ihr selber
euer Geschäft? Eins scheint mir nach eigenen Erhebungen gewährleistet: die Ratschläge sind auf die Dekaden des Tierkreises abgestimmt; das bedeutet eine Verstärkung des (ohnehin prominenten) tropischen Jahresrhythmus (astrologisches
Symbol: Sonne). Aber schauen die sich auch die jeweiligen PlanetenkonstellationenanundvergleichensiemitderDekadensonne(commeilfaut)?Oderziehen
die sich das aus dem Hut oder saugen an den Fingern, nach dem dritten Schluck
Rotwein?
Wie der in journalistischen Belangen sachkundige Kollege Roland Epper mitteilt,
sind zumindest die in Boulevard-Zeitungen veröffentlichten Horoskope wohl
eher nach der Rotwein-Methode entstanden. Ich stimme aber mit Roland darin
überein, dass ein paar Glas Rotwein ein prima Steigrohr zum kollektiven Unbewussten sein können ...
Im ersten Falle werden sicher alle Planetenrhythmen in das Horoskop-Angebot
eingespeist. Im anderen Falle haben wir noch nicht ganz verloren. Wenn nämlich
der Rotweintrinker kein Vollscharlatan ist, sondern sich wirklich lange genug mit
Astrologie beschäftigt hat, und sei es auch relativ oberflächlich (wir unterstellen:
Astrologie ist eine mächtige Oberfläche!), dann weiß er vielleicht nicht, was er tut,
aber die Astrologie wird es wissen. Seine Ratschläge, auch aus dem dritten Bierglas erkuckt, werden den von ihm erkannten oder erahnten Rhythmen folgen, und
eine – zwar etwas lallende – Version der Planetenrythmen geht in Druck.
Mit der Rezeption haben wir keine Probleme. Nur sehr intellektuelle Zeitungen
leisten sich den Luxus, kein Horoskop zu drucken; täten sie es, sie würden glatt gelesen. Das genügt! Keiner muss dran glauben oder sich gar danach richten; das
wäre sogar sehr töricht, denn die Chance, dass selbst die astrologisch korrekteste
Vorhersage zutrifft, beträgt etwa 3 bis 10%. Macht auch keiner. Nur wenn sie gestimmt hat oder voll daneben lag, wird der Leser darauf reagieren und etwas mehr
“Wind machen”. Ansonsten dürfen wir leichte unbewusste und über die Geburtszeit lose über das Kollektiv korrelierte Änderungen im Verhalten erwarten; vergessen wir nicht, dass im Hinterkopf noch die steinzeitlichen Uhren und Symbole
ticken und ineinandergreifen. Die Menge, die Regelmäßigkeit und die Dauer macht
(Zeitungshoroskope gibt es so lange, wie es Zeitungen gibt!) den Effekt; und die
aufgeprägte spektrale Phasenkorrelation gibt ihm die jahrtausendalt bewährte
Zeitstruktur.
Also, ihr Zeitungshoroskopautoren: nehmt eueren Job mal ernst. Das ist nämlich
leichter, als sich was aus den Fingern zu saugen! Dann pflegt ihr uraltes, faszinierendes Kulturgut!
Esgibtkeine“unbelasseneNatur”,seitderMenschaufdemPlanist.Keinefalsche
Objektivitäts-Ideologie und keine falsche Romantik!
Der KauMech (kausale Mechanismus, ontologische Reduktionismus) verleitet notorisch zu Unterschätzung der Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur, sowie
der Tatsache, dass die Wirklichkeit viel weiter gehend gesellschaftliche Konstruktion ist, als selbstRadikalkonstruktivisten glauben. Und im Mittelpunkt dieser
Wirklichkeit steht der Mensch und kommt nicht weg, so lang er lebt.
Mit Narzissmus hat das nix zu tun, sondern umgekehrt: mit Verantwortungsbewusstsein nicht nur dem Nächsten, sondern dem Großen und Ganzen gegenüber.
Der Mensch hat sich scheinheilig aus dem Mittelpunkt des Universums gestohlen
und ist auch noch mächtig stolz darauf, diese schwere narzisstische Kränkung so
gut verkraftet zu haben. In Wirklichkeit hat er sich bloss aus der Verantwortung
für die Welt, in der lebt, gestohlen: dazu gehört die gesamte Biosphäre des Planeten, von der verantwortungslose Objektivitäts-Ideologen gerne behaupten, sie
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existiere unabhängig vom subjektiven Bewusstsein. In Wirklichkeit stehen wir –
die Spezies homo sapiens sapiens – im Wirkungsmittelpunkt der Biosphäre: unser
angeblich “subjektives” (gaaaanz harmloses) Bewusstsein ist mit riesigem Abstand der stärkste Einflussfaktor. Zumindest dass dies für die Moderne gilt, wird
niemand abstreiten; doch machen wir uns klar: das war schon immer so. Natürlich
wardieLebensweltdes homosapienssapiens zuerstaufOstafrikabeschränkt:doch
kaum war er aufgetaucht, stand er schon im Mittelpunkt. Bald nahm er den Planeten in Besitz, gestaltete ihn völlig um und erschuf eine neue Welt, die seitdem
völlig von ihm abhängt .→An-68
Die Naturromantik a la Rousseau, z.T. auch einige Elemente der Paradieslegende, sind das andere Ende des Verantwortungslosigkeitsspektrums: sie hätschelt
die Vorstellung, man brauche im Wesentlichen einfach nichts zu machen, und die
Dinge schwingen sich von alleine wieder in ihren reinen, edlen, wilden Naturzustand ein.
Paradise lost
Idempotenz
Nicht wie Büchel (52) glaubt, erst seit der neolithischen Revolution. Die mag die
“Dornen und Disteln” und den “Schweiß des Angesichts” hinzugefügt haben; ich
denke, das sind durchaus umkehrbare Aspekte. Sie signalisieren entweder eine
evolutionäre Sackgasse oder eine Durststrecke. Aber schon lange vor der neolithischen Revolution ist die Natur, die Ökosphäre, ein Aggregat, das koevolutiv in
ganz entscheidende Abhängigkeit geraten ist vom prominentesten, erfolgreichsten Wesen, das hier herumläuft. Keine Jubelschreie! Diesen idempotenten Anthropozentrismus kann eigentlich nur leugnen, wer die damit verbundene Verantwortung – bei Licht besehen, wegen Idempotenz, reine Selbstverantwortung –
leugnen will.
Wir stehen per definitionem im Mittelpunkt unserer Welt, verdeutlichend, aber
immer noch elliptisch, “Umwelt” geheißen; ganz ausbuchstabiert: “Welt um uns
herum”. Es gibt sicher andere Welten, aber da gibt es uns nicht. Da haben wir wg.
Abwesenheit weder Macht noch Verantwortung. Weil unsere Welt von uns erzeugt ist, ist unser Weltbild mit der Welt trivialerweise identisch (diese mathematische Eigenschaft von Bildern bezeichnet man als Idempotenz). Darum ist der
ganze Streit um “subjektiv” und “objektiv” dumm. Wo immer beides zusammenfällt, ist Wirklichkeit.
Der Gedanke, da wäre irgendetwas anderes als wir im Mittelpunkt der Menschenwelt, die sich geometrisch gesehen immerhin über die ganze Planetenoberfläche
erstreckt, entspringt infantilem Wunschdenken; Sehnsucht nach dem Mutterleib,
der uns ohne den Preis des Bewusstseins, des Denkens und Planens, trägt und
erhält; oder ersatzweise Sehnsucht nach einem “lieben” Gott, der uns notfalls immer wieder auffängt; oder ersatzweise die gnädig betäubende Vorstellung eines
riesiges, kalten Universum, in dem wir nur ein kleines Stäubchen am Rande bewohnen, regiert von ungerührten und unverletzbaren Naturgesetzen, wie Jacques
Monod (365) meint: die kälteste Version; aber auch hier können wir uns nach dem
Hineinwurf in die Welt existenzialistisch fallen lassen, uns fatalistisch der Natur
ergeben und den Dingen ihren Lauf lassen. Verantwortung nimmt der Existenzialist erst dann wieder wahr, wenn er sich aufrechten Gangs in den Mittelpunkt der
Existenz begibt. Meist bleibt es aber – wie bei Monod – bei einer schick nihilistischen Verzweiflungspose.
Die Welt, in der wir leben, ist, im Unterschied zum gigantischen Universum der
Physiker die einzige Welt, auf die es ankommt. Und diese Welt hängt von unserem
bewussten, spezifisch menschlichen Verhalten ab. Insofern war der Baum der Erkenntnis wirklich ein Fall für die Sünde: ist die Erkenntnis einmal in einer Welt
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ausgebrochen, beginnt die Welt, von ihr abzuhängen. Nicht nur der Mensch, sondern mit ihm die übrige Natur verlieren den paradiesischen Zustand der Unschuld. Dieser Vorgang ist irreversibel; für uns und unsere Welt gibt es kein Zurück. Trivialerweise wird die Welt untergehen, wenn der Mensch untergeht: diese
Welt. Wir müssen durchaus nicht unterstellen, dass der Planet dann stillgelegt
wird. Doch was immer dann entsteht, wird nichts Menschliches an sich haben und
braucht uns nun wirklich nicht zu interessieren. Nennt diese Interessierung Anthropozentrismus oder Humanismus – objektiv gesehen ists dasselbe.
VerführtvonderNaturwissenschaft,unterschätzenwirdentatsächlichenmenschlichen Einfluss auf alles. Da kann ja nicht viel passieren, wir haben alles Wesentliche unter Kontrolle, und was wir nicht unter Kontrolle haben, ist halt Zufall oder
Schicksal, da kann man nichts machen, schlafe ruhig, Vernunft. Dieser allzu ruhigeSchlafhatjaschoneinpaarbeachtlicheUngeheuergeboren,diewirinnerhalb
der hastig geschaffenen Residualdisziplin “Ökologie” langsam zu ahnen uns gestatten.
Götter und Eisenbahnlokomotiven
Das Christentum mit seinem all-schaffenden, all-erhaltenden, all-zuständigen,
unverwüstliche Gnade ausströmenden Gott, und die Naturwissenschaft mit ihrem
unabhängig vom Bewusstsein existierenden Universum verschließen beide die
Augen vor dem Maße unseres Einflusses auf Gott und die Welt. Beide Ideologien
sind gleichermaßen himmelweit entfernt von dem Gedanken, Götter seien kulturelle Konstruktionen vom gleichen ontologischen Rang wie Eisenbahnlokomotiven.
Der Mensch schafft Götter – wenn er schlau ist, nach seinem Bilde. Alles eine FragederSoftware-Ergonomie!AnthropomorpheGottesmodellesindnunmalleichter zu handhaben. Man spricht mit ihnen, man verhandelt mit ihnen wie mit einem
Menschen. Wir versuchen heute die Benutzeroberflächen unserer Computersysteme auch so zu gestalten. Unser symbolischer Zerebral-Interpreter übersetzt die
übermittelten Skripten, Szenarios, Tänze, Rituale in Zeitgestalten, und diese wieder in Aktionsszenarios, mit denen wir umgehen können: tu dies dann und jenes
dort, aber jetzt mach Feierabend und hau dich aufs Ohr. (Von wegen!)
