Malignome und Niere - Nieren

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Interdisziplinäre Fortbildungsreihe der
Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie
ÖGN
P.b.b. GZ 02Z031654 M, Benachrichtigungspostamt 1070 Wien
Falls unzustellbar, bitte retour an: MEDMEDIA Verlag, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien
11. Jahrgang / Nr. 2 / 2008
Malignome und Niere
• Therapiekonzepte bei Nierenzellkarzinom
• Nierenbeteiligung bei multiplem Myelom
• Nephrotoxizität onkologischer Therapien
MedMedia
Medical Opinion
Network
3
EDITORIAL
Prim. Univ.-Prof. Dr.
Peter Balcke
Malignome und Niere
alignome sind auch für den nephrologisch tätigen Arzt
ein relevantes Thema. So kommen Malignome bei
Dialysepatienten und nierentransplantierten Patienten
sogar gehäuft vor und etwa 8 % der chronischen, nierenersatzpflichtigen Patienten versterben an einem Malignom
(Österreichisches Dialyse- und Transplantationsregister, R.
Kramar). Das vorliegende Heft greift einige wichtige und
aktuelle Themen dazu auf. Diese reichen von der Häufigkeit
und Art der Tumore, über den Sinn von Krebsvorsorgeuntersuchungen bei Dialysepatienten, über die Wartezeit bis
zur Transplantationsmeldung nach einem Malignom bis zu
Problemen, mit denen auch der Nephrologe bei onkologischen
Patienten unter der Gabe von Angiogenese-Hemmern und
Bisphosphonaten zu tun haben kann.
M
Zwei besonders wichtige Themen werden ausführlicher behandelt: das multiple Myelom und das Nierenzellkarzinom,
mit denen der Nephrologe auch auf Grund ihrer Häufigkeit
im besonderen Maße konfrontiert ist.
Beim multiplen Myelom, dessen Prävalenz bei Dialysepatienten bei etwa 3 % liegt, erfordern neue Entwicklungen in
der Diagnostik, etwa die Bestimmung der freien Ketten, und
in der Therapie mit Bortezomib bzw. Thalidomid oder
Lenalidomid auch vom Nephrologen besondere Kenntnisse
bezüglich Wirksamkeit und Nebenwirkungen der onkologischen Therapie. Auch die Verwendung von High-Cut-offDialysatoren zur Elimination leichter Ketten stellt für den
Nephrologen eine neue interessante Aufgabe bei Patienten
mit multiplen Myelom dar.
Die Prävalenz des Nierenzellkarzinoms ist mit etwa 4 % bei
chronischen Dialysepatienten außerordentlich hoch. Zu der
Zahl der neu diagnostizierten Fälle kommen noch Patienten,
die nach Tumornephrektomie eine terminale Niereninsuffizienz erreichen. Zwei Kapitel sind deshalb neuen onkologischen
und operativen Therapieoptionen beim Nierenzellkarzinom
gewidmet.
Bezüglich anderer onkologisch-nephrologischer Themen
(etwa Cisplatin) möchte ich auf das NephroScript 1/03
verweisen.
Es ist mir gelungen, äußerst kompetente Autoren für
dieses Heft zu gewinnen, denen ich auch auf diesem Weg
nochmals danken möchte. Da sich alle zudem viel Mühe
gegeben haben, hoffe ich, dass dieses Heft Ihre Zustimmung
findet.
Ihr
Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Balcke
IMPRESSUM
Verlag: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H. Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Nephrologie, Prim. MR Dr. Reinhard Kramar,
3. Interne Abteilung, Klinikum Kreuzschwestern Wels, und ao. Univ.-Prof. Dr. Alexander R. Rosenkranz, Klinische Abteilung für Nephrologie, Universitätsklinik
für Innere Medizin, Innsbruck. Chefredakteur: Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Balcke, Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung des Landesklinikums St. Pölten
sowie des Karl-Landsteiner-Instituts für Nephrologie und Hämato-Onkologie. Anzeigen/Organisation: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H.,
Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien, Tel.: 01/407 31 11. Projektleitung: Friederike Maierhofer. Produktion: Alexandra Kogler. Redaktion: Peter Lex. Layout/DTP:
Gerald Mollay. Lektorat: Peter Lex. Coverillustration: Martin Lachmair, creativedirector.cc. Druck: Bauer Druck, Wien. Druckauflage: 8.150 Stück im
4. Quartal 2007, geprüft von der Österreichischen Auflagenkontrolle. Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift ist zum Einzelpreis von Euro 9,50 plus Mwst. zu
beziehen. Grundsätze und Ziele von NephroScript: Information für nephrologisch interessierte Krankenhaus- und niedergelassene Ärzte. Angaben über
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werden. Herausgeber und Medieninhaber übernehmen dafür keine Gewähr. Literatur zu den Fachbeiträgen bei den jeweiligen Autoren.
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übernehmen Medieninhaber und Herausgeber keinerlei Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler.
5
INHALT
03
03
06
10
Editorial
14
Malignome vor und nach Nierentransplantation
Dr. Katharina Hohenstein,
ao. Univ.-Prof. Dr. Bruno Watschinger
20
40
Nephrotoxizität von intravenösen Bisphosphonaten
Prim. Univ.-Prof. Dr. Dietmar Geissler
46
Onkologische Therapie des Nierenzellkarzinoms
ao. Univ.-Prof. Dr. Manuela Schmidinger
55
Chirurgische Konzepte beim Nierenzellkarzinom
Univ.-Doz. Dr. Michael Rauchenwald
Impressum
Seiten der Gesellschaft
Was bringen Krebs-Vorsorgeuntersuchungen bei
Dialysepatienten?
Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Balcke
Diagnostik des multiplen Myeloms
OA Dr. Michael Pober, MSc
23
Therapie des multiplen Myeloms
Univ.-Prof. Dr. Johannes Drach
31
Renale Attacke durch freie Leichtketten
bei multiplem Myelom
Dr. Elisabeth Dittrich,
ao. Univ.-Prof. Dr. Sabine Schmaldienst
38
Renale Nebenwirkungen einer Anti-VEGFAntikörper-Therapie
Dr. Clemens O. Wieser
FREIE THEMEN
(entgeltliche Einschaltungen)
59
Lenalidomid (Revlimid®) – Neue Daten für
Lenalidomid bei multiplem Myelom
60
62
Imiquimod (Aldara®) – Creme gegen hellen Hautkrebs
64
Methoxy-Polyethylenglycol-Epoetin beta (Mircera®) –
Stabile Hb-Werte in der Anämietherapie bei noch
nicht dialysepflichtigen CKD-Patienten
65
Iodixanol (VisipaqueTM) und Paricalcitol (Zemplar®) –
Der kardio-reno-vaskuläre Patient
71
PHARMA-NEWS
Sevelamer (Renagel®) – Wie hält es Ihr Phosphatbinder mit der vaskulären Kalzifikation?
Abstract-Einreichung für die Jahrestagung der ÖGN
Einsendeschluss: 30.6.2008
Die Einreichung der Abstracts erfolgt ausschließlich per E-Mail an den Sekretär der
ÖGN, ao. Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz ([email protected]).
Bitte senden Sie Ihre Unterlagen als MS Word mit max. 300 Wörtern bzw.
1 Seite DIN A4, in englischer oder deutscher Sprache.
6
SEITEN DER GESELLSCHAFT
PATIENTENSYMPOSIUM ZUR NIERENTRANSPLANTATION
AN DER INNSBRUCKER UNIVERSITÄT, 14. MÄRZ 2008
Transplantationsmediziner und Nephrologen
unterstützen Patientenselbsthilfe
Die Klinischen Abteilungen für Nephrologie und Transplantationschirurgie der Universität Innsbruck luden
gemeinsam mit der Selbsthilfevereinigung für Dialysepatienten und Nierentransplantierte „Nephro Tirol“ zu
einem Patientensymposium über das Thema Nierentransplantation.
Zwei aktuelle Ereignisse standen Pate für die Idee zu diesem
Patientensymposium: der Weltnierentag am 13. März und
das 1-jährige Bestandsjubiläum von „Nephro Tirol“. Etwa
240 Gäste aus Tirol und aus anderen Bundesländern (überwiegend Transplantierte oder Nierenpatienten, die auf eine
Organverpflanzung warten) waren der Einladung gefolgt.
In der Begrüßung nahm Univ.-Prof. Dr. Gert Mayer, Leiter
der Klinischen Abteilung für Nephrologie, Innsbruck, und
Vorsitzender des Symposiums (neben Univ.-Prof. Dr. Raimund Margreiter, Vorstand der Innsbrucker Universitätsklinik für Chirurgie) Bezug auf den Weltnierentag und strich
als dessen wesentlichsten Zweck heraus, dass die öffentliche
Aufmerksamkeit vermehrt auf die Niere gerichtet werden
sollte, um etwaigen Erkrankungen rechtzeitig vorzubeugen.
„Wie bekomme ich ein Organ?“ Der erste Vortragende,
ao. Univ.-Prof. Dr. Paul Hengster, stationsführender OA
der Allgemein- und Transplantationschirurgie, beleuchtete
in seinem Vortrag zunächst den epidemiologischen
Kontext und gesetzliche Rahmenbedingungen für länderspezifische Unterschiede in der Angebots-Situation.
In Österreich gibt es eine „Widerspruchsregelung“: die Menschen müssen zu Lebzeiten festlegen, dass sie nicht als Organspender in Frage kommen wollen. Ansonsten wird davon
ausgegangen, dass man für den Fall des Todes in die Organspende einwilligt. Dieser Lösung steht die „Zustimmungslösung“ gegenüber, wie sie beispielsweise in Deutschland praktiziert wird. Wer dort keinen Organspenderausweis besitzt,
dem dürfen nach seinem Tod Organe nur mit Zustimmung
der nächsten Angehörigen entnommen werden. Nachdem
nur etwa 10 % der Bevölkerung einen Organspenderausweis
besitzen, muss ein sehr viel höherer Prozentsatz auf den Wartelisten sterben als in den Ländern mit Widerspruchslösung als
gesetzlicher Basis. Im österreichischen Widerspruchsregister
sind derzeit ungefähr 16.000 Namen gespeichert.
Abb.: Univ.-Prof. Dr. Raimund Margreiter, ao. Univ.-Prof. Dr. Paul
Hengster, Nina Sürth (Roche Austria), ao. Univ.-Prof. Dr. Gert
Mayer, Egon Saurer (Obmann „Nephro Tirol“), Univ.-Prof. Dr. Paul
König, ao. Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz (v. l. n. r.)
Alle relevanten Informationen über den Organspender werden
vom Transplantationszentrum an Eurotransplant gemeldet, wo
die Vergabe nach objektiven Kriterien erfolgt. Professor Hengster rekapitulierte die Eckdaten dieser Non-Profit-Organisation,
die die vorhandenen Spenderorgane für einen Einzugsbereich
von etwa 120 Millionen Menschen verwaltet, und ging auf das
transparent nachvollziehbare Punktesystem ein, nach dem letztlich die Zuteilung eines Organs erfolgt.
„Warum benötige ich Untersuchungen vor und nach der
Transplantation?“ Der stationsführende OA der Klinischen
Abteilung für Nephrologie, Innsbruck, ao. Univ.-Prof. Dr.
Alexander Rosenkranz, wies auf das gestiegene Langzeitüberleben und dafür verantwortliche Faktoren hin: neue immunsuppressive Strategien, Verbesserung der chirurgischen und
internistischen Betreuung unmittelbar nach dem Eingriff und
Verbesserung der Langzeitbetreuung (Nachsorgeuntersuchungen). Auch die Auswahl der Kandidaten für eine
Transplantation ist sorgfältiger. Prof. Rosenkranz wies in
diesem Zusammenhang auf einen 2007 von Österreichs
bedeutendsten Nephrologen und Transplantationsmedizinern erarbeiteten Consensus zu Vorbereitungsuntersuchungen zur Nierentransplantation hin. In der Präambel zu
diesem Consensus werden die Grundsätze formuliert: Jeder
Patient mit terminalem Nierenversagen sollte unabhängig
von Alter, Geschlecht, sozialer, wirtschaftlicher oder ethnischer Zugehörigkeit in Hinblick auf eine Nierentransplantation (oder eine kombinierte Transplantation) evaluiert wer-
7
den. Auf die Möglichkeit einer Lebendspende sollen alle
Kandidaten aufmerksam gemacht werden.
Die Basisuntersuchungen sind bei allen Patienten vor der
Aufnahme auf die Warteliste erforderlich. Darüber hinausgehende Untersuchungen sind bei entsprechender
Anamnese, bei Risiko-Konstellation oder pathologischen Befunden je nach Situation durchzuführen. Wird
der Patient seinerseits von einem Transplantationszentrum abgelehnt, so hat er das Recht, sich an ein anderes Zentrum in Österreich zu wenden, um von diesem
vielleicht doch auf die Warteliste gesetzt zu werden.
Untersuchungen nach der Transplantation entscheiden sehr
wesentlich darüber, wie lange ein verpflanztes Organ lebt,
überprüfen zugleich aber auch den Allgemeinzustand des Patienten. Denn transplantierte Patienten sind in mancherlei
Hinsicht „Risikogruppen“, wenn sie sich nicht den
regelmäßigen Untersuchungen stellen.
„Was erwartet mich auf der Transplantations-Chirurgie?“ Professor Hengster orientierte sich in der Darstellung des Transplantationsereignisses selbst an einer vorbereiteten Präsentation des krankheitshalber entschuldigten
Kollegen ao. Univ.-Prof. Dr. Walter Mark, Klinischer Leiter im Bereich Allgemein- und Transplantationschirurgie,
Innsbruck. Er erklärte in einer auch für Laien verständlichen
Sprache die eigentliche Prozedur der Nierentransplantation und die neuralgische Phase nach der Transplantation:
Es sei nicht selbstverständlich, dass eine Niere vom ersten
Tag an funktioniere. Nicht selten bekommen frisch transplantierte Patienten am Anfang noch eine Dialysebehandlung. Manche produzieren zwar Harn, können aber die
harnpflichtigen Substanzen anfangs noch nicht beseitigen.
Andere erzeugen zu Beginn gar keinen Harn und die Nieren
übernehmen erst allmählich ihre Aufgaben.
Allgemein muss am Anfang das Immunsystem am stärksten
unterdrückt werden, wobei heute eine Vielzahl von Medikamenten existiert, die eine Abstoßung des verpflanzten Organs
verhindern können.
„Was kann ich als Patient zum Gelingen der Transplantation beitragen?“ Der stellvertretende Leiter der Klinischen Abteilung für Nephrologie, Univ.-Prof. Dr. Paul
König, hob den Stellenwert der seelischen Verarbeitung des
ganzen Geschehens für die Gesundheit des transplantierten
Organs und seines Empfängers hervor und verwies in diesem
Zusammenhang auf das Modell der Krankheitsbewältigung,
wie es Kübler-Ross 1969 aufgezeigte: mit dem ersten Abschnitt die Verweigerung, eine schwere Krankheit anzunehmen. Der nächste Schritt ist dann der Versuch, sich damit zu
arrangieren. Wenn dies alles keinen Erfolg zeitigt und das Nierenversagen beharrlich fortschreitet, setzt Trauer ein, die „re-
aktive Depression“. Dies ist keine leichte Situation für die
Angehörigen und es bedarf großer seelischer Stärke auch von
ihrer Seite. Wenn der Patient schließlich seine Krankheit, den
konkreten Zustand seines Lebens, bewusst und in voller
Tragweite annehmen kann, wird die Situation für ihn für seine
Umgebung leichter.
Professor König erläuterte mit der Logotherapie Viktor
Frankls und dessen dreidimensionalem Menschenbild –
Körper, Geist, Psyche – nicht nur ein hilfreiches Interpretations-, sondern auch therapeutisches Selbsthilfekonzept
in dieser existenziell bedrohlichen Situation.
Die entscheidende Frage sollte immer sein: Wo geht der
Weg jetzt weiter, was sollte anders gemacht werden, wie
kann’s mir wieder besser gehen?
Ein Jahr Verein „Nephro Tirol“
Um für die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung als
Nierenpatienten eine effektive institutionelle Grundlage
zu schaffen, wurde am 15. 3. 2007 der Selbsthilfe-Verein
„Nephro Tirol“ gegründet. Egon Saurer, einer der 8 Gründungsmitglieder und Obmann des Vereins, resümierte
rückblickend das 1. Jahr dieser vorbildlichen Initiative, angefangen von der Erarbeitung der Vereinsstatuten und Herstellung der notwendigen Rechtsgrundlagen bis zu den ersten und
sehr erfolgreichen Aktivitäten, um sich allen Nierenpatienten
als hilfreiche Patienten-Ansprechplattform zu präsentieren.
So konnte bereits im Juni 2007 die eigene Vereinshomepage
nephrotirol.at mit einem hohen Standard an Informationen
für Dialyse- und Nierentransplantierte online gehen. Zum
Europäischen Tag der Organspende am 13. 10. 2007
veranstaltete der junge Verein einen Informationstag im
Innsbrucker Rathaus.
In der Mitgliedschaft ist auch das Fachmagazin „Diatra“ erhältlich und rechtzeitig zum 1-Jahres-Jubiläum wurde die
Nullnummer der Mitgliederzeitung „Nephro Tirol Zeitung“ produziert, die 4-mal im Jahr erscheinen soll.
Vor dem Hintergrund der Ressourcendiskussion strich
Egon Saurer auch die wichtige Funktion der organisierten
Patientenselbsthilfe als Stimme der legitimen ökonomischen
Patienteninteressen hervor.
Zuletzt richtete er noch Dankesworte an die Innsbrucker Klinische Abteilung für Nephrologie (mit ao. Univ.-Prof. Dr. Gert
Mayer, der den Verein von Anfang an prominent unterstützt
hatte, und Univ.-Prof. Dr. Paul König), die Transplantationschirurgie (mit Univ.-Prof. Dr. Raimund Margreiter und ao.
Univ.-Prof. Dr. Hengster) und den Koordinator dieses Patientensymposiums, ao. Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz.
Auch der unermüdliche Einsatz vor Frau Nina Sürth vom
Sponsor Roche Austria für die Organisation des Symposi■
ums fand schließlich anerkennende Würdigung.
ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR NEPHROLOGIE
Sekretariat:
Klinische Abteilung für Nephrologie
Universitätsklinik für Innere Medizin
Medizinische Universität Innsbruck
A-6020 Innsbruck, Anichstraße 35
Tel.: (0512) 504-25855, Fax: (0512) 504-25857
e-mail: [email protected]
Innsbruck, 13. Feber 2008
Ausschreibung des Förderungspreises
der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie 2008
PRÄSIDENT:
R. Kramar
Gemäß Beschluss der Vollversammlung der Österreichischen Gesellschaft für
Nephrologie wird der
VIZEPRÄSIDENT:
G. Mayer
Förderungspreis der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie
in der Höhe von Euro 3.500,–
BEIRAT:
W. Gießauf
W. Hörl
K. Lhotta
SEKRETÄR:
A. Rosenkranz
SCHATZMEISTER:
R. Oberbauer
für das Jahr 2008 ausgeschrieben.
KOOPTIERTER
VORSTAND:
C. Aufricht
M. Auinger
P. Balcke
U. Barnas
G. Biesenbach
H. Graf
H. Holzer
W. Hörl
M. Joannidis
R. Klauser-Braun
P. König
E. Pohanka
H. Regele
A. Sadjak
R. Steininger
O. Traindl
W. Ulrich
Gemäß den Satzungen der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie sind folgende
Teilnahmebedingungen zu erfüllen:
1.)
Der Bewerber muss österreichischer Staatsbürger sein oder seinen ordentlichen
Wohnsitz in Österreich haben. Bei Gemeinschaftsarbeiten gilt diese Bedingung
für mindestens einen der Autoren.
2.)
Der Bewerber darf nur eine Arbeit einreichen.
3.)
Es können nur Arbeiten mit klinischer Relevanz auf dem Gebiet der Nephrologie
eingereicht werden, die noch nicht, oder nicht länger als ein Jahr vor dem Datum
der Ausschreibung, im Druck erschienen sind. Der (die) Name (Namen) des (der)
Autors* (Autoren) soll (sollen) nicht erkennbar sein. Habilitationsarbeiten sind
von der Teilnahme ausgeschlossen.
4.)
Der Arbeit muss ein versiegeltes Kuvert beigelegt werden, welches Namen und
Anschrift des Autors beinhaltet und auf welchem außen der Titel der Arbeit steht.
5.)
Die Arbeit muss in 6-facher Ausfertigung per Einschreiben eingereicht werden.
6.)
Die Zuerkennung des Preises erfolgt unter Ausschluss des Rechtsweges.
7.)
Die Einreichung der Arbeit hat an das Sekretariat der Österreichischen
Gesellschaft für Nephrologie, Medizinische Universität Innsbruck,
Klinische Abteilung für Nephrologie, z. Hd. Herrn Univ.-Prof. Dr. Alexander
Rosenkranz, Anichstraße 35, 6020 Innsbruck, zu erfolgen.
Der Endtermin für die Einreichung ist der 30. Juni 2008.
ao. Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz
(Sekretär)
* Bezeichnungen erfolgen geschlechtsneutral
ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR NEPHROLOGIE
Sekretariat:
Klinische Abteilung für Nephrologie
Universitätsklinik für Innere Medizin
Medizinische Universität Innsbruck
A-6020 Innsbruck, Anichstraße 35
Tel.: (0512) 504-25855, Fax: (0512) 504-25857
e-mail: [email protected]
Innsbruck, 13. Feber 2008
Ausschreibung des Hans-Krister-Stummvoll-Preises
der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie 2008
PRÄSIDENT:
R. Kramar
Gemäß Beschluss der Vollversammlung der Österreichischen Gesellschaft
für Nephrologie wird der
VIZEPRÄSIDENT:
G. Mayer
Hans-Krister-Stummvoll-Preis der Österreichischen
Gesellschaft für Nephrologie in der Höhe von Euro 1.750,–
BEIRAT:
W. Gießauf
W. Hörl
K. Lhotta
SEKRETÄR:
A. Rosenkranz
SCHATZMEISTER:
R. Oberbauer
für das Jahr 2008 ausgeschrieben.
KOOPTIERTER
VORSTAND:
C. Aufricht
M. Auinger
P. Balcke
U. Barnas
G. Biesenbach
H. Graf
H. Holzer
W. Hörl
M. Joannidis
R. Klauser-Braun
P. König
E. Pohanka
H. Regele
A. Sadjak
R. Steininger
O. Traindl
W. Ulrich
Gemäß den Satzungen der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie sind folgende
Teilnahmebedingungen zu erfüllen:
1.)
Der Bewerber muss österreichischer Staatsbürger sein oder seinen ordentlichen
Wohnsitz in Österreich haben. Bei Gemeinschaftsarbeiten gilt diese Bedingung
für mindestens einen der Autoren.
2.)
Der Bewerber darf nur eine Arbeit einreichen.
3.)
Es können nur Arbeiten mit klinischer Relevanz auf dem Gebiet der Nephrologie
eingereicht werden, die noch nicht, oder nicht länger als ein Jahr vor dem Datum
der Ausschreibung, im Druck erschienen sind. Der (die) Name (Namen) des (der)
Autors* (Autoren) soll (sollen) nicht erkennbar sein. Habilitationsarbeiten sind
von der Teilnahme ausgeschlossen.
4.)
