GYNÄKOLOGIE & GEBURTSHILFE 43 ABBILDUNG 1 Infektionsdiagnostik bei Implantation eines IUD Mikroskop statt Agar A. Witt Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie, Universitätsklinik für Frauenheilkunde,Wien Grad I: Normale Flora, dominiert durch LactobacillusMorphotypen (Spiegel et al., J Clin Microbiol 1983, 18:170–177) ABBILDUNG 2 Das Risiko für Infektionen beim Einsetzen eines intrauterinen Device wird kontroversiell beurteilt. Im Mittelpunkt der Infektionsdiagnostik, die sowohl vor als auch vier Wochen nach der Implantation vorgenommen werden sollte, steht die Differenzialdiagnose der Erreger mittels mikroskopischer Untersuchung. as Einsetzen eines intrauterinen Device (IUD) ist seit jeher mit dem Gedanken an die Gefahr einer Entzündung verbunden. Zu diesem Thema ist reichlich einschlägige Literatur vorhanden, allerdings wird das Thema kontroversiell diskutiert. Sehr aussagekräftig erscheinen folgende in prominenten Journalen publizierte Daten. • Das Risiko für eine Pelvic DR. ARMIN WITT Inflammatory Disease (PID) durch IUD ist gering (0,15 %): Lancet, Vol 357, 2001; Lancet, Vol 351, 1998 • Ein erhöhtes Risiko für tubare Infertilität ist nicht gegeben: NEJM, Vol 345, 2001 • Der Nutzen einer Antibiotikaprophylaxe während des Eingriffs ist nicht gesichert: Cochrane Library, Issue 1, 2002 D Grad II: Intermediate-Flora, reduzierte Laktobazillenflora gemischt mit anderen Morphotypen (Spiegel et al., J Clin Microbiol 1983, 18:170–177) ABBILDUNG 3 Sorgfältiges Vorgehen Nichtsdestotrotz sind aber folgende Maßnahmen rund um die Implantation eines IUD sinnvoll: • Infektionsdiagnostik vor der Implantation • Pap vor der Implantation • hygienisch einwandfreies Procedere (sterile Handschuhe, Desinfektion des hinteren Vaginaldrittels und der Portio) • Kontrolle nach ca. 4 Wochen beim FA (höchste PID-Rate innerhalb 3 Wochen) Grad III:Abnormale Flora, wenig bis gar keine Laktobazillen-Morphotypen mit einer erhöhten Anzahl von Gardnerella vaginalis und/oder anderen Morphotypen oder beides Infektionsdiagnostik ▲ Wie zumeist in der gynäkologischen Praxis geht es bei der Infektionsdiagnostik nicht um die Interpretation GYNÄKOLOGIE & GEBURTSHILFE 44 ABBILDUNG 4 Trichomonaden im Grampräparat von Kulturergebnissen, sondern um die mikroskopisch eindeutige Differenzialdiagnose des Symptomkomplexes Vaginose: Die bakterielle Vaginose sollte klar von der Mykose unterschieden und richtig behandelt werden. Die alleinige makroskopische Spiegeluntersuchung führt in 50 Prozent der Fälle zu Falschdiagnosen und demnach zu falschen Therapien – ein Faktum, das zwar überrascht, aber durch Studien belegbar ist. Der andere Weg, nämlich die Interpretation von Kulturergebnissen, führt zumeist zu einer Überinterpretation und Überbehandlung und somit zur Zerstörung der normalen Vaginalflora. Außerdem werden ursprünglich apathogene Keime selektioniert und Antibiotikaresistenzen gefördert. Der einfachste Weg für eine eindeutige Differenzialdiagnose von bakterieller Vaginose, Trichomoniasis und Mykose ist die mikroskopische Untersuchung entweder nativ oder nach Gramfärbung. Bakterielle Vaginose Die bakterielle Vaginose (BV) ist ein klinisches Symptom, das durch einen Verlust von H2O2-bildenden Lactobacillus spp. in der Vagina beziehungsweise durch eine Verdrängung derselben durch vorwiegend anaerobe Bakterien (wie Gardnerella vaginalis, Bacteroides spp., Prevotella spp., Mobiluncus spp. u.a.) entsteht. Die BV ist der häufigste Grund für einen Fluor vaginalis. Klinik, Diagnose Für die Diagnosenstellung müssen 3 der folgenden 4 Kriterien erfüllt sein (nach Amsel): • homogener, weißlicher Fluor • sog. Clue Cells bei der mikroskopischen Untersuchung • pH des Vaginalfluors > 4,5 • „Whiff-Test“: typischer Fischgeruch vor oder nach Zugabe einer 10%igen Kalilauge (KOH) Im Mikroskop wird der Abstrich nach Spiegel bzw. Nugent in Reinheitsgrade eingeteilt. RG I entspricht der Normalflora, RG II steht für die sog. intermediate Flora und RG III für bakterielle Vaginose (siehe Abbildungen 1–3). Neuerdings werden ABBILDUNG 5 Soor im Grampräparat verschiedene Unterklassifizierungen diskutiert, für die Therapie reicht die oben beschriebene Graduierung jedoch aus. Therapie: wann, womit? Eine Therapie vor dem Einsetzen eines IUD im Falle der Diagnose eines RG III und eines symptomatischen RG II ist zu empfehlen. Nach der Therapie sollte eine Abstrichkontrolle durchgeführt werden. Für die Therapie empfiehlt sich • Metronidazol 500 mg 2 x 1 durch 7 Tage • Clindamycin 300 mg 2 x 1 durch 7 Tage Nach der Therapie mit Clindamycin ist ein Wiederaufbau der Keimflora mit einem Lactobacillus-Präparat zu empfehlen. Trichomonas vaginalis Trichomoniasis wird durch das Protozoon Trichomonas vaginalis ausgelöst, die Krankheit korreliert gut mit der sexuellen Aktivität und der Anzahl der Sexualpartner, kann aber auch durch Kontaktinfektion in Bädern und Toiletten oder durch Badeschwämme u. Ä. übertragen werden. Klinik, Diagnose Ungefähr 50 % der Patientinnen zeigen klinische Symptome. Charakteristisch ist ein dünnflüssiger, gelblich-grünlicher, übelriechender Ausfluss, der meist auch schaumig imponiert. Die Vaginalschleimhaut ist entzündlich irritiert. Diagnostisch hat sich mit der höchsten Sensitivität das Nativpräparat nach Donne durchgesetzt, obwohl auch andere Techniken wie Gramfärbung (siehe Abbildung 4), Giemsa, Papanicolaou u.a. eingesetzt werden. Im Nativpräparat sieht man die typischen Bewegungen der Trichomonaden. Therapie: auch für den Partner Für die Therapie geeignet sind • Metronidazol als Singleshot 1 x 2 g • Metronidazol 500 mg 2 x 1 durch 7 Tage Eine Partnertherapie ist auch bei Symptomlosigkeit unbedingt indiziert. GYNÄKOLOGIE & GEBURTSHILFE 45 Vulvovaginale Candidiasis Die vulvovaginale Candidiasis (VVC) ist eine der häufigsten Infektionen des weiblichen Genitaltraktes und therapeutisch oft unterschätzt. Sie betrifft die meisten Frauen zumindest ein Mal während des Lebens (geschätzte Rate von 70–75%), 40–50% der Frauen erfahren eine häufigere Infektion. Etwa 5% leiden unter häufig wiederkehrenden Episoden, die zumeist insuffizient behandelt werden. Auslöser sind Candida albicans (85–90%), gefolgt von C. glabrata, C. tropicalis und anderen Pilzen. Klinik/Diagnose Typische klinische Symptome sind Pruritus, Erythem, weißer, topfiger, geruchsarmer Fluor, weiters Dysurie und Dyspareunia. Als Diagnostika der Wahl sind das Grampräparat (siehe Abbildung 5), das Nativpräparat (Zusatz von 10%iger KOH) bzw. bei Rezidiven die Kultur anzusehen. Therapie: systemisch oder topisch Zur systemischen Therapie indiziert sind • Fluconazol 150 mg p. o. als Singleshot • Eintagestherapie mit Itraconazol 200 mg morgens und abends (zur Mahlzeit!). Als Alternative stehen verschiedene topische Antimykotika ■ (Clotrimazol, Econazol, Miconazol u. a.) zur Auswahl. GYNÄKOLOGIE & GEBURTSHILFE ! RESÜMEE Resümee für die Praxis – Nicht aufgrund der Makroskopie therapieren – Kein durch Kultur bedingtes „Overtreatment“ + Abstrich von Vaginalsekret (nicht Zervix) + Nativ- oder Grampräparat + Bei Rezidiven Kultur + Antibiogramm Unter Einhaltung der oben beschriebenen Diagnostik und Vorgangsweise kann davon ausgegangen werden, dass die Implantation eines IUD eine sichere Methode zur Empfängnisverhütung darstellt und das sekundäre Infektionsrisiko auf ein Minimum reduziert werden kann.