Wer aber Götter und unsere Veranwortung für die regelmäßige Wartung, Instandsetzung und Modernisierung dieser machtvollen Superstrukturen leugnet,
leugnet die Verantwortung des Menschen für seine Um-Welt. Äh: die Um-Welt,
ebendasistbekanntlichdieWelt,inderenMittelpunktwir perdefinitionem stehen,
die Welt um uns herum. Die neue narzisstische Kränkung scheint die Zumutung
zu sein, die damit verbundene Verantwortung wahr zu nehmen.
Frühere Menschen wussten: wir sind für gewisse Übel (mit-)verantwortlich, weil
wir diesen oder jenen Gott nicht richtig gepflegt hatten. Wenn man die Festplatte
nicht hin und wieder von unnützen Dateien befreit und defragmentiert, sinkt der
Systemdurchsatz und das Absturzrisiko steigt.
Do ut des: “ich gebe, damit du gibst”, auf diese merkantile Formel brachten es die
alten Römer. Für Gejammer und In-den-Arsch-kriechen gabs nix. Du sollst vor
deinen Gottesbildern nicht niederfallen, auf dem Boden herumrutschen und sie
verehren. Das ist die infantile, regressive Variante, die Mammi und Pappi zum
Gottesbild macht, denen gegenüber man das Kind spielt, das um seiner selbst willen, und nicht um Verdienste, geliebt wird, umsonst ernährt wird, Geschenke
kriegt, dem letztlich alles verziehen wird, wenn es nur brav ist. Wenn man nicht
ganz so brav war, jammert man, bettelt man und lobt Gott über den grünen Klee,
spätestens dann wird alles gut.
Ein zweifelhaftes Gottesmodell; anscheinend hat es mal tatsächlich ein Stück weit
funktioniert. Das wohl aber nur, weil vorher ein starkes Stück Gott installiert wor-
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Einst
Heute
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den sein muss, dass sich so enorm stabilisierend verhalten konnte. Die Sache muss
einen bösen Haken gehabt haben, ich sehe ein Kreuz mit einem blutenden toten
Mann, brennende Scheiterhaufen, zerschundene Leiber, böse Dämonen und
einen schrecklichen Teufel ... egal, dieser Gott ist tot. Die jetzigen Götter sind, um
einen vorsichtigen Tip zu geben, niedliche, grausame, nervtötende, brutale,
zärtliche, noch sehr gewissensarme Kinder.
Es hat keinen Sinn, die “gnädig zu stimmen”. Das haben die Menschen zu Mythos’
Zeiten nie getan. Stimmen ja – aber mehr wie eine Klaviersaite.
“Mein Gott, du hagelst ja, bevor ich die Ernte drin habe. Bei dir sind wohl ein paar
Temporalschrauben locker – die müssen wir wohl mal nachziehen, nicht wahr?”
(Evtl. in der Schnittstelle – vielleicht auch hinter der Abdeckung... auweia...)
“Oh Gott! Bittu heut ma wieda bösä! Du bis ja ain Teuful, du! Liebe liebe Menschen puttemacht! Bestimmt gips dich gaa nich, du Aas!”
Sehen wir also Astrologie als Zeitkultur oder gestaltete Zeitnatur, und hoffen,
dass nach so vielen Jahrzehntausenden noch nicht alle Zeitgestalten auseinandergefallen sind. Viele davon sind auf dem Felsen astronomischer Rhythmen errichtet; viele sind in Pflanzen- und Tierwelt implementiert. Insofern ist Artenschutz
ein Thema: nicht Naturschutz, sondern Kulturschutz! Viele Rhythmen dürften
auch genetisch in unser Nervensystem gedriftet sein: durch Auslese all derer, die
nicht richtig tickten und darum keine Frau kriegten. (Die signaltheoretische Bedeutung des Balzens.) Eine zu Radiationszeiten gerade aktuelle Kurzzeit-Modenstruktur wird auf diese Weise auch genetisch verankert, bzw. die Disposition dazu.
Viele sind wohl in Latenz und ticken nicht aktuell.
Keiner dieser Rhythmen dürfte ein reines Kulturprodukt sein in dem Sinne, dass
ihnen alleine Kult und Pflege das Leben gibt. Kulturell einwirken kann man nur
auf solche Zeitgestalten, die in der Biosphäre (oder im ganzen Kosmos) irgendwelche mit eigener Energieversorgung versehenen Resonanzsysteme mit entsprechenden Eigenfrequenzen haben – sonst wären sie nie entstanden. Es gibt auch
hier keinen Geist ohne Materie!
Darum tickt das ganze System noch; viele Räder stehen still, einige zucken wild,
und da wir unsere Schnittstellen – bekanntlich am pflegebedürftigsten und heikelsten bei allen Softwaresystemen – vernachlässigt haben, kriegen wir immer
weniger auf die Reihe und murmeln vor uns hin:
Zufall Schicksal Statistik Zufall Täuschung Einbildung Sinnestäuschung Illusion
Zufall
Nehmen wir die Astrologie wieder in Betrieb, um Gottes Willen. Ich kann nur
staunen, wie viel davon trotz alledem und alledem noch wirklich funktioniert; anscheinend besonders die Elemente, die auf den Tag-Nacht-Rhythmus zurückgehen (Circadianrhythmus). Astrologisch entspricht das dem Aszendenten und dem
Häusersystem. Eysenck (147), Roland Epper (mündliche Mitteilung).
Anscheinend sind wir wirklich schnelllebig und leben buchstäblich in den Tag hinein.
Je mehr wir wieder “in das Jahr” hinein leben würden, also unsere zeitliche Perspektive erweitern, müssten die Planetenpositionen in unseren Horoskopen
wieder aus dem statistischen Rauschen herauskommen.
Beeinflussung, Konsultation und Pflege der Götter erfordern den Umgang mit
sehr komplexen Schwingungssystemen. Die Astrologie war ein erster Blick hinter
die hübschen anthropomorphen Ikonen auf die darunter liegende, abstraktere
Welt aus Prozessen mit verschiedenen Frequenzen und Phasen, als deren
natürliche Grundlage sich die schon immer be-Obachteten astronomischen
Rhythmenanboten, empirisch exakt beschreibbar durch die Stellung der Planeten
in zwei selbstähnlichen, über den Aszendenten verknüpften ekliptikalen Mess-
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Üben Üben Üben
Zielwissenschaft
Methode
Kreuztoleranzen
Geschichten
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kreisen: Zodiak und Kreis der zwölf Häuser. Ein zweiter Blick wäre zur Aufklärung notwendig gewesen; stattdessen projizierte man auf die Astrologie den eigenen, verdrängten Aberglauben und die enttäuschten Erwrtungen, die von der
Astronomieeinstausgingen.JetztsolltenwirdiesenzweitenBlickwagen,gewappnet mit Ideen und Methoden der evolutionären Erkenntnistheorie, Anthropologie, Ethologie, Neurobiologie und Schwingungsphysik. Wir brauchen den Boden
derSchulwissenschaftnirgendwozuverlassen,obwohlsichdasaufdemWegeganz
zwanglos und zu unser aller Vorteil plötzlich anbieten könnte. Das wäre dann aber
ebensowenig ein Vorstoß ins “Übernatürliche”, wie es die Quantenmechanik war.
Und einiges Training. Keine Angst vor dem Komplexen. Unser Sprachsystem ist
mindestens so komplex. Sprachfähigkeit ist zweifellos angeboren und findet sich
teilweise schon bei Tieren; einschlägige Literatur über Gehirn und Sprache finden
Sie in meiner Dissertation. (442) Dennoch ist die Sprecherei nicht in Betrieb zu
nehmen ohne eine Lernphase, die vom Kleinkind allerdings verblüffend schnell
und leicht durchlaufen wird.
Vielleicht macht die Inbetriebnahme unserer Götter-Interfaces etwas mehr Probleme. Ganz ohne ein bisschen Arbeit geht es wohl nicht; schwerer wohl, als dem
Erwachsenen das Erlernen einer Fremdsprache fällt. Aber es wäre viel gewonnen,
im Verkehr mit den Göttern wenigstens das Wichtigste zu regeln; und wir haben
ein wundervolles neues Werkzeug, das uns die Sache womöglich erleichtert: den
Computer. So eine Art elektronischer Laufstall.
Wer eine Sprache nicht spricht, wird als Sprachforscher scheitern. Eine Erforschung der Astrologie wird zu einem hoffnungs- und richtungslosen Tappen im
Dunkel, wennmandieintuitivenGottesmodellenichtvoninnenverstehtundrichtig handhabt. Wenn man die Notwendigkeit einer Lernphase nicht einsieht, wird
man genauso scheitern wie die antiken Forscher, welche die Ursprache der
Menschheit herausfinden wollten, indem sie Kinder von der sprechenden Welt in
einer Art Kaspar-Hauser-Experiment isolierten, womit sie nur lallende Idioten
produzierten, an denen sich keine Sprache studieren ließ.
Diese antiken Sprachforscher haben also damals bewiesen, dass es so etwas wie
menschliche Sprache eigentlich gar nicht gibt, und dass das, was man dafür hält,
auf eine böswillige Verfälschung des Experiments und bloß subjektive Einbildung
hinausläuft...
Wenn wir uns aber auf die vorhandenen Mythen und astrologischen Theorien einlassen und uns den Weg zeigen lassen, können wir erwarten, dass auf die gesamte
Natur des Menschen, sein Bewusstsein und sein Denken neues Licht fallen wird:
Wissenszuwachs für die o.g. Disziplinen, aber womöglich auch eine neue Humanwissenschaft, etwa “kairologische Theologie”.
Propädeutikum: Aneignung der klassischen Astrologie und diverse zugehörige
Mythologien. Theorie: Analogbildungen zur linguistischen Analyse: Semiotik,
Syntax, Semantik, Pragmatik; Hermeneutik: um die verschiedenen drangeklebten
historischen Schichten und Fehldeutungen besser zu erahnen.
Ein Fest für Psychologen; Eysenck und Konsorten: Gruppen von Testpersonen,
die sich viel mit Mythologie beschäftigt hat, aber nie mit Astrologie – zeigen die
ähnliche astrologische Übereinstimmungen wie die Astrologiekundigen?
Denn mythische Geschichten transportieren Rhythmen; sie sind ein semiotischer,
allerdings möglicherweise nicht-ikonischer Zugang. Man lernt in den mythischen
Geschichten mehr über die innere Bedeutung von Mars, Jupiter; wichtig für die
Pflege, denn die Geschichten müssen gegebenenfalls geändert werden, um in den
Zuhörern andere psychologische Wirkungen zu präparieren: auch ein Bestandteil
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Gottesdienst
Technik
Moden
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des Gottesdiensts. Der mythische Dichter war einer der Zugänge zu den gerade
herrschenden Moden. Ohne diesen je aktuellen Zugang nützt einem ein Horoskop wenig.
Ohne Gottesdienst, ohne die regelmäßige Kontaktpflege zu den herrschenden
Moden wird also die Astrologie unscharf und allgemein. Nur noch die ganz allgemeinen – idR die langsamer veränderlichen – Charakteristika stimmen, und auf
der psychischen Landkarte, die das Horoskop darstellt, finden sich nur noch
Allgemeinplätze.
Es gibt prominente Resonanzen (Planeten) und Phasenbeziehungen zwischen
den Resonanzen (Aspekte), an denen man sich orientieren kann: sie treten in vorastrologischen Zeiten nicht als mathematische Elemente von Horoskopen in Erscheinung, sondern als Gestalten: ikonische Modelle der Realität, aus deren Innenbeziehungen auf analoge Beziehungen der externen Realität geschlossen werden konnte. (Noch mal: keine abergläubisch falschen Analogien, sondern funktionale Analogien wegen Koevolution und bewusster Gestaltung!)
Die Götter sind nicht unbedingt 1:1 auf die Planeten abzubilden, sondern, in der
Sprache der Schwingungsphysik, auf (Schwingungs)Moden. Wir sind solchen Moden unterworfen, und wir bringen diese Moden hervor. Die zerebral und kulturell
verfolgten/aufgenommenen (trace keeping/locking in) Moden müssen keineswegs
mit astronomischer Präzision in monotonem Takt “ticken”, sondern haben, wie in
der Musik, ihren Rhythmus: Synkopen, Avancierungen, Retardierungen, Verhaltungen, off beat. Aber je intensiver die Menschen die Sterne beobachteten, sich
nach ihnen richteten, umso deutlicher prägten sich die in der biologischen Evolution möglicherweise bereits präformierten Planetenrythmen auch der soziokulturellen Evolution ein. Die Menschheit ließ sich im gut ausgestatteten astronomischen Rhythmusgefüge häuslich nieder.
Die Aspekte, aber auch die Positionierungen verschiedener Planeten in den beiden Messkreisen (Tier- und Häuserkreis) sind – schwingungstheoretisch gesehen
– Phasenbeziehungen zwischen den Moden, die subjektiv als Beziehungen zwischen den Göttern, ihren göttlichen Attributen oder auch verschiedenen Verkörperungen modelliert werden konnten. Ich wäre allerdings vorsichtig, hier
schnellfertig ein eindeutiges entity-relationship-Modell zu suggerieren. Moden
und “Zeitgestalten” können sehr wohl einmal als eigener Gott, dann jedoch wiederalsBeziehungzwischenGötterngefasstwerden.SowohldiediversenMythologien als auch die moderne Astrologie legen dies nahe; und wenn es denn den LernendenverwirrtunddieEingeweihteninunsinnigendogmatischenStreitstürzt,so
liegt dies leider in der Natur der Sache. Astrologie ist komplex und verlangt einen
immer neuen, undogmatischen Blick für das Wesentliche!
Die Beachtung von Aspekten erlaubt es jedenfalls, auch die Überlagerung und
Kombinationen von Moden zu verfolgen, die wiederum eigene Zyklen haben
(Hüllfrequenzen) und weitere Orientierungsmarken liefen. Das Horoskop ist
nichts anderes als die aktuelle Ablesung einer multimodalen Uhr, die ein viel breiteresEreignisspektrum abdeckt, als unsere unendlich scharfe Linienzeit, die allerdings für lineare Systeme sehr praktisch ist: für nach Plan hergestellte, wohl strukturierte, durchorganisierte Sachen: Maschinen und Mega-Maschinen.
Und vielleicht noch für so einfache Sachen wie Planetensysteme, Wasserstoffatome, Halbleiter, ...
Für alles, was darüber hinaus geht, brauchen wir buchstäblich ein breiteres Zeitverständnis, bzw. ein breiteres Zeitspektrum.
DieGrenzenzwischenProphetieundMagieverschwimmen.Obmaneinepräexistente Zukunft deterministisch vorhersagt (lineares, kausales Modell), oder ob
man diese Zukunft eigens präpariert (nichtlinear rückgekoppelte Modelle), oder
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ob Mischungen zwischen diesen Extremen auftreten, ist dem Praktiker ziemlich
egal. Tatsächlich können im Kultus beide verschwimmen. Wir müssen voraussetzen, dass sich eine bestimmte Kultur an gewisse prominente und sensible Zeitgestalten herangetastet hat, de temps a l’autre tout en corrigant la fortune. Konstanter
Anteil = Trägerfrequenz, Variationen = aufmoduliertes Signal.
Durch Einlocken (lock in) in die zeitlichen Rhythmen kann man a) die linear
genäherten Prädiktoren anpassen, d.h. man bildet ein Modell der nahen Zukunft
unter der Annahme lokaler Stationarität (Prophetie), b) durch Identifikation und
AnkoppelunganversklavendeModendieRhythmenauchbeeinflussen;Maßgabe
für die Stärke solcher Einflüsse ist weniger die eingesetzte Energie, als der Grad
der Anähnlichung, anders ausgedrückt: die Versklavung möglichst vieler Linien
und Moden. (Magie)
Percy Seymours <magnetische Astrologie>
“Die drei Bestandteile der Theorie sind:
(463p271)
1. der Zusammenhang zwischen Planeten und Sonne,
2. der Zusammenhang zwischen Sonne, Mond und Erde und
3. der Zusammenhang zwischen Erde und menschlichem Leben.
1. Der Zusammenhang zwischen Planeten und Sonne
“Die Planeten, besonders die großen äußeren Planeten Jupiter, Saturn, Neptun
und Uranus, bewegen die Sonne ganz sacht um das gemeinsame Massenzentrum
desSonnensystems.MeinerMeinungnachbewirkenVeränderungenindieserBewegung auch Schwankungen im Gesamtmuster der Hitzekonvektion auf der
Sonne. Die Konvektionsbedingungen sind verantwortlich für die Entstehung des
solaren Magnetfeldes, und die Schwankungen in diesen Bewegungen haben einen
Wechsel in der Ausrichtung des Magnetfeldes zur Folge...
Da sichderSonnenäquatorschnellerbewegtalsdieGaseimübrigenBereich,werdendiemagnetischenKraftlinienzuStrukturenaufgewunden,dieinspäterenStadien des Sonnenfleckenzyklus magnetischen Kanälen ähneln. Aufgrund dieser
Kanäle können alle Planeten auf die heftigen Ausbrüche magnetischer Energie
auf der Sonne einwirken. Dies ist möglich, weil die Kraftlinien gedehnt werden, so
dassihreSchwingungsperiodensichverschiebenundnacheinandermitderTidenfrequenz (entsprechend dem Gravitationssog der Planeten) eines jeden der Planeten in Resonanz stehen, angefangen bei Merkur bis hin zu Neptun. Anders
gesagt: die magnetischen Kanäle verstärken über eine Resonanzwirkung den Tidensog der Planeten; aber in jedem Stadium des Sonnenzyklus ist dabei ein anderer Planet vorherrschend. Wenn die Schwingung des Sonnenmagnetfeldes zwischen der Periode von zwei Planeten liegt, geben Quadratkonstellationen dieser
beiden Körper Anlass zu heftiger Aktivität auf der Sonne. Zu anderen Zeiten
führen Konjunktionen oder Oppositionen zu ähnlichen Ereignissen...
Die Magnetaktivität auf der Sonne reguliert den Sonnenwind, und dessen
(463p273-274)
Schwankungen verursachen entsprechende Schwankungen im Erdmagnetfeld.”
2. Der Zusammenhang zwischen Sonne, Mond und Erde
“Das Magnetfeld der Erde schwingt in einem weitem Bereich von Frequenzen...,
der von mehreren Jahren bis zu Bruchteilen einer Sekunde reicht. Am obersten
Ende dieses breiten Spektrums sind ebenfallls eine Anzahl sehr scharfer ‘Linien’
entdeckt worden, von denen manche mit dem solaren Tag und seinen Harmonischen p274 korrespondieren, manche mit dem lunaren Tag und seinen Harmonischen, und manche mit dem Jahr und mit seinen Harmonischen.”
Robert Curry habe mit der Minimum-Entropie-Methode gezeigt, “dass viele der
Langzeitschwankungendes [Erd-]MagnetfeldesimZusammenhangmitdemSonnenzyklus und seinen Harmonischen stehen.” Wie Schallwellen die hochfrequen-
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(463p274-275)
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te Trägerwelle eines Radiosenders “modulieren die Langzeitschwankungen des
Erdfeldes die Kurzzeitschwankungen, die aus der Umdrehung der Erde und der
Bewegung des Mondes um die Erde resultieren. Das bedeutet, dass die zur täglichen Magnetschwankung der Sonne und des Mondes korrespondierenden Linien
von dicht danebenliegenden Linien begleitet sind, die mit dem Jahr und dem Sonnenzyklus und seinen Harmonischen korrespondieren.”
Eine weitergehende, konsequenter mathematisierte Modellbildung sei möglich
und notwendig, aufgebaut mit dem bekannten Apparatus der Schwingungsphysik
WS Right on! Soviel scheint mit klar: im Zeitbereich kann man da nicht viel sehen, die diversen Darstellungsebenen der Zeitreihenanalyse – Kurzzeitspektrum, Cepstrum,
Prädiktoren, Partialkorrelationen, Hilbert- und Laplace-Transformierte, analytisches
Signal mit Envelloppe usw. – sind wie in anderen Gebieten der Schwingungsphysik
aussichtsreichere Kandidaten, denn sie stellen auf diejenigen “Schwingungsqualitäten” ab, die tatsächlich wirken.
Das hat Konsequenzen für die Entwicklung geeigneter statistischer Methodeen zum
Nachweis dieser Wechselwirkungen; die bisherigen orientieren sich an Phänomenen
des Zeitbereichs, wo die zu untersuchenden Effekte schon rein mathematisch gesehen
“verrauscht” werden oder generell zu schwach ausfallen.
Über die konventionelle lineare Analyse hinaus sind die – mathematisch sperrigeren –
nichtlinearen Effekte zu berücksichtigen: Attraktoren, nichtlineare Phasenkoppelung;
besonders interessant ‘logarithmische’ Skaleneffekte wie Selbstähnlichkeit (etwa 1
Jahr = 1 Tag-Effekte).
LebendeOrganismen betreiben zeit Lebens “Statistik” im Frequenzbereich; man kann
ein Lebewesen durchaus als eine Ansammlung von linearen und nichtlinearen Uhren
ansehen, die mehr vom Frequenz- und Korrelationsbereich als vom Zeitbereich
‘sehen’; im nichtlinearen Fall wird der spezielle Phasenraum die adäquate Untersuchungsebene sein.
Der Autor kommt von der Geophysik und kennt von dort anscheinend nur einen
kleinen Teil des mathematischen Apparats, wie er z.B. in der linearen und nichtlinearen Akustik zur Anwendung kommt:
“Mit den mathematischen Methoden, über die wir [Geophysiker?] im Moment
verfügen, können wir allerdings nur die mit der Jahresperiodik zusammenhängende Struktur analysieren.”
Das wundert mich jetzt ein bisschen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden!