Der Arbeit muss ein versiegeltes Kuvert beigelegt werden, welches Namen und
Anschrift des Autors beinhaltet und auf welchem außen der Titel der Arbeit steht.
5.)
Die Arbeit muss in 6-facher Ausfertigung per Einschreiben eingereicht werden.
6.)
Die Zuerkennung des Preises erfolgt unter Ausschluss des Rechtsweges.
7.)
Die Einreichung der Arbeit hat an das Sekretariat der Österreichischen
Gesellschaft für Nephrologie, Medizinische Universität Innsbruck,
Klinische Abteilung für Nephrologie, z. Hd. Herrn Univ.-Prof. Dr. Alexander
Rosenkranz, Anichstraße 35, 6020 Innsbruck, zu erfolgen.
Der Endtermin für die Einreichung ist der 30. Juni 2008.
ao. Univ.-Prof. Dr. Alexander Rosenkranz
(Sekretär)
* Bezeichnungen erfolgen geschlechtsneutral
10
VOR DEM HINTERGRUND DER MALIGNOMINZIDENZ
Was bringen Krebs-Vorsorgeuntersuchungen
bei Dialysepatienten?
Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Balcke
Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung des Landesklinikums St. Pölten sowie des Karl-Landsteiner-Instituts
für Nephrologie und Hämato-Onkologie
iagnose, Therapie und Fragen der Malignomvorsorge
stellen auch für den mit der Dialyse von Patienten
betrauten Nephrologen ein wichtiges, aber oft unterbewertetes Thema dar. Es wird zumeist von den dialyseassoziierten und kardiovaskulären Problemen überschattet. Trotzdem werfen nicht nur die Malignome mit Nierenschädigungen wie das multiple Myelom, sondern auch
solide Tumoren relevante Fragen auf.
Dialyse erhöht das Risiko nicht, auch
die Art der Dialysebehandlung hat
keinen Einfluss.
D
Inzidenz von Malignomen bei Dialysepatienten
Die jährliche Malignominzidenz ist mit 1,2 Diagnosen pro
100 Patientenjahren im Vergleich zur Normalbevölkerung
deutlich erhöht (Standardised Incidence Ratio 1,18).
Erhöhte Prävalenz vor allem bei Nierenzellkarzinomen:
Dabei sind nicht alle Organe im selben Ausmaß betroffen.
Deutlich erhöht ist das Risiko für diagnostizierte Karzinome
der Nieren, Harnblase, Schilddrüse und der Cervix uteri,
leicht vermindert jenes für Mammakarzinom und Prostatakarzinom. Die Inzidenzraten für Lungen- und kolorektale
Karzinome entsprechen etwa der Vergleichspopulation. In
absoluten Zahlen liegen Bronchialkarzinome, kolorektale
Karzinome, Mammakarzinome, Harnblasenkarzinome und
Nierenzellkarzinome etwa gleichauf. Tatsächlich dürften Nierenzellkarzinome aber deutlich häufiger vorkommen, als die diagnostizierten Fälle in Registern zum Ausdruck bringen.
So erbrachte eine Ultraschalluntersuchung eine Prävalenz von
Nierenkarzinomen von 3,8 % bei chronischen Dialysepatienten und damit eine 100-fach höhere Prävalenz als bei
einem Vergleichskollektiv. Diese hohen Zahlen werden durch
eine weitere Studie gestützt, bei der an im Rahmen von Nierentransplantationen entfernten Eigennieren pathologischanatomische Untersuchungen vorgenommen wurden.
Dabei wurde ein Nierenzellkarzinom in 4,2 % der Fälle festgestellt. Adenome waren in 14 % und Onkozytome in 0,6 %
der Fälle zu finden. Hepatozelluläre Karzinome treten
gehäuft bei Hepatitis B und C sowie bei Diabetikern auf. Die
Standardised Incidence Ratio ist am höchsten bei jungen Patienten und fällt mit zunehmendem Alter. Die Dauer der
Erkrankungsstadium bei Diagnose:
Was das Stadium der Erkrankung bei
Diagnosestellung anlangt, so waren in
einer Untersuchung Dialysepatienten
trotz des ständigen Kontaktes mit
Prim. Univ.-Prof. Dr.
Peter Balcke
einem Arzt nicht besser versorgt. Besonders das Prostatakarzinom wurde
häufiger in einem nicht auf das Organ beschränkten Stadium
diagnostiziert als bei Nichtdialysepatienten. Möglicherweise
stellt das Wegfallen von Auffälligkeiten der Miktion bei Anurie eine Erklärung dafür da, dass die Diagnose später erfolgt.
Ursachen einer erhöhten Inzidenz: Die Einflüsse bezüglich
einer erhöhten Malignominzidenz bei Dialysepatienten
scheinen vielfältig zu sein. Beeinträchtigungen des Immunsystems im Rahmen der Niereninsuffizienz, vorausgehende
Behandlungen mit Immunsuppressiva, Störungen im DNARepairmechanismus sowie virale Infektionen (Papillomavirus beim Zungenkarzinom und Zervixkarzinom, HepatitisB- und Hepatitis-C-Viren bei hepatozellulärem Karzinom,
Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus unter Dialysebedin
gungen) könnten wichtige Faktoren sein.
Tabelle 1: Verwertbarkeit von Tumormarkern
bei Niereninsuffizienz
Einfluss der Niereninsuffizienz
Tumormarker
Unverändert
bei Dialysepatienten
-Fetoprotein, PSA
(jedoch falsch
niedrig bei High-FluxMembranen), -HCG
Möglicherweise verändert
bei Dialysepatienten
CA 19-9, CA 125,
CA 50
Falsch hoch
bei Dialysepatienten
CEA, SCC, NSE,
2-MG, Calcitonin
12
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
HD, kein Diabetes
HD, Diabetes
< 2 cm N–
< 2 cm N 1–3
< 2 cm N > 4
Metastasiert
Abb. 1: Annähernde 5-Jahres-Überlebensraten (%) bei chronischen
Hämodialysepatienten (HD) und nierengesunden Patientinnen mit
verschiedenen Stadien eines behandelten Mammakarzinoms
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
HD, kein Diabetes
HD, Diabetes
Dukes A
Dukes B
Dukes C
Dukes D
Abb. 2: Annähernde 5-Jahres-Überlebensraten (%) bei chronischen
Hämodialysepatienten (HD) und nierengesunden Patienten mit verschiedenen Stadien eines behandelten Kolonkarzinoms
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
HD, kein Diabetes
HD, Diabetes
Stadium A
Stadium B
Stadium C
Stadium D
Abb. 3: Annähernde 5-Jahres-Überlebensraten (%) bei chronischen
Hämodialysepatienten (HD) und nierengesunden Patienten mit verschiedenen Stadien eines behandelten Prostatakarzinoms
Bei der hohen Häufigkeit der Nierenzellkarzinome scheint
die Zystenbildung der wichtigste Faktor zu sein. Für die anderen Tumore im Harntrakt dürften vor allem chronische
Entzündungen eine Rolle zu spielen. Weiters stellen Malformationen, Balkan-Nephritis sowie früher der PhenacetinAbusus prädisponierende Faktoren dar.
Die Häufigkeit des Auftretens von Tumoren besonders bei
jüngeren Patienten kann mit einer mit den vorbereitenden Untersuchungen zur Nierentransplantation assoziierten erhöhten Diagnoserate zusammenhängen, zum anderen
könnte die durch die Niereninsuffizienz verursachte Beeinträchtigung des Immunsystems sich bei Jüngeren besonders auswirken, während sich die Unterschiede mit
zunehmendem Alter durch die physiologische Beeinträch-
tigung des Immunsystems beim älteren Nierengesunden
angleichen.
Das weniger häufige Vorkommen des Mammakarzinoms und
des Prostatakarzinoms dürfte auf hormonelle Einflüsse bei
Niereninsuffizienz zurückzuführen sein.
Krebs-Vorsorgeuntersuchung
bei Dialysepatienten
Die Sinnhaftigkeit von Vorsorgeuntersuchungen wird bei
Dialysepatienten, die nicht zur Transplantation gemeldet
werden, im Hinblick auf die verminderte Lebenserwartung
von chronischen Dialysepatienten weitgehend in Frage gestellt. Besonders in den USA wird eine strikt ablehnende Haltung eingenommen, während in Europa eher eine pragmatische Haltung vorherrscht.
Vorsorgeuntersuchungen bei Gesunden: Folgende Vorsorgeuntersuchung werden in Österreich bei Gesunden empfohlen: Mammographie ab dem 40. Lebensjahr mindestens alle
2 Jahre, Krebsabstrich 1 x jährlich ab dem 20. Lebensjahr, Okkulttest regelmäßig ab dem 40. Lebensjahr, Koloskopie ab dem
50. Lebensjahr alle 5–7 Jahre, Hautselbstuntersuchung,
Prostata-Krebsvorsorge mit Tastuntersuchung durch den Arzt
über 45 Jahre 1-mal pro Jahr, Blutabnahme zur Bestimmung
des Tumormarkers PSA ab dem 40. Lebensjahr 1-mal pro Jahr.
Besonderheiten bei Dialysepatienten:
• Mammographie: Die Beuteilung kann durch urämische
Kalzifikationen in der Brust erschwert sein. Die Lebenserwartung einer 50-jährigen Dialysepatientin ohne
Diabetes und ohne Risikofaktoren für Brustkrebs erhöht
sich durch eine Mammographievorsorge um etwa 50
Tage, dagegen für eine gleichaltrige Patientin ohne
Diabetes, aber mit 3 Risikofaktoren für Brustkrebs
(2 Schwestern mit Brustkrebs, Menarche vor dem 12.
Lebensjahr und Erstgeburt nach dem 25. Lebensjahr)
um etwa 200 Tage. Bei Diabetikerinnen sind die
Benefits wesentlich geringer.
• Krebsabstrich: Der Krebsabstrich zur Vorsorge des
Zervixkarzinoms bewirkt eine Lebensverlängerung um
wenige Tage.
• Stuhluntersuchung auf okkultes Blut und nachfolgende
Koloskopie: Okkultes Blut ist bei Dialysepatienten häufig
nachzuweisen. Der Überlebensvorteil eines Screenings
liegt bei etwa 3 bis 43 Tagen.
• Prostatakarzinom-Vorsorgeuntersuchung: Ein möglicher
Benefit für das Überleben an der Dialyse ist in der
Literatur nicht näher untersucht. PSA als Tumormarker
ist jedoch ein verwendbarer Tumormarker. Bei Verwendung von High-Flux-Membranen kann er jedoch falsch
niedrig sein (Tab. 1).
• Screening auf Nierenzellkarzinom und Harnblasenkarzinom:
Trotz der höheren Inzidenz beider Malignome bei
Dialysepatienten im Vergleich zu Nierengesunden wird
13
die routinemäßige Screeninguntersuchung bei Dialysepatienten, die nicht zur Transplantation gemeldet werden,
von den meisten Autoren nicht empfohlen.
Eine Ausnahme stellen Patienten mit Analgetika-Nephropathie dar. Der Überlebensvorteil durch eine Screeninguntersuchung liegt bei 1,6 Jahren bezogen auf eine Dialysedauer von 25 Jahren. Bei einem etwa 60 Jahre alten Patienten ergibt sich ein Überlebensvorteil von etwa 5 Tagen.
Fazit für die Praxis: Screeninguntersuchungen werden im
Allgemeinen nicht empfohlen. Während in den USA zumeist
eine generelle Ablehnung erfolgt, wird in Europa eher eine
pragmatische, auf den individuellen Patienten bezogene Haltung eingenommen. Jungen Frauen mit familiärer Häufung
von Mammakarzinom und anderen Risikofaktoren sollten
regelmäßige Mammographien nicht vorenthalten werden.
Dasselbe gilt für gynäkologische Untersuchungen ab dem
20. Lebensjahr und Prostatauntersuchungen einschließlich
PSA- Bestimmung bei über 45-jährigen Patienten.
Warum Vorsorgeuntersuchungen allgemein bei Dialysepatienten so wenig bringen, wird bei Betrachtung der
schlechten Prognose der dialysepflichtigen Niereninsuffizienz verständlich. Selbst viele metastasierte Karzinome
haben oft eine bessere Prognose als die dialysepflichtige
Niereninsuffizienz beim älteren Patienten. Die Niereninsuffizienz an sich stellt eine annähernd gleich maligne
Erkrankung dar wie Karzinome in einem fortgeschrittenen
■
Stadium (Abb. 1, 2, 3).
Die Inzidenz von Malignomen ist bei Dialysepatienten im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöht. Deutlich erhöht ist das
Risiko für diagnostizierte Karzinome der Nieren, Harnblase,
Schilddrüse und der Cervix uteri. Die Prävalenz von Nierenzellkarzinomen liegt bei Ultraschalluntersuchungen bei etwa 3,8 %.
Die Inzidenzraten für Lungen- und kolorektale Karzinome entsprechen etwa der Vergleichspopulation, die von Mammakarzinom und Prostatakarzinom sind leicht vermindert.
Krebsvorsorgeuntersuchungen werden auf Grund der verringerten Lebenserwartung von Dialysepatienten im Allgemeinen
in der Literatur als nicht sinnvoll erachtet, sofern die Patienten
nicht zur Transplantation gemeldet werden. Jedoch sollte ein
Procedere unter Beachtung der Lebenserwartung gewählt
werden. Mammographien – besonders bei Vorliegen von Risikofaktoren für Brustkrebs- und Krebsabstrichuntersuchungen
sowie Untersuchungen der Prostata sollten bei höherer Lebenserwartung erwogen werden. Die Indikation eines Screenings
auf Nierenzellkarzinom und Harnblasenkarzinom sollte unter
Beachtung der renalen Grunderkrankung ebenfalls individuell
gestellt werden.
ANMELDUNG:
Klinische Abteilung
für Nephrologie,
Medizinische Universität
Innsbruck
NEPHROLOGIE INNSBRUCK
„STATE OF THE ART“ 2008
Veranstalter:
Zeitpunkt:
Ort:
Klinische Abteilung für Nephrologie
Medizinische Universität Innsbruck
ao. Univ.-Prof. Dr. Alexander R. Rosenkranz
12.–13. September 2008
5081 Neu-Anif Salzburg
z. Hd. Herrn ao. Univ.-Prof.
Alexander R. Rosenkranz,
6020 Innsbruck,
Anichstraße 35
Tel.: +43/512/504-25857
oder E-Mail:
alexander.rosenkranz@
i-med.ac.at
14
MÖGLICHE KOMPLIKATION DER IMMUNSUPPRESSIVEN BEGLEITTHERAPIE
Malignome
vor und nach Nierentransplantation
Dr. Katharina Hohenstein und ao. Univ.-Prof. Dr. Bruno Watschinger
Klinische Abteilung für Nephrologie und Dialyse, Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien
ei der Auswahl von Transplantationskandidaten wird aus nahe
liegenden Gründen besonderes
Augenmerk auf kardiovaskuläre
Fragestellungen gelegt. Aber auch
die Frage einer Organtransplantation nach dem Auftreten eines Malignoms stellt sich immer wieder
und stellt die Behandelnden vor oft
schwierige Entscheidungen.
B
Dr.
Katharina Hohenstein
Innerhalb von 50 Jahren hat sich die Nierentransplantation
zur bevorzugten Methode der Nierenersatztherapie entwickelt. Dies ist der kontinuierlichen Verbesserung der Transplantationsergebnisse mit einem beachtenswerten Anstieg der
Patienten- und Transplantat-Überlebenszeiten zuzuschreiben.
Während anfänglich nur ausgewählte Patienten zur Aufnahme auf die Transplantationswarteliste akzeptiert wurden,
sind die Aufnahmekriterien heute wesentlich gelockert.
Neben älteren Patienten werden auch Patienten mit Komorbiditäten von der Evaluierung nicht ausgeschlossen.
Malignome nach Transplantation
Signifikant erhöhtes Risiko: Malignome sind eine häufige
Komplikation nach Nierentransplantation. Die Gesamtinzi-
denz von Malignomen übertrifft bei
Organtransplantierten jene der Normalbevölkerung um das 3- bis 5Fache. Die Häufigkeit ist jedoch für
unterschiedliche Tumorarten sehr variabel. Während Hauttumoren mit
Ausnahme des Melanoms eine bis zu
25-fach höhere Inzidenz aufweisen
und ein 10- bis 15-fach gesteigertes
ao. Univ.-Prof. Dr.
Bruno Watschinger
Risiko für Non-Hodgkin-Lymphome
oder andere Karzinome (Lippen,
Vulva, Perineum, Zervix, Niere, Ureter und Blase) beobachtet wird, ist das Auftreten von Lungentumoren, Melanomen,
Prostata-, Kolon- oder Mammakarzinomen vergleichsweise
nur gering vermehrt (etwa um das 2- bis 3-Fache).
Das relativ erhöhte Malignomrisiko bei nierentransplantierten
Patienten ist aus Registern wie dem Australian and New Zealand Dialysis and Transplant Registry (ANZDATA), der Collaborative Transplant Study (CTS), dem United Network of
Organ Sharing (UNOS) oder dem Israel Penn International
Transplant Tumor Registry (IPITTR) bekannt. Die Meldung
an die Register basiert nur auf freiwilliger Basis. Wahrscheinlich wird das aus den Registern errechnete Risiko in den Analysen sogar unterschätzt, da sich die erwähnten Register auf inkomplette Daten stützen müssen und die vielen nicht gemel
deten Tumoren in die Berechnungen nicht einfließen.
16
Tabelle 1: Risikofaktoren für Malignome
nach der Transplantation
Modifizierbare Risikofaktoren
- Rauchen
- Sonnenexposition
- geographischer Lebensraum
- Immunsuppression (Art der IS, kumulative IS,
Induktionstherapie mit Antikörpern, Anzahl der
IS-Medikamente, IS-Therapie vor der Transplantation)
- Analgetikabusus
- Splenektomie
Nicht-modifizierbare Risikofaktoren
- Alter
- männlicher Geschlecht
- Ethnizität
- genetische Disposition
- onkogene Viren
- chronische Niereninsuffizienz/Dialyse-Dauer
- Posttransplant-Lebensdauer
- Malignom-Anamnese
- zystische Nierenerkrankungen
Stetig zunehmende Inzidenz nach Transplantation: Die
Tumorhäufigkeit steigt mit zunehmender Dauer nach der
Transplantation an. Hauttumoren ausgenommen beträgt sie
im United States Renal Data System (USRDS) 3 Jahre nach
der Transplantation 7,5 %. Das IPITTR nimmt eine Inzidenz von 20 % nach 10 Jahren, das ANZDATA von 30 %
nach 20 Jahren an. Die kumulative Prävalenz von Tumoren
nimmt in Abhängigkeit von der Beobachtungsdauer signifikant zu. Bei Hauttumoren beträgt die Langzeitinzidenz (nach
20 Jahren) etwa 60 % in Regionen mit wenig Sonnenexposition (z. B. Großbritannien), während sie beispielsweise in
Australien, bei erhöhter Sonnenexposition auf über 80 % ansteigt.
Drei Arten der möglichen Tumorgenese: Auch wenn die
meisten Tumoren nach der Transplantation de novo entstehen,
muss die Möglichkeit einer Reaktivierung von bereits vor der
Transplantation behandelten Malignomen oder die Aggravierung unbekannter Tumoren unter immunsuppressiver
Therapie immer in Betracht gezogen werden. Aus diesem
Grund wird dem Thema Malignität im Rahmen der Voruntersuchung großes Augenmerk geschenkt.
Prinzipiell sind 3 Arten der Entstehung von Malignomen bei
Nierentransplantierten zu unterscheiden
• De-novo-Tumoren nach der Transplantation (als
häufigste Malignomursache nach Nierentransplantation)
• Rekurrenz von Tumoren nach der Transplantation: Die
Rekurrenzrate von Malignomen ist gering. Wie aus den
größten Registern (OPTN/UNOS und ANZDATA)
hervorgeht, beträgt sie lediglich 0,05 bis 0,09 %. Diese
niedrige Inzidenzrate ist durch die sorgfältige Empfängerauswahl und das Einhalten vorgeschlagener Wartezeiten nach einer Tumorbehandlung zu erklären.
• Transmission von Tumoren des Spenders: Sie ist mit
0,012 % ein noch selteneres Ereignis. Allerdings ist für
einzelne Malignome ein erhöhtes Transmissionsrisiko
bekannt. Daher sollten Spender mit bestimmten Tumoren in der Anamnese vermieden werden.
Risikofaktoren: Das Auftreten von Malignomen nach Nierentransplantation wird durch bekannte Risikofaktoren wie
fortgeschrittenes Alter, Nikotin- oder Analgetika-Abusus,
aber auch durch genetische Faktoren, virale Infektionen
sowie die Art und Intensität der Immunsuppression begünstigt (Tab. 1).
Ein Tumor vor der Transplantation stellt einen Risikofaktor
für De-novo-Tumoren nach der Transplantation dar.
Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Patientenalter und der kumulativen Tumorinzidenz. 5 Jahre nach der
Transplantation besteht bei über 60-jährigen Patienten im
Vergleich zu Patienten, die jünger als 30 Jahre alt sind, eine
etwa 10-fach erhöhte Malignomhäufigkeit.
Vor allem bei Patienten mit langjährigem Phenacetin-Abusus ist das Risiko für Urothelkarzinome nach Transplantation
deutlich gesteigert. Zigarettenrauchen steigert nach Transplantation das Risiko für die Entwicklung eines Bronchialkarzinoms.
Eine genetische Prädisposition bei der Tumorentstehung
lässt sich davon ableiten, dass bei bekannter Anamnese für
ein invasives Malignom das Risiko für einen zweiten invasiven Tumor erhöht ist. Auch das gehäufte Auftreten von
Mehrfachtumoren bei transplantierten Patienten unterstützt die Annahme von genetischen Faktoren bei der Tumorentstehung. Einzelne seltene, genetisch bedingte renale
Erkrankungen (z. B. Hippel-Lindau-Syndrom, WiskottAldrich-Syndrom, Drash-Syndrom) sind mit einem erhöhten Risiko für Tumoren nach Nierentransplantation assoziiert.
Tabelle 2: Viren, die mit Malignomen nach
Transplantation assoziiert sind
Tumor
Virus
Hauttumoren (Nicht-Melanome)
HPV 8, 19
Hauttumoren, Tonsillen-Karzinome HPV 16, 20
Kaposi-Sarkom
humanes Herpesvirus Typ 8 (HHV 8)
Lymphom
Epstein-Barr-Virus
Mb. Bowen
HPV 58
Zervix-, Vulva-, Penis-Karzinom
humane Papillomaviren (HPV)
Hepatozelluläres Karzinom
Hepatitis C (HCV),
Hepatitis B (HBV)
17
Viele Studien haben enge Assoziationen und kausale Zusammenhänge zwischen chronischen Virusinfektionen und malignen Erkrankungen bei nierentransplantierten Patienten gezeigt. Es sind oft ausgewählte Infektionen, die zu besonderen Tumoren prädisponieren (Tab. 2).
Malignome vor Transplantation
Jedenfalls Wartezeit: Mit Anstieg des Alters der Patienten,
die auf die Warteliste gesetzt werden, nimmt auch die Häufigkeit von Tumoren in der Anamnese zu. Der MalignomAusschluss im Rahmen der Voruntersuchungen zu einer
Transplantation ist von besonderer Wichtigkeit. Abgesehen
davon, dass ein aktiver Tumor eine Aufnahme auf die Warteliste verhindert bzw. eine positive Tumoranamnese die
Dauer der Wartezeit verlängern kann, stellt ein Tumor vor
der Transplantation einen Risikofaktor für De-novo-Tumoren nach der Transplantation dar. 7,8 % der Patienten mit
Tumoranamnese (vs. 3,1 % ohne spezifische Anamnese) entwickeln nach Nierentransplantation einen De-novo-Tumor,
nach Herztransplantation ist der Prozentsatz noch höher
(15,3 vs. 9,7 %). Auch zytotoxische Therapien vor der Nierentransplantation (z. B. Cyclophosphamid) erhöhen das Risiko einer Tumorentstehung.
Was gegen Transplantation bei Tumoranamnese spricht:
Patienten mit einer Tumoranamnese vor der Transplantation
Tabelle 3: Guidelines für die Evaluierung
von Transplantationskandidaten
• European Best Practice Guidelines for Renal Transplantation. Nephrol Dial Transpl 2000, Vol 15
(Suppl 7):3-38
• The Evaluation of Renal Transplant Candidates: Clinical
Practice Guidelines. Am J Transplant 2001, Vol 1
(Suppl 2):5-95
• Canadian Society of Transplantation consensus guidelines on eligibility for kidney Transplantation. CMAJ,
2005, 173(10):S1-S25
• Österreichischer Consensus „Vorbereitungsuntersuchungen vor Nierentransplantation“. NephroScript
2007; 3:6-13
weisen im Vergleich zu tumorfreien Patienten eine herabgesetzte Lebenserwartung auf. Dies ist unabhängig davon, ob
nach der Transplantation ein De-novo-Tumor auftritt oder
das frühere Malignom rekurriert. Tritt bei diesen Patienten
allerdings ein De-novo-Tumor auf, ist die Lebenserwartung
noch weiter reduziert.
Bei der Aufnahme von Tumorpatienten auf die Warteliste ist
besondere Sorgfalt geboten. Dennoch bleiben Unsicherhei- Tabelle 4: Empfohlene Wartezeiten vor Aufnahme auf die Warteliste
Europa
USA
Canada
keine
keine
1 Jahr
keine
keine
keine
keine
keine
keine
2 Jahre
2 Jahre
1–2 Jahre
2 Jahre
2 Jahre
2 Jahre
k. A.
2 Jahre
2 Jahre
2 Jahre
2 Jahre
2 Jahre
2 Jahre
2 Jahre
0–2 Jahre
2 Jahre
2 Jahre
2–5 Jahre
2 Jahre
Malignom
Inzidentielles Nierenzell-Ca
Basalzell-Ca
Blasen-Ca in situ
Zervix-Ca in situ
Lymphom
Prostata-Ca
Thyroidea-Ca
Hoden-Tumoren
Symptomat. Nierenzell-Ca
Bronchus-Ca
Mamma (duktales Ca in situ)
Mamma-Ca
Malignes Melanom
Invasives Zervix-Ca
Invasives Blasen-Ca
Kolorektales Ca
2 Jahre
3 Jahre
2 Jahre
4–5 Jahre
5 Jahre
5 Jahre
2–5 Jahre
2–5 Jahre
k. A.
2 Jahre
0–5 Jahre
(abh. von Stadium)
5 Jahre
2–5 Jahre
k. A.
2 Jahre
2–5 Jahre
(abh. von Stadium)
18
ten bestehen, da die Transplantation im Wissen erfolgt, dass
bei diesen Patienten
• die Antitumor-Immunität des Patienten schon vor der
Transplantation versagt hat
• die Antitumor-Immunität zur Aufrechterhaltung der
Remission nicht klar ist
• und der unterschiedliche Einfluss der verschiedenen
Immunsuppressiva auf die Antitumor-Immunität nicht
geklärt ist.
29 Prostata-Karzinome). Zudem finden sich meist keine Angaben über die bei den Patienten verwendete Immunsuppression, die selbstverständlich auch einen wesentlichen Einfluss
auf die Tumorentstehung haben kann.
Im Sinne der „besten Evidenz“ sind die Registerdaten und
die daraus abgeleiteten Empfehlungen als Richtlinie für die
vorgeschlagenen Wartezeiten nach einer Tumorerkrankung
dennoch hilfreich. Tabelle 4 fasst die Empfehlungen in übersichtlicher Form zusammen.
Neue Perspektive durch antiproliferativ wirksame Immunsuppressiva: Aus diesen Gründen könnte man die
Meinung vertreten, dass eine Transplantation bei diesen
Patienten eigentlich nicht in Frage kommt. Dieser Ansicht
müssen allerdings die positiven Erfahrungen, die bei Patienten nach Tumorerkrankungen gemacht wurden, gegenübergestellt werden. So können beispielsweise Patienten mit hepatozellulärem Karzinom bei sorgfältiger Auswahl erfolgreich einer Lebertransplantation unterzogen
werden. Eine Transplantation kann auch unter dem
Aspekt neuer immunsuppressiver Substanzen (z. B.
mTOR-Inhibitoren), für die auch experimentell gezeigt
wurde, dass sie antiproliferative Eigenschaften haben und
das Wachstum bestimmter Tumoren hemmen können, neu
überdacht werden. Eine endgültige Bewertung der „antitumoralen Fähigkeiten“ dieser Substanzen in der Transplantation steht noch aus. Allerdings werden in diese Medikamente große Hoffnungen gesetzt und manche der
Substanzen sogar in modifizierter Form in der Onkologie
als Chemotherapeutika erprobt.
Zusammenfassung
Empfehlungen mit eingeschränkter Evidenz: Die Frage, ob
man einen Patienten nach erfolgreich behandeltem Tumor
einer Transplantation unterziehen kann, bleibt oft schwierig.
Leider kann für die Entscheidung bei Patienten mit Tumoranamnese nicht auf Ergebnisse kontrollierter Studien
zurückgegriffen werden. Auch wenn es sich im Einzelfall
immer um eine individuelle Entscheidung handelt, kann als
Hilfestellung für den Entscheidungsprozess auf die publizierten Guidelines verschiedener Gesellschaften zurückgegriffen
werden (Tab. 3). Für alle diese Empfehlungen gilt allerdings,
dass sie auf den oben erwähnten, inkompletten Registerdaten basieren bzw. sich oft nur auf einzelne Single-Center-Studien oder sogar nur Fallberichte beziehen können. In vielen
Fällen ist einzig das Cincinnati Transplant Tumor Registry
die Basis für die Empfehlung. Hier zeigt eine genauere Analyse, dass bei einzelnen Malignomen die Empfehlung nur auf
der Beobachtung sehr weniger Patienten basiert. Im Jahr
2005 waren Daten von insgesamt 1.297 Patienten mit vor
Transplantation bestehendem Tumor im Register verfügbar
(d. h. selbst für häufige Tumoren bleiben die Fallzahlen gering; z. B. 300 Nierenzell-Karzinome, 39 Kolon-Karzinome,
Bei Patienten, die auf die Wartliste zur Nierentransplantation aufgenommen werden sollen, muss das Vorliegen einer
malignen Erkrankung ausgeschlossen werden. Bereits zum
Zeitpunkt der Aufnahme auf die Transplantationswarteliste
sollten Hochrisikopatienten identifiziert werden (z. B. Patienten mit EBV-negativem Serostatus, Patienten mit Tumoranamnese) und ein regelmäßiges Monitoring aller Transplantationskandidaten beginnen. Präventionsmaßnahmen
(z. B. Hepatitis-Impfung, Sonnenschutz etc.) sollten sehr
früh begonnen werden. Liegt ein Malignom vor, so muss
dieses charakterisiert und in seiner Ausdehnung identifiziert
werden. Nach erfolgreicher Behandlung entscheiden die Art
und das primäre Tumorstadium über die Möglichkeit einer
Transplantation bzw. über die Dauer der Wartezeit bis zur
Transplantations-Meldung. Eine Wartezeit, die eine dauerhafte Heilung für Malignome anzeigt, kann aber nicht end■
gültig abgeleitet werden.
Das Vorliegen eines Malignoms soll vor der Aufnahme auf
die Warteliste ausgeschlossen werden.
Patienten mit einem aktiven Tumor sollen nicht transplantiert werden.
Die Patientenprognose mit oder ohne Transplantation soll
abgewogen werden.
Die Wartezeit nach erfolgreicher Tumorbehandlung muss
individuell diskutiert werden.
Die Wartezeit ist in Abhängigkeit von der Tumorart und dem
Tumorstadium unterschiedlich.
Die Wartezeit, die eine dauerhafte Heilung für Malignome
anzeigt, kann nicht endgültig abgeleitet werden.
Als einfache Regel gilt eine 2-jährige Wartezeit nach
Malignomen. Ausnahmen stellen In-situ-Karzinome,
Basaliome und zufällig entdeckte Nierentumoren dar, die
keiner Wartezeit bedürfen. Bei Patienten mit kolorektalen
Tumoren, Melanomen und Mammakarzinomen sollte eine
längere Wartezeit eingehalten werden.
20
OFT NEPHROLOGIE ALS ERSTE GEFORDERT
Diagnostik des multiplen Myeloms
OA Dr. Michael Pober, MSc
1. Medizinische Abteilung, Landesklinikum St. Pölten
ie Kenntnis des diagnostischen Procedere beim
multiplen Myelom ist für den Nephrologen insofern
von Bedeutung, da sich das multiple Myelom in
Form eines akuten Nierenversagens präsentieren kann
bzw. im Rahmen der Abklärung einer chronischen Niereninsuffizienz unbekannter Ursache entdeckt werden
kann. Im vorliegenden Artikel wird der aktuelle Stand
der Diagnostik von der Klinik bis zur Molekularpathologie dargestellt.
D
Vorbemerkung: Die im täglichen Sprachgebrauch verwendetet Bezeichnung „Plasmozytom“ sollte nur verwendet werden, wenn ein solitärer Herd vorliegt, sei es intramedullär
oder extramedullär.
Klinik
Chronische Schmerzen, insbesondere im Bereich der mittleren und
unteren Wirbelsäule, Leistungsverlust, Müdigkeit und Schwäche
sowie Neigung zu bakteriellen Infekten sind häufig die ersten Symptome. Nicht selten sind auch akut
einsetzende massive KnochenOA Dr.
schmerzen auf Grund einer SponMichael Pober, MSc
tanfraktur bei Knochenläsionen.
Von Ossermann wurden 1968 3
Kriterien für die Diagnose beschrieben (10 % Plasmazellen im Knochenmark, Nachweis eines
monoklonalen Immunglobulins im
Serum oder Harn, Nachweis einer oder
mehrerer Osteolysen und/oder einer generalisierten Osteoporose), von denen
zumindest 2 vorliegen müssen. Dabei ist
aber zu berücksichtigen, dass auch bei
reaktiv entzündlichen Veränderungen
Plasmazellvermehrungen bis 30 % und
vereinzelt mehr vorkommen können.
Monoklonale Gammopathien können
ebenfalls auch bei anderen lymphoproliferativen Erkrankungen vorkommen
sowie vorübergehend auch im Rahmen
von massiven Entzündungen. In Frühstadien kann die Abgrenzung zwischen
einem Stadium I und einem MGUS
(monoklonale Gammopathie unbestimmter Signifikanz, früher „benigne“
monoklonale Gammopathie) schwierig
sein.
Stadieneinteilung
Abb. 1: Typischer Lückenschädel bei Myelom
Die gängige Stadieneinteilung nach
Durie und Salmon 1975 ist durch das Internationale Staging System (ISS) abgelöst worden. Dabei werden anhand
21
von Beta-2-Mikroglobulin und Albumin 3 Stadien unterschieden (Tab. 1).
Befunde
Labor: Folgende Untersuchungen sollen durchgeführt werden:
Blutbild und Differenzialblutbild, Kreatinin, BUN,
Harnsäure, LDH, Elektrolyte, Kalzium, Phosphat, Gesamteiweiß, 2-Mikroglobulin, CRP, Serumelektrophorese, Immunfixation, freie Leichtketten im Serum und Harn (Abb. 2), quantitative Immunglobuline, Kreatinin-Clearance, 24-StundenEiweißausscheidung im Harn. Seit der Einführung der Bestimmung von freien Leichtketten im Serum und im Harn hat sich
die Diagnostik des Myeloms vereinfacht. Auch konnten bei
Fällen von so genannten „nicht-sekretorischen Myelomen“
eindeutig Leichtketten nachgewiesen werden, sodass die
Diagnose „nicht-sekretorisch“ heute nur mehr selten gestellt
wird.
100.000
-
10.000
-
1.000
Wesentlich erscheint, dass bei eingeschränkter Nierenfunktion die Serum-Leichtketten ebenfalls ansteigen. Da aber
Kappa und Lambda gleichsinnig ansteigen, ergibt sich daraus
ein normaler Quotient. Durch die
Bildung des Quotienten können
monoklonale von polyklonalen Erhöhungen der leichten Ketten abgegrenzt werden.
+
Normal sera
■ LCMM
-
▲ LCMM
NSMM
100
-
Serum-Lambda (mg/l)
SPE sensitivity
Abb. 3: Typisches Bild von malignen Plasmazellen im KM-Ausstrich
IIMM
AL Amyloidosis
10
▲ High plgG
-
+
1
-
-
10
100
1.000
Serum-Kappa (mg/l)
Abb. 2: Freie Leichtketten bei verschiedenen Erkrankungen
-
-
1
-
-
-
-
0,1
-
IFE sensitivity
10.000 100.000
Renal Impairment
Knochenmarkuntersuchung: Neben
Ausstrichen vom Knochenmark (Abb.
3) sollte immer auch eine Biopsie
durchgeführt werden, da nur so der
quantitative Anteil an Plasmazellen im
Knochenmark exakt bestimmt werden
kann.
Röntgen und Nuklearmedizin:
Weiterhin gilt der Röntgenstatus
des zentralen Skelettes als obligatorisch: Schädel (Abb. 1), gesamte
Wirbelsäule, Beckenübersicht, knöcherner Thorax, beide Schultern,
Oberarme und Oberschenkel. Bei
klinischem Verdacht können auch
andere Skelettabschnitte röntgenisiert werden. Zunehmend hat im
Bereich der Wirbelsäule die MRT
das konventionelle Röntgen verdrängt, da doch eine wesentlich
höhere Spezifität und Sensitivität ge- 22
EFS
1,0 -
0,8 -
0,6 -
0,4 -
0
p < 0,0001
-
80
Deaths/N
21/104
27/57
-
20
40
60
Months from Start of Therapy
FISH13+/CA–
0,0 - FISH13+/CA+
-
-
-
p < 0,0001
-
0
0,2 -
Events/N
38/104
38/57
-
-
FISH13+/CA–
0,0 - FISH13+/CA+
0,4 -
-
0,2 -
0,6 -
-
Proportion Alive
0,8 Proportion Alive
OS
1,0 -
20
40
60
Months from Start of Therapy
80
Abb. 4: Einfluss von zytogenetischen Veränderungen auf die Prognose des Myeloms: Die Prognose von Anomalien am Chromosom 13 ist dann
besonders ungünstig, wenn diese auch in der Metaphase nachgewiesen werden können; bei alleinigem Nachweis in der Interphase unterscheidet
sich die Prognose nicht von Patienten ohne zytogenetische Abnormität.
geben ist. Aufgrund der im Regelfall rein osteolytischen
Natur hat die Skelettszintigraphie keinen Stellenwert. Die
PET-Untersuchung ist keine Routineuntersuchung, kann
aber in Einzelfällen zusätzliche Herde aufzeigen, die sonst
nicht erfassbar wären.
Durchflusszytometrie: Aufgrund der meist charakteristischen Morphologie ist diese Untersuchung meist wenig hilfreich, evtl. bei plasmoblastischem Verlauf mit lymphozytenartiger Morphologie.
Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH): Die Untersuchung der Interphasezytogenetik beim multiplen Myelom ist
heute eine Standarduntersuchung und sollte in jedem Fall bei
Diagnosestellung durchgeführt werden. Durch die Art der
Chromosomenanomalien können eindeutige Rückschlüsse
Tabelle 1: Internationales Staging-System
bei multiplem Myelom
Medianes
Überleben (Monate)
Stadium I
2-M
Albumin
3,5
3,5
62
Stadium II
2-M
Albumin
oder
2-M
3,5
3,5
44
Stadium III 2-M
3,5 – 5,5
5,5
29
auf die Prognose und evtl. auch Therapieauswahl gezogen
werden. Insbesondere Veränderungen am Chromosom 13
und die t(4;14) sind mit einer ungünstigen Prognose assoziiert (Abb. 4).
Molekulargenetik: Die molekulargenetische Untersuchung ist derzeit keine Routineuntersuchung. An einzelnen Studienzentren wird das Immunglobulin-Rearrangement zum Monitoring der minimalen Resterkrankung ver■
wendet.
Die Basisdiagnostik des multiplen Myeloms beruht nach wie
vor auf den klassischen Werkzeugen der Labormedizin wie
der Serumelektrophorese. Die zusätzliche Bestimmung der
freien Leichtketten im Serum als sicheres und zuverlässiges
ergänzendes Instrumentarium in der Diagnose sollte auch in
der Routineabklärung eines akuten oder chronischen
Nierenversagens nicht mehr fehlen. Durch die Bestimmung
der Leichtketten-Ratio kann mit höherer Genauigkeit als
bisher ein Hinweis für das Vorliegen einer hämatologischen
Systemerkrankung gefunden werden. Bei fehlenden Osteolysen in der Nativradiologie sollte eine MRT von schmerzhaften Regionen durchgeführt werden. Die Stadieneinteilung
beruht nunmehr auf den Parametern Albumin und Beta-2Mikroglobulin. Zur Prognoseabschätzung hat sich die
Untersuchung der Chromosomenanomalien mittels
FISH-Technologie als Standardmethode etabliert.
23
IN ETWA 20 % DER FÄLLE BESTEHT BEI DIAGNOSESTELLUNG EINE NIERENINSUFFIZIENZ
Therapie des multiplen Myeloms
Univ.-Prof. Dr. Johannes Drach
Univ.-Klinik für Innere Medizin I, Klinische Abteilung für Onkologie, Medizinische Universität Wien
as multiple Myelom (MM) macht etwa 1 % aller
Krebsneuerkrankungen pro Jahr aus; Männer sind
2-mal häufiger betroffen als Frauen, das mediane
Alter bei Diagnosestellung beträgt 65 Jahre. Die Inzidenz
beträgt 4/100.000 pro Jahr, wobei in den letzten Jahrzehnten eine Zunahme der Inzidenz beobachtet wurde; es wird
vermutet, dass dieser Anstieg auf Umweltfaktoren, die an
der Entstehung eines MM beteiligt sind, zurückzuführen
ist.
D
Klinische Symptomatik
Meist ist der Beginn der Erkrankung schleichend und symptomarm. Bei etwa 20 % der Patienten handelt es sich um
eine Zufallsdiagnose im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen oder Blutabnahmen aufgrund anderer Indikationen. Oft
ist eine massive Erhöhung der Blutsenkungsgeschwindigkeit
der erste auffällige Befund.
Knochenschmerzen und pathologische Frakturen: Knochenschmerzen sind das häufigste Symptom, das zur Diagnosestellung führt. Prädilektionsstellen sind der Brustund Lendenwirbelbereich. Es handelt sich häufig um einen
Dauerschmerz, der typischerweise durch Bewegung verstärkt wird. Eine plötzliche Verschlechterung der Symptomatik kann auf eine Wirbelkörperkompressionsfraktur hinweisen. Pathologische Frakturen anderer Knochen, z. B. der
langen Röhrenknochen, können ebenfalls vorkommen.
Häufig befallen, jedoch meist ohne klinische Symptomatik, ist der Schädelknochen, wo sich die im Röntgen typischen Veränderungen nachweisen lassen (Schrotschussoder Lückenschädel).
Die Knochenveränderungen bei MM beruhen auf einer massiven Aktivierung der Osteoklasten (und gleichzeitiger Suppression der Osteoblastenaktivität) und stellen sich typischerweise im Röntgen als Osteolysen dar. Verlaufsformen mit diffuser Osteopenie sind wesentlich seltener.
Anämie: Ein ebenfalls häufiger Befund beim MM ist eine
multifaktoriell bedingte Anämie (reduzierte Knochenmarks-
reserve durch Plasmazellinfiltration,
eingeschränkte renale Erythropoetinproduktion, inadäquate Eisenutilisation
im Sinne einer chronischen Tumoranämie). Bei Patienten mit hohem Paraproteinspiegel (> 50 g/l) liegt oft ein erhöhtes Plasmavolumen vor, sodass dadurch eine Anämie noch verstärkt werden kann. Die Anämie (häufig norUniv.-Prof. Dr.
Johannes Drach
mochrom und normozytär) äußert
sich in Müdigkeit und Abgeschlagenheit und kann insbesondere bei älteren Patienten zu Belastungsdyspnoe und Tachykardien führen.
Niereninsuffizienz: In etwa 20 % der MM-Fälle besteht bei
Diagnosestellung eine Niereninsuffizienz, die vor allem durch
rasche Ermüdbarkeit, Übelkeit, Erbrechen und Verwirrtheit
symptomatisch wird. Bei den meisten Patienten wird die Funktionseinschränkung der Niere durch Bence-Jones-Proteinurie
(Myelomniere) und Hyperkalzämie ausgelöst; weitere Faktoren
können eine Amyloidose, Hyperurikämie sowie Dehydratation
(nicht zuletzt im Rahmen von fieberhaften Infekten) sein. Das
Vorliegen von -Ketten im Urin ist häufiger mit renaler Insuffizienz verbunden als die Ausscheidung von -Ketten. Bei der
Myelomniere erfolgt die Nierenschädigung durch die glomeruläre Filtration von Leichtketten, die in den distalen Tubulus
sowie das Sammelrohr gelangen. Die Präzipitation der leichten Ketten führt zur Tubulusschädigung sowie -atrophie, die
bei Fortschreiten zur dialysepflichtigen Niereninsuffizienz führt.
Hyperkalzämie: Bei etwa 25 % der Patienten kommen zum
Zeitpunkt der Diagnose erhöhte Serumkalziumspiegel vor,
die sich auf die gesteigerte Knochenresorption durch die
Osteoklastenaktivierung beim MM zurückführen lassen;
diese verursachen Übelkeit, Verwirrtheit, Polyurie und Obstipation. Eine Hyperkalzämie wird noch wesentlich häufiger
während der terminalen Phase des MM beobachtet.
Rezidivierende Infekte: MM-Patienten neigen insbesondere
durch die starke Erniedrigung der normalen Immunglobu- 24
Tabelle 1: Diagnostische Tests
beim multiplen Myelom
- komplettes Blutbild inklusive Differenzialblutbild
- Serumchemie einschließlich Kalzium, Gesamteiweiß,
Albumin, Kreatinin, Harnsäure, LDH, CRP, 2-Mikroglobulin, Eisenstatus
- Serumproteinelektrophorese, freie Leichtketten im
Serum
- Immunfixation im Serum und Harn
- Harnstatus, Quantifizierung der Eiweißausscheidung
im 24-h-Harn
- radiologischer Skelettstatus, evtl. Magnetresonanz
der Wirbelsäule
- Knochenmarksaspiration und -biopsie (Zytologie,
Histologie, Zytogenetik einschließlich FISH,
Zellproliferation).
Fakultative Zusatzuntersuchungen sind:
- bildgebende Verfahren (CT, PET) und Punktion bei
extramedullären Manifestationen, Schleimhautbiopsie
bzw. Aspiration von subkutanem Fettgewebe
(Amyloid?)
- Nierenbiopsie
line (sekundärer Immunglobulinmangel) zu wiederkehrenden bakteriellen und viralen Infekten.
Weitere Symptome: Durch die Kompression des Rückenmarks (entweder im Rahmen von Wirbelsäulenveränderungen oder durch intraspinale Tumormanifestation) können
Parästhesien bzw. motorische Schwäche der unteren Extremitäten sowie Blasen- und Mastdarmdysfunktion ausgelöst
werden. Eine klinisch manifeste periphere Polyneuropathie
tritt bei weniger als 10 % der Patienten auf und wird durch
eine Interaktion des Paraproteins mit den Nervenscheiden
verursacht. Distale sensomotorische Neuropathien treten
auch bei einer Amyloidose auf. Selten wird ein Hyperviskositätssyndrom beobachtet, das bei sehr hohen Paraproteinkonzentrationen auftreten kann. Vor allem Paraproteine der
Klassen IgA und IgG3, die zur Polymerbildung neigen, sind
mit dem Auftreten eines Hyperviskositätssyndroms assoziiert.
Unspezifische neurologische Symptome wie Schwindel und
Kopfschmerzen, jedoch auch Präkoma, Ataxie, Nystagmus
und Krampfanfälle werden dadurch ausgelöst. In schweren
Fällen sind auch Blutungen (z. B. Schleimhautblutungen)
möglich.
Eine gesteigerte Blutungsneigung bei Patienten mit MM
findet sich nicht nur bei einer Thrombopenie, sondern auch
bei normalen Thrombozytenzahlen aufgrund einer gestörten
Aggregationsfähigkeit. Die plasmatische Gerinnung ist
ebenfalls beeinträchtigt, da es zur Komplexbildung zwischen
Paraprotein und Gerinnungsfaktoren kommen kann.
Diagnostik
Bei klinischem Verdacht auf ein MM werden die in Tabelle 1
genannten Untersuchungen bzw. Tests durchgeführt. Die
diagnostischen Kriterien wurden kürzlich von einer Konsensus-Gruppe erstellt, wobei neben dem Paraprotein und der
Knochenmarksinfiltration auch eine mögliche Organmanifestation (Hyperkalzämie, Niereninsuffizienz, Anämie,
Knochenläsionen; aufgrund der englischen Bezeichnungen
als CRAB-Kriterien bezeichnet; vergleiche Tab. 2) relevant
ist. Diese Kriterien dienen auch zur Abgrenzung des MM von
der monoklonalen Gammopathie unbestimmter Signifikanz
(MGUS) und dem asymptomatischen Myelom.
Von Seiten des Paraproteins besteht beim MM in ca. 65 %
der Patienten ein Immunglobulin der IgG-Klasse; ein IgAParaprotein findet sich bei ca. 20 %, ein Paraprotein mit
Leichtketten (Bence-Jones-Myelom) bei etwa 10 %. Selten
liegt ein biklonales MM oder ein IgD-Myelom vor. Das IgDMyelom ist durch häufigeres Auftreten von extramedullären
Plasmozytomen, Niereninsuffizienz und Amyloidose sowie
durch eine verkürzte Überlebenszeit gekennzeichnet. In etwa
1 % der Fälle lässt sich weder im Serum noch im Harn ein
Paraprotein mittels Immunfixation nachweisen („asekretorisches Myelom“); die Mehrzahl dieser Fälle zeigt jedoch
einen abnormen Befund im freien Leichtketten-Assay
(neuer Serumtest zur Bestimmung der freien Kappa- und
Lambda-Ketten, der zurzeit der sensitivste Test zum
Nachweis eines Paraproteins darstellt).
Stadieneinteilung und Prognose
Für das MM wurde bereits 1975 die Stadieneinteilung
nach Durie & Salmon etabliert, welche aber insbesondere
hinsichtlich der Definition der Knochenläsionen limitiert
war. Kürzlich wurde das deutlich vereinfachte International
Staging System (ISS) beschrieben, welches auf den beiden
Variablen Beta-2-Mikroglobulin (2-M) und Serum-Albumin
beruht (Tab. 3).
Unbehandelt betrug die Überlebenszeit für Patienten mit
symptomatischem MM median nur 9–12 Monate. Wie wissen heute, dass die Überlebenszeit der Patienten mit MM
zwischen wenigen Monaten und mehreren Jahren schwankt
(median 3 Jahre bei Standarddosis Chemotherapie, zumindest 5 Jahre nach Hochdosistherapie). Deshalb wird nach
prognostischen Faktoren gesucht, um das Überleben individueller Patienten präziser einschätzen und die Therapie individueller gestalten zu können. Die wichtigsten unabhängigen
Prognoseparameter, die auf eine ungünstige Prognose hinweisen, sind chromosomale Veränderungen (Translokation 26
Tabelle 2: Diagnostische Kriterien bei Paraproteinämien
MGUS
Asymptomatisches
Myelom
Symptomatisches
Myelom
Asekretorisches
Myelom
Paraprotein
< 30 g/l
und
> 30 g/l
und/oder
nachweisbar
und
nicht
nachweisbar2
Plasmazellen im
Knochenmark
Organmanifestation1
< 10 %
und
nein
> 10 %
und
nein
> 10 %
und
ja
> 10 %
1
2
ja
Organmanifestation definiert als mindestens eine Veränderung nach den CRAB-Kriterien: Hyperkalzämie, Niereninsuffizienz, Anämie, Knochenläsionen
ein Freie-Leichtketten-Assay ist bei 80 % der Fälle mit asekretorischem MM positiv
t[4;14], t[14;16]); Deletion 17p, Deletion 13q), erhöhtes
2-M, erniedrigtes Serum-Albumin, gesteigerte Zellproliferation und unreife Plasmazellmorphologie. Diese Parameter
wurden an Patientenkollektiven, welche in erster Linie mit
Chemotherapie behandelt wurden, etabliert. Aktuell liegen
Hinweise vor, dass durch die Behandlung mit sog. „neuen“
Substanzen diese negativen Faktoren zumindest teilweise
überkommen werden können. Dies betrifft insbesondere
Patienten mit ungünstiger Zytogenetik, welche durch Bortezomib effektiv behandelt werden können.
Therapie
Therapieindikation: Eine Behandlungsindikation für Patienten mit MM besteht bei progredienter, symptomatischer
Erkrankung (zumindest eine Organmanifestation nach den
CRAB-Kriterien). Keine Behandlungsbedürftigkeit besteht –
wie bereits erwähnt – bei MGUS und asymptomatischem MM.
Medikamente zur Behandlung des MM
Chemotherapie: Unter den Zytostatika sind die alkylierenden
Substanzen, insbesondere Melphalan und Cyclophosphamid, die
wirksamsten Medikamente zur Therapie des MM. Anthrazykline wie Doxorubicin kommen häufig in Kombinationstherapien zur Anwendung.
Melphalan wird auch als hoch dosierte Chemotherapie mit
Stammzelltransplantation eingesetzt. Die Hauptnebenwirkungen von Melphalan sind Blutbildveränderungen und
Mukositis; langfristig besteht bei intensiver Alkylantienbehandlung das Risiko von sekundären Myelodysplasien und akuten
Leukämien.
Kortikosteroide: Vor allem Dexamethason, welches bei Myelomzellen eine starke Wirkung zur Induktion der Apoptose
hat, wird in vielen Medikamentenkombinationen eingesetzt.
Dexamethason wird typischerweise in hoher Dosierung
(40 mg Tagesdosis) als Stoßtherapie (4 Tage) eingesetzt. Als
Einzelsubstanz kann Dexamethason bei etwa 40 % der
Patienten mit MM zu einer Remission führen. Die kortikosteroidassoziierten Nebenwirkungen führen insbesondere
beim älteren Patienten zur Notwendigkeit der Dosisreduktion.
Neue Substanzen:
• Thalidomid hat als Contergan® wegen der teratogenen
Wirkung eine traurige Vergangenheit. 1999 wurde
Thalidomid jedoch als wirksame Substanz in der Therapie
des MM „wiederentdeckt“: Bei Rezidiv nach Hochdosistherapie wird ein Ansprechen bei etwas einem Drittel
der Patienten beschrieben. Zum Wirkungsmechanismus
von Thalidomid beim MM kommen eine antiangiogenetische Wirkung, Inhibition von Zytokinen (IL-1, TNF-)
sowie immunmodulatorische Effekte in Frage. Heute wird
Thalidomid in der Behandlung des MM häufig in niedriger Dosierung (50–100 mg täglich) und in Kombinationen eingesetzt. Wesentliche Nebenwirkungen von
Thalidomid sind periphere Neuropathien und Obstipation; es wurde keine höhergradige hämatologische Toxizität beobachtet. In Kombinationen mit Dexamethason
bzw. Chemotherapie liegt ein gesteigertes Risiko für
venöse Thromboembolien vor, weshalb in dieser Situation
eine Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin empfohlen wird.
• Lenalidomid (Revlimid®) stellt ein Derivat von
Thalidomid dar und besitzt Wirksamkeit beim MM
insbesondere in Kombination mit Dexamethason.
Gegenüber Thalidomid ist das Nebenwirkungsspektrum verändert: Im Vordergrund stehen Leuko- und
Thrombopenie, Lenalidomid verursacht jedoch nur
wenig Müdigkeit und Neuropathien. Auch für
Lenalidomid gilt die Empfehlung zur Thromboseprophylaxe.
• Bortezomib (Velcade®): Als neues Therapieprinzip beim
MM gilt die Inhibition des Proteasoms, wobei hier als
erste Substanz dieser Medikamentenklasse Bortezomib
seit 2004 in der Therapie des MM angewandt wird.
Bortezomib hat Effekte sowohl auf die Myelomzellen 28
Tabelle 3: Internationales Staging-System (ISS) für das multiple Myelom
Stadium
% Patienten
Kennzeichen
Medianes Überleben
I
28
Beta-2-Mikroglobulin < 3,5 mg/l
Albumin > 3,5 g/dl
62 Monate
II
33
Beta-2-Mikroglobulin < 3,5 mg/l
Albumin < 3,5 g/dl
oder
Beta-2-Mikroglobulin 3,5–5,5 mg/l
44 Monate
III
39
Beta-2-Mikroglobulin > 5,5 mg/l
29 Monate
(Induktion von Apoptose) als auch auf Stromazellen des
Knochenmarks (Hemmung der Adhäsion von MMZellen an Stromazellen, Antiangiogenese, Hemmung der
Zytokinproduktion). Die häufigsten Nebenwirkungen
sind gastrointestinale Symptome (Übelkeit, Diarrhö,
Obstipation), eine transiente Thrombozytopenie,
periphere Neuropathie und Fatigue. Wegen der Reaktivierung von Herpes zoster wird eine antivirale
Prophylaxe empfohlen, eine Thromboseprophylaxe ist
nicht erforderlich.
Erstlinientherapie beim jüngeren Patienten
Diese Empfehlungen gelten für Patienten im Alter unter
65 Jahren ohne relevante internistische Begleiterkrankungen.
Als Standard gilt derzeit die hoch dosierte Chemotherapie mit
Melphalan (200 mg/m2), gefolgt von einer autologen
Stammzelltransplantation. Mehrere randomisierte Studien
haben einen Überlebensvorteil nach dieser Behandlung gegenüber der konventionell dosierten Chemotherapie gezeigt.
Die Ergebnisse können weiter verbessert werden, indem die
Behandlung als sog. Doppeltransplantation (zweiter Zyklus
Hochdosis-Melphalan innerhalb von 3 bis 6 Monaten)
durchgeführt wird. Die Doppeltransplantation wird heute
dann empfohlen, wenn nach der ersten Stammzelltransplantation noch keine komplette Remission erzielt werden
konnte.
Im Zentrum der aktuellen klinischen Forschung steht die
sog. Induktionstherapie, d. h. die Behandlung, welche der
Hochdosis-Chemotherapie vorausgeht. Die früher angewandte Polychemotherapie (z. B. VAD) gilt heute als überholt, da Kombinationstherapien unter Einschluss einer
neuen Substanz wesentlich effektiver sind. Thalidomid +
Dexamethason ist zwar etwas wirksamer als die alleinige
Chemotherapie, jedoch ist aufgrund der niedrigen Rate an
kompletten Remissionen nach Thalidomid + Dexamethason
kein relevanter Effekt auf das Behandlungsergebnis nach autologer Transplantation dokumentiert. Ganz rezente Daten
mit Bortezomib + Dexamethason bzw. der Kombination
Bortezomib + Thalidomid + Dexamethason sprechen dafür,
dass nach diesen effektiven Induktionstherapien eine Steigerung der Rate an kompletten Remissionen nach Hochdosistherapie erzielt wird; Daten hinsichtlich der Überlebenszeit stehen aber noch aus.
Erstlinientherapie beim älteren Patienten
Bei Patienten im Alter über 65 Jahre sowie Situationen, die
gegen eine Hochdosistherapie sprechen (Begleiterkrankungen, Patientenwunsch, ungenügende Zahl an mobilisierten
Stammzellen), erfolgt die Behandlung mittels konventionell
dosierter Chemotherapie. Das historische, orale Schema mit
Melphalan + Prednison (MP; Melphalan 8 mg/m2 und
Prednison 60 mg/m2, jeweils für 4 Tage; Wiederholung alle
5–6 Wochen) ließ ein objektives Ansprechen bei etwa 50 %
der Patienten erwarten, die mediane Remissionsdauer lag
bei 18 Monaten. Komplette Remissionen waren selten und
ebenfalls nicht anhaltend. Durch den Einsatz verschiedener Polychemotherapien konnten diese Ergebnisse nicht
verbessert werden.
Die aktuellen Studiendaten zeigen, dass MP gut mit einer
neuen Substanz kombiniert werden kann und dadurch höhere
Remissionsraten und ein verlängertes Überleben für Patienten mit MM erreicht werden können (3 Studien mit MP +
Thalidomid sowie eine randomisierte Studie mit MP +
Bortezomib zeigen diese Vorteile gegenüber MP). Daher wird
heute die Kombination von MP mit einer neuen Substanz
als Standard für die Therapie des älteren Patienten mit MM
angesehen. Auch in Patientenkollektiven über 75 Jahre wurde
die Effektivität und Machbarkeit von MP + Thalidomid
bzw. Bortezomib gezeigt.
Erhaltungstherapie
Von den neuen Substanzen liegen bislang nur Daten zur
Erhaltungstherapie mit Thalidomid nach Stammzelltransplantation vor. Niedrig dosiertes Thalidomid hat einen
dokumentierten Effekt auf die Verlängerung der Remissions- 30
dauer und die Überlebenszeit, der aber auf solche Patienten
beschränkt bleibt, welche keine komplette Remission nach
Stammzelltransplantation erreicht haben. Die Verträglichkeit
ist individuell stark unterschiedlich, Müdigkeit und Polyneuropathie machen bei vielen Patienten ein Absetzen innerhalb eines Jahres nötig.
Behandlung des rezidivierten Myeloms
Trotz aller therapeutischer Fortschritte der letzten Jahre
kommt es weiterhin bei praktisch allen Patienten mit MM
zu einem Rezidiv. Die Behandlungsmöglichkeiten im Rezidiv sind aufgrund der neuen Substanzen vielfältig, da eine
Reihe von Kombinationsmöglichkeiten zur Verfügung
steht. Bei gutem Ansprechen mit längerer Remissionsdauer
nach Erstlinientherapie kann eine neuerliche Behandlung mit
einem ähnlichen Schema durchgeführt werden. Dies gilt
auch für eine neuerliche autologe Stammzelltransplantation
bei jüngeren Patienten.
Bei kurzer Remissionsdauer bzw. bei einem rasch progredientem MM empfiehlt sich jedoch der Wechsel auf eine bislang
nicht verabreichte Substanz. Gerade die neuen Substanzen
(häufig in Kombination mit Dexamethason) werden im
rezidivierten Stadium bevorzugt eingesetzt. Die Auswahl der
Medikamentenkombination ist von mehreren Faktoren
abhängig (Allgemeinzustand des Patienten, Charakteristik
des MM, eventuell vorhandene Einschränkungen der Organfunktion, insbesondere der Niere; evtl. Nebenwirkungen der
vorangegangenen Therapielinie).
Therapie des Myeloms mit renaler Insuffizienz
Häufig liegt eine mäßiggradige Einschränkung der renalen
Funktion vor, wobei durch effektive Anti-Myelom-Therapie,
hohe Flüssigkeitszufuhr (3 l/Tag) und Allopurinol in vielen
Fällen eine Verbesserung erreicht werden kann. Eine eventuell bestehende Hyperkalzämie muss rasch ausgeglichen
werden. In Fällen mit schwerer Niereninsuffizienz kann eine
Hämodialyse erforderlich sein, die längerfristig bei Patienten mit therapeutischem Ansprechen indiziert ist.
Für die Erholung der Nierenfunktion ist vor allem die rasche Reduktion der nephrotoxischen Leichtketten erforderlich. Die früher häufig durchgeführte Plasmapherese ist anhand neuerer Untersuchungen dafür ohne therapeutischen
Nutzen. Der rasche Einsatz eines schnell wirksamen Therapieschemas gilt heute als Therapie der Wahl, wobei sich
hier vor allem eine bortezomibhältige Kombinationstherapie (z. B. mit Dexamethason und Doxorubicin) bewährt hat.
Supportive Therapien
Anämietherapie: Eine bei Krankheitsbeginn bestehende
Anämie bessert sich im Allgemeinen bei Erreichen einer
Remission. Die Regeneration der Erythropoese, insbesondere
unter Chemotherapie, wird durch rekombinantes humanes
Erythropoetin in der Mehrzahl der Patienten (70 %) mit
symptomatischer Anämie unterstützt (signifikanter Anstieg
des Hämoglobins um > 2 g/dl). Dies führt sowohl zu einer
deutlichen Verbesserung der Lebensqualität als auch zu einer
Reduktion der Transfusionsbedürftigkeit und damit der
damit verbundenen Risiken.
Bisphosphonate sind potente Inhibitoren der Knochenresorption, indem die Proliferation und Diferenzierung von
Osteoklasten gehemmt und zusätzlich die Aktivität der
Osteoklasten supprimiert wird. Intravenöse Präparationen
(Pamidronat 90 mg; Zoledronat 4 mg; Ibandronat 6 mg;
Applikation jeweils 1-mal monatlich; Dosisanpassung bei
renaler Insuffizienz) sind den oralen Bisphosphonaten wegen
der äußerst geringen Bioverfügbarkeit vorzuziehen. Eine
kürzlich beschriebene Nebenwirkung, insbesondere bei
längerer Anwendung von Zoledronat, ist die avaskuläre
Nekrose des Kieferknochens, welche vor allem bei zahn-/kieferchirurgischen Eingriffen unter laufender BisphosphonatTherapie auftritt.
Antibiose: Im Falle eines fieberhaften Infekts ist die sofortige antibiotische Therapie nach Abnahme von Blut- und
Harnkulturen angezeigt. Je nach Antibiogramm kann dann
eine Adaption der Therapie vorgenommen werden. Patienten mit häufig wiederkehrenden Infekten können (aufgrund
des sekundären Antikörpermangels) von einer intravenösen
■
Therapie von Gammaglobulin profitieren.
Die Behandlung des multiplen Myeloms konnte in den vergangenen Jahren deutlich verbessert werden. Neben der
Etablierung der autologen Stammzelltransplantation (für
Patienten im Alter unter 65 Jahren) haben vor allem die
neuen Substanzen (Thalidomid, Bortezomib, Lenalidomid)
zu einer Verbesserung der Prognose geführt. Durch die
Verfügbarkeit effektiver und rasch wirksamer Kombinationstherapien ergeben sich auch für den Myelom-Patienten
mit Nierenbeteiligung neue therapeutische Chancen, um
die terminale Niereninsuffizienz lange zu verhindern.
31
HILFT UNS DIE „HIGH CUT-OFF“-DIALYSEMEMBRAN?
Renale Attacke durch freie Leichtketten
bei multiplem Myelom
Dr. Elisabeth Dittrich und ao. Univ.-Prof. Dr. Sabine Schmaldienst
Klinische Abteilung für Nephrologie und Dialyse, Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien
reie Leichtketten (fLC) sind ursächlich verantwortlich für die
Entwicklung einer Cast-Nephropathie. Kommt es zu einer raschen
Absenkung der fLC im Plasma,
dann kann auch die renale Prognose
verbessert werden. Mittels der
„High Cut-off“-Membran gelingt in
kurzer Zeit eine signifikante Reduktion der fLC.
F
Dr.
Elisabeth Dittrich
Beim multiplen Myelom finden
sich im Knochenmark vermehrt langsam proliferierende klonale B-Zellen, die zu einer überschießenden monoklonalen
Eiweißproduktion (Immunglobuline und/oder Leichtketten) führen. Diese diffuse Zellvermehrung bedingt im Knochen osteolytische Herde und eine gestörte Hämatopoese.
Die Inzidenz des Myeloms beträgt 2 bis 4 Personen pro
100.000 Einwohner und macht 1 % aller Malignome und
zirka 10 % aller hämatologischen Malignome aus. Das Myelom ist eine Erkrankung des höheren Lebensalters, das
mittlere Lebensalter bei Diagnosestellung ist bei Frauen
70 Jahre und bei Männern 80 Jahre. Weniger als 1 % der
Myelompatienten erkranken vor dem 40. Lebensjahr. Die
Inzidenz bei 40- bis 49-Jährigen beträgt 1 pro 100.000 Einwohner und steigt in der Gruppe der über 80-Jährigen auf
49 Fälle pro 100.000 Einwohner.
Die Diagnose, trotz eindeutiger Symptome, wird oft erst verzögert gestellt. Bei 35 % der Patienten erfolgt die Diagnose
frühestens 3 Monate nach Einsetzen der Symptome, bei 6 %
beträgt die Zeitspanne zumindest 6 Monate. Dieses lange
Intervall dürfte entscheidend für die Entstehung der myelomassoziierten Nierenveränderungen sein.
In etwa 50 % der Fälle kommt es zu einer monoklonalen
IgG-Vermehrung, in ca. 25 % ist es IgA und sehr selten ist
eine monoklonale Paraproteinämie durch IgD oder IgE bedingt. In 20 % der Fälle findet sich nur eine exzessive Erhöhung von fLC (Leichtketten-Myelom).
Myelom und Niere: Ein Drittel der Myelompatienten
haben bereits bei Diagnosestellung ein erhöhtes Serumkrea-
tinin (> 1,3 mg/dl). Wird die Nierenfunktion mittels Kreatinin-Clearance
bestimmt, da zu diesem Zeitpunkt die
Muskelmasse bei vielen Betroffenen
reduziert ist, findet sich bei 50 % eine
Nierenbeteiligung. Eine Proteinurie
unterschiedlichenSchweregrades kann
bei 80 % der Patienten beobachtet
werden. Es entwickeln aber nur 15 bis
20 % ein nephrotisches Syndrom.
ao. Univ.-Prof. Dr.
Dies ist dadurch bedingt, dass man
Sabine Schmaldienst
heutzutage nicht mehr von „der
Myelomniere“ sprechen kann, sondern es können unterschiedliche renaler Veränderungen beim Myelom gefunden
werden.
Pathogenese der renalen Veränderungen
Obwohl das sich histologische Bild der einzelnen myelomassoziierten Nierenveränderungen deutlich unterscheidet, ist
die gemeinsame Ursache die Überproduktion von monoklonalen, abnormen Immunglobulin-Fragmenten. Im gesunden
Knochenmark, aber vor allem bei Plasmazellerkrankungen
werden fLC im Überschuss produziert. Diese fLC werden
glomerulär filtriert und im proximalen Tubulus durch Endozytose und Metabolisierung reabsorbiert. Bei Gesunden
führen die fLC weder zu einer Ablagerung im Gewebe noch
zu einer Funktionsstörung. Bei zwei Drittel der Myelompatienten wird, bedingt durch die exzessive Produktion von
fLC, die tubuläre Resorptionskapazität überschritten und
die fLC können im Harn gemessen werden. So dürfte zum
einen die Überproduktion und zum anderen die strukturelle
Veränderung der fLC das Entstehen von renalen Pathologien
begünstigen. Die Injektion von fLC, gewonnen von Myelompatienten, hat in Mäusen typische Nierenveränderungen zur Folge. Warum bei einem Teil der Patienten tubuläre,
bei einem anderen Teil glomeruläre Störungen auftreten, ist
auch durch strukturell-morphologische Divergenzen der Immunglobuline zu erklären, wobei der Mechanismus dafür
noch unklar ist. Es besteht aber ein enger Zusammenhang
zwischen Tumormasse und Nierenfunktion. Ein akutes Nie- 32
renversagen findet sich bei 10 % der Patienten mit niederer Tumormasse und steigt an auf 44 % bei Patienten mit
hoher Tumormasse. Entscheidend ist auch die Art des Myeloms. So hatten in einer rezenten Untersuchung 64 % der Patienten mit einem IgG- oder IgA-Myelom, jedoch nur 36 %
der Patienten mit einem Leichtketten-Myelom ein Serumkreatinin von < 1,5 mg/dl. Die Unterschiede sind zum Teil
dadurch zu erklären, dass Patienten mit einem LeichtkettenMyelom überdurchschnittlich häufig eine größere Proteinurie aufweisen. Vergleicht man Patienten mit identer Leichtkettenausscheidung (12 g freie Leichtketten im Harn/g
Kreatinin), dann findet sich bei 48 bis 54 % ein Nierenver-
sagen, unabhängig vom Myelomtyp. Für das Überleben
ergab sich für - oder -Leichtketten kein Unterschied.
Tubulointerstitielle Veränderungen
Tubulär sind bislang zwei verschiedene Pathologien beschrieben worden:
Myelom-assoziiertes Fanconi-Syndrom: Selten und wohl
unterschätzt ist die Entwicklung eines Leichtketten-FanconiSyndroms. Dies ist meistens mit der Ausscheidung von überwiegend -Leichtketten vergesellschaftet und findet sich auch
bei Patienten mit einer geringeren
Tumormasse. Chemisch können
diese fLC durch Cathepsin P proteolytisch gespalten werden und
binden nicht an Tamm-HorsfallProtein. Die durch Spaltung entstandenen fLC-Fragmente lagern
sich in den proximalen Tubulusepithelzellen ab und führen zur
tubulären Dysfunktion. Die ursächliche Rolle dieser strukturell
veränderten Leichtketten konnte
rezent im transgenen Tiermodell
bewiesen werden. Ersetzt man
den endogenen J-Cluster durch
einen humanen VJ-Cluster,
isoliert aus einem Myelompatienten, dann kommt es zum Fanconi-Syndrom. Nach Deletion
des humanen Clusters waren die
morphologischen Veränderungen an den proximalen Tubulusepithelzellen größtenteils reversibel. Die Polymerisation der fLC
in den Tubulusepithelzellen
kann jedoch auch eine akute tubuläre Nekrose bedingen und
damit zum Nierenversagen
führen. Histologisch finden sich
im proximalen Tubulus kleine
dichte Einlagerungen im Zytoplasma von proximalen Tubulusepithelzellen. Diese entsprechen
pathologisch akkumulierten Phagolysosomen, in denen sich immunhistochemisch monotypische fLC nachweisen lassen.
Weiters sind im Tubuluslumen
kristalloide Strukturen und Zylinder nachweisbar, welche auch
im Harn ausgeschieden werden.
Das Interstitium fibrosiert mit
Fortschreiten des Syndroms und 34
da eine Reihe von Kofaktoren die Entstehung eines akuten
Nierenversagens mitbegünstigen (Dehydratation, Hyperkalziämie, NSAR, Röntgenkontrastmittel, Infektionen etc.).
Histologisch findet man typischerweise fLC-hältige Proteinzylinder in Tubuluslumina, welche aufgrund toxischer Reizung des Tubulusepithels von Epithelproliferaten und Histiozyten umschieden werden (Pfeil in Abb. 1). Schließlich
lösen die intratubulären Zylinder eine massive Entzündungsreaktion mit Tubulusdestruktion bis hin zur Granulombildung aus. In weiterer Folge atrophiert der Tubulusapparat und
es kommt zur Niereninsuffizienz mit interstitieller Fibrose.
Glomeruläre Veränderungen
Glomerulär sind bislang drei verschiedene Pathologien beschrieben worden:
Abb. 1: Tubuläre leichtkettenhältige Proteinzylinder mit zellulärer
Randreaktion; destruierte Tubuli; Tubulusatrophie
wird dicht mononukleär infiltriert. Klinisch auffällig sind
eine renale Glukosurie, Amino-Azidurie, Hypophosphatämie, Hypokaliämie und eine chronische Azidose.
Myelomniere (= Cast Nephropathy): Die typische Form
der Myelomniere ist die Cast-Nephropathie (CN). Wird das
Reabsorptionsmaximum im proximalen Tubulus für fLC
überschritten, gelangen die fLC in den distalen Tubulus und
führen zur CN. Im Gegensatz zu den fLC, die proximal das
Fanconi-Syndrom auslösen, werden diese fLC, die im distalen Tubulus schädigend sind, durch Trypsin oder Pepsin gespalten. Im distalen Tubulus entstehen Aggregate aus fLC
und Tamm-Horsfall-Glykoprotein, welches physiologischerweise von Zellen im aufsteigenden Schenkel der Henle’schen Schleife sezerniert wird. Durch diese Makromoleküle kommt es zur tubulären Obstruktion. CN ist die häufigste Form der renalen Beteiligung beim Myelom (> 40 %).
Zusätzlich zu dieser mechanischen Störung haben fLC per
se eine toxische Wirkung. Die genauen Mechanismen sind
zurzeit noch nicht bekannt. Wahrscheinlich ursächlich sind
die Verschiebung des isoelektrischen Punktes auf über 5,1,
eine Interferenz mit natriumabhängigen Transportmechanismen und eine Hemmung der Natrium-Kalium-ATPase-Aktivität und der DNS-Synthese.
Trotz der großen Proteinurie (vorwiegend -Leichtketten
oder -Leichtketten) haben nur etwa 10 % der Patienten ein
nephrotisches Syndrom, überdurchschnittlich häufig findet
sich jedoch eine Hyperkalziämie, eine Anämie, ein fortgeschrittenes Myelomstadium und und/oder das Vorliegen
eines Leichtketten-Myeloms. Das Risiko des Nierenversagens korreliert eng mit dem Ausmaß der Proteinurie. Bei
einer Proteinurie < 1 g/24 h findet sich ein Nierenversagen
bei 16 % der Patienten, steigt bei einer Proteinurie von
1 bis 10 g/24 h auf 48 % an und beträgt ab einer Proteinurie von > 10 g/24 h 63 %. In bis zu 50 % der Fälle ist das
Nierenversagen bei der CN zumindest teilweise reversibel,
Monoklonale Immunglobulin-Ablagerung (MIDD – Monoclonal Immunglobulin Deposition Disease): Zirka 25 %
der Myelompatienten mit renaler Affektion haben histologisch eine MIDD. Hierbei kommt es in der Niere, ähnlich
wie bei anderen Organen, zu einer Ablagerung monoklonaler Immunglobuline (Leichtketten [LCDD – 67,6 %],
Schwerketten [HCDD – 17,6 %] oder Kombinationen
[LHCDD – 14,7 %]) in der glomerulären Basalmembran.
In über 70 % der Fälle sind -Leichtketten nachweisbar. Bei
Patienten mit MIDD führt typischerweise die Abklärung der
eingeschränkten Nierenfunktion und der Proteinurie zur hämatologischen Diagnose. In einer größeren Untersuchung hatten 96 % der Patienten ein Serumkreatinin von > 1,5 mg/dl,
84 % hatten eine Proteinurie > 1 g/24 h und bei 40 % der Patienten betrug die Proteinurie mehr als 3,5 g/24 h. MIDD kann
auch ohne zugrunde liegendes Myelom vorliegen, bei 65 % der
Patienten konnte jedoch ein Myelom diagnostiziert werden.
Histologisch präsentiert sich die MIDD unter dem Bild
einer nodulären Glomerulosklerose, ganz ähnlich der diabe-
High Cut-Off
High Flux
Abb. 2: Elektronenmikroskopische Darstellung der unterschiedlichen Porengröße
35
tischen Glomerulopathie. Es kommt zu einer massiven Auftreibung der Mesangiumfelder und letztlich zur sklerotischen Verödung von Kapillarschlingen. Immunhistochemisch sind in diesen monotypische fLC-Ablagerungen nachweisbar. Differenzialdiagnostisch wertvoll sind elektronenmikroskopisch erkennbare, bandförmige Verdichtungen in
der Lamina rara interna von glomerulären Basalmembranen.
AL-Amyloidose: Auch bei der Amyloidose führt oft die Abklärung von Proteinurie (80 %, nephrotisches Syndrom 30
bis 50 %) und Nierenversagen zur hämatologischen Diagnose. Bei ca. 20 % der Patienten liegt der Amyloidose ein
Myelom zugrunde. Es handelt sich in der Mehrheit der Fälle
um ein chronisches Nierenversagen und 20 % haben ein Serumkreatinin von > 2 mg/dl. Im Gegensatz zur MIDD finden sich bei der AL-Amyloidose -Leichtketten.
Zirkulierende fLC werden von Makrophagen aufgenommen und teilweise metabolisiert. In der Folge werden
Leichtkettenfragmente von diesen Zellen sezerniert und
bilden dann die typischen kongorotpositiven, doppelbrechenden Fibrillen, die in sämtlichen renalen Strukturen,
überwiegend jedoch in Glomerula, nachweisbar sind. In
der elektronenmikroskopischen Vergrößerung erkennt
man ihre feinfibrilläre Textur.
Kristalloide Einschlüsse in Podozyten: Bei bislang ca. 20
Patienten (alle mit IgG--Myelom) fand sich in der Nierenbiopsie eine schwere kollabierende fokal segmentale Glomerulosklerose. Gemein ist diesen Myelom-Patienten die Bisphosphonat-Therapie mit Pamidronat. Bei einem Teil der Patienten kam es nach Absetzen der Substanz zu einer zu mindest teilweisen Erholung der Nierenfunktion und bei einem Patienten
nach Reexposition zu einer neuerlichen Verschlechterung. Es
wird suspiziert, dass Pamidronat eine direkte toxische Wirkung
auf Podozyten hat und zu einem glomerulären Filtrationsdefekt führt. Dies bedingt einen vermehrten Proteineinstrom
nach intrapodozytär und der Ablagerung und Kristallisierung
der fLC in diesen Zellen.
Therapie der Niereninsuffizienz
bei Myelompatienten
Myelomspezifische Therapie
Ein Eckstein in der Therapie beim Myelom ist die Chemotherapie, wobei hier verschiedene Schemata zur Anwendung
gelangen.
Der Einsatz neuerer Medikamente (z. B. Thalidomid,
Lenalidomid oder Bortezomib) stellt eine viel versprechende Therapieoption dar. Vor allem bei Schemata, die
Bortezomib enthalten, gelingt eine rasche Reduktion der
fLC im Serum. Möglicherweise bedingte durch diese rasche Abnahme der Tumorlast konnte in einzelnen Subanalysen und Fallberichten eine deutliche Verbesserung der
Nierenfunktion beobachtet werden.
Abb. 3: Zwei HCO-Membranen hintereinander geschlossen
Reduktion der monoklonalen Immunglobuline
Die Wertigkeit der Elimination von fLC vor allem bei Patienten mit akutem Nierenversagen bei CN, parallel zur
Hemmung der vermehrten Nachbildung, wird seit längerem in der Literatur kontroversiell diskutiert. Untersuchungen zeigen aber, dass das renale Überleben verbessert
wird, wenn die Niere nur kurz toxischen fLC ausgesetzt
wird.
Plasmaaustausch: In einer randomisierten Studie mit insgesamt 104 Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion
konnten durch 5 bis 7 Plasmaaustauschbehandlungen weder
eine Verbesserung der Nierenfunktion noch ein Überlebensvorteil beobachtet werden. Die Patienten dieser Untersuchung
wurden nicht nierenbiopsiert, sodass davon ausgegangen
werden muss, dass es sich nicht nur um Patienten mit CN gehandelt hat. Unterstützt wird diese Vermutung durch eine rezente Veröffentlichung, in der bei Patienten mit gesicherter
CN mittels Plasmaaustauschbehandlungen eine Verbesserung
der Nierenfunktion und damit bedingt auch ein besseres
Überleben erzielt werden konnte.
Leichtketten-Elimination durch „High Cut-off“-Dialysemembranen: Ein neuer Ansatz ist die Elimination von
fLC mittels einer großporigen Dialysemembran.
fLC sind relativ kleine Proteine. Das Molekülgewicht MG)
von -Leichtketten beträgt 25 kD, das von -Leichtketten
50 kD. Die Poren herkömmlicher Dialysefilter sind zu klein
(Durchlässigkeit bis zu einem MG von 10–20 kD), um eine
klinisch relevante Menge fLC aus dem Serum zu eliminieren. Es ist nun eine großporige High-Cut-off-Membran
([HCO], HCO 1100, Gambro®, Deutschland) mit einem
molekularen Cut-off von ca. 60 kD auf dem Markt (Abb. 2).
In-vitro-Untersuchungen zeigten, dass durch reine Ultrafil
tration (Serumfluss 400 ml/min, Transmembrandruck
36
300–400 mmHg) mit HCO die Reduktion der fLC 94 %
() bis 96 % () betrug.
Bei Dialysebehandlungen mit HCO konnten Leichtketteneliminationsraten von 35 bis über 70 % beobachtet werden. Die
Eliminationsraten während einer Hämodialysebehandlung
waren abhängig von der Ausgangskonzentration der fLC, der
Dialysezeit, dem Dialysatfluss und der Filteroberfläche.
Nur 15 bis 20 % der fLC finden sich intravasal und sind der
jeweiligen extrakorporalen Therapie zugänglich. Im Anschluss an die Dialyse kommt es zu einer raschen Rückumverteilung aus dem Extravasal- in den Intravasalraum und
damit zu einem neuerlichen Anstieg der fLC-Konzentration
im Serum. Damit ergibt sich in der frühen Therapiephase
die Notwendigkeit einer hochfrequenten Therapie (Behandlungsintervall 24 bis maximal 48 h). Um auch während der
jeweiligen Dialyse den Effekt der Umverteilung aus dem Gewebe in den Intravasalraum auszunützen, konnte gezeigt
werden, dass durch Verlängerung der Dialysedauer auf 6 bis
8 Stunden die Effizienz erhöht werden konnte. Durch Hintereinanderschalten von 2 HCO-Membranen wird eine Behandlungsoberfläche von 2,2 m2 erreicht (Abb. 3). Dadurch
kann die Clearance-Rate für fLC von 7,6 ml/min auf 25
ml/min gesteigert werden. Der konvektive Transport ist bei
der fLC-Elimination durch HCO, wie bereits erwähnt,
ebenfalls entscheidend. Mittels Hämodiafiltration konnten verglichen mit Hämodialyse bessere Ergebnisse erzielt werden.
Eine Erhöhung des Dialysatflusses korrelierte positiv mit der
fLC-Reduktion im Serum. Um die eigene Therapieeffizienz
unter laufender HCO-Dialyse beurteilen zu können, sollte regelmäßig die fLC-Konzentration vor und nach der Behandlung
bestimmt werden.
Bedingt durch die Porengröße kommt es aber zu einem
nicht unbeträchtlichen Albuminverlust (im Mittel 1,5 g/h
Dialysezeit), sodass eine regelmäßige Albuminbestimmung
und gegebenenfalls eine Albuminsubstitution durchzuführen ist. Die HCO hat eine exzellente Clearance für kleinmolekulare Substanzen. Regelmäßige Kontrollen der Phosphat-, Kalzium- und Magnesiumwerte sind anzuraten. Es ist
davon auszugehen, dass unter dieser Behandlung eine sehr
gute Dialysequalität erreicht wird und damit möglicherweise
die häufigen infektiösen Komplikationen bei urämischen
Myelompatienten reduziert werden können.
In einer britischen Studie wurden 5 Patienten mit dialysepflichtigem Nierenversagen bedingt durch eine CN über einige Wochen zusätzlich zur Chemotherapie hochfrequent
mit einer HCO-Dialyse behandelt, um damit, bis zum Ansprechen auf die Chemotherapie, die fLC-Konzentration im
Blut nieder zu halten. Bei 3 Patienten kam es zu einer deutlichen Verbesserung der Nierenfunktion (Dialysefreiheit). In
3 weiteren Fallberichten (12 Patienten) mit LeichtkettenMyelom und akutem Nierenversagen bedingt durch eine
CN konnte durch den frühzeitigen und hochfrequenten
Einsatz der HCO-Membran eine rasche Reduktion der fLC
im Serum erzielt werden. Erfreulicherweise kam es in 9 Fällen zu einer signifikanten Verbesserung der Nierenfunktion
(Dialysefreiheit) innerhalb weniger Wochen. Die Ergebnisse
einer kontrollierten Studie zum Einsatz dieser Dialysemembran bei Patienten mit CN, auch in Hinblick auf Überleben,
fehlen zum derzeitigen Zeitpunkt allerdings noch.
Nierenfunktion und Prognose
bei Myelompatienten
Bei Myelompatienten ist das Vorliegen eines Nierenversagens innerhalb der ersten 60 Tage die dritthäufigste Todesursache. Unter den Patienten, die ein Serumkreatinin
< 1,5 mg/dl hatten, lebten 62 % länger als 60 Tage, während
bei den Patienten mit einem Serumkreatinin > 2,3 mg/dl
nur 16 % diese Zeitspanne überlebten. Daraus ergibt sich
die Notwendigkeit, bei Patienten mit Myelom von Anfang
an renoprotektiv vorzugehen.
Im Falle eines manifesten Nierenversagens sollte eher frühzeitig mit der Dialyse begonnen werden, um urämieassoziierte Probleme (v. a. Infekte) zu minimieren. In älteren
Studien kam es unter myelomspezifischer Chemotherapie
bei 10–20 % der Myelompatienten zu einer Erholung der
Nierenfunktion. Eine deutliche Verbesserung der renalen
Prognose dürfte durch neuere Substanzen wie z. B. Bortezomib
gegeben sein. Ersten Berichten zufolge könnte der zusätzliche Einsatz von HCO-Membranen die Erholung der Nierenfunktion begünstigen. Nach heutigem Wissen ist aber
davon abzuraten, bei jedem Myelompatienten mit Nierenversagen die HCO einzusetzen. Nur bei histologisch gesicherter CN ist von einer deutlichen Verbesserung der Nierenfunktion durch radikale Absenkung der fLC auszugehen, wobei dazu weitere Ergebnisse aus derzeit laufen■
den Untersuchungen zu erwarten sind.
Bei Patienten mit multiplem Myelom kann es im Verlauf der
Erkrankung zu einer Vielzahl renaler Pathologien kommen.
Zum einen finden sich myelomspezifische tubuläre und glomeruläre Veränderungen, zum anderen kann es aber bedingt
durch eine Reihe von Kofaktoren zum Auftreten eines akuten
Nierenversagens kommen. Zur Differenzierung ist oft eine
Nierenbiopsie notwendig. Da eine Nierenfunktionseinschränkung zu einer massiven Verschlechterung der Prognose des Patienten führt, stehen renoprotektive Maßnahmen auch ganz am Beginn der Therapieplanung. Durch den
Einsatz neuerer Substanzen konnte der Verlauf der Grunderkrankung drastisch gebessert werden. Die zusätzliche extrakorporale Elimination von fLC bei Patienten mit dialysepflichtigem Nierenversagen bedingt durch CN ist ein viel
versprechender Ansatz, es gilt aber die Ergebnisse von kontrollierten Studien abzuwarten.
38
ONKOLOGISCHER HOFFNUNGSTRÄGER BEVACIZUMAB
Renale Nebenwirkungen
einer Anti-VEGF-Antikörper-Therapie
Dr. Clemens O. Wieser
1. Medizinische Abteilung und Nephrologie, Landeskrankenhaus Klagenfurt
eit einigen Jahren steht nun auch als First-Line-Therapie eine Antikörpertherapie zur Verfügung, die in
Kombination mit der konventionellen Chemotherapie
in der Indikation metastasierendes kolorektales Karzinom
zugelassen ist. Untersuchungen zur Anwendung beim Nierenzellkarzinom, Mammakarzinom, Pankreas- und Lungenkarzinom laufen und versprechen in der Kombination mit
einer Chemotherapie eine Überlebensverlängerung im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie.
NO und damit zu einer verstärkten
Vasokonstriktion. Über die Erhöhung des gesamten peripheren Widerstandes kommt es zu einer RR-Erhöhung. Zudem werden Einflüsse
des VEGF auf das RAAS vermutet.
S
Das Wirkprinzip imponiert als einfach und logisch: Bevacizumab ist ein monoklonaler Antikörper aus der Gruppe der
Immunglobuline (IgG1), der gegen den Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) gerichtet ist und die Gefäßneubildung in vor allem rasch wachsenden Geweben, wie sie Tumorzellen und Metastasen darstellen, unterdrücken kann. Als
Angiogenesehemmer ist er in der Lage, Tumorzell- und Metastasenwachstum effizient zu beeinflussen.
Neben der erwünschten Wirkung stellt sich aber natürlich
auch die Frage, welche Auswirkungen die Blockade des
VEGF auf den Organismus hat und mit welchen Nebenwirkungen zu rechnen ist. Da das Präparat in Kombination mit
Chemotherapeutika verwendet wird, die von vornherein mit
einer hohen Toxizität belastet sind, fällt eine Beurteilung
schwer. Das Spektrum der Nebenwirkungen reicht von
thromboembolischen Ereignissen, arterieller Hypertonie,
Einschränkung der LVEF, Wundheilungsstörungen, Neuropathie, Blutungen bis zur Proteinurie.
Therapeutische Konsequenzen ergeben sich aus dem RR-Verhalten: RR
Dr.
Werte >150/100 mmHg müssen vor
Clemens O. Wieser
dem Beginn einer BevacizumabGabe normalisiert werden, Patienten, die eine hypertensive
Krise oder eine maligne Verlaufsform entwickeln, sollten von
einer weiteren Gabe des Antikörpers ausgenommen werden.
Die Behandlung des Hochdrucks richtet sich nach den gültigen Richtlinien zur Behandlung der Hypertonie.
Proteinurie unter Bevacizumab
Unter der Behandlung mit dem Angiogenesehemmer kann
es zum Auftreten einer Proteinurie unterschiedlichen
Schweregrades als Ausdruck einer Störung des VEGF-induzierten glomerulären Reparaturmechanismus kommen.
Die Inzidenz einer Proteinurie wird mit Zahlen bis 38 %
angegeben, ein nephrotisches Syndrom entwickelt sich in
1,4 %.
A
B
Arterielle Hypertonie unter Bevacizumab
Unter der Verwendung von Bevacizumab findet man sowohl
Erstmanifestation als auch Verschlechterung eines schon vorbestehenden Hypertonus. Die Inzidenz der Hypertonie wird
bis 34 % beschrieben.
Als pathophysiologische Erklärung wird der Einfluss auf den
Stickstoffhaushalt (NO) gesehen. NO gehört zu den potentesten physiologischen Vasodilatatoren. Die Regulation wird
über VEGF gesteuert. Bei einer Blockade des VEGF-Systems kommt es zu einer Abnahme der Konzentration von
(Kitamoto Y., Tokunaga H., Miyamoto K., Tomita K., VEGF is an essential
molecule for glomerular structuring. Nephrol Dial Transplant 2002; 17:25-27)
Abb.: Gefäßausgusspräparat (EM) von Maus-Glomeruli nach
Anti-VEGF-Antikörper-Gabe (B) im Vergleich zu Kontrollen (A)
39
Kitamoto et al. konnte schon 2002 zeigen, dass VEGF sowohl bei der embryonalen Glomerulogenese als auch bei
der entwickelten Niere wichtige Wachstums- und Reparationsimpulse im Glomerulum induziert. Im Elektronenmikroskop (Abb.) zeigt sich im Vergleich zu Kontrollgruppen
bei mit Anti-VEGF-Antikörper behandelten Mäusen im
Säugetiermodell eine deutlich veränderte Architektur der
Glomerula mit Reduktion der
Kapillaren. Bei experimenteller
Glomerulonephritis und bei
der thrombotischen Mikroangiopathie (Ratte) ist VEGF an
der Reparatur der betroffenen
Glomerula beteiligt. Zudem
spielt VEGF eine wichtige
Rolle bei der Regulation der
glomärulären Zirkulation über
Feed-back-Mechanismen mit
NO, Endothelin 1 und Angiotensin II.
Als Vorsichtsmaßnahmen werden regelmäßige Harnkontrollen
Die Antikörpertherapie mit
Bevacuzimab hat das onkologische Therapiekonzept der
Chemotherapie bereichert.
Allerdings können beachtenswerte Nebenwirkungen auftreten. Nephrologisch relevant
sind Entwicklung und/oder
Verschlechterung einer schon
bestehenden Hypertonie und
die Entwicklung einer Proteinurie. Intraktabler Hypertonus, hypertensive Krisen und
eine Proteinurie über 2 g/24
Stunden sollten zu einer Unterbrechung der Antikörpertherapie führen. Die Hypertonie soll
nach den gültigen Richtlinien
behandelt werden, bei Auftreten einer Proteinurie muss
eine Spontanremission abgewartet werden.
empfohlen, bei einem Auftreten einer Proteinurie von über
2 g/24 Stunden soll die Therapie unterbrochen werden, bis
die Eiweißausscheidung unter 2 g/24 Stunden gesunken ist.
Sollte innerhalb von 3 Monaten dieser Zustand nicht erreicht
werden, soll die Therapie mit Bevacuzimab gänzlich abgebrochen werden und der Patient einer weiteren nephrologischen
■
Abklärung zugeführt werden.
40
EINFLUSSGRÖßEN UND ZU EMPFEHLENDE VORSICHTSMAßNAHMEN
Nephrotoxizität
von intravenösen Bisphosphonaten
Prim. Univ.-Prof. Dr. Dietmar Geissler
Vorstand der 1. Medizinischen Abteilung, Landeskrankenhaus Klagenfurt
nsgesamt handelt es sich bei Bisphosphonaten um eine
Wirkstoffgruppe, die als nebenwirkungsarm zu bezeichnen ist. Das Nebenwirkungsprofil hängt von zahlreichen
Faktoren ab, wie der Applikationsart, der Häufigkeit der
Applikation und der Dosis.
I
Wie kommt es zu Nephrotoxizität?
Nephrotoxizität variiert stark innerhalb der Substanzgruppe: Tierexperimentelle Untersuchungen und klinische
Beobachtungen haben gezeigt, dass prinzipiell alle Bisphosphonate eine Nephrotoxizität aufweisen und akute tu-
Prim. Univ.-Prof. Dr.
Dietmar Geissler
Apoptoseinduktion auch in den Tubuluszellen: Die
Nephrotoxizität durch einen analogen apoptoseinduzierenden Mechanismus ausgelöst, wie die erwünschte Hauptwirkung der Bisphosphonate am Knochen. Bisphosphonate werden von aktivierten Osteoklasten aufgenommen. In diesen
Osteoklasten wird in der Folge ein Apoptosesignal induziert
und dadurch der Knochenabbau und Umbau gestoppt.
Biochemisch greifen die Aminobisphosphonate, zu denen
Pamidronat, Zoledronat und Ibandronat gehören, in den Mevalonsäuremetabolismus ein und stören dadurch die Cholesterolbiosynthese in den Zielzellen. Daneben hemmen Aminobisphosphonate kompetitiv die Funktion von Guanosin-Triphos
phat-bindenden Proteinen und damit den Zellzyklus.
FOTO: © ALFRED PASIEKA/SCIENCE PHOTO LIBRARY/PICTUREDESK.COM
Intravenöse Bisphosphonate werden schwerpunktmäßig
zur Behandlung der Hyperkalzämie, Osteoporose und bei
Knochenmetastasen eingesetzt. Vier intravenöse Bisphosphonate kommen in diesen Indikationsgebieten zum Einsatz:
Clodronat (Bonefos®), Pamidronat (Aredia®), Zoledronat
(Zometa®), Ibandronat (Bondronat®).
Häufige Nebenwirkungen, die prinzipiell bei allen Bisphosphonaten auftreten können sind: 1. Nephrotoxizität, 2. gastrointestinale Toxizität, 3. Akute-Phase-Reaktionen.
Daneben treten seltene Komplikationen auf, wie: Hypokalzämie,
Augenkomplikationen (Retinitis, Uveitis, Skleritis), Asthma
bronchiale, Erytheme; Nebenwirkungen am ZNS
(z. B. am Geschmacksinn), Kieferosteonekrosen.
buläre Nekrosen verursachen können.
Diese Nebenwirkung wurde sogar bei
Alendronat (Fosamax®) und Risedronat
(Actonel®) beschrieben. Die Nephrotoxizität variiert allerdings stark innerhalb
der Gruppe der Bisphosphonate und
hängt vor allem von der Pharmakokinetik, der Pharmakodynamik und der
dadurch erzielten Spitzenkonzentrationen der einzelnen Bisphosphonate
im Nierengewebe ab.
42
passiver
Einstrom
Tubuluslumen
aktiver
Transport
Plasmakonzentration
Bisphosphonatstau
• Bisphosphonatmolekül
Quelle: Bartl, von Tresckow, Bartl (2006): Bisphosphonat-Manual
Abb. 1: Renale Ausscheidung von Bisphosphonaten
Clodronat gehört zur Gruppe der aliphatischen Bisphosphonate. Diese fördern die Umwandlung von Adenosin-Triphosphat in toxische Analoga. Diese Mechanismen führen zu
einer Apoptose von Osteoklasten und damit zu einer Hemmung des Knochenabbaus. Dieser Effekt ist ausschlaggebend
für den Einsatz in der Behandlung von ossären Metastasen,
der Hyperkalzämie und der Osteoporose. Im Rahmen der
Osteoporosetherapie kann es allerdings durch eine überschießende Apoptoseinduktion bei Osteoklasten zu einer
überschießenden Hemmung der Osteoklasten und damit zu
einer Störung des Knochenumbauprozesses kommen.
Da sekundär über Osteoklasten Osteoblasten angeregt werden, ist in der Folge der Regenerationsprozess des Knochens
gestört.
Eine ähnliche Apoptoseinduktion wird bei hohen Gewebsspiegeln auch in der Darmschleimhaut und in renalen Tubuluszellen beobachtet. Ausschlaggebend für diesen Prozess sind
hohe Gewebespiegel, die vor allem von der Dosis und der
Pharmakokinetik der einzelnen Bisphosphonate abhängen.
Pharmakokinetik, Proteinbindung und renale Elimination: Im Tierexperiment wurde gezeigt, dass der Einstrom von
Bisphosphonaten in Tubuluszellen passiv erfolgt und somit vorwiegend von der Serumkonzentration und der Eiweißbindung der einzelnen Bisphosphonate abhängig ist. Die Ausscheidung aus dem Tubulus in das Lumen hingegen ist ein
aktiver Prozess, der eine begrenzte Transportkapazität aufweist
und energieverbrauchend ist (Abb. 1). Ist dieser Transportmechanismus überladen, akkumulieren Bisphosphonate
und können die Zelle zerstören.
Bezüglich der Pharmakokinetik und der Eiweißbindung zeigen
die einzelnen intravenösen Bisphosphonate starke Unterschiede. Einige wichtige pharmakokinetische Eigenschaften von intravenösen Bisphosphonaten sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Sowohl die peroral als auch die parenteral applizierten Bisphosphonate, die nicht vom Knochen aufgenommen werden,
werden unverändert über die Niere ausgeschieden.
Steigert man die Bisphosphonat-Dosis kontinuierlich, so
zeigt sich zwar ein kontinuierlicher Anstieg des Gewebespiegels, parallel dazu steigt aufgrund der aktiven Elimination
von Bisphosphonaten aus den Tubuluszellen in das Tubuluslumen die Harnkonzentration nicht über ein bestimmtes Niveau an.
Für die intravenösen Bisphosphonate sind somit die Dosis, die
Applikationsfrequenz und die Schnelligkeit der Infusion wichtige Determinanten für die Nierentoxizität. Reduziert man die
Dosis und verlangsamt man die Infusionsrate, so kann damit
die akute Nierentoxizität reduziert werden. Ebenso führt eine
Verlängerung des Intervalls zwischen den einzelnen Applikationen zu einer Reduktion der chronischen Nierentoxizität.
Peroral applizierte Bisphosphonate führen in den therapeutischen Dosen nicht zu Nierenkomplikationen.
Wichtig für die Akkumulation im Nierengewebe ist vor allem
die Proteinbindung und die Serum-Halbwertszeit der einzelnen Bisphosphonate.
Nephrotoxizität einzelner i. v. Bisphosphonate
Clodronat
Clodronat wird nur sehr selten intravenös verabreicht, da es
eine lange Infusionszeit (bis zu 4 Stunden) erfordert. Nierentoxizität wurde auch unter Clodronat beschrieben.
Pamidronat
Eine Nephrotoxizität unter Pamidronat wurde vor allem bei der
Verwendung von höheren Dosen beobachtet. Einzelfälle wurden
jedoch auch unter der Standarddosis von 90 mg beschrieben.
Neben einer akuten Tubulusnekrose findet sich gelegentlich
auch das Bild einer „collapsing glomerulonephritis“.
Zoledronat
Das am häufigsten verwendete intravenöse Bisphosphonat
stellt die Zoledronsäure (Zoledronat) dar.
In mehreren Publikationen wurde eine akute tubuläre Nekrose
beschrieben.
In einer Studie von Rosen L. S. et al. wurden unterschiedliche Dosierungen von Zoledronat mit Pamidronat verglichen.
Vor allem in der 8-mg-Gruppe, die am Beginn dieser Studie verwendet wurde, kam es zu einer stärkeren Nierenschädigung und Kreatinin-Anstieg.
In der Folge wurde die 8-mg-Dosis von Zoledronat gestoppt
und die Infusionsdauer von von 5 auf 15 min verlängert.
In dieser Studie kam es bei 9 % der Patienten unter Zoledronat (4 mg über 15 min) zu einer Verschlechterung der
Nierenfunktion.
44
Tabelle 1: Proteinbindung und Eliminations-Halbwertszeit
Dosis/
Infusionszeit
Proteinbindung
(%)
t1/2
(Stunden)
Cmax
(ng/ml)
Ibandronat
4 mg/15 min
85
12,0–16,0
284
Zoledronat
4 mg/15 min
56
1,4–1,9
468
Pamidronat
60 mg/1 h
54
0,8–2,5
2.790
Clodronat
300 mg/2 h
36
2,0–2,3
12.000
t1/2 = Serum-Halbwertszeit; Cmax = maximale Serum-Konzentration
Adapted from Russell et al., Luckmann und Rogers
8 % der Patienten, die in der Kontrollgrupppe 90 mg
Pamidronat über 2 Stunden erhielten, zeigten ebenfalls
eine Verschlechterung der Nierenfunktion.
Bezogen auf das renale Risiko zeigt Zoledronat in mehreren Untersuchungen ein doppeltes Risiko verglichen zu Pamidronat
für die Entwicklung einer Nierenschädigung.
Chang et al. beschrieben 2003 im NEJM 72 Patienten, die
unter Zoledronat ein akutes Nierenversagen entwickelten.
Dieser Report bezieht sich auf den Zeitraum 2001–2003 und
beinhaltet Meldungen betreffend akutes Nierenversagen an
die „Food and Drug Administration“.
42 Patienten wiesen als Grunderkrankung ein multiples
Myelom und damit ein erhöhtes renales Risikoprofil auf,
22 % hatten solide Tumoren, lediglich 2 gutartige
Erkrankungen.
Black D. M. et al. publizierten 2007 im NEJM eine Studie,
in der 3.889 Patienten im Rahmen einer doppelblinden placebokontrollierten Studie mit 5 mg Zoledronat über 15 min
behandelt wurden.
Zur Beurteilung der renalen Sicherheit wurde das SerumKreatinin vom 9. bis zum 11. Tag nach jeder Infusion gemessen. Ein signifikanter Anstieg war definiert als ein Anstieg des
Serum-Kreatinin-Spiegels von > 0,5 mg/dl im Vergleich zum
Ausgangsspiegel vor der 1. Infusion.
Bei dieser Untersuchung zeigte sich, dass 1,3 % der Patienten in der Zoledronat-Gruppe mit einem Anstieg des Serum
Kreatinins von > 0,5 mg/dl reagierten (in der Placebogruppe
nur 0,4 %).
Diese Veränderungen traten jedoch nur vorübergehend auf; innerhalb von 30 Tagen kehrte der Spiegel bei mehr als 85 %
der Patienten wieder auf den Ausgangswert zurück.
Bei den übrigen Patienten lag der Spiegel bei der nächsten
jährlichen Nachuntersuchung wieder in diesem Bereich.
Nach 3 Jahren bestand kein signifikanter Unterschied in den
Serum-Kreatinin-Spiegeln oder der Kreatinin-Clearance
zwischen den Gruppen.
Auffällig war bei dieser Untersuchung, dass die Anzahl der
Arrhythmien in der Zoledronat-Gruppe (266 Patienten bzw.
6,9 %) signifikant höher war als in der Placebogruppe. Vor
allem kam es zum Auftreten von Vorhofflimmern bei insgesamt 50 Patienten der Zoledronat-Gruppe (1,3 %) verglichen
mit 20 Patienten (0,5 % der Placebogruppe).
Von den Herstellern wird besonders darauf hingewiesen,
dass vor der Applikation von Zoledronat eine ausreichende
Hydrierung der Patienten gegeben sein muss. Eine Bestimmung der Kreatinin-Clearance wird empfohlen, bei einer
Kreatinin-Clearance < 60 ml/min muss eine entsprechende
Dosisanpassung erfolgen.
Ibandronat
Ibandronat zeigt bei klinischen Untersuchungen ein renales
Sicherheitsprofil, das ähnlich der Placebogruppe ist.
In einer Phase-III-Studie mit intravenösem Ibandronat bei
466 Patienten mit Mammakarzinom und Knochenmetastasen zeigten 4 % der Patienten in der Ibandronat-Gruppe eine
renale Nebenwirkung verglichen mit 4,5 % in der Placebogruppe. In einer Erweiterung dieser Studie erhielten 62 Patienten intravenöses Ibandronat über weitere 2 Jahre. Keiner
dieser Patienten zeigte eine Nierenschädigung oder einen Anstieg des Serum-Kreatinins. Andere Studien haben gezeigt,
dass das renale Sicherheitsprofil von Ibandronat auch bei
einer Verkürzung der Infusionsdauer auf 5 min gleich bleibt.
Die bessere Nierenverträglichkeit von Ibandronat im Vergleich zu Zoledronat dürfte auf die höhere Proteinbindung
(Ibandronat 87–98 % gegenüber Zoledronat 22–56 %) bedingt sein.
Präklinische Untersuchungen haben weiters gezeigt,
dass Ibandronat eine relativ kurze Gewebehalbwertszeit
von 24 Tagen im Vergleich zu 150–200 Tagen bei Zoledronat aufweist. Im Tierexperiment konnte gezeigt werden, dass Ibandronat mit 3 Wochen Dosierungsabstand
keine akkumulierte Toxizität aufweist. Hingegen zeigten
Tierexperimente mit Zoledronat im 3-Wochen-Dosierungsabstand eine steigende Akkumulation und damit
Nephrotoxizität.
Diese Untersuchungen zeigen, dass die intrarenale Akkumulation für das Ausmaß der Nierenschädigung ausschlaggebend ist.
45
Empfehlungen zur Vermeidung
von Nephrotoxizität
Folgende allgemeine Empfehlungen zur Vermeidung von
Nephrotoxizität bei intravenösen Bisphosphonaten können
aufgrund der vorliegenden Daten abgegeben werden:
• ausreichende Hydrierung der Patienten
• strikte Beachtung der vom Hersteller gegebenen
Sicherheitsempfehlungen
Zoledronat wird bei einer Kreatinin-Clearance von unter
30 ml/min nicht empfohlen. Abhängig von der Höhe der
Kreatinin-Clearance werden folgende Dosierungen empfohlen:
• 60 ml/min: volle Dosierung von 4,0 mg
• 50–60 ml/min: 3,5 mg
• 40–49 ml/min: 3,3 mg
• 30–39 ml/min: 3,0 mg
Vor jeder Gabe von Zoledronat sollte das Serum-Kreatinin gemessen werden. Auf eine weitere Behandlung sollte verzichtet werden, wenn sich die Nierenfunktion verschlechtert hat.
Wechsel auf ein Bisphosphonat mit besserer Nierenverträglichkeit: Prinzipiell ist ein solcher möglich, z. B. auf
Ibandronat (Bondronat®). Vom Hersteller werden bezüglich
einer Bondronat®-Infusion folgende Empfehlungen abhängig von der Höhe der Kreatinin-Clearance abgegeben:
• 50 ml/min: 6 mg > 15 min in 100 ml Infusionslösung
• 30–50 ml/min: 6 mg > 1 h in 500 ml Infusionslösung
• < 30 ml/min: 2 mg über 1 h in 500 ml Infusionslösung
Als Dosierungsintervall werden 3–4 Wochen empfohlen.
Literatur beim Verfasser
Zusammenfassend zeigen sich trotz der generellen
Nephrotoxizität von intravenösen Bisphosphonaten, die
auf eine Akkumulation im Nierengewebe zurückzuführen
ist, deutliche Unterschiede der einzelnen Substanzen.
Ausschlaggebend für den Unterschied zwischen Clodronat,
Pamidronat, Zoledronat und Ibandronat ist eine unterschiedliche Eiweißbindung und Pharmakokinetk. Zur
Reduktion der Nephrotoxizität ist es wichtig, Patienten
adäquat zu hydrieren. Vor der Applikation ist die KreatininClearance zu bestimmen und eine entsprechende Dosisanpassung vorzunehmen.
■
46
ZIELGERICHTETE SUBSTANZEN ERSETZEN IMMUNTHERAPIE
Onkologische Therapie
des Nierenzellkarzinoms
ao. Univ.-Prof. Dr. Manuela Schmidinger
Klinische Abteilung für Onkologie, Klinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien
Wirksamkeit
von Immuntherapie
Rationalen zum Zytokin-Einsatz: Grundlage für den Einsatz
von Zytokinen waren folgende Beobachtungen: Das Nierenzellkarzinom tritt öfter (als andere Tumoren) bei Patienten auf,
die – z. B. wegen einer Organtransplantation – eine immunsuppressive Therapie benötigen. Dies lässt den Schluss zu, dass
dieser Tumor besonders empfindlich auf Änderungen der Immunologie reagiert. Weiters sind Nierenzellkarzinome stark
lymphozytär infiltriert, was für eine Immunantwort des Körpers auf die Präsenz eines solchen Tumors spricht.
Das wichtigste Argument für den Einsatz von Zytokinen aber
war die Tatsache, dass Nierenzellkarzinome generell unempfindlich für Chemo- und Strahlentherapie sind, dafür aber
Zytokine zuweilen durch direkte oder indirekte antitumoröse
Wirkung eine Remission induzieren konnten.
Eine Metaanalyse aus 58 randomisierten Studien bei beinahe
7.000 Patienten zur Wirksamkeit von Immuntherapie
(Coppin, 2007) zeigt auf, dass Immuntherapie zwar häufiger als andere damals getesteten Therapien (Chemotherapie,
Strahlentherapie, Hormontherapie) Tumorremissionen bewirken, jedoch waren diese Remissionen nur selten von einer
Verlängerung des progressionsfreien Überlebens oder
Gesamtüberlebens begleitet.
Prognostische Parameter zum Ansprechen auf Immuntherapie: In den letzten Jahren wurde immer eindeutiger,
dass diese Erkrankung viel weniger von der Immuntherapie
selbst als von spezifischen patienten- und tumorbedingten
Prognose-Parametern abhängig ist.
Die bedeutendsten Parameter von Seiten des Patienten und
Darüber hinaus sind tumorspezifische Kriterien für die Prognose und das Ansprechen auf Immuntherapie relevant:
Reine Klarzellhistologien sind empfindlicher als papilläre Tumoren oder Mischformen, sarkomatoide Subtypen oder Ductus-Bellini-Karzinome sprechen gar nicht auf Immuntherapie an. Das wichtigste prognostische Modell (MSKCC-Kri- 1,0 -
0 Risikofaktoren
(80 Patienten, 21 am Leben)
0,9 -
1 oder 2 Risikofaktoren
(269 Patienten, 36 am Leben)
0,8 0,7 -
3, 4, oder 5 Risikofaktoren
(88 Patienten, 0 am Leben)
0,6 0,5 -
• LDH
• Hb
• Ca2+
0,4 0,3 -
• KPS
• Zeit Primum bis
• Metastasen < 1a
0,2 0,1 0,0 0
-
Ü
des Krankheitsverlaufs, die mit
schlechter Prognose bzw. schlechtem
Ansprechen auf Immuntherapie assoziiert sind, sind hierbei:
• schlechter Performance-Status
• kurze Zeit zwischen Primärtumor und Auftreten der Metastasen
• niedriges Hämoglobin
• erhöhtes korrigiertes Kalzium
ao. Univ.-Prof. Dr.
• erhöhte LDH
Manuela Schmidinger
• mehr als eine Metastasenlokalisation
• bestimmte Metastasenlokalisationen wie Leber-, ZNS-,
Lymphknoten- und Knochenmetastasen
• erhöhte neutrophile Granulozyten
Anteil Überlebender (%)
ber mehr als 2 Jahrzehnte waren Zytokine wie Interferon
alpha oder Interleukin 2 die Therapie der Wahl beim metastasierten Nierenzellkarzinom. Das objektive Tumoransprechen lag median bei 12–13 %, das progressionsfreie
Überleben median bei 5 Monaten und das Gesamtüberleben
bei 13 Monaten. Erst die Entwicklung und der Einsatz moderner Therapiestrategien in den letzten 2 Jahren hat dieser
trostlosen Ära ein Ende gesetzt.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10 11 12 13 14 15 16
Jahre seit Beginn der IFN--Therapie
Abb.: Ansprechen auf Interferon--Therapie beim Nierenzellkarzinom in
Abhängigkeit von Prognosefaktoren (MSKCC-Kriterien nach Motzer)
48
terien) stammt von Motzer (Motzer R., J Clin Oncol 2002)
und ist in der Abbildung dargestellt. Das Überleben von
Patienten im Metastasenstadium variiert sehr stark in Abhängigkeit von der Zahl dieser Faktoren.
Rationale zur Entwicklung
moderner Therapien
Erkenntnisse über den zugrunde liegenden genetischen Defekt beim klarzelligen Nierenzellkarzinom sind die Basis
moderner Therapien bei dieser Tumorerkrankung. Das
Nierenzellkarzinom ist keine einheitliche Erkrankung, sondern eine Gruppe von Tumoren verschiedenen epithelialen Ursprungs mit unterschiedlicher Morphologie und unterschiedlichen zugrunde liegenden genetischen Defekten. Tabelle 1 stellt die verschiedenen histologischen
Subtypen des Nierenzellkarzinoms dar und den dazugehörigen Gendefekt – so bekannt.
Tumorsuppressorgen-Defekt führt zur HIF-alpha-Akkumulierung: Mit über 75 % ist das klarzellige Karzinom
der häufigste Typ. Dieser ist durch einen Defekt des VHLTumorsuppressorgens (Von Hippel-Lindau) gekennzeichnet. Bei intaktem VHL-Gen bindet sein Genprodukt,
pVHL, an ein Hydroxyprolin von HIF-alpha; nach Ubiquitin-Anlagerung wird HIF-alpha im Proteasom degradiert. Gelingt dies nicht – wie es bei defektem VHL-Gen
der Fall ist –, akkumuliert HIF-alpha. In der Folge kommt
es zu einer Dimerisierung mit HIF-beta, Translokation in
den Zellkern, wo die Transkription von Genen ausgelöst
wird, die für Wachstumsfaktoren kodieren. Diese Wachstumsfaktoren sind unter anderem: VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor, u. a. verantwortlich für Proliferation
von Endothelzellen), EGF (Epidermial Growth Factor, u. a.
verantwortlich für Zellproliferation), TGF-alpha (Tumor
Growth Factor, verantwortlich für Tumorwachstum),
PDGF (Platelet-derived Growth Factor, verantwortlich für
Proliferation von Perizyten), CAIX (Carbonic-Anhydrase
IX), TGF-alpha (Transforming Growth Factor) etc. Die
Signalübertragung dieser Wachstumsfaktoren erfolgt über
Oberflächenrezeptoren. Diese Wachstumsfaktoren leiten
ihrerseits Signale ins Zellinnere, die wiederum zur HIFalpha-Akkumulation führen, wodurch ein Circulus vitiosus entsteht.
Wirkmechanismen neuer Substanzen: Neue Substanzen
haben zum Ziel, die HIF-alpha-Akkumulation zu verhindern, damit es nicht zur verstärkten Expression von Wachstumsfaktoren und deren Rezeptoren kommt. Dies kann an
verschiedenen Orten erfolgen:
• Im Serum wird der Wachstumsfaktor bereits gebunden,
sodass er gar nicht erst an die Tumorzelle herankommt,
Beispiel: der monoklonale VEGF-Antikörper Bevacizumab.
• Der Rezeptor für die Wachstumsfaktoren an der Tumorzelle wird gebunden, sodass der natürliche Ligand, der
Wachstumsfaktor, dort nicht mehr ansetzen kann.
• Die Phosphorylierung des intrazellulären Rezeptoranteils
wird verhindert, damit kann das Signal nicht in die Zelltiefe weitergeleitet werden, Beispiel: die TyrosinkinaseInhibitoren Sunitinib oder Sorafenib (Letzteres hat zusätzlich auch intrazelluläre Aktivität, siehe unten).
• Es wird ein Enzym der intrazellulären Signaltransduktionskaskade gehemmt (Beispiel: Raf-Kinase-Aktivität von
Sorafenib, mTOR-Inhibitor Temsirolimus). Manche
Substanzen können mehrere Orte gleichzeitig blockieren. Allen gemeinsam ist, dass letztendlich die HIFalpha-regulierte Übertragung von Wachstumssignalen
unterbunden wird.
Ergebnisse klinischer Studien
mit zielgerichteten Therapien
Besprochen werden hier nur Studienergebnisse zum Nierenzellkarzinom, die aufgrund der herausragenden Wirkung
und/oder großer Patientenzahl bemerkenswert sind:
Tabelle 1: Histologischer Nierenkarzinom-Subtyp und Gendefekt
Histologischer Typ
Klarzell
% RCC
75
Involviertes Gen
VHL-Suppressor-Gen
Papillär Typ 1
5
Papillär Typ 2
10
Chromophob
5
Birt-Hogg-Dube-(BHD)-Gen
Onkozytom
5
Birt-Hogg-Dube-(BHD)-Gen
Ductus Bellini, medullär
Sarkomatoider Typ
<1
C-Met-Onkogen
Fumarathydratase-Gen
ne
ne
Sunitinib: Sunitinib (Sutent®) ist ein
„small molecule“ und wirkt über Inhibition zahlreicher Tyrosinkinasen am intrazellulären Anteil von WachstumsfaktorRezeptoren. Die Tyrosinkinase-Inhibition betrifft vor allem den VEGF (1, 2,
3) und PDGF-alpha- und PDGF-betaRezeptor, die sowohl an Tumor- als
auch Endothelzelle und Perizyt (unterstützt Endothelzelle strukturell) exprimiert sind. Weiters hemmt Sunitinib den
Stammzellfaktor KIT, den Macrophage
Colony-stimulating Factor CSF-1R, den 50
Fms-like Tyrosinkinase-3 Receptor (Flt-3) und eine Kinase,
die über Ret Proto-oncogene (RET) kodiert wird. Sunitinib
wurde zunächst in zwei konsekutiv durchgeführten Phase-IIStudien bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom
untersucht, welche bereits auf andere Therapien progredient
waren. In der ersten Studie wurden 63 Patienten untersucht.
Bei 40 % der Patienten – was für eine Nierenzellkarzinomtherapie eine erstaunlich hohe Zahl bedeutet– konnte eine
objektive Remission festgestellt werden, bei weiteren 27 %
konnte eine Stabilisierung erreicht werden. Die mediane Zeit
bis zur Progression betrug 8,7 Monate und das mediane
Überleben 16,4 Monate. In der zweiten in der Folge durchgeführten Studie betrugen die Ansprechraten 44 % und die
Stabilisierungsrate 23 %. Aufgrund dieser viel versprechenden Ergebnisse wurde die Wirkung von Sunitinib in einer
randomisierten, internationalen multizentrischen PhaseIII-Studie als Erstlinientherapie mit Interferon-alpha verglichen. 750 systemisch unbehandelte Patienten wurden in
diese Studie eingeschlossen und entweder mit Sunitinib (50
mg/Tag, Tag 1–28/alle 6 Wochen) oder Interferon-alpha (9
MIU 3 x wöchentlich s. c.) behandelt. Das progressionsfreie
Überleben (primärer Endpunkt der Studie) war für Patienten im Sunitinib-Arm signifikant länger als für InterferonPatienten (11 versus 5 Monate, HR 0,42–95 % Konfidenzintervall 0,32–0,54, p < 0,001). Auch erzielten signifikant
mehr Patienten im Sunitinib-Arm eine objektive Remission
(31 % versus 6 %) und berichteten über eine bessere Lebensqualität als Patienten im Interferon-Arm (Motzer, New Engl
J Med 2007). Bemerkenswert ist, dass diese signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens nicht nur bei Patienten mit niedrigem Risiko (Risikogruppen nach Motzer
2002), sondern auch bei Patienten mit intermediärem und
hohem Risiko vorzufinden war. Sunitinib wurde mittlerweile
von der FDA und der EMEA als Erstlinientherapie beim metastasierten Nierenzellkarzinom zugelassen. Sunitinib wird
oral in Tablettenform eingenommen, die Standarddosierung
ist eine 50-mg-Tablette pro Tag über 28 Tage, gefolgt von
einer 2-wöchigen Pause.
Sorafenib: Sorafenib (Nexavar®) ist ein Multikinase-Inhibitor, der neben seiner Tyrosinkinase-Inhibierung für PDGF und VEGF(2, 3)-Rezeptoren (sowie Flt3, RET) zusätzlich
eine inhibierende Wirkung auf ein Enzym (RAF-Kinase)
einer wichtigen intrazellulären Signaltransduktionskaskade
(Ras-Raf-MEK-ERK) hat. Diese Multikinase-Inhibition
führt zu einer Verminderung der intrazellulären HIF-alphaAkkumulierung, welche nicht nur über VEGF-, sondern
auch über TGF-alpha mediierte Stimuli anfallen kann. Der
Rezeptor für TGF-alpha, EGFR (Epidermial Growth Factor
Receptor) ist beim Nierenzellkarzinom oft sehr stark exprimiert ist; ein beträchtlicher Anteil des Tumorwachstums wird
über diesen Signalweg stimuliert. Eine Blockade der nachgeschalteten, intrazellulären Signalwege – in diesem Fall RasRaf-MEK-ERK – erscheint daher besonders interessant.
Sorafenib greift an der Endothelzelle, am Perizyten und an
der Tumorzelle an, behindert damit Tumorzellproliferation
und Gefäßneubildung. Sorafenib wurde in einer randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studie (Escudier,
New Engl J Med 2007) nach Versagen von Immuntherapie
bei über 900 Patienten untersucht. Das mediane progressionsfreie Überleben war bei Sorafenib-Patienten mit 5,5 Monaten signifikant länger als bei Placebo-Patienten (2,8 Mo-
Tabelle 2: Neue Erstlinientherapien bei Nierenzellkarzinom
Sunitinib1
Bevacizumab + IFN-2
Temsirolimus3
n
750
649
626
Target(s)
VEGFR 1, 2, 3;
VEGF
mTOR
PGDFR-, -;
C-KIT, FLT-3, RETetc.
OR (%)
37 vs. 9*
31 vs. 13*
4,8
PFS (Mo.) total
11 vs. 5
10,2 vs. 5,4
5,5 vs. 3,1
- PFS günstig
14,9 (n = 38)
12,9 (n = 87)
-
- PFS intermediär
11 (n = 56)
10,2 (n = 183)
-
- PFS schlecht
4 (n = 23)
2,2 (n = 28)
5,5 (n = 209)
S
n. r.
n. r.
10,9 vs. 7,3
OR: objektive Remission nach RECIST-Kriterien; PFS: progressionsfreies Überleben; S: Überleben
1 Motzer R.J. et al., N Engl J Med 2007; 356:115–24; 2 Escudier B. et al., Lancet 2007; 370:2103–11; 3 Hudes G. et al., N Engl J Med 2007; 356(22):2271–81
(* investigator assessed)
51
FOTO: LONDON_ENGLAND - FOTOLIA.COM
nate) (HR in der Sorafenib-Gruppe: 0,44; 95%-Konfidenzintervall 0,35–0,55, p < 0,01). Die Ansprechraten unter
Sorafenib waren weniger hoch als erhofft (10 % unter
Sorafenib, 2 % unter Placebo), jedoch könnte dies auch auf
einem Interpretationsproblem des Tumoransprechens beruhen: während manche Patienten eindruckvolle Remissionen
zeigten, kam es bei anderen zu einer zystischen Vergrößerung
des Tumors, die im Staging natürlich als Progression gewertet wurde. Oftmals hat sich aber herausgestellt, dass es sich
dabei um eine zystische Degeneration handelte, sodass eigentlich ein Tumoransprechen vorlag. Neue Techniken zur
besseren Evaluierung des Tumoransprechens, wie zum Beispiel kontrastmittelunterstützte Farbdoppler-Untersuchungen müssen daher bei dieser Therapie evaluiert werden.
Mittlerweile wurde in einer randomisierten Phase-II-Studie
die Wirksamkeit von Sorafenib im Vergleich zu Interferon
alpha bei systemisch noch unbehandelten Patienten untersucht. Im Rahmen einer Interimsanalyse konnte kein signifikanter Unterschied zu Interferon in Bezug auf das progressionsfreie Überleben gezeigt werden. Dennoch ist diese Substanz eine beträchtliche Bereicherung des therapeutischen Armamentariums: So konnte beobachtet werden, dass Sorafenib
Potenzial in der Vorbeugung von Hirnmetastasen haben
dürfte, wie eine am ESMO 2006 präsentierte Subgruppenanalyse von zwei Zentren der TARGET-Studie zeigt (Abstr.
454, Massard). Bei 139 dahingehend analysierten Patienten
war die Inzidenz an Hirnmetastasen in der Sorafenib-Gruppe
deutlich niedriger als in der Placebogruppe. Sorafenib ist derzeit zur Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms
nach Versagen oder bei Kontraindikation für Immuntherapie zugelassen.
Bevacizumab: Der monoklonale Antikörper Bevacizumab
(Avastin®) bindet den Wachstumsfaktor VEGF auf Serumebene. Dadurch kann das Wachstumssignal an den Rezeptor
nicht herangetragen werden. Bevacizumab wurde beim
metastasierten Nierenzellkarzinom in einer randomisierten,
placebokontrollierten Phase-II-Studie an 116 Patienten untersucht (Yang, New Engl J Med 2003). Es wurden die Bevacizumab-Dosierung von 10 mg/kg (alle 14 Tage) und 3 mg/kg
(alle 14 Tage) untereinander bzw. mit einem Placebo verglichen. Im progressionsfreien Überleben zeigte sich ein statistisch signifikanter Vorteil für die Hochdosis-Gruppe (4,8
versus 2,5 Monate, p < 0,001). Ein Vorteil im Überleben
konnte nicht erkannt werden, allerdings war die Studie nicht
so angelegt, einen solchen zu erkennen, und aufgrund der Ergebnisse im progressionsfreien Überleben war es den Patienten im Nachhinein möglich, in den Hochdosis-Arm zu wechseln. Das objektive Ansprechen in der Hochdosis-Gruppe lag
bei 10 %. Analysen an diesem Patientengut zeigten, dass Patienten unter Hochdosis-Therapie eine – im Vergleich zu Patienten der Niedrigdosis (3 mg/kg) oder Placebo-Gruppe –
deutliche Verminderung der Tumorlast über die Zeit haben,
wenngleich diese nicht immer die Kriterien für RECIST erreicht. Auch hier muss also überlegt werden, ob die gängigen Kriterien zur Erhebung des Tumoransprechens ausreichen bzw. ob die Evaluierung des Ansprechens bei diesen
Therapien etwas später als üblich erfolgen sollte, damit es
nicht zu Interpretationsproblemen kommt. Am ASCO 2007
wurden schließlich die Ergebnisse der Phase-III-Studie präsentiert, im Rahmen derer Bevacizumab in der Kombination
mit IFN-alpha versus IFN-alpha als Erstlinientherapie untersucht wurde (Escudier, Lancet 2007). 31 % der Patienten
unter Bevacizumab + IFN-alpha erreichten eine objektive
Remission nach RECIST-Kriterien versus 13 % der Patienten im Interferon-Arm. Die Tragweite dieses Vorteils im Tumoransprechen wurde auch in Hinblick auf das progressionsfreie Überleben demonstriert. Dieses betrug bei Patienten im
Bevacizumab+IFN-alpha-Arm 10,2 Monate versus nur 5,4
Monate im Interferon-Arm. Dieser statistisch signifikante
Vorteil war für alle MSKCC-Risikogruppen vorhanden,
wenngleich in der Gruppe der Patienten mit schlechtem
MSKCC-Profil weniger relevant. Da die vorgesehenen 9 Millionen Einheiten Interferon-alpha 3-mal wöchentlich für den
Großteil der Patienten weniger gut tolerabel waren, wurden
bei einer Vielzahl der Patienten Dosisreduktionen von IFNalpha auf 6 oder 3 Millionen Einheiten vorgenommen. Eine
Subgruppenanalyse dieser Patienten zeigte keinerlei Nachteil
im Hinblick auf Tumoransprechen oder PFS.
52
chen von 58 % (Merchan Abstract 5034, ASCO 2007).
Temsirolimus ist für Patienten mit fortgeschrittenem
Nierenzellkarzinom zugelassen.
Axitinib (AG013736): Axitinib ist ein Imidazol-Derivat, das
in niedrigen Konzentrationen die Tyrosinkinasen aller
VEGFR und die der PDGF--Rezeptoren hemmt. Axitinib
wurde in einer Phase-II-Studie bei 52 vorbehandelten (Zytokine) Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom untersucht. Die Ergebnisse waren höchst vielversprechend: Erstaunliche 46 % der Patienten erreichten eine objektive Remission (RECIST-Kriterien), weitere 38 % eine geringere Remission, die noch nicht die RECIST-Kriterien erfüllt, und
14 % eine Stabilisierung. Nebenwirkungen umfassen Hypertonie, Bluthochdruck und Stomatitis, sind also mit Sunitinib
vergleichbar. Dieses äußerst vielversprechende, ebenfalls oral
zu verabreichende Medikament befindet sich noch in der Untersuchung an größeren Patientengruppen, wird aber mit immenser Spannung erwartet.
Anti-EGFR-Therapie mit Lapatinib: Lapatinib ist ein Tyrosinkinase-Inhibitor für ErbB1 und ErbB2. Nierenzellkarzinome weisen oft eine sehr starke EGFR-Expression. Dennoch sind Versuche mit Anti-EGFR-gerichteten Therapien
beim klarzelligen Nierenzellkarzinom bislang fehlgeschlagen.
Lapatinib wurde in einer randomisierten Studie im Vergleich
zu alleiniger Hormontherapie (Medroxyprogesteronacetat – FOTO: © DAVID MCCARTHY/SCIENCE PHOTO LIBRARY/PICTUREDESK.COM
Temsirolimus: Temsirolimus (Torisel®) in ein mTOR-Inhibitor (Mammalian Target of Rapamycin). mTOR ist ein wichtiges Enzym der intrazellulären Signaltransduktionskaskade
PI3K-AKT-mTOR, welche bei Aktivierung durch Wachstumsfaktoren und deren Rezeptoren ebenfalls zur HIF-alpha-Akkumulierung führt. Die Wirkung dieses Medikaments wurde als
Erstlinientherapie bei Patienten mit schlechtem MSKCC-Score
(ungünstigste Prognose im Metastasenstadium, medianes
Überleben 4 Monate) im Vergleich zu Interferon alpha oder in
Kombination mit Interferon alpha bei über 600 Patienten untersucht (Hudes, New Engl J Med 2007). Patienten im Temsirolimus-Monotherapie-Arm hatten ein um 95 % besseres progressionsfreies Überleben als Patienten im IFN-alpha-Arm (3,7
versus 1,9 Monate, p = 0,0001). Temsirolimus ist zudem, und
das ist besonders relevant, von allen neuen Medikamenten das
einzige, bei dem bereits die Information über eine statistisch
signifikante 49%-Verbesserung des Überlebens vorliegt (11 versus 7 Monate) (HR 0,73, CI: 0,57–0,92), p = 0,0069). Eine
weitere Beobachtung dieser Studie war die gute Verträglichkeit
der Temsirolimus-Therapie im Vergleich zu Interferon alpha.
Temsirolimus wird 1-mal wöchentlich als intravenöse Infusion
in einer Absolutdosis von 25 mg verabreicht. Abgesehen von
der nachweisbar vorteilhaften Wirkung von Temsirolimus
bei Patienten mit schlechtem MSKCC-Profil dürfte diese
Substanz aber noch mehr Potenzial haben. Eine Kombinationsstudie mit Bevacizumab zeigte ein objektives Anspre-
Everolimus (RAD 001): Die Wirksamkeit des oralen
mTOR-Inhibitors Everolimus wurde in einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Phase-III-Studie bei Patienten
mit metastasiertem Nierenzellkarzinom geprüft, die bereits
auf einen oder zwei VEGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor progredient waren. Ergebnisse der ersten Interimsanalyse wurden
beim ASCO 2008 (American Society of Clinical Oncology)
vorgestellt (Motzer R., Abstract 5026, J Clin Oncol 2008;
26, 18S, II). Patienten im Everolimus-Arm (10 mg pro Tag)
erreichten ein progressionsfreies Überleben von 4 Monaten
versus nur 1,9 Monaten für Patienten im Placebo-Arm. Diese
Ergebnisse waren statistisch signifikant (p < 0,001, HR: 0,30,
0,22–0,44). Dieser Vorteil war bei Patienten aller MSKCCSubgruppen vorhanden. Grad-3/4-Toxizitäten umfassten
Stomatitis, Pneumonitis, Asthenie und Fatigue. Da dies die
erste Phase-III-Studie bei Patienten nach Versagen einer
VEGFR-TKI-Therapie ist, kann aus akademischer Sicht
Everolimus als Standardtherapie nach VEGFR-TKI angesehen werden. VEGFR-TKI wurden zwar auch auf ihre Wirksamkeit bei sequenzieller Gabe überprüft, dies jedoch bislang
in kleinerem Patientensetting, die Ergebnisse haben somit
nicht den gleichen Evidenzlevel wie diese Phase-III-Studie.
Derzeit läuft eine Reihe von Phase-III-Studien, die die optimale Therapie nach VEGFR-TKI-Versagen untersuchen.
54
MPA) bei 417 Patienten untersucht. Patienten mit einer 3+positiven, also sehr starken EGFR-Expression hatten einen
Überlebensvorteil durch Lapatinib-Therapie im Vergleich zu
MPA (11 versus 9 Monate, p = 0,02). Diese Therapie erscheint
für ein spezifisches Patientengut und da auch vor allem in
Kombination mit anderen zielgerichteten Substanzen besonders
interessant. Leider besteht derzeit keine Zulassung für
dieses für bestimmte Patienten viel versprechende Medikament.
Toxizitäten neuer Therapien
Sunitinib- und Sorafenib-Nebenwirkungen umfassen
eine zum Teil sehr ausgeprägte Müdigkeit und eine Hypertonie auch bei vormals diesbezüglich unauffälligen Patienten.
Letztere ist aber medikamentös sehr gut kontrollierbar und
zwingt in der Regel nicht zum Therapieabbruch. Manche Sunitinib-Patienten klagen über Stomatitis, die sich auch als
Störungen des Geschmackssinnes äußern kann. Diarrhöen
sind ein weiteres – wenngleich therapeutisch zumeist gut beherrschbares Problem bei Sorafenib- und Sunitinib-Therapie. Weitere Nebenwirkungen von Sunitinib umfassen
Leuko- und Thrombopenien, diese können durch eine kontinuierliche Gabe mit 37,5 mg (ohne 2-wöchige Pause) leichter kontrolliert werden. Weiters kann es unter Sunitinib zu
einer Gelbfärbung der Haut ohne zugrunde liegenden Ikterus und – in seltenen Fällen – eine Haardepigmentierung
auftreten. Ursache könnte eine Störung des KIT-Signalweges
sein, der für Melanozyten eine Rolle spielen dürfte. Vor allem
Sorafenib, aber auch Sunitinib können zu dermatologischen
Nebenwirkungen führen. Diese umfassen ein „Hand-FußSyndrom“, eine schmerzhafte, brennende Rötung der
Hand- und Fußsohlen. Hierfür gibt es teilweise höchst erfolgreiche Cremen zur vorbeugenden, aber auch therapeutischen Anwendung. Weiters werden Hautausschläge beobachtet. Beide Tyrosinkinase-Inhibitoren können kardiale Toxizitäten verursachen, der zugrunde liegende Pathomechansimus ist vielschichtig. Es wurden Verminderungen der LVF,
Überleitungsstörungen, ST-Strecken- oder T-Wellen-Veränderungen, aber auch Myokardinfarkte beobachtet (Schmidinger, J Clin Oncol in press).
Eine beobachtete Temsirolimus-Nebenwirkung ist das Auftreten von nicht-infektiösen Pneumonitiden, was bei 30 %
der Patienten mit Atemnot assoziiert war. Abgesehen davon
kann Temsirolimus Thrombopenien verursachen, zumeist jedoch nicht mehr als Grad 2. Auf das exzellente Sicherheitsprofil von Temsirolimus muss im Besonderen hingewiesen
werden, Patienten unter dieser Therapie haben keine Einschränkung ihrer Lebensqualität und nehmen dafür gerne in
Kauf, dass dieses Medikament intravenös (Kurzinfusion) 1-mal
wöchentlich ambulant im Krankenhaus verabreicht wird.
Zudem kann dieses Medikament, wie die Ergebnisse der Stu-
die zeigen, bei Patienten in sehr stark reduziertem Allgemeinzustand verabreicht werden.
Nebenwirkungen der Bevacizumab-IFN-alpha-Kombination umfassen Hypertonie, grippeartige Symptome wie Fieber und Schüttelfrost, durch Bevacizumab induzierte
Thrombosen und Embolien. Auch eine reversible Proteinurie ist bei Bevacizumab-Therapie zu beobachten und erzwingt zuweilen eine Therapie-Pause. Weiters ist auf Blutungen (vor allem bei großen, gefäßnahen Metastasen der Lunge
und bei präexistierenden Hämoptysen) zu achten. Sehr selten sind bei Patienten mit Risikofaktoren wie Divertikulose,
St. p. Strahlentherapie im Bereich des Abdomens etc. auch
■
Darmperforationen beobachtet worden.
Das bessere Verständnis für die Pathogenese des häufigsten Nierenzellkarzinomtyps, des klarzelligen Karzinoms, hat
erst den Einsatz zielgerichteter Therapien bei dieser Erkrankung möglich und sinnvoll gemacht. Aus jetziger Sicht kann
gesagt werden, dass diese Substanzen bei insgesamt gut
beherrschbaren Nebenwirkungen beträchtliche Wirksamkeit zeigen. Große Erwartungen werden in synergistisch
wirkende Kombinationstherapien gesetzt. Dringend sollte
das Potenzial dieser modernen Therapien auch in der adjuvanten Situation, also in der Vorbeugung von Rezidiv/Metastasen nach Nephrektomie untersucht werden. Die Möglichkeit der ambulanten Gabe sollte dennoch keinesfalls zur
Annahme veranlassen, dass diese Therapie frei von Nebenwirkungen ist. Ein regelmäßiges Monitoring von Blutbild,
Blutdruck sowie EKG und Herzultraschall und nicht zuletzt
die Erfahrung des betreuenden Arztes im Umgang mit diesen
Medikamenten erscheint aus heutiger Sicht unerlässlich.
Die Ära der Immuntherapie ist noch nicht restlos zu Ende,
jedoch sollte sich die Anwendung auf jene ca. 5–10 % aller
Patienten beschränken, die spezifische prädiktive und prognostische Kriterien für Immuntherapie erfüllen. Die breite
Anwendung an der Gesamtpopulation von Nierenzellkarzinompatienten erscheint aus heutiger Sicht durch die Fülle
an Daten zur Unwirksamkeit bei einer Vielzahl von Patienten obsolet. Einen gesicherten Einfluss auf das Überleben,
auch im Stadium der Metastasierung, hat die Entfernung
des Primärtumors. Dies konnte in 2 großen, randomisierten
Studien belegt werden (Mikisch, Lancet 2001; Flanigan New
Engl J Med 2001). Derzeit wird in Studien geprüft, ob der
Stellenwert der Operation auch im Zeitalter moderner Therapien noch gegeben ist.
55
RADIKALE TUMORNEPHREKTOMIE UND ORGANERHALTENDE PROZEDUREN
Chirurgische Konzepte
beim Nierenzellkarzinom
Univ.-Doz. Dr. Michael Rauchenwald
Vorstand der Abteilung für Urologie und Andrologie, Sozialmedizinisches Zentrum Ost – Donauspital, Wien
rotz der vor rund eineinhalb Jahren erfolgten Einführung
der Tyrosinkinasehemmer (TKI) als wirksame medikamentöse Behandlungsform beim fortgeschrittenen bzw.
metastasierten Nierenzellkarzinom ist die chirurgische
Therapie nach wie vor die wichtigste und meist primäre
therapeutische Maßnahme.
können praktisch alle Tumoren jeder
Größe und jeder Lage, auch im oberen
Polbereich, ohne Erweiterung der Inzision nach thorakal reseziert werden. Bei
Bedarf ist auch eine interaortokavale
Lymphadenektomie möglich.
Die Inzidenz des Nierenzellkarzinoms betrug in Österreich
in den letzten 10 Jahren konstant zwischen 1.200 und 1.250
Fälle pro Jahr, auch die Mortalität blieb in diesem Zeitraum
annähernd gleich und betrug konstant um die 420 Fälle pro
Jahr. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Knapp 60 %
der Nierenzellkarzinome sind bei Diagnosestellung lokalisiert, jeweils etwa 12–14 % regionalisiert bzw. disseminiert.
Beim Rest ist laut Statistik Austria das primäre Tumorstadium nicht bekannt.
Adrenalektomie: Bereits Mitte der
1990er-Jahre wurde die Notwendigkeit der begleitenden Adrenalektomie,
Univ.-Doz. Dr.
nicht zuletzt durch die aufgrund der
Michael Rauchenwald
Schnittbilddiagnostik verbesserten
Möglichkeiten der präoperativen Diagnostik, hinterfragt und
kritisch bewertet. Heute erscheint eine Mitnahme der Nebenniere im Rahmen der Tumornephrektomie nur mehr bei
Tumoren von über 7 cm Durchmesser ( T2), einem Tumor
am oberen Pol mit möglicher direkter Invasion sowie einem
positiven CT- bzw. MRT-Befund indiziert.
T
Tumornephrektomie
Die chirurgische Entfernung eines Nierentumors steht bei
einem operationstauglichen Patienten in der Regel außer
Zweifel, insbesondere wenn keine Fernmetastasen nachgewiesen werden können oder lokale Probleme mit Blutungen oder
Schmerzen bestehen.
Über fast 3 Jahrzehnte bestand die Therapie des Nierenzellkarzinoms in erster Linie in der radikalen Tumornephrektomie nach den Prinzipien von Robson (Journal Urology
1969). Diese umfassen eine frühe Kontrolle der zentralen Gefäße, Entfernung der tumortragenden Niere einschließlich
ihrer Fettkapsel und der sie umgebenden Gerota’schen Faszie mit dem bedeckenden Peritoneum sowie die Mitnahme
der ipsilateralen Nebenniere und der regionalen parakavalen
bzw. paraaortalen Lymphknoten vom Zwerchfellschenkel bis
in Höhe der Aortenbifurkation. Robson plädierte primär für
einen transperitonealen bzw. thorakoabdominalen Zugang.
Grundsätzlich ist der Zugang nicht standardisiert, auch ein
eventuell modifizierter Flankenschnitt ist möglich. Persönlich bevorzuge ich den Rippenbogenrandschnitt, der bei Bedarf in Form einer Chevron-Inzision auf die gegenüberliegende Seite erweitert werden kann. Der Zugang zu den
großen Gefäßen ist hierbei besonders gut möglich und es
Chronische Insuffizienz der verbleibenden Niere: Nach radikaler Tumornephrektomie kommt es in der verbleibenden
Niere zu einer Hyperperfusion, die insbesondere bei vorgeschädigtem Nierengewebe zu einer Verschlechterung der Nie- Abb. 1: OP-Präparat nach radikaler Tumornephrektomie bei
einem großen papillären Nierenzellkarzinom (pT2 G3) bei einer
52-jährigen Frau
56
• elektive Indikation bei lokalisiertem ipsilateralen Nierenzellkarzinom mit gesunder kontralateraler Niere
Abb. 2: Intraoperativer Situs nach Heminephrektomie und Versiegeln der Resektionsfläche mit einem Fibrinklebervlies nach
Resketion eines 13 cm großen klarzelligen Nierenzellkarzinoms
(pT2, Fuhrman Grad 3) links bei beiderseitigen Nierentumoren bei
einer 54-jährigen Frau
renfunktion führen kann. Eine Studie aus dem Memorial
Sloan-Kettering Cancer Center in New York (Urology 2002)
konnte nachweisen, dass Patienten nach einer radikalen
Nephrektomie im Vergleich zur nierenerhaltenden Chirurgie
bei vergleichbarer Tumorgröße ein höheres Risiko für eine chronisch progrediente Niereninsuffizienz aufweisen. Diese Daten
dürften in Kürze von der Mayo Clinic bestätigt werden.
Nierenteilresektion
Bedingt durch die Verbreitung von Ultraschall und CT hat
der durchschnittliche Tumordurchmesser seit Ende der 70er
Jahre kontinuierlich abgenommen und bereits 1990 maßen
etwa 50 % der neu entdeckten Tumoren weniger als 5 cm.
Heute werden etwa 2/3 der Nierentumoren inzidentell entdeckt und über 70 % befinden sich bei Diagnosestellung
im Stadium T1 (< 7 cm).
Mit Zunahme kleinerer Nierentumoren wurde auch die Notwendigkeit einer radikalen Entfernung der gesamten Niere
in Frage gestellt. Wir konnten an Hand einer österreichischen
Multicenterstudie mit 120 Patienten bereits 1990 zeigen,
dass die Nierenteilresektion bei damaligen T1-Tumoren (≤
4 cm) praktisch eine 100%ige 10-Jahres-Überlebensrate zeitigte. Durch Novick et al. wurde später ebenfalls bestätigt,
dass die „Nephron Sparing Surgery“ (NSS) bei Tumoren bis
zu einer Größe von 4 cm gleich gute Ergebnisse zeigt wie die
radikale Tumornephrektomie. Auf dieser Basis haben sich folgende onkologische Indikationen für die Nierenteilresektion
etabliert:
• absolute Indikation bei anatomischen oder funktionellen
Einzelnieren
• relative Indikation bei funktionstüchtiger kontralateraler
Niere mit Gefahr des zukünftigen Funktionsverlustes,
z. B. aufgrund einer nephrologischen Erkrankung oder
bei Diabetes mellitus
Die Tumorresektion selbst erfolgt nach Freilegen der gesamten Niere von einem Flankenschnitt aus in der Regel in Organischämie unter Belassen des perirenalen Fettes lediglich
über dem Tumor. Hierzu wird nach Darstellen sämtlicher
Nierengefäße und Nephroprotektion durch Gabe von
20%igem Mannit zuerst die Arterie geklemmt und 1 Minute
später auch die Vene gedrosselt. Es erfolgt eine externe Kühlung der Niere mit sterilem Eis für 10 Minuten. Nach Inzision der Nierenkapsel mit dem Kauter wird der Tumor mit
einem schmalen Saum gesunden Parenchyms auspräpariert,
kleinere Gefäße werden bipolar koaguliert, die größeren mit
feinem Nahtmaterial umstochen. Sollte das Hohlraumsystem
eröffnet sein, wird dieses doppelt fortlaufend übernäht. Nach
retrograder Prüfung des Hohlraumsystems auf Dichtigkeit
wird der Blutstrom wieder freigegeben, etwaige stärkere Blutungen werden umstochen. Anschließend wird die Resektionsfläche mit einem mit Fibrinkleber benetzten Kollagenvlies
ausgeklebt bzw. versiegelt (Abb. 2). Danach wird die Niere
wieder in ihre Lage gebracht und die Fettkapsel verschlossen.
Tumorlokalisation: Wurden früher in erster Linie peripher
gelegene Tumoren bis 4 cm Größe organerhaltend reseziert,
so wird an Zentren wie dem unseren die Indikation zunehmend auf alle T1-Tumoren, das heißt bis zu einem Tumordurchmesser von 7 cm, erweitert.
Novick et al. (Journal Urology 1998) konnten in einer Vergleichsstudie zeigen, dass das onkologische Ergebnis bei Resektion zentral gelegener Tumoren mit einem karzinomspezifischen 5-Jahres-Überleben von 100 % gleich gut ist wie
bei peripher gelegenen Tumoren. Auch das Risiko für ein Tumorrezidiv zeigte keinen statistisch signifikanten Unterschied. Die Resektion zentraler Tumoren ist allerdings technisch anspruchsvoller, es kommt naturgemäß zu einem häufigeren Eröffnen des Hohlraumsystems und die durchschnittliche Ischämiezeit ist verlängert. Es gibt aber praktisch keine
Tumorlokalisation mehr, die für einen erfahrenen Operateur
nicht resektabel wäre.
Resektionsrand: Mit der Lage des Tumors nahe an den
großen Gefäßen bzw. im Hilusbereich stellt sich auch die
Frage der notwendigen Breite der Resektionsränder, um eine
onkologisch bedenkenlose Resektion zu ermöglichen. Auch
hier hat die Gruppe von Novick (Urology 2002) federführend zeigen können, dass bei einem durchschnittlichen
Follow-up von 8,5 Jahren keine Assoziation zwischen der
Breite des Resektionsrandes und einer Krankheitsprogression
besteht. Aus heutiger Sicht ist lediglich zu fordern, dass ein
negativer Resektionsrand besteht, der Tumor also knapp im
Gesunden entfernt wurde.
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Beiderseitige Nierentumoren: Die soeben geschilderten Bedingungen haben eine besondere Bedeutung bei Vorliegen
von multiplen, eventuell sogar beidseitigen Nierentumoren.
Hier ist ein besonders organschonendes bzw. organsparendes
Vorgehen angezeigt. Beim Vorliegen bilateraler Nierentumoren wird in der Regel die geringer befallene oder leichter zu
resezierende Seite zuerst operiert. Nach einer Erholungsphase
von 6–8 Wochen wird die Funktion der operierten Niere
überprüft, um bei operationstechnischen Problemen auf der
stärker befallenen Seite eventuell die Option einer Nephrektomie zu haben. Generell muss gesagt werden, dass im Rahmen der organerhaltenden Tumorchirurgie meist mehr gesundes Organ erhalten werden kann, als von den präoperativen
CT- oder MRT-Bildern zu erwarten gewesen wäre.
Dignität kleinerer Nierentumoren: Ein weiteres Argument
für ein organerhaltendes Vorgehen ist, dass vor allem bei kleinen Nierentumoren mit max. 4 cm Durchmesser in etwa 1/3
mit einem gutartigen Tumor zu rechnen ist. Dies konnte mit
einer eigenen Serie am Landesklinikum St. Pölten als auch
an Hand einer bereits publizierten Serie aus dem Donauspital (Urology 2004) gezeigt werden. In dieser Serie von 129
Patienten trat bei einem mittleren Follow-up von 34 Monaten in 0,8 % Lymphknoten-, in 1,6 % Fernmetastasen und
in 0,8 % ein multilokulärer Tumor auf. Knapp 97 % der Patienten hatten keinen Hinweis auf eine weitere Erkrankung.
Eine Sammelstatistik aus 3 erfahrenen europäischen Zentren
ergab für Tumoren von durchschnittlich 3,4 cm Durchmesser im Rahmen eines median 8-jährigen Follow-ups eine 10bzw. 15-jährige karzinomspezifische Überlebensrate von über
96 %.
Auch die Leitlinien der European Association of Urology
(EAU) sehen die organerhaltende Nierentumorchirurgie als
etablierte Methode an und stellen fest, dass Tumoren von
4–7 cm Größe an Zentren mit entsprechender Expertise bei
geeigneten Fällen organerhaltend reseziert werden können.
gung eines eröffneten Hohlraumsystems in der im Rahmen
einer warmen Ischämie zur Verfügung stehenden kurzen Zeit
von maximal 30 Minuten, da die laparoskopische intrakorporale Naht in der Regel deutlich mehr Zeit in Anspruch
nimmt als die offen chirurgische. Anspruchsvollere Tumoren
sind diesbezüglich nur speziellen Zentren vorbehalten.
Alternative minimal invasive Verfahren
Die neueren minimal invasiven Verfahren zur Tumorablation,
wie die Radiofrequenz- oder Kryoablation bzw. Ablation mit
Laser oder hochfokussiertem Ultraschall stellen keine etablierten Behandlungsverfahren dar, werden aber speziell bei älteren oder multimorbiden nicht operationstauglichen Patienten mit eingeschränkter Lebenserwartung im Einzelfall angewendet. Für die besonders schonenden perkutanen Techniken sind hierbei Größe und Lage des Tumors limitierend.
Bei großen blutenden Nierentumoren und mangelnder Operationstauglichkeit oder zur Unterstützung der Operation bei
großen Expansionen mit schwer zugänglichem Nierenhilus
kann im Einzelfall die radiologisch geführte perkutan-transluminale (präoperative) Embolisation der Nierenarterie
hilfreich sein.
Vena-cava-Tumorthrombus
Das Ausmaß bzw. der Level eines intravenösen bzw. intrakavalen Tumorthrombus bestimmt die Prognose weniger als die
biologische Aggressivität des Tumors. Natürlich liegt bei
einem intrakavalen Tumorthrombus in der Regel ein höheres
Tumorstadium mit einem höheren Tumorgrad vor. Auch die
Wahrscheinlichkeit von begleitenden Lymphknoten- oder
Fernmetastasen ist bei Vorliegen eines Tumorthrombus in der Laparoskopie
Die laparoskopische Tumornephrektomie kann bei Tumoren
des Stadiums T1–T2, wenn keine Indikation zur Nierenteilresektion vorliegt, als Standard angesehen werden. Je nach Situation kann auch hier retroperitoneoskopisch bzw. laparoskopisch transperitoneal zugegangen werden. Die Lokalisation und
Größe der Expansion werden hier das Vorgehen bestimmen.
Bei der Nierenteilresektion ist allerdings das offen chirurgische Vorgehen noch als Standard anzusehen. In der Praxis
werden hilusferne, peripher gelegene, kortikale Läsionen von
< 4 cm Durchmesser ohne Verdacht auf Befall des Hohlraumsystems sowie der Nierenvenen in warmer Ischämie laparoskopisch reseziert. Problem der laparoskopischen Nierenteilresektion ist die suffiziente Blutstillung und Versor-
Abb. 3: CT-Längsschnitt eines ausgedehnten klarzelligen Nierenzellkarzinoms rechts (Grad 3 nach Fuhrman) mit Infiltration des
perirenalen Fettgewebes (pT3b) und Tumorzapfen in der Vena
cava (Level 1) bei einem 55-jährigen Mann
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Metastasenchirurgie
rechte
Nierenvene
Vena cava
Abb. 4: Intraoperativer Situs zu Abb. 3 – partiell ausgeklemmte
und eröffnete Vena cava mit bereits extrahiertem Tumorzapfen
Das Nierenzellkarzinom metastasiert bevorzugt in Lunge,
Knochen, Gehirn, Nebenniere und Leber. Solitäre Metastasen sollten, wann immer möglich, reseziert werden. Dies gilt
auch für sequenziell auftretende Filii. Je länger das Intervall
von der Entfernung des Primärtumors bis zum Auftreten von
Fernmetastasen, desto besser die Prognose bei Entfernung
derselben. Nach Entfernung solitärer Metastasen werden 5Jahres-Überlebensraten von bis zu 35 % angegeben. Die beste
Prognose haben solitäre Lungenmetastasen mit bis zu 54 %.
Wie bereits erwähnt, sollte bei primärem Vorliegen von Metastasen trotzdem eine zytoreduktive Entfernung des Tumors
angestrebt werden, um den Erfolg einer adjuvanten Therapie mit TKI zu verbessern.
Chirurgie eines Lokalrezidivs
Vena cava doppelt so hoch. Im Sinne einer zytoreduktiven
Chirurgie, deren Wert für eine adjuvante Immuntherapie im
Rahmen zweier Studien bewiesen werden konnte (Flanigan,
NEJM 2001; und Mickisch, Lancet 2001), sollte bei operationstauglichen Patienten die Tumornephrektomie mit Kavotomie und Extraktion des Tumorthrombus auf alle Fälle
versucht werden. Das Ausmaß des Tumorthrombus bestimmt
dabei auch das gefäßchirurgische Vorgehen. Dies kann von
einem partiellen Ausklemmen der Vena cava (Abb. 4) über
eine komplette passagere Okklusion der subhepatischen Vena
cava einschließlich zuführender Gefäße bis zu einem partiellen Cava-Ersatz durch eine Gefäßprothese oder einem partiell extrakorporalen Kreislauf mit Hilfe der Herz-LungenMaschine reichen. Im extremsten Fall eines bereits länger
dauernden Verschlusses der infrarenalen Vena cava hat sich
mitunter ein derartig ausgeprägter Kollateralkreislauf entwickelt, dass die obliterierte große Hohlniere vollständig reseziert bzw. ligiert werden kann.
Lokale Rezidive in der Nierenloge sind sehr selten und werden mit 2 % der operierten Patienten angegeben. Die Entscheidung zur Resektion eines Lokalrezidivs muss sehr individuell getroffen werden, kann aber im Einzelfall eine deutliche Lebensverlängerung mit verbesserter Lebensqualität zur
Folge haben. Wenn keine Fernmetastasen vorliegen, werden
5-Jahres-Überlebensraten von ca. 50 % angegeben.
Neoadjuvante TKI-Therapie
Ob der neoadjuvante Einsatz der neuen TKI eine verbesserte
Operabilität von primär lokal weit fortgeschrittenen, scheinbar inoperablen Nierenzellkarzinomen bringen wird, bleibt
■
abzuwarten und ist Gegenstand laufender Studien.
Literatur beim Verfasser
Lymphadenektomie
Der kurative Wert einer ausgedehnten radikalen retroperitonealen Lymphadenektomie konnte nie bewiesen werden. In
der Regel wird im Rahmen der Tumornephrektomie regional entlang der großen Gefäße lymphadenektomiert, insbesondere wenn makroskopisch vergrößerte Lymphknoten vorliegen. Dies dient in erster Linie dem Staging. Eine
EORTC-Studie konnte zeigen, dass bei negativer präoperativer Bildgebung nur in 3,3 % positive Lymphknoten vorhanden waren und die Lymphadenektomie keinen Überlebensvorteil erbrachte. Der Lymphabfluss der Niere ist sehr
variabel, insbesondere scheinen direkte Lymphverbindungen
in das Mediastinum vorzuliegen.
Die chirurgische Entfernung des Primärtumors ist nach wie
vor die Basis der Therapie des Nierenzellkarzinoms. Bei auf
die Niere beschränkten Tumoren bis 7 cm Durchmesser
wird primär eine Organerhaltung angestrebt. Ansonsten
wird auch bei Vorliegen von Metastasen bei operationstauglichen Patienten die radikale Tumornephrektomie
empfohlen. Ein aggressives chirurgisches Vorgehen erscheint auch bezüglich Fernmetastasen, wann immer möglich, angezeigt. Patienten mit multiplen Metastasen und
schlechtem Performance-Status sollten primär medikamentös behandelt werden.
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