Krank zurück aus dem Urlaub Differentialdiagnostische Überlegungen für die Praxis verfasst von Univ.-Doz. Dr. Ursula Hollenstein FA für Innere Medizin, Infektologie und Tropenmedizin Bei all den Gedanken an obskure Tropen- Wenn die Möglichkeit in Betracht ge- schwer zu befolgen. Eine mikroskopische krankheiten, unappetitliche Würmer und zogen wird, dass die Symptome des Malariadiagnose aus dem gefärbten fernsehtauglichen Seuchen – die meisten Patienten mit einer Fernreise in Verbindung Ausstrich bedarf zwar wenig technischer medizinischen sind stehen, so muss die übliche Anamnese- Ausrüstung, ist aber abhängig von spe- eher banale Befindlichkeitsstörungen erhebung um reisespezifische Fragen er- ziell ausgebildetem Personal und dessen oder selbstlimitierte Infektionen. gänzt werden. Nur so ist eine sinnvolle regelmäßiger Schulung. Reisemitbringsel Differentialdiagnose möglich (Tabelle 1). Die ärztliche „Kunst“ besteht darin, un- Im Großraum Wien ist es kein Problem, ter all den hustenden oder über breiigen den Kranken an eine der tropenmedizi- Stuhl klagenden Reiserückkehrern die Wenigen zu erkennen, die sofortige Ab- Präsentationssymptom Fieber klärung oder Therapie benötigen. nisch versierten Institutionen zu verweisen, im ländlichen Raum sollte man idealerweise VOR Auftreten des Akut- 1. Malaria ausschließen problems abklären, wo die nächste Die häufigsten Präsentationssymptome Bei Fieber nach Rückkehr aus einem Möglichkeit eines Malariaausschlusses in der Praxis sind: Malariagebiet MUSS zuerst eine Mala- verfügbar ist. Auf keinen Fall darf man • Fieber (bis 3 %) ria ausgeschlossen werden. Nach drei den Patienten mit einer Zuweisungs- negativen Malariaausstrichen darf man frage „Malaria“ einfach in ein Labor • Persistierende GI-Probleme (10 %) sich dann anderen differentialdiagnos- schicken in der Hoffnung, dass denen • Hautläsionen oder Exantheme (8 %) tischen Möglichkeiten zuwenden. Da schon • Atemwegsinfektionen (5-13 %, jedoch vielerorts keine Diagnostik ver- schlimmsten Fall wird dann ein Plasmo- fügbar ist, ist diese einfache Regel dien-Antikörper bestimmt, der etwa 14 abhängig von der Reisezeit) etwas einfallen wird. Im Tagen später fertig ist. Ein unbehandel- Tabelle 1 ter Patient mit Malaria ist zu diesem Reiseanamnese Zeitpunkt bereits tot. WANN? Zeitpunkt und Dauer der Reise, Zeitpunkt und Dauer früherer Reisen, Zeitpunkt des Krankheitsbeginns WO? Wohin ging die Reise (genau! Nicht nur „Afrika“)? wo sind Sie geboren (bei Migranten ist ein erweitertes Krankheitsspektrum möglich)? WARUM? Beruf, Urlaub, Familienbesuch WAS? Aktivitäten und Risikoaktivitäten während der Reise Vorbeugungsmaßnahmen vor und während der Reise WER? Wer hat Sie begleitet? Wer ist sonst noch krank? Falls wirklich einmal keinerlei Möglichkeit für einen Malariaausschluss besteht, bleibt nichts anderes übrig, als auch in Österreich so vorzugehen, wie der Reisende es während seiner Tropenreise bei Fieber getan hätte und eine empirische Therapie durchzuführen. Dafür stehen derzeit drei Medikamente zur Verfügung: Malarone®, Riamet® und Eurartesim®. Sehr elegant wäre es, VOR Therapiebeginn noch einige Blutaus- ist Dengue Fieber in den letzten Jahren zu ger als drei Wochen zurück, so ist die striche anzufertigen, die man später fär- der häufigsten Tropenerkrankung ge- Diagnose Dengue sehr unwahrscheinlich. ben kann, um eventuell eine Speziesdia- worden, die bei zurückkehrenden Touris- Dengue präsentiert sich als hochfieber- gnostik zu ermöglichen. Denn viele unse- ten diagnostiziert wird. Beliebte Urlaubs- hafte Erkrankung mit starken Kopf- und rer Reisenden die keine Malariaprophyla- regionen wie Südostasien (Bali, Indonesi- Gliederschmerzen. Kommt (bei ca. 40 % xe eingenommen haben, kommen aus Ur- en!), Mittelamerika und die Karibik, die der Erkrankten) das typische Exanthem da- laubsdestinationen zurück, in denen Plas- brasilianische Küste und sogar Inseln der zu (Abb. 1), so ist die Diagnose recht wahr- modium vivax einen (teils beträchtlichen) Südsee sind betroffen. Die Erkrankung scheinlich. Häufig ist das Exanthem nicht Anteil der Malariafälle verursacht. Kennt hat eine relativ kurze Inkubationszeit, liegt sehr offensichtlich, sondern wirkt eher wie man die verursachende Spezies, so kann die Reise bei Krankheitsbeginn schon län- eine fieberbedingte Rötung der Haut. man im Anschluss an die oben angeführte Akuttherapie eine Rezidiviprophylaxe mit Primaquin durchführen. 2. potentiell lebensbedrohliche tropische Infektionen ausschließen Tabelle 2 Relativ häufige aber zumeist nicht lebensbedrohliche Infektionen: Dengue Fieber, invasive bakterielle Diarrhoen, die meisten Typhusfälle, Rickettsien. Dengue Fieber Durch seine weltweite Verbreitung in tropischen und subtropischen Regionen Abbildung 1: kleinfleckiges Exanthem bei Dengue Fieber Tabelle 2 Lebensbedrohliche tropische Infektionen viral • Haemorrhagische Fieber außerhalb Hollywoods sehr selten • Hepatitis E bei der Schwangeren endemisch in Afrika, Asien, gelegentlich Mexiko • Influenza bei älteren Personen global • Typhus • Leptospirose bakteriell • Legionellose beim älteren Menschen oft Infektion mehrerer Personen mit gemeinsamer Infektionsquelle – Hotel/Therme • Meningokokken • Malaria Parasiten • fulminante Amöbenkolitis • Trypanosomiasis (afrikanische) bei Touristen SEHR selten, zuletzt einige Fälle aus Safarigebieten Ostafrikas 3. nicht-reisebedingte Infektionen bedenken Harnwegsinfekt • obskure Gruppe sogenannter „intrinsischer“ Syndrome, meist autoimmun Bei Patienten mit Immunsuppression, oder idiopathisch: chronisch eosino- verursacht durch sequentielle Infektion philie oder bei Infektion durch Protozoen und Pneumonie, idiopathisches Hypereosinophiliesyndrom, Churg- Peumonie Strauss Syndrom, eosinophiles Granulo- Prinzipiell kann man ein ähnliches Erre- ma (pulmonale Histiocytosis X). gerspektrum wie beim nicht-reisenden Patienten erwarten. Lediglich ein verändertes Resistenzverhalten (z.B. Pneumokokken, Mykobakterien) muss bedacht werden. Auch etwas mehr atypische Erreger kommen vor (Viren, z.B. Hantaviren, 4. nicht-infektiöse Ursachen von Fieber bedenken • Medikamentenreaktion • entzündliche Erkrankungen (M. Wegener, Arteriitis, Sarkoidose, Crohn) cave Legionellen). • hämatologisches Malignom (Lymphom/ Als seltene Sondersituation bietet die Pneumonie mit Eosinophilie einige „tropische“ Differentialdiagnosen. • Löffler Syndrom (ältere und recht unscharfe Bezeichnung: Ursprünglich Persistierende Infektionen Leukämie) • rheumatologische Erkrankung inkl. Kollagenosen einige wenige bakterielle Erreger. Protozoen • Giardia lamblia • Entamoeba histoloytica • Cryptosporidium parvum (wenn chronisch —> Abklärung von Immundefekt/HIV!) • Cyclospora cayetanensis • Isospora belli • Microsporidien CAVE: • Pulmonalembolie Bei all diesen Erregern sollte bei klini- • Thyreotoxikose schem Verdacht das diagnostische wurden damit vor allem die Verschat- Labor vorinformiert werden, da sie bei tungen, die durch wandernde Ascaris- Routineuntersuchungen nicht gefunden larven verursacht werden bezeichnet) • gekennzeichnet durch Bluteosinophilie Präsentationssymptom Diarrhoe werden und teilweise Spezialfärbungen erfordern. und radiologische Verschattungen • die Symptome sind meist mild und nach spätestens 2-3 Wochen von selbst weg Nach den Atemwegsinfektionen sind Bakterien Durchfälle die häufigsten Gesundheits- • Salmonellen störungen auf Reisen. Die meisten Episoden sind jedoch selbstlimitiert und • Ursachen: Ascaris, Necator, Ancylos- relativ kurz. • Campylobacter • Clostridium difficile (vor allem bei vorbehandelten Patienten bedenken und toma, Strongyloides, (Toxocara, FasAls persistierende Diarrhoe werden ev. bei Malaria-Chemoprophylaxe) • Medikamente: Antibiotika (INH, Peni- Symptome > 2 Wochen bezeichnet, • Tropische Sprue: seltenes ungeklär- cilline, Tetrazykline, Clarithromycin …) als chronische Diarrhoe eine Krank- tes Krankheitsbild, bei dem neben Anti-Epileptika heitsdauer > 4 Wochen. der chronischen Diarrhoe vor allem die ciola, Clonorchis, Dirofilarien) (Carbamazepine, Symptome der Steatorrhoe und der Phenytoin, Valproinsäure), praktisch alle Entzündungshemmer, Metho- Als Ursachen finden sich entweder Malabsorption im Vordergrund stehen threxat, Bleomycin, G-CSF tatsächlich persistierende Infektionen (Malabsorption von Fett und D-Xylose oder Co-Infektionen, chronische Darm- ist neben der Zottenatrophie diagno- erkrankungen, die durch ein infektiöses stisch). Geschehen demaskiert wurden oder in meist monatelanger Gabe von häufig auch sogenannte postinfektiöse Doxycyclin, ohne dass eine bakterielle Phänomene. Genese je bewiesen werden konnte. • tropische pulmonale Eosinophilie • allergische bronchopulmonale Aspergillose • Asthma Die Therapie besteht therapeutisch und psychologisch für • kutane Larva migrans Zugrunde liegende chronische alle Beteiligten schwierige Beschwer- Blickdiagnose, Darmerkrankungen, die durch debild definiert sich einerseits durch „Problem“ besteht bereits seit eini- eine Infektion demaskiert den Beginn nach einer Episode von gen Tagen (Abb. 2). Die subkutan werden können: Reisedurchfall, andererseits durch wandernde Larve des Hunde- oder vorausgesetzt das seine Chronizität (Dauer seit mindes- Katzenhakenwurms verursacht die • Zöliakie tens sechs Monaten, in diesem Zeit- charakteristischen schlangen- oder • chronisch entzündliche Darmer- raum zusammen zumindest drei girlandenförmigen Entzündungsspu- Monate Beschwerden). ren, die sich mit einer Geschwindig- krankungen (M. Crohn und Colitis ulcerosa) keit von 2-3 mm pro Tag ausbreiten. • bei entsprechender Klinik und Al- Zusätzlich sollten mindestens zwei Die Behandlung der prinzipiell selbst- tersstruktur auch an Darm-Karzi- Zusatzsymptome vorliegen: Besserung limitierten Erkrankung besteht in ei- nome denken durch Defäkation, Beschwerdeepisode ner lokalen Salbentherapie (1 g Thia- beginnt mit Stuhlfrequenz-Verände- bendazol auf 10 g Vaseline), die je- rung. doch etwas aufwändig ist; oder einer Postinfektiöse Phänomene oralen Therapie mit Albendazol (Eska- • temporäre Enteropathie nach einer akuten Durchfallsepisode —> osmotische Durchfälle, vor allem wenn größere Mengen von Lactose, Saccharose, Galactose, Fructose konsumiert werden • PI-IBS (postinfektiöses irritable bowel syndrome): Dieses diagnostisch, zol®) 400 mg/d über drei Tage oder Präsentationssymptom Hautausschlag Ivermectin (Mectizan® oder Stromectol®) 0,2 mg/kg als Einmaldosis. • Sonnenbrand • Insektenstiche • selten: Scabies • Hypersensitivitätsreaktionen • sehr selten: Leishmaniose • Pyodermien Meist sehr verzögerte Präsentation, da die Läsion schmerzlos ist und nicht juckt. Daher führt meist erst das Fehlen einer Abheilung nach Wochen den Patienten zum Arzt. verfasst von Univ.-Doz. Dr. Ursula Hollenstein Reisemedizinisches Zentrum Wien Abbildung 2: kutane Larva migrans