(463p275-276)
Malin:
Immerhin zitiert Seymour S. Malin, “eine international anerkannte Autorität auf
dem Gebiet der mathematischen Analyse geomagnetischer Daten”:
“Genauso wie ein Spektroskop Sternenlicht in seine einzelnen Frequenzen zerlegt, wobei sich zeigt, dass es Regionen größerer und geringerer Intensität sowie
diskreteSpektrallinienenthält,könnenauchdiegeomagnetischenSchwankungen
als ein Spektrum angesehen werden... [Allerdings weit komplexerer Natur, da Sternenlicht eine höchst lineare und stationäre Angelegenheit ist!] Die optische [besser
noch: akustische!] Analogie kann noch weiter getrieben werden. Es gibt breite
Banden, z.B. eine um einen Zyklus von elf Jahren herum, und viele Banden zeigen
Feinstrukturen (z.B. ist die Linie für den eintägigen Zyklus von anderen begleitet,
die von ihrer Frequenz um ganzzahlige Vielfache eines einjährigen Zyklus abweichen. [Selbstähnlichkeit der spektralen Struktur, hier 1 Jahr = 1 Tag-Effekte] Im Gegensatz zum Sternenlicht sind die magnetischen Daten nicht zur sofortigen Spektralanalyse geeignet, sondern müssten p276 über eine lange Periode durch geduldige Beobachtung gewonnen werden. Es gibt kein einfaches Gerät zur Messung von
Magnetfeldern, das einem Spektroskop in der Optik entspricht (es sei denn, ein
Computer werde als Spektroskop angesehen), und das Magnetspektrum muss aus
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dermathematischen Analyse von zahlreichen Beobachtungen im gleichen Zeitabstand beobachtet werden.” [Kenntnis zu bekannten, wohldefinierten Zeiten genügt]
Das versteht sich: klassischer Fall von Zeitreihenanalyse. Und leistungsfähige Computer haben wir mittlerweile meht als genug rumstehen.
(463p276)
“Die mathematische Analyse muss allerdings noch weiter verbessert werden, bevor wir die von meiner Theorie geforderten Schwankungen nachweisen können.
Ich bin auch der Meinung, dass der Fötus nur auf bestimmte Fluktuationen im
geomagnetischenFallmitResonanzreagiertundalleanderen,aufdieernichteingestellt ist, ignoriert.
Da der sonnentägliche Gang des Erdmagnetfeldes durch den Sonnenzyklus gesteuert wird, enthalten der sonnentägliche Gang und seine Harmonischen bereits
Informationen über die relativen heliozentrischen Positionen der Planeten (inklusive der Erde). Denn den beherrschenden Einfluss auf die Sonnenaktivität haben die Planeten. Noch nicht geklärt ist, warum der direkte Einfluss der planetaren Gezeiten auf die Magnetosphäre der Erde bestimmte Schwingungen des geomagnetischen Feldes phasenstarr einstellt, was der Fall sein muss, wenn die Theorie die Ergebnisse Gauquelins erklären soll.”
Nichtlineare Effekte können zu solchen starren Phasenkopplungen führen. Seymour
versucht eine qualitative Erklärung:
(463p276-277)
“Die Linien des sonnentäglichen Gangs und die benachbarten Linien der Feinstruktur haben eine definierte Breite, die wie folgt entsteht: Die tägliche Verzerrung durch den Sonnenwind kann als besonderer Typ einer magnetodynamischen
Welle (transversale Alfvén-Welle) betrachtet werden, die sich rund um die Erde
fortpflanzt und sich hauptsächlich in den ionisierten Gasen des van Allen-Strahlungsgürtels konzentriert. Da diese Gürtel plattgedrückten Wülsten mit der Erde
im Mittelpunkt ähneln, haben sie eine endliche Dicke und verschiedene innere
undäußereRadien.DadieAlfvén-Geschwindigkeit(dieGeschwindigkeit,mitder
sich diese Wellen fortpflanzen) von der Stärke und Dichte des p277 magnetischen
Feldes abhängt und diese beiden Messgrößen sich mit dem Abstand von der Erdoberfläche verändern, breitet sich die Winkelgeschwindigkeit dieser Wellen über
die Winkelgeschwindigkeit aus, mit die Erde sich um die Sonne dreht. Dies wird
eine bestimmte Bandbreite für den sonnentäglichen Gang des Erdmagnetfeldes
zur Folge haben, desgleichen für jede der mit dieser assoziierten Harmonischen
und auch für die Seitenlinien, die diese Harmonischen flankieren und zu längerfristigen Modulationen des sonnentäglichen Gangs in Beziehung stehen. Da die
mittlere planetarische Tageslänge sehr dicht an der solaren Tageslänge liegt, werden einige der vielen Wellen, die sich durch die van Allen-Strahlungsgürtel fortpflanzen, dieselbe Winkelgeschwindigkeit haben wie die Planetengezeiten (aufgrund der Gravitation), und im Ergebnis werden sich in diesen Gezeiten und den
Alfvén-Wellen Phasenkopplungen stattfinden. Ich stelle mir dies wie die magnetosphärische Entsprechung eines Lasers vor. Die Verzerrung der Magnetosphäre
durch den Sonnenwind wirkt wie eine Pumpe, während die planetarischen Gezeiten die kohärente Phasenkopplung mancher Alfvén-Wellen bewirken.
Der Mond sorgt für den mondtäglichen Gang des Erdmagnetfeldes. Dies geschieht über den Tidensog, den der Mond auf die ionisierten Gase unserer oberen
Atmosphäre ausübt. Er verursacht Druckschwankungen, die Winde hervorrufen.
Die Winde erzeugen elektrische Ströme, und diese elektrischen Ströme produzieren ein zusätzliches Magnetfeld. Die tägliche lunare Magnetstrahlung ist sehr genau untersucht worden, und der Mechanismus ist relativ gut verstanden worden.
Der lunare Tag weicht allerdings um fast eine Stunde vom solaren Tag ab, so dass
er resonante Phasenkopplungen der Alfvén-Wellen, wie wir sie gerade diskutiert
haben, nicht verursachen wird.”
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Die Experimente von Frank Brown von der North Western University ... liefern
deutliche Hinweise darauf, dass viele Meeresorganismen zwei biologische Uhren
haben. Die eine ist auf die Magnetschwankungen im Zusammenhang mit der
Sonne eingestellt, die andere auf Magnetschwankungen, für die der Mond verantwortlich ist.”
Es gibt chronobiologische Hinweise dafür, dass dies auch für Menschen zutrifft. Manche unserer inneren Uhren gehen tatsächlich nach dem Mond!
(463p279)
(463p280-281)
“Solche Organismen können fern der Küste und sogar in der magnetisch hochfrequenten Umgebung eines modernen biologischen Labors mit diesen Schwankungen phasengekoppelt werden.”
Wacker schlägt sich Seymour mit unhebbaren, dem Kenner der Materie alt bekannten Ignoranzen herum. Typisch etwa die unangebrachten Intensitätsvergleiche zur pauschalen Widerlegung astrologischer Effekte, diesmal: Haushaltsgeräte würden stärkere Magnetfeldschwankungen verursachen als Sonne und
Mond. Solche das Thema verfehlenden Argumente werden z.B. von einem Herrn
Henbest in einer Rezession der Theorie im New Scientist aufgewärmt.
Zu solch oberflächlichen Killer-Argumenten greift nur, wer zum Nachdenken oder gar
Nachrechnen keine Lust hat, sondern das Thema einfach vom Hals haben will:
1.) Wie Seymour aufs Tesla vorrechnet, stimmts nicht mal quantitativ. Tatsächlich
sind bei den meisten terrestrischen Quellen von Magnetfeldern “ab einer von Entfernung von zwei Metern die Feldstärken tatsächlich geringer, als die mit dem
mondtäglichen Gang zusammenhängenden.”
Soviel zum quantitativen.
2.) Gravierender der Kategorienfehler des pauschalen Intensitäts-Arguments. Die betrachtete Wechselwirkung ist keine zeitlich-lokale (‘temporäre’), die von der Amplitude abhängt, sondern vor allem eine korrelative, für die Frequenz und Phasenkohärenz
der auftretenden Wellenformen den Ausschlag gibt. Anders ausgedrückt: man darf die
Wirkung nicht im Zeitbereich messen, sondern im (komplexwertigen) Frequenzbereich; und wo Zustände fern vom thermodynamischen Gleichgewicht herrschen – für
Magnetosphäre und Biosphäre gleichermaßen typisch – kommt es weniger auf die Intensitätsunterschiede an als auf die Genauigkeit der gegenseitigen Abstimmung, d.h
auf spektrale Ähnlichkeit oder “Anähnelbarkeit” spektraler Figuren (Attraktoren) im
Phasenraum.
“DarüberhinauswirdHembestsArgumentdadurchentkräftet,dasseinemagnetische biologische Uhr, die über Resonanz auf den mondtäglichen Gang von zwei
Zyklen pro lunarem Tag eingestellt ist, nicht auf auf 50 Hz Schwingungszyklen pro
Sekunde reagieren wird, weil dieser Wert zwei Millionen mal größer ist.”
3. Biologische Konsequenzen der geomagnetischen Schwankungen
Generell sollten wir unruhig davon ausgehen, dass Elektrosmog jeglicher Provenienz
tatsächlich einen durchaus nicht begrüßenswerten Einfluss auf unsere Biologie hat.
Umso wichtiger, diese Zusammenhänge einmal etwas genauer ins Auge zu fassen.
(463p283-284)
(463p284-285)
“Viele Forscher, darunter A. P. Dubrov, Frank Brown, James Gould und Robert
Becker haben die Auswirkung des Erdmagnetfelds auf lebende Organismen untersucht...Brownsagt,dassdieFähigkeitvielerTiere,denZeitpunktderGezeiten,
desTages,derMondphasenundderJahreszeitzukennen,nichtausschließlichmit
der Orientierung an den Lichtverhältnissen erklärt werden kann. Seiner Meinung
nach p284 spricht das geomagnetische Feld (und er führt zahlreiche experimentelle
Indizien zur Stützung seiner Sichtweise an) wirklich zu vielen verschiedenen Tierarten...
Becker, der im Zusammenhang mit seiner Forschung über die Anwendung elektrischer Felder bei der Knochenregeneration bereits für den Medizinnobelpreis
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nominiert war, schlägt auch einen Mechanismus für diese Wechselwirkung zwischen dem Erdmagnetfeld und dem Leben auf der Erde vor. Ausgehend von der
bekannten Tatsache, dass zwischen verschiedenen Teilen des lebenden Körpers
elektrische Potenzialdifferenzen existieren, führt er aus, dass dieses Potenzial die
Aktivitäten lebender Körper steuert. Er vermutet weiter, dass das System der
Körperströme frequenzempfindlich ist, also auf bestimmte Frequenzen reagiert,
auf andere nicht. Zuletzt spricht er die Vermutung aus, dass der Körper eines jeden lebenden Organismus sich über Äonen hin auf bestimmte Schwingungen des
Erdmagnetfelds eingestellt hat, dass sich alles Leben unter dem Einfluss dieses
Feldesentwickelthat.DieForschungenvonDubrov,BrownundBeckerwerdenin
einem jüngst veröffentlichten Buch mit dem Titel ‘Electromagnetic Man’ von
C. W. Smith und Simon Best eingehend besprochen. Die Hauptthese dieses Buches lautet, dass in lebenden Organismen kohärente elektromagnetische Oszillationen auftreten und für weitreichende Wechselwirkungen zwischen Zellmolekülen p285 eingesetzt werden.”
Ein Modell für Gauquelins Planeteneffekt
(463p286)
Winfree:
(463p286-287)
Hoppenstaedt:
“MeinerÜberzeugungnachdeutendieErgebnissevonGauquelindaraufhin,dass
zwischen dem Erdmagnetfeld, das mit den Bewegungen von Sonne, Mond und
Planeten in Verbindung steht und der inneren Persönlichkeitsstruktur eines Individuums eine resonante Wechselwirkung besteht. Anhand dieses Zusammenhangs können einige Eigenschaften dieser Person benannt werden... Ich ... schlage
ein mathematisches Modell der gauquelinschen Geburtsuhr auf der Grundlage
der Resonanztheorie vor. Damit greife ich Ideen auf, die A. J. Winfree in seinem
Buch ‘The Geometry of Biological Time’ vorgestellt hat.
‘Von derZellteilungbiszumHerzschlagdurchdringen uhrenartigeRhythmendie
Aktivitäten jedes lebenden Organismus. Die Lebenszyklen sind letztlich vom Mechanismus her biochemisch, aber die Gesetze, die ihre Koordinierung steuern,
sind im Wesentlichen mathematisch” [genauer: schwingungsphysikalisch]
Ich verwende auch einige von F. C. Hoppenstaedt in seinem Buch ‘An Introduction to the Mathematics of Neurons’ diskutierten Ideen.
‘Neuronen ... sind die Basiszeitgeber p287 unseres Körpers. Sie spielen außerdem
eine zentrale Rolle bei der Speicherung und Verarbeitung von Informationen im
Gehirn. Als Zeitgeber treiben Neuronen biologische Uhren auf höherer Ebene
ganz ähnlich an, wie ein elektrischer Wechselstrom eine elektrische Uhr mit Impulsen versieht.’
Versuche,daselektrischeVerhaltenvonNeuronenzubeschreiben,basierenmeist
auf Analogien mit elektrischen Schaltkreisen und den ihnen zugeordneten mathematischen Modellen. Nach meinem Dafürhalten ist der Einfluss der geomagnetischen Schwankungen auf das neurale Netzwerk insgesamt auf ähnliche Weise beschreibbar.”
PrompteRügen dieser Vorstellung seitens einiger die sich nicht vorstellen können
oder wollen, dass Neuronenzyklen mehrere Stunden abdecken können!
Sie ignorieren die chronobiologischen Befunde. So wird eine der beiden für den
menschlichen Circadianrhythmus zuständige ‘Hauptuhren’ vom so genannten ‘suprachiasmatischen Nukleus’ (SCN) gesteuert – eine neuronale Steuerung über mehr als
20 Stunden hinweg. (380) Neuronetze können ein breites Frequenzband abdecken,
auch wenn wir weit davon entfernt sind, dies im Einzelnen zu verstehen. Dabei muss
man sich durchaus nicht nur auf die ‘digitalen’ Funktionsmodelle von Nervenzellen
stützen, sondern kann Einsichten der ‘feuchten’ Neurobiologie über chemische Taktgeber heranziehen.
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Vom mathematischen Standpunkt ist das ziemlich egal, wie die diversen Zeitnormale im
Einzeln neurobiologisch verankert sind.
(463p288)
“InmeinemModellschlageichvor,dassdieinnerenVerknüpfungenzwischenden
verschiedenen Neuralschleifen des zentralen Nervensystems zu einem gewissen
Ausmaß vererbt sind, und dass diese Verbindungen nicht nur die Persönlichkeit
eines Individuums bestimmen, sondern auch die Art, wie das Nervensystem als
Koordinator des Geburtsprozesses auf spezifische Veränderungen im Erdmagnetfeld reagiert.”
Er scheint mir ein bisschen sehr auf diesen Triggerzeitpunkt der Geburt fixiert. Ich wäre
hier konservativer und würde die Dauer der gesamten Schwangerschaft als Wechselwirkungs- und Entfaltungszeitraum kosmobiologischer Einflüsse zugrundelegen, die
sich sowohl auf die Implementation als auch auf das ‘Stellen’ der zuständigen Uhren
auswirkt. Längere Integrationszeiten erst ermöglichen präzise Bestimmungen eines
Zeitpunktes, auch auf der Basis sehr schwacher Signale.
“Des weiteren plädiere ich für einen elektrischen Schaltkreis als Modell für das
Zentralnervensystem, wenn es den Countdown für die Geburtsuhr vorgibt.”
Er meint hier tatsächlich einen ganz normalen elektrischen Schaltkreis. Diese Modell
greift leicht zu kurz. Statt eines Schaltkreises oder einer anderen lokal umschreibbaren
Funktion des ZNS würde ich konservativ vom gesamten Embryo ausgehen, und statt
eines Countdowns würde ich die gesamte Embryonalentwicklung setzen, zumindest
als theoretische Spannweite für die Modellentwicklung. Dementsprechend könnte
auch das Auslösen des Signals weitaus komplexer sein, als die Resonanz mit einigen
einfachen Spektrallinien. Ich würde also von einem Ineinandergreifen verschiedener
Resonanzvorgänge sprechen.
SeymourreduziertesaufeinenZeitgeberfürbiologischeProzesseimUterus,die–
so seine Lieblingsmetapher – “die Bombe scharf machen” und dann durch eine
Spektrallinie ausgelöst werden.
Herbert von Klöckler: Astrologie als Erfahrungswissenschaft
Ein methodischer Gedanke: freie Forschung vs. geleiteter Kochbuchwissenschaft
(528p2-3)
“In der Naturwissenschaft ... ist uns das Denken vorwiegend zum Organ der bloßen Fragestellung geworden, und wir haben die Überzeugung, dass die richtige
Lösung der Frage vorwiegend aus dem Ergebnis des Experimentes hervorgeht
(Bacon). Dieser Geisteshaltung verdanken wir sehr viel, vom naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritt..., zumal sie auch dem Durchschnittsintellekte
eine nützliche wissenschaftliche Leistung ermöglicht, den Fortschritt so auf eine
sehr breite Grundlage stellt. Solche Geisteshaltung müsste uns aber auch zugleich
verbieten,UrteileüberBehauptungenzufällen,diewirnichtmitebendenMitteln
des Intellekts geprüft haben. Sie verbietet eigentlich den Ausschluss irgendeiner
neu auftauchenden Fragestellung. Jedoch gerade diese Konsequenz wird heute
zumeist aus mehr menschlichen als wissenschaftlichen Gründen nicht gezogen.
Wenn uns schon z.B. die erstaunlichen Leistungen altägyptischer Forscher und
Denker zu erkennen geben sollten, dass das Denken auf eng begrenzter ErfahrungsgrundlagezuwertvollenErgebnissenführenkann,sodürfenwirauchandere
Naturwissenschaftsversuche des Altertums p3 aus unserer anders gearteten Forschungsmethode heraus nicht ohne Prüfung ablehnen.”
Die “bloße Ablehnung einer Fragestellung, einer Behauptung aus dem Denken
heraus” sei schädlich, wie das Beispiel der Alchemie zeige.
Ergänzend wäre auf den Atomismus hinzuweisen – der Triumph einer über 2000 Jahren alten Spekulation über die geballte Ablehnung der Moderne, so heftig immerhin,
dass ein Boltzmann aus Enttäuschung über die zeitgenössische Vernagelung Selbstmord beging!
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Schutzvorstellungen
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“Man mag nun auch die Astrologie ... als das Ergebnis einer rein denkerischen
oder – wie wir uns heute auszudrücken belieben – einer spekulativen Leistung ansehen. Auch dann ist man verpflichtet, diese vermeintliche Spekulation auf empirischem Wege zu prüfen, bevor man sie endgültig ablehnt.
NunstehtgeradedieFrage,obdieAstrologietatsächlichnureinSpekulationsprodukt, nicht aber ein Erfahrungsangelegenheit ist, durchaus offen... Jedenfalls tritt
die astrologische Behauptung überall und in allen Zeiten mit ernstem Anspruch
auf gehabte und stets erneut mögliche Erfahrung auf, und diese Tatsache zwingt
den objektiven Forscher, sie auf dem Wege der Erfahrung zu prüfen, abzulehnen
oder zu bestätigen.”
“Die von Erfahrung irgendwelcher Art unbeeinflusste Ablehnung astrologischer
Zusammenhänge hat zumeist eine unzutreffende Vorstellung vom Wesen der
Astrologie als Grundlage... Diese irrtümlichen Vorstellungen trägt man dann wie
einen Panzer vor sich her, der dem rechten Begriff, den eine ernsthafte Arbeit uns
vermitteln könnte, mit großer Sicherheit abwehrt. Zu diesen ‘Schutzvorstellungen’ gehört auch jene bereits von Schopenhauer geäußerte, die Astrologie sei ein
Produkt des menschlichen Größenwahnes, der sich einbilde, dass das Weltall nur
um des Menschen willen vorhanden sei. Die gegenteilige Auffassung liegt der
Astrologie zugrunde: Sie ordnet den Menschen in die großen Zusammenhänge
des Weltalls ein. Sie will zeigen, dass der Mensch nicht ein außerhalb des allgemeinen Geschehens stehendes, halbgottähnliches Wesen ist.”
Nichtsuperponierbarkeit der Deutungsregeln
“Die tausend und abertausend Regeln, die sich aus [den grundlegenden System
(528p62)
von Entsprechungen] ableiten lassen und dicke Lehrbücher füllen, dürften, verständnislosangewendet,niemalseineausdemGeistedesSystems,daseiner,wenn
auch ziemlich hohen und auch sehr subjektiven Verdichtung aller Erfahrungselementeentspricht,selbstherausgewonnenAuswertunggleichkommen.Dieeinzelne, aus dem Zusammenhang herausgerissene Regel muss notwendig ebensooft
versagen als Erfolg haben; denn nur in einem geringen Teil der Fälle sind die anderen astrologischen Voraussetzungen so geartet, dass die einzelne Regel ohne
wesentliche Modifikation das Richtige trifft.”
(528p4)
Die Regeln überlagern sich nicht linear. Für Einzelmerkmale ist Gleichverteilung vorherzusagen, mit Ausnahmen vielleicht für Sonne, Mond, Aszendent oder – wie auch
von Gauquelin gefunden – besonders prominente Planetenpositionen nahe der beiden
Hauptachsen des Häusersystems.
Erbbeziehungen als interpretationsunabhängige Relationen
“Die Untersuchungen von Paul Flambart, deren Ergebnisse ich in fast allen Punk(528p65)
ten aus eigenen, fortgesetzten Erhebungen bestätigen muss, sind gerade deshalb
so außerordentlich bedeutsam für den Nachweis der astrologischen Grundbehauptung, weil sie in keiner Weise Kenntnis oder Voraussetzung der astrologischen Entsprechungen bedingen, weil sie nur die Registrierung vorhandener gleicher Horoskopelemente fordern”, also unter Ausschluss aller subjektiven Deutungsmomente vorgenommen werden.
“Es schälen sich ... besondere Horoskopelemente als typische Erbfaktoren heraus”: Zeichenstellung des Aszendenten und des Mondes werden meist sogar
ziemlich gradgenau vererbt, und die Stellung der Planeten relativ zu den HauptachsendesHäusersystems,offensichtlichalsodie“raschveränderlichenElemente
des Horoskopes”.
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(528p66)
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Die Stellung der Planeten zu den Eckfeldern fand auch Gauquelin als signifikanten
Erbfaktor – seine stringentesten und methodisch am Wenigsten anfechtbaren Ergebnisse.
In zweiter Linie: Tierkreisposition der Sonne und zuletzt, nach abnehmendem Effekt geordnet, von Mars, Venus und Merkur.
“Wirbehauptenundbeweisenhiernur,dassdieÄhnlichkeitenindenHoroskopen
verwandter Menschen häufiger sind, als es der Zufall zulassen kann, während man
bei Horoskopen nicht Verwandter und auch zeitlich nicht besonders gruppierter
Individuen eine solche ‘Horoskopverwandtschaft’ über die Zufallsnorm oder die
allgemeine Frequenz der Geburten unter bestimmten Konstellationen hinaus
nicht nachgewiesen werden kann.”
“Je näher die Verwandtschaft bestimmter Individuen, umso zahlreicher die Übereinstimmung der Konstellationen ihrer Horoskope.” Am stärksten seien die Effekt unter Geschwistern.
Zusammenhang zwischen Körperform und Aszendent
(528p75)
Ein Dr. Schwab aus Berlin “ließ durch Astrologen, die auf diesem Gebiete besonders geübt waren, bei 50 Personen, deren Geburtsdaten zunächst unbekannt waren, den Aszendenten aus der Körperform, teilweise sogar nur nach Fotografien,
erraten. Es ergaben sich dabei 36 Treffer.”
Handschrift als charakterologischer Indikator
(1p97)
Nach einer Untersuchung des Autors korrelieren Aszendent, Planeten im 1. Haus
und Tierkreisposition der Sonne stark mit der Ausprägung der Schrift.
Direktionen als überholtes methodisches Provisorium?
(528p152-153)
(528p155)
DerAutorhatvonDirektionenkeinehoheMeinung. p153 “DiegroßeSorgfalt,welche auch heute noch von sehr vielen Astrologen auf die Berechnung von Direktionen verwandt wird, beruht nach meiner Auffassung auf einem Missverständnis.
Die Alten, denen zuverlässige Gestirnstandsbestimmungen kommender Jahre
nicht zur Verfügung standen, mussten zu Fiktionen greifen, welche aus irgendeinem zunächst nicht ganz durchschaubaren mathematisch-astronomischen
Grunde zu ungefähren Ergebnissen führten. Wahrscheinlich waren diese Direktionsschlüssel nichts anderes als unvollkommene mathematische Behelfe, kommende Konstellationen, die mangels Unterlagen nicht ermittelt werden konnten,
im Voraus zu erfassen.”
“Es ist für den Wert dieser Methode charakteristisch, dass, wo immer auch Versuche unternommen wurden, die Möglichkeiten einer astrologischen Prognose zu
beweisen, stets das Transitverfahren herangezogen worden ist. Mit den Direktionsmethoden ist meines Wissens noch nie ein solcher Nachweis versucht worden.”
Mundanastrologie: Quartalshoroskope
(528p168)
“Ein anderes Verfahren, die Länderschicksale zu ermitteln, besteht in der Errichtung so genannter ‘Quartalshoroskope’, von denen das Frühjahrs-Quartalshoroskop eine besondere Stellung einnehmen soll. Man errichtet diese Horoskope für
denEintritt der Sonne in die Widder-, Krebs-, Waage- und Steinbockpunkte unter
Berücksichtigung der geografischen Breite und Länge der Landeshauptstadt.”
Résumée: Signifikanz von Einzelelementen
(2p191)
“Die Angaben über den Tierkreis ‘stimmen’, soweit sie mit dem Aszendenten, mit
Sonne und Mond in Verbindung gebracht werden. Sie sind großenteils irrtümlich
oder aber in ihrer Bedeutung weit überschätzt, soweit sie die Stellung der übrigen
Planeten in den Zeichen betreffen. Unzweckmäßig erscheint eine allzu weitgehende Realistik in der Auffassung der ‘Herren’ der Zeichen; unzutreffend sind
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(528p191-92)
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wohl die meisten Vorstellungen über Erhöhung, Fall, Erniedrigung der Planeten
in den Zeichen.
Die Entsprechungen der Planeten können zum größten Teil als zweckmäßig formuliert angesehen werden.
Die Winkelauswahl ist tatsächlich von Bedeutung; die Ausdrücke ‘gut’ und
‘schlecht’ sind aber von sehr p192 relativer Bedeutung. Die Winkelbildungen zwischen den Planeten werden in ihrer Bedeutung etwas überschätzt; sie gewinnen
die ihnen zugewiesenen Entsprechungen meist aus besonderen Stellungen des
Horoskopes. Von größter Bedeutung scheinen sich die Winkel der Planeten zu
den Eckfeldern zu erweisen.
DasVerhältnisderPlanetenzudenFeldernistvongrößterWichtigkeit,vielfachin
seinen Entsprechungen von der Tradition richtig erfasst, wenn auch einseitig formuliert.
GrenzenderAstrologiekonntennichtgesichtetwerden,soweitihreAussagensich
im Rahmen des Typischen bewegen. Die Grenzen der eingeschlagenenMethoden
liegen in manchen Punkten klar zutage, an anderen sind sie unbekannt.
Manches ist gesichert, Vieles wahrscheinlich, Manches unwahrscheinlich, Vieles
falsch. Die Grundtatsachen scheinen unumstößlich sicher, wenn auch im Hinblick
auf den kausalen Zusammenhang gänzlich ungeklärt.
Die Terminologie ist laienhaft-unwissenschaftlich. Die astrologische Tendenz
weist dagegen unzweifelhaft wissenschaftliche Elemente auf. Kurz: wir stehen in
den ersten Anfängen einer wissenschaftlichen Astrologie, die diesen Namen verdient.”
WS Klöckler überschätzt hier m.E. die negative Heuristik seiner statistischen Methode.
Seine Signifikanzen sind – wie die bei Gauquelin – ohnehin eher niedrig und eigentlich
ehererstaunlich.DieTendenzistklar:vorallemhöherfrequenteRhythmensindsoprominent, dass sie sich sogar im Zeitbereich und als isolierte Elemente abzeichnen, wo
man eigentlich eher erwarten würde, dass sie sich statistisch zu Tode oszillieren.
Der erkenntnistheoretische Wert solcher Ergebnisse dürfte vor allem darin zu sehen
sein, dass die astrologischen Grundzusammenhänge und Grundqualitätem objektiv
bestätigt werden.
Man wird hier eine zyklische Statistik, die sich am Frequenzbereich orientiert, anwenden müssen.
EsgibtguteGründeanzunehmen,dassdievonKlöckleralsirrelevantangegebenenBestimmungsstücke sehr wohl im wohl zu erwägenden Einzelfall und im Verband mit anderen Deutungselementen eine Rolle spielen. Vergleiche hierzu Klöcklers eigene Anmerkungen! (3p62)
Wir stehen hier jedenfalls vor beträchtlichen methodischen Problemen!
→Milan Spurek (483p242-248), Kapitel “Im Lichte der Statistik”
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Kairologie – die Erkundung des rechten Augenblicks WS 2.9.1999, 16.12.2000, 19.2.2001
ZweiExtreme:diehorizontale,auch‘lineareZeit’,miteinerunimodalenSkalagemessen. Ohne sich hier in Abgründe der Protophysik zu verlieren, erinnern wir an
den Zeitbegriff des theoretischen Physikers, der unser Zeitverständnis implizit
durchtränkt: (Prof. V. Müller): “Für die Zeit gibt es eine Messvorschrift, und die
heißt einfach Uhr.”
In der Tat ist uns der Zeitbegriff nicht direkt gegeben und nicht so selbstverständlich, wie es scheint, und sobald wir einmal angefangen haben, darüber nachzudenken, ist uns nur noch in Augenblicken augustinischer Unbeschreiblichkeit
wirklich ganz und gar klar, was Zeit eigentlich ist.
Aber wir sind ja schwindelfrei und gewohnt, über begriffliche Abgründe zu balancieren. Betreten wir das dünne Seil, das die Physiker gespannt haben.
Was ist eine Uhr? Auf ‘Wissenschaftlich’: Was ist ein periodischer Vorgang? Es
muss etwas sein, was die Zeit t als Parameter liefert, also nicht etwas, wohinein sie
eingeht, oder was die Zeit bereits voraussetzt. Wie also kann man einen sich wiederholenden Vorgang charakterisieren, ohne dabei bereits den Zeitbegriff zu benutzen? Wir dürfen notfalls auch vor einem definitorischen Zirkel nicht zurückschrecken; den nennen wir dann ‘hermeneutischen Zirkel’ und finden ihn hochintressant,einwirklich‘wahrer’Witz,amüsantundlehrreich.Aberwirklichnurim
Notfall! Sehen wir halt, wie weit wir ohne solch einen Münchhausen-Bootstrap
kommen!
Auf dass die Zeit eine abgeleitete Größe sei, müssen wir ihr den Begriff des ‘Ereignisses’ vorordnen. Für den Physiker ist also das ‘Ereignis’ das Primäre – nicht die
Zeit, soviel können wir festhalten. Er erhält die Einheit der Zeit als Abstand aufeinanderfolgender Ereignisse.
Schon erwischt. ‘Aufeinanderfolgend’, ‘Abstand’: darin stecken unvermeidbar
Vorbegriffe der Zeit: einmal der der geordneten Folge, dann die Idee, Zeit sei irgendwie etwas Geometrisches. Wir vermeiden dies nur scheinbar, wenn wir sagen:
zwei benachbarte Ereignisse ergeben ein elementares Zeitintervall, eine ‘Periode’.
Periode heißt wörtlich ‘Umlauf’. Zu Herstellung einer Periode malenwirein‘Mal’
auf den Rand einer runden ‘Uhr’ – einer mit Zeigern. Wenn der Zeiger an dem
‘Mal’ vobeiläuft, erleben wir das Uhr-Ereignis: (Ding!) ‘das erste Mal’; diesem
ersten Mal folgt (buchstäblich) das nächste Mal, dass er am Mal vorbeiläuft, und
wir erleben das benachbarte Uhr-Ereignis: (Dong!) ‘das zweite Mal’. Die deutsche
Sprache ist hier überraschend präzise; anders als das Englische, hält sie ‘Zeit’ und
‘Mal’ so genau auseinander, wie der Zeitwissenschaftler muss.
Diese beiden (einander) ‘nächsten Male’ (Ding-Dong!) machen zusammen das
aus,waswirPeriodenennen:eineUhr-Einheit,eineUr-EinheitderZeit.WirmessendieZeit,indemwirden‘Abstand’zwischenbeliebigenEreignissenmitsoeiner
Periode vergleichen.
ZurZeitmessungwerdenalsoirgendwelcheEreignissebestimmtenTypsherangezogen, gerne das Ticken einer Uhr oder die damit verknüpften Durchgänge eines
Pendels. Die Physik hat hier nur eine instrumentelle und begriffliche Verschärfung vorwissenschaftlicher Zeitmessung vorgenommen.
In der simplizistischen Kunstsprache der Mathematik: wir haben ein System,
einen Prozess, die Uhr, deren Verhalten durch eine reelle Zeitfunktion beschreibbar ist. Die Nulldurchgänge dieser Funktion eignen sich als Ereignisse zur Definition der Perioden (oder Halbperioden), die uns dann als zeitlicher Maßstab dienen.
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An die Mathematik und auch an die Physik treten wir bereits mit der Vorstellung
heran, dass die Nulldurchgänge dieser Zeitfunktion – oder das Ticken der Uhr,
oder die speziellen Ereignisse, die uns als ‘Male’ dienen – in einer uns orientierenden Weise wiederkehren. Die Physiker, radikal und rechenfaul wie sie nun mal
sind, haben sofort die strenge Periodizität gefordert: Sie wünschen sich für ihre
Uhren die strikte Gleichheit aufeinanderfolgender Perioden von Ewigkeit zu
Ewigkeit. Ihr mathematisch liebstes Zeit-Kind ist die harmonische Schwingung,
beschrieben durch die hübsch kurvende Sinusfunktion y (φ) = sin φ, die bekanntlich auch die Höhe der Uhrzeigerspitze anzeigt:
Die Mutter aller Zeitfunktionen
0,5
1
F
0
1,5
Diese bayerische
Uhr läuft links
rum und misst π.
³2³4³6
1³3³5
0
1
2
3
4
5
6
F
Sinusfunktion
zeigt die Höhe ihrer Zeigerspitze
aufsteigende Nulldurchgänge
absteigende Nulldurchgänge
Statt der Nulldurchgänge greifen wir uns üblicherweise die ‘zur Phase null gehörenden Zustände’ heraus, also die bei φ=0, 2π, 4π, 6π, . . . und nennen das gemeinsame Maß dieser Abstände ‘Periode’. Die Sinusfunktion, diese Mutter aller
Zeitfunktionen, hat also die Periode 2 π.
Über die Sinusfunktion bekommen wir sogar eine kontinuierliche Zeitmessung,
denn zwischen 0 und 2π gibt es ja noch unheimlich viel andere Zahlen, soviele wie
Punkte. Wir dürfen also mit Fug und Recht von ‘Zeitpunkten’ reden.
WeilzwischendentatsächlichgemessenenZeitpunktenderUhr-Ereignisselinear
interpoliert wird, haben wir hier das Modell einer linearen Zeitmessung. Man
könnteauch‘eindimensional’sagen,aberdaskönntejetztirreführen.IchbevorzugedenBegriff‘unimodal’wegendesHighländer-Aspektes:eskannnureinegeben
– nur eine Uhr, die Hauptuhr. Eine abstrakte Zentraluhr, die unsere gesamte Zeit
erzeugt und auf die hin wir jede unserer konkreten zuschneiden. Tatsächlich benutzen wir verschiedene Uhren, von der Wasseruhr mit ihren fallenden Wassertropfen, von der Sanduhr mit ihren fallenden Sandkörnern zu den mechanischen
Uhren mit ihren Pendel- Feder- oder Quarzschwingungen. Lange war die Erdrotation oder das siderische Jahr unsere Zentraluhr; heute spielen bestimmte
Schwingungen in Atomen oder Molekülen bei uns Zentraluhr, ziemlich gut realisiert in der Cäsiumuhr bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig, die uns Mitteleuropäern die Zeit funkt.
Von den astronomischen bis zu den atomaren Größenordnungen haben wir immer nur ein Modell der Uhr; fachchinesisch ausgedrückt: die Zeit ist skaleninvariant, eben: linear. Ich kann den Maßstab beliebig ändern, die darauf fußende
Zeit-Definition bleibt doch die gleiche. Auch wenn wir die Zeit in verschiedenen
Koordinatensystemen relativistisch transformieren müssen, je nach dem, von welchem System aus gemessen, und je nach den Gravitationsverhältnissen, handelt es
sich doch immer nur um Transformationen ein und derselben Zeit. Dass die Ausdehnung des galileischen Relativitätsprinzips von der Mechanik auf die Elektro-
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Frequenzbereich
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dynamik es erforderlich machte, auch die Zeit zu transformieren (Lorentztransformation), ändert also noch nichts an ihrem unimodalen, linearen Charakter.
In der Kairologie ist diese unimodale Zeit gewissermaßen ein Extremfall. Die Zeit
ist hier fast buchstäblich eindimensional, denn sie kann als (gerichtete) geometrische Strecke dargestellt werden: die übliche Darstellung als Zeitpfeil – nennen wir
es mal: die Horizontale der Zeit. Wegen ihrer harmonischen Perfektion können
wir die darüberliegende Sinusschwingung glatt vergessen – als triviale Zeitfunktion.
Im normalen Modell der Zeit ist der Freqenzbereich eindeutig herleitbar aus der
Darstellung im Zeitbereich, zumindest abstrakt mathematisch. Die Sinusfunktion
erscheinthier als Punkt, strenggenommen als zwei Punkte (Amplitude undPhase)
oderalskomplexeZahl.AbernurimReichderreinenIdeen,dawirhiernebender
strikten Periodizität noch unendliche Ausdehnung voraussetzen.
(Strikte Periodizität setzt streng genommen eine unendliche Ausdehnung voraus.
Unausgesprochene Voraussetzung für die Anwendbarkeit ist: kenne ich einen
Teil, kenne ich (praktisch) die Ewigkeit; nämlich wenn sich irgendwo ein Teil
(praktisch) auf ewig wiederholt.)
In der Praxis, wo wir es nur mit quasiperiodischen oder gar aperiodischen, jedenfalls zeitlich begrenzten Vorgängen zu tun haben, können wir ihre Zeitfunktion
nur mit einer prinzipiellen Unschärfe beschreiben. (Unschärferelation zwischen
Zeit- und Frequenzbereich)
Zusammenhang mit der statistischen Deutung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs,
der letzlich über Frequenzmessungen bestimmt ist.
InunserersogenanntenschnelllebigenZeit–dasheißteinerZeitmitsehrkurzem
Zeitmaß, wie dem Herzschlag, dem Augenblick, dem Ticken der Uhr – spielen
diese Unschärfen in vielen Bereichen unseres Lebens keine Rolle, über einen
größeren Zeitraum hinweg aber doch.
Darum macht es sich die Kairologie zur Aufgabe, die Zeit mit nur mehr als einer
gedachten Linie zu kartieren und stattdessen ein ganzes Gitternetz, ein zwei- oder
mehrdimensionales, zu benutzen.
Dazu gehen wir vor die ursprüngliche Definition der Zeit zurück. Jede Zeitfunktion, die sich einem Prozess oder einem System zuschreiben lässt, wird als zumindest potenziell autonome Zeitquelle (Uhr) betrachtet, die ihre eigene Zeit erzeugt, um nun rückwärts nach den wechselseitigen Zusammenhängen dieser Uhrenzufragen,ihrePhasen-undsystemischenBeziehungenzubeschreibenunddas
durch sie aufgespannte Zeitfeld zu betrachten.
Davon erhoffen wir eine bessere Orientierung, eine bessere Planung, eine bessere
Vorhersage, auch eine bessere Beherrschung von Prozessen, von dem unsere
persönlichen Leben wohl die interessantesten sind.
Ein Ansatz, der manches scheinbare Chaos und manche scheinbare Komplexität
auf recht einfache Elemente zurückzuführen gestattet, sei es vorerst nur phänomenologisch.
Ich betone: es geht hier um keine metaphysikalische oder gar metaphysische Spekulation. Wir bleiben vollkommen auf dem Boden unserer alltäglichen und wissenschaftlichen Metaphysik. Aber es könnte sein, dass wir bei einer derartigen
Kartierung der Zeit hinlänglich motiviert werden, diesen Boden zu verlassen.
Noch ist unser Alltagsleben nicht durch und durch verwissenschaftlicht. Unsere
Zeitwahrnehmung, unser Zeitempfinden, unser Zeitgefühl sind von Hause aus
multimodal und haben in den neuronalen Netzen unseres Großhirns durchaus eigenständige Implementierungen. Die verschiedenen Zeitskalen wirken zwar auf-
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einander ein, verfügen aber über je eigene Generatoren und sind nicht – wie in der
physikalischen Theorie – alle die Sklaven desselben Meisters, also nur abhängige
Transformierte oder Instanzierungen eines Zeitnormals, einer “Hauptuhr”, eben
der “Normalzeit”. Sekunde, Minute, Stunde, Tage, Woche, Monat, Jahr, Jahrzehnt, Jahrhundert, Jahrtausend besitzen aber ihre je eigenen Gesetzlichkeiten
und Qualitäten. Wir kennen sie besser unter Nu, Augenblick, Herzschlag, Moment, Weile, Generation, Menschenalter. Die Kommensurabilität all dieser Zeitmaße, d.h. ihre Rückführbarkeit auf ein gemeinsames Maß, hat ihre Grenzen und
wird in unserem Zeitsystem gewaltsam erzwungen. Die kalendarische Zeit ist ein
KompromisszwischendemmultimodalenZeitapparatdesMenschenundderunimodalen Zeit der Mechanik.
(Einstein hat mit Hilfe der Relativitätstheorie auch die Elektrodynamik nachträglich einbezogen; allerdings ging das nicht ganz nahtlos ab; Physiktheoretiker
wissen, dass es immer noch zwei verschiedene Zeitskalen gibt, eine ‘mechanische’
oder ‘Trägheitszeit’, deren Uhr-Ereignis die Pendelschwingung ist, und eine ‘elektromagnetische Zeit’, die mit den Schwingungen der Atomuhr gemessen wird. Für
den Kosmologen hat dies durchaus unterschiedliche Konsequenzen, für das
menschliche Erleben absolut keinen.)
Leider ist die Notwendigkeit der Pflege der diversen Uhren spätestens seit der
kopernikanischen Wende ein wenig ins Hintertreffen geraten. Newton glaubt –
und blieb darin unwidersprochen –, den eigentlichen Schlüssel zur physikalischen
Welt und damit auch den eigentlichen Schlüssel zu Zeit bereits in der Hand zu haben und damit alle anderen wegwerfen zu können, auf den Kehrichthaufen, der da
Volksglauben oder Aberglauben genannt wird.
<Mythische Zeit>H-2
In letzter Zeit machen Wissenschaftsphilosophen – exemplarisch nachzulesen bei
Hübner (248) –denMythoswiederstubenrein,wennnichtgarsalonfähig,undseitdemsprichtmanhieoderdawiederübermythischeZeit.DemThemahaftetleider
wegen jahrhundertelanger Vernachlässigung etwas Nebulöses, Schwammiges,
Wolkiges,manchmalsogarGlitschigesan;abermanverwechslenichtdieseKontaminationen mit dem Gegenstand, dem man da hat einschmuddeln lassen. Treffen
diese Nebulositäten mit der etablierten Wissenschaftstheorie zusammen, werden
die Dinge leider manchmal noch verschwommener.
Klar ist soviel: die mythische Zeit ist im Wesentlichen eine zyklische Zeit und
orientiert sich an wiederkehrenden ‘Zeitgestalten’, die durch kulturelle Inszenierungen in Form gebracht und gehalten werden, in der Antike meist durch wiederkehrende Feste und Rituale. Mit jeder dieser typischen Zeitgestalten ist eine bestimmte Geschichte verbunden, ein Netz von Ereignissen. Dieses Gewebe aus Erzählungen, Götterbeziehungen und Ritualen bildet das erkenntnistheoretische
Apriori des ‘mythischen Menschen’; es formte also die Art und Weise, wie er die
Welt erfuhr. Die mythische Überlieferung, die auf uns gekommen ist, entstand
erst, nachdem die mythischen Strukturen sich aus ihrem ursprünglichen Gebrauchszusammenhang – ihrem ‘Sitz im Leben’ – lösten und in einem anderen
ideologischen Kontext traten.
In unserem modernen Aberglauben vergessen wir sozusagen die ursprüngliche
Funktion der Mythen-Metaphorik und nehmen sie kasperlsmäßig wörtlich – eben
so, wie wir die Worte heute begreifen. Ein Verdeutlichungsversuch: auch unsere
wissenschaftlichen Bezeichnungen sind durchtränkt von Metaphorik, die ihren
Sitz im Leben noch innehat und darum gut ‘funktioniert’, auch wenn sie ihren Zenithschonüberschrittenhat.SpätereZeitenaberkönntenunsleichtalsAnimisten
bezeichnen, die die Welt als beseelt angesehen haben, weil wir ja von physikalischen Kräften reden, und Kräfte natürlich nur eine Metapher sind, die aus der
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persönlichen Kraftempfindung abgeleitet sind, also ursprünglich nur als Eigenschaften beseelter Wesen galten, wie es vor 300 Jahren einmal war und vielleicht
einmal wieder sein wird.
DochVorsicht!DieserVergleichhinktnaturgemäß.Erüberbrücktvielleichtgerade noch einen zeitlichen Abgrund von 10 Generationen, kaum aber einen von 100
oder gar 1000. Und mindestens solange ist die Menschheit schon rege beschäftigt
mit dem erbarmungslos effizienten Gebrauch ihrer Großhirnrinde.
Ähnlichkeiten zwischen der hier beschriebenen Kairologie und der mythischen
Zeit sind weder Zufall noch Absicht, sondern liegen in der Natur der Dinge. Das
gleiche gilt für die Astrologie: auch hier ein von Ideologien hin und her geschütteltes Gebiet, genauso von Ideologien geschüttelt und gerührt und damit automatisch scharlatanogen wie die modernen Wirtschaftswissenschaften und die Demoskopie und ganz besonders die moderne Psychologie und Sozialpsychologie. Das
ist nicht der Fehler dieser Disziplinen, sondern liegt in der menschlichen, allzumenschlichen Natur der Sache.
Der Physiker in all seiner Sachlichkeit und Objektivität hat es einfach, weil sein
Gegenstand letztlich eine Maschine ist, oder vorsichtiger ausgedrückt, seine Gegenstände als Maschinen hervorragend zu begreifen sind. Der Mensch ist als Maschine nicht zu begreifen.
(Man beachte den feinen ontologischen Vorbehalt: Ich schließe damit nicht völlig
aus, dass der Mensch aller-aller-letzten-Endes wirklich wirklich, tatsächlich und
eigentlichdochnureineMaschineist.Ichbehauptenurheftigst:esistvölligausgeschlossen, dass wir ihn je als Maschine begreifen können.)
(Ihnen ist der feine Vorbehalt zu fein? Dann glauben Sie grob und ohne sich Probleme einzuhandeln: Der Mensch ist keine Maschine. Punkt.)
(Wenn jetzt immer noch jemand im Gefolge dieser Äußerungen an Schubladen
mit der Aufschrift ‘epistemischer’ und / oder ‘ontologischer’ Reduktionismus herumzuziehen beginnt, um mich alsbald in eine davon zu versenken, dem fehlt es
ganz und gar an philosophischem Feingefühl.)
(Man weiß ja nie.)
(Wenn schon, dann hüpfe ich am liebsten in die Schublade ‘pragmatischer Konstruktivismus’.)
Autonome Ereignisse – autonome Komplexe – autonome Systeme und Prozesse
AHMAZEW
Unter ‘Autonomie’ verstehe ich hier ‘Eigengesetzlichkeit’ in wörtlicher Übersetzung aus dem Griechischen, nicht im Sinne der leibnizischen Monade, dass ein autonomes System mit dem Rest der Welt nichts zu tun habe (und folglich prästabiliert harmonieren muss) oder auch nur, dass es den winzigsten Bestandteil eines
solchen Systems gebe, der mit dem Rest der Welt nichts zu tun hat. So etwas wie
Separabilitätkönnenwirnichtvoraussetzen.InersterAnnahmemüssenwirdavon
ausgehen: AHMAZEW, alles hängt mit allem zusammen, egal wie.
Vor diesem Hintergrund verstehen wir ‘autonom’: dass es auf der Welt autonome
Prozesse gibt und dass prinzipiell alles mit allem zusammenhängt – dass also letztlich die gesamte Welt nur ein einziger Prozess ist – sind nur zwei Seiten derselben
Münze. E pluribus unum. Das ist keine Mystik, sondern ein wissenschaftliches
Axiom mit präzisen mathematischen Folgen. Ich muss diese Sätze an den Anfang
meines Denkens stellen, wenn ich eine Chance haben will, damit die Wirklichkeit
zu verstehen, wie wir sie erleben.
(Also nicht die wirkliche Wirklichkeit, sondern die erlebte Wirklichkeit. Ich strotze hier vor metaphysischer Bescheidenheit und behaupte: eine andere gibt es sowieso nicht, nicht im strikten ontologischen Sinne; mögen metaphysische Hochstapler anderes behaupten.)
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Also
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Zwei wichtige Schlussfolgerungen daraus sind: ich kann weder von Skalierbarkeit
ausgehen noch von Separierbarkeit.
Weniger allgemein verständlich ausgedrückt: ich kann kein Teil ganz verstehen.
Das ist aber jetzt ein schwieriger philosophischer Gedanke, über den wir jetzt mindestens drei Minuten nachdenken sollten.
Ich kann kein Teil ganz verstehen. Ich kann nur ein Teil als ein Teil verstehen, und
nur das Ganze ganz, wenn überhaupt. Genau dies ist, was der Reduktionismus mit
all seiner beeindruckenden Macht verleugnen muss. Er muss glauben – in seinem
tiefsten inneren Wesen – dass der Schluss vom Teil aufs Ganze zumindest prinzipiell erlaubt ist und höchstens hie oder da praktisch schwierig. (Wenn sie mal
groß sind, können sie überall vom Teil aufs Ganze schließen, die Reduktionisten.
Popper würde das einen “Schuldschein-Reduktionismus” nennen.)
En detail, auf die unimodale Zeit bezogen, sagt also der (mächtig herrschende)
Reduktionismus: Ich kann eine bestimmte Eigenschwingung des Cäsium-Atoms
ganz verstehen, und wenn ich sie ganz verstanden habe, weiß ich auch, in welchem
Zeitmaß die Galaxis rotiert; ich muss bloß diese und jene (relativistische) Transformationen vornehmen, um all das und noch viel mehr von diesem, jenem und
auch noch dahinten dem Standpunkt aus richtig zu beschreiben.
Die Welt ist nicht zusammenhängend, aber homogen, sagen die Mechanisten und
Reduktionisten. Ihre Gesetze – eine platonische Abstraktion! – sind überall die
gleichen, soweit meine Ärmchen reichen und Fantastilliarden Mal darüber hinaus. Deswegen sind die Mechanisten (und Reduktionisten) im Grunde ganz heftige Idealisten, auf gar keinen Fall Materialisten. Ich bin da eher Materialist; ich
denke: die Materie, die Stoffe – aufs menschliche (Er-)Leben bezogen, die Empfindungen, die Sinnesdaten, die diversen Ereignisse hängen zwar alle zusammen,
aber (‘egal wie!’) ich weiß – vorderhand – fast gar nichts darüber, und darum ist es
jede für sich wert, unter die Lupe genommen zu werden, und wenn ich 10 davon
erforscht habe, kann der 11. mich immer noch überraschen.
(Um mir selbst – scheinbar gemein – ins Wort zu fallen: das schneidersche Gesetz
der menschlichen Leben. Wenn im Leben etwas Eigentümliches ein Mal passiert,
besagt dies noch gar nichts. Wenn es zwei Mal passiert, passiert es immer wieder,
bis es kracht. Das gilt erst mal für schneidersche Eigentümlichkeiten; entspannen
Siesichabernichtzufrüh,eswerdenmeistauchdieIhrigensein...wieauchimmer:
BETTER BELIEVE IT: einmal ist keinmal, zweimal ist immer)
Die Homogenität und die Symmetrien, die Skalierbarkeiten und Linearisierungsmöglichkeiten, all diese wunderbaren Eigenschaften unser physikalischen
Theorien, ja auch die letztlich nur ästhetisch fassbaren Kriterien der Einfachheit
undSchönheitsindalsKriterienderWahrheitideologischhöchstverdächtig,denn
sie kommen dem modernen Empfinden und dem modernen Wunsch nach magischer Beherrschung der Welt mit Hilfe der Mathematik entgegen.
Also immer ein typischer Fall von Wishful Thinking. Der Wunsch nach Ordnung
und Geborgenheit in einem geordneten Kosmos ist der Vater des Gedankens, die
Möglichkeit, mit gewissen technokratischen Fähigkeiten einen Teil davon zu
realisieren, seine Mutter.
Schön und gut, solange wir nicht vergessen: andere Väter und Mütter haben auch
schöne Söhne und Töchter.
1. Die Ereignisse sind alle als autonom zu betrachten, d.h. allemal eine eigene
(Tage-)Buchführung wert.
2. Es ist eine Synchronik, eine vernetzbare Buchführung anzustreben, um die tatsächlichen, nicht nur die hypostasierten, Zusammenhänge herauszustellen bzw.
hervortreten zu lassen, um
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3. Ereignisse für uns leichter fassbar zu machen (hier schließe ich mich auch dem
Wunschnach Harmonie und den Wunsch nach Macht, nach Kontrolle, an): besser
verstehbar, besser kontrollierbar, besser vorhersehbar.
Und das ganze ist in Psychologie geradezu getränkt, um nicht zu sagen es
schwimmt darin, und die während der Aufklärung in den Keller verbannten Geister rütteln spätestens dann heftig an die Kellertür, wenn das Organ der Untersuchung, unserGehirn,massivindasuntersuchteGeschehenverflochtenwird.Da
es methodisch (buchstäblich) hirnrissig wäre, Subjekt und Objekt der Untersuchung methodisch zu trennen.
Wir können weiter von objektiven bzw. objektivierbaren Erkenntnissen reden,
dürfen aber nicht vergessen, dass diese in Wirklichkeit nur als Intersubjektivität zu
haben ist, d.h. ich kann mit anderen Menschen länger als drei Tage darüber reden,
ohne dass es zu ernsthaften körperlichen Verletzungen kommt oder dass wir zu
dem Schluss kommen, “uns nicht (mehr) zu verstehen”.
Umgekehrt herum: wenn wir uns nach drei Tagen die Köpfe einschlagen und böse
aufeinander sind, oder uns prinzipiell nicht mehr verstehen, dann ist die Objektivierung nicht geglückt: zurück ins Labor, an den Schreibtisch, an den Computer,
huschhusch. Arbeiten.
Aber eine methodische Trennung zwischen Objekt und Subjekt würde nur Eines
garantieren: dass wir gar nicht erst auf den rechten Weg gelangen, sondern gleich
im Dickicht landen und das Ziel der Reise grotesk verfehlen.
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