Hygienischer Umgang mit Verstorbenen …… aus Sicht der Krankenhaushygiene Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Sind Verstorbene „giftig“ ? "Nächste Woche trete ich meine Stelle als »Herr Doktor« auf der ersten Station der Entbindungsklinik im Allgemeinen Krankenhaus von Wien an. Ich war entsetzt, als ich vom Prozentsatz der Patienten hörte, die in dieser Klinik sterben. In diesem Monat starben dort sage und schreibe 36 von 208 Müttern, alle an Kindbettfieber. Ein Kind zur Welt zu bringen ist genauso gefährlich wie eine Lungenentzündung ersten Grades.„ Tagebuch von Ignaz Semmelweis, Juli 1846 Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Verstorbene sind nicht ungiftig ! Maternