Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.6 Wichtige Verteilungsmodelle 1.6.2 Poisson Verteilung (vgl. z.B. Fahrmeir et. al)) Eine weitere wichtige diskrete Verteilung ist die Poisson-Verteilung. Sie modelliert die Anzahl (eher seltener) Ereignisse in einem Zeitintervall (Unfälle, Todesfälle; Sozialkontakte, deviante Verhaltensmuster, etc.). Definition 1.59. [Poisson-Verteilung] Eine Zufallsvariable X mit der Wahrscheinlichkeitsfunktion f (x) = P (X = x) = λx −λ , x! e x ∈ {0, 1, . . .} 0, sonst heißt Poisson-verteilt mit Parameter (oder Rate) λ > 0, kurz X ∼ P o(λ). Es gilt E(X) = λ, 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung Var(X) = λ 164 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.6 Wichtige Verteilungsmodelle Die Poisson-Verteilung kann auch als Näherungsmodell für eine Binomialverteilung gesehen werden, wenn die Anzahl der Versuchswiederholungen n groß und die Treffer” wahrscheinlichkeit“ π sehr klein ist (seltene Ereignisse!). Der Erwartungswert λ ist dann gleich n · π. Es gilt also abgekürzt geschrieben X ∼ B(n, π) =⇒ X P o(n · π) n groß π klein Hat man mehrere unabhängige Poisson-Prozesse“, also dynamische Simulationen, bei ” denen die Ereignisanzahl Poisson-verteilt ist, also z.B. verschiedene deviante Verhaltensmuster, so ist die Gesamtanzahl der einzelnen Ereignisanzahlen wieder Poisson-verteilt: genauer gilt 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 165 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.6 Wichtige Verteilungsmodelle Satz 1.60. [Addition von Poisson-verteilten Zufallsvariablen] Sind X ∼ P o(λX ), Y ∼ P o(λY ) voneinander unabhängig, so gilt X + Y ∼ P o(λX + λY ). Beachte, die Unabhängigkeit (genauer die Unkorreliertheit, siehe später) ist wesentlich. Hat man als Extremfall, z.B. zwei Ereignisse bei denen das eine das andere voraussetzt (Scheidungen, Scheidungen mit Streit um das Sorgerecht für Kinder), so ist die Gesamtzahl nicht mehr Poisson-verteilt. Es muss gelten, wenn X + Y Poisson-verteilt wäre: Var(X + Y ) = E(X + Y ) = E(X) + E(Y ) = Var(X) + Var(Y ), was aber bei abhängigen (korrelierten) X und Y verletzt ist. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 166 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.6 Wichtige Verteilungsmodelle Bsp. 1.61. Max geht gerne auf Open-Air Festivals. Im Durchschnitt trifft er dort 6 weibliche Bekannte und 3 männliche Bekannte. a) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass er genau 6 weibliche Bekannte trifft? b) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass er mindestens einen männlichen Bekannten trifft? c) Berechnen Sie die Wahrscheinlichkeit, das er weder einen männlichen noch eine weibliche Bekannte trifft, auf 2 verschiedene Arten. Diskutieren Sie eventuell zu treffende Zusatzannahmen. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 167 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.6 Wichtige Verteilungsmodelle 1.6.3 Normalverteilung Die Normalverteilung ist wohl das wichtigste Verteilungsmodell der Statistik, denn • viele Zufallsvariablen sind (nach Transformation) (ungefähr) normalverteilt. • beim Zusammenwirken vieler zufälliger Einflüsse ist der geeignet aggregierte Gesamteffekt oft approximativ normalverteilt (Zentraler Grenzwertsatz, Kap. 1.7). • die asymptotische Grenzverteilung, also die Verteilung bei unendlich großem Stichprobenumfang, typischer statistischer Größen ist die Normalverteilung. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 168 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.6 Wichtige Verteilungsmodelle Definition 1.62. Eine stetige Zufallsvariable X heißt normalverteilt mit den Parametern μ und σ 2, in Zeichen X ∼ N (μ, σ 2), wenn für ihre Dichte gilt: 1 1 exp − 2 (x − μ)2 , x ∈ R f (x) = √ 2σ 2π · σ (1.2) und standardnormalverteilt, in Zeichen X ∼ N (0; 1), falls μ = 0 und σ 2 = 1 gilt (π ist hier die Kreiszahl π = 3.14 . . .). 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 169 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.6 Wichtige Verteilungsmodelle Grundlegende Eigenschaften: a) Die Dichte der Standardnormalverteilung wird oft mit ϕ(x) bezeichnet, also 1 1 ϕ(x) = √ exp − x2 2 2π und die zugehörige Verteilungsfunktion mit x Φ(x) = ϕ(u)du −∞ b) Φ(x) lässt sich nicht in geschlossener Form durch bekannte Funktionen beschreiben =⇒ numerische Berechnung, Tabellierung. c) μ und σ 2 sind genau der Erwartungswert und die Varianz, also, wenn X ∼ N μ, σ 2), dann E(X) = μ 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung und Var(X) = σ 2. 170 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.6 Wichtige Verteilungsmodelle d) Die Dichte ist symmetrisch um μ, d.h. f (μ − x) = f (μ + x) . 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 171 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.6 Wichtige Verteilungsmodelle Grundlegendes zum Rechnen mit Normalverteilungen: • Es gilt: Φ(−x) = 1 − Φ(x) (folgt aus der Symmetrie der Dichte). • Gilt X ∼ N (μ, σ 2), so ist die zugehörige standardisierte Zufallsvariable Z= X −μ σ standardnormalverteilt. • Entscheidende Eigenschaft für die Tabellierung: Es reicht die Standardnormalverteilung zu tabellieren. Normalverteilte Zufallsvariablen mit Erwartungswert μ und Varianz σ 2 muss man, wie unten erläutert, zuerst standardisieren, dann kann man aber auch die Standardnormalverteilungstabelle verwenden. • Tabelliert sind die Werte der Verteilungsfunktion Φ(z) = P (Z ≤ z) für z ≥ 0. Ablesebeispiel: Φ(1.75) = 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 172 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.6 Wichtige Verteilungsmodelle • Funktionswerte für negative Argumente: Φ(−z) = 1 − Φ(z) Berechnung bei allgemeiner Normalverteilung: Wie bestimmt man bei X ∼ N (μ, σ 2) die Wahrscheinlichkeiten P (X ≤ a) aus der Tabelle der Standardnormalverteilung? Abgeschlossenheit gegenüber Linearkombinationen: Seien X1 und X2 unabhängig und Xi ∼ N (μi, σi2), i = 1, 2. Ferner seien b, a1, a2 feste reelle Zahlen. Dann gilt Y1 := a1X1 + b ∼ N (a1μ1 + b; a21σ12) Y2 := a1X1 + a2X2 ∼ N (a1μ1 + a2μ2; a21σ12 + a22σ22). Das Ergebnis lässt sich auf mehrere Summanden verallgemeinern. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 173 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.6 Wichtige Verteilungsmodelle Bsp. 1.63. [aus Fahrmeir et al.] • Schultischhöhe: Stuhlhöhe: Y X ∼ ∼ N (μY , σY2 ) , 2 ), N (μX , σX μY = 113 , μX = 83 , σY2 = 16 2 σX = 25 • optimale Sitzposition: Tisch zwischen 27 und 29 cm höher als Stuhl. • Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig ausgewähltes Paar zueinander gut passt? Differenz: Y − X soll zwischen [27, 29] sein. Definiere also V := Y − X = Y + (−X) Wegen −X ∼ N (−83, 25) gilt dann V ∼ N (113 − 83, 16 + 25) = N (30, 41). 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 174 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.6 Wichtige Verteilungsmodelle Außerdem ergibt sich durch Standardisieren: 27 ≤ V ≤ 29 ⇔ 27 − 30 ≤ V − 30 ≤ 29 − 30 27 − 30 V − 30 29 − 30 √ ≤ √ ≤ √ ⇔ 41 41 41 Damit lässt sich die gesuchte Wahrscheinlichkeit bestimmen: V − 30 ≤ −0.156) = P (27 ≤ V ≤ 29) = P (−0.469 ≤ √ 41 = Φ(−0.156) − Φ(−0.469) = = (1 − Φ(0.156)) − (1 − Φ(0.469)) = = −0.5636 + 0.6808 = 0.1172 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 175 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen Gerade in der Soziologie beobachtet man häufig große Stichprobenumfänge. • Was ist das Besondere daran? • Vereinfacht sich etwas und wenn ja was? • Kann man Wahrscheinlichkeitsgesetzmäßigkeiten“ durch Betrachten vielfacher Wie” derholungen erkennen? 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 176 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen 1.7.1 Das i.i.d.-Modell Betrachtet werden diskrete oder stetige Zufallsvariablen X1, . . . , Xn, die i.i.d. (independently, identically distributed) sind, d.h. die 1) unabhängig sind und 2) die gleiche Verteilung besitzen. Ferner sollen der Erwartungswert μ und die Varianz σ 2 existieren. Die Verteilungsfunktion werde mit F bezeichnet. Dies bildet insbesondere die Situation ab in der X1, . . . , Xn eine Stichprobe eines Merkmals X̃ bei reiner Zufallsauswahl sind. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 177 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen Jede Funktion von X1, . . . , Xn ist wieder eine Zufallsvariable, z.B. das arithmetische Mittel oder die Stichprobenvarianz n 1 Xi n i=1 n 1 2 (Xi − X̄)2 S̃ = n i=1 Vor dem Ziehen der Stichprobe: Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich =⇒ Wahrscheinlichkeitsrechnung anwenden • Gerade bei diesen Zufallsgrößen ist die Abhängigkeit von n oft wichtig, man schreibt dann X̄n, S̃n2 • Sind X1, . . . , Xn jeweils {0, 1}-Variablen, so ist X̄n gerade die empirische relative Häufigkeit von Einsen in der Stichprobe vom Umfang n. Notation: Hn 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 178 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen später: Induktionsschluss Durchführen eines Zufallsexperiments // Ziehen einer Stichprobe ? IMMER Wahrheit “ ” ? S−planung → VORHER Wahre Urliste x 1 , ..., x N Zufallsvariablen X1 , . . . , Xn eines Merkmals (z.B. Xi Einkommen der i-ten Person) ¯ x arithmetisches Mittel in der Grundgesamtheit s2 X Varianz in der Grundgesamtheit F (x) empirische Verteilungsfunktion in der Grundgesamtheit 1 arithmetisches Mittel n der Stichprobe 1 X = n i=1 Xi NACHHER W sktsrechn. −→ Realisationen x1 , . . . , xn neue Urliste ⇓ Auswertung, z.B. S−ziehung ←→ arithmetisches Mittel n der Stichprobe 1 x̄ = n i=1 xi Stichprobenvarianz 2 = 1 n (X − X)2 S n i=1 i ←→ empirische Varianz1 1 n (x − x̄)2 s̃2 = n i=1 i empirische Verteilungsfunktion als Zufallsvariable in jedem Punkt x X1 ,...,Xn 1 |{i : X ≤ x}| Fn (x) = n i ←→ empirische Verteilungsfunktion X ,...,Xn 1 |{i : x ≤ x}| Fn 1 (x) = n i Gehört nicht zur Grundgesamtheit; hier “ für empirische Version ” 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 179 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen 1.7.2 Das schwache Gesetz der großen Zahlen Betrachte für wachsenden Stichprobenumfang n: • X1, . . . , Xn i.i.d. • Xi ∈ {0, 1} binäre Variablen mit π = P (Xi = 1) • Hn = die relative Häufigkeit der Einsen in den ersten n Versuchen. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 180 1000 0.7 0.4 0 1500 500 1000 0 0.7 0.4 0.3 0.4 0.3 1000 1:i 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 1500 1500 0.6 s[1:i] 0.6 0.5 s[1:i] 500 1000 1:i 0.7 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3 0 500 1:i 1:i s[1:i] 1500 0.5 500 0.3 0.3 0.3 0 0.5 s[1:i] 0.4 0.5 s[1:i] 0.6 0.6 0.7 0.6 0.5 0.4 s[1:i] 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen 0.7 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 0 500 1000 1500 2000 1:i 2500 3000 3500 0 2000 4000 6000 8000 10000 1:i 181 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen Beobachtungen: 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 182 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen Theorem 1.64. [Theorem von Bernoulli] Seien X1, . . . , Xn, i.i.d. mit Xi ∈ {0, 1} und P (Xi = 1) = π. Dann gilt für n 1 Xi Hn = n i=1 (relative Häufigkeit der Einsen“) und beliebig kleines > 0 ” lim P (|Hn − π| ≤ ) = 1 n→∞ Anschauliche Interpretation: Die relative Häufigkeit eines Ereignisses nähert sich praktisch sicher mit wachsender Versuchszahl an die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses an. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 183 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen Zwei wichtige Konsequenzen: 1) Häufigkeitsinterpretation von Wahrscheinlichkeiten: 2) Induktion: Man kann dieses Ergebnis nutzen, um Information über eine unbekannte Wahrscheinlichkeit (π = ˆ Anteil in einer Grundgesamtheit) zu erhalten. Sei z.B. π der (unbekannte) Anteil der SPD Wähler, so ist die relative Häufigkeit in der Stichprobe eine gute Schätzung für π“. Je größer die Stichprobe ist, umso ” größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die relative Häufigkeit sehr nahe beim wahren Anteil π ist. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 184 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen Das Ergebnis lässt sich verallgemeinern auf Mittelwerte beliebiger Zufallsvariablen: Schwaches Gesetz der großen Zahl: Gegeben seien X1, . . . , Xn i.i.d. Zufallsvariablen mit (existierendem) Erwartungswert μ und (existierender) Varianz σ 2. Dann gilt für n 1 Xi X̄n := n i=1 und beliebiges > 0: lim P (|X̄n − μ| ≤ ) = 1 n→∞ Schreibweise: P X̄n −→ μ ( Stochastische Konvergenz“, Xn konvergiert in Wahrscheinlichkeit gegen μ“.) ” ” Konsequenz für die Interpretation des Erwartungswerts: 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 185 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen 1.7.3 Der Hauptsatz der Statistik Satz 1.65. [Hauptsatz der Statistik] Seien X1, . . . , Xn i.i.d. mit Verteilungsfunktion F und sei Fn(x) die empirische Verteilungsfunktion der ersten n Beobachtungen. Mit Dn := sup |Fn(x) − F (x)|, x gilt für jedes c > 0 lim P (Dn > c) = 0. n→∞ 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 186 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen −2 0 2 4 1.0 0.8 0.6 0.2 0.0 0.2 0.0 0.0 −4 0.4 (1:lx)/lx 0.6 0.4 (1:lx)/lx 0.2 0.4 (1:lx)/lx 0.6 0.8 0.8 1.0 1.0 Interpretation: −4 −2 0 sort(x) 2 −4 4 −2 0 2 4 sort(x) sort(x) −2 0 sort(x) 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 2 4 1.0 0.8 0.6 0.4 0.0 0.0 0.0 −4 0.2 function(x) pnorm(x, 0, 1) (x) 0.6 0.2 0.4 (1:lx)/lx 0.6 0.4 0.2 (1:lx)/lx 0.8 0.8 1.0 1.0 Normal CDF −4 −2 0 sort(x) 2 4 −3 −2 −1 0 1 2 3 x 187 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen 1.7.4 Der zentrale Grenzwertsatz • Gibt es für große Stichprobenumfänge Regelmäßigkeiten im Verteilungstyp? • Gibt es eine Standardverteilung, mit der man oft bei großen empirischen Untersuchungen rechnen kann? Damit kann man dann insbesondere Fehlermengen einheitlich behandeln. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 188 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen Satz 1.66. [Zentraler Grenzwertsatz] Seien X1, . . . , Xn i.i.d. mit E(Xi) = μ und Var(Xi) = σ 2 > 0 sowie n 1 Xi − μ . Zn = √ σ n i=1 a Dann gilt: Zn ist asymptotisch standardnormalverteilt, in Zeichen: Zn ∼ N (0; 1), d.h. es gilt für jedes z lim P (Zn ≤ z) = Φ(z). n→∞ Für die Eingangsfragen gilt also: • Ja, wenn man die Variablen geeignet mittelt und standardisiert, dann kann man bei großem n näherungsweise mit der Normalverteilung rechnen. Dabei ist für festes n die Approximation umso besser, je symmetrischer“ die ursprüngliche Verteilung ist. ” 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 189 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen Histogram of res Histogram of res −2 −1 0 1 2 0.4 0.1 −4 3 −2 0 2 4 −4 res 0.3 Density 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 4 0.0 0.0 0.1 0.1 0.2 Density res 2 4 0.4 0.4 0.3 0.4 0 2 Histogram of res 0.3 0.2 0.1 Density 0.0 −2 0 res Histogram of res Histogram of res −4 −2 res 0.2 −3 0.0 0.0 0.0 −4 0.2 Density 0.3 0.3 0.1 0.2 Density 0.2 0.1 Density 0.3 0.4 Histogram of res −4 −2 0 res 2 4 −4 −2 0 2 4 6 res 190 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen Anwendung des zentralen Grenzwertsatz auf X̄: Gemäß dem Gesetz der großen Zahlen weiß man: X̄n −→ μ Für die Praxis ist es aber zudem wichtig, die konkreten Abweichungen bei großem aber endlichem n zu quantifizieren, etwa zur Beantwortung folgender Fragen: • Gegeben eine Fehlermarge ε und Stichprobenumfang n: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass X̄ höchstens um ε von μ abweicht? • Gegeben eine Fehlermarge ε und eine Sicherheitswahrscheinlichkeit“ γ: Wie groß ” muss man n mindestens wählen, damit mit mindestens Wahrscheinlichkeit γ das Stichprobenmittel höchstens um ε von μ abweicht (Stichprobenplanung)? 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 191 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen Aus dem zentralen Grenzwertsatz folgt: n 1 Xi − μ √ = σ n i=1 = oder auch 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung n − nμ √ n·σ i=1 Xi nX̄n − nμ X̄n − μ a √ √ ∼ N (0, 1) = n·σ σ/ n 2 σ a . X̄n ∼ N μ, n 192 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen Wichtige Anwendung: Approximation der Binomialverteilung Sei X ∼ B(n, π). Kann man die Verteilung von X approximieren? Damit lässt sich der zentrale Grenzwertsatz anwenden: n 1 √ n i=1 Y −π i π(1 − π) = = und damit 1 Y −n·π √ i n π(1 − π) Yi − n · π a ∼ N (0, 1) n · π(1 − π) X − E(X) a ∼ N (0, 1) Var(X) so dass P (X ≤ x) ≈ Φ x−n·π n · π(1 − π) falls n groß genug. 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 193 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen Es gibt verschiedene Faustregeln, ab wann diese Approximation gut ist, z.B. n · π ≥ 5 und n · (1 − π) ≥ 5 n · π(1 − π) ≥ 9 Stetigkeitskorrektur: Durch die Approximation der diskreten Binomialverteilung durch die stetige Normalverteilung geht der diskrete Charakter verloren. Man erhält als Approximation P (X = x) ≈ 0 für jedes x ∈ N, was gerade für mittleres n unerwünscht ist. Benutze deshalb P (X ≤ x) = P (X ≤ x + 0.5) bei ganzzahligem x ∈ N. Man erhält als bessere Approximation P (X ≤ x) ≈ Φ 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung x + 0.5 − nπ nπ(1 − π) 194 Statistik II für Studierende der Soziologie und Nebenfachstudierende P (X = x) ≈ Φ x + 0.5 − nπ nπ(1 − π) −Φ 1.7 Grenzwertsätze und Approximationen x − 0.5 − nπ nπ(1 − π) Fiktives Beispiel: Ein Politiker ist von einer gewissen umstrittenen Maßnahme überzeugt und überlegt, ob es taktisch geschickt ist, zur Unterstützung der Argumentation eine Mitgliederbefragung zu dem Thema durchzuführen. Er wählt dazu 200 Mitglieder zufällig aus und beschließt, eine Mitgliederbefragung zu riskieren“, falls er in der Stichprobe ” mindestens 52% Zustimmung erhält. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, in der Stichprobe mindestens 52% Zustimmung zu erhalten, obwohl der wahre Anteil nur 48% beträgt? 1 Wahrscheinlichkeitsrechnung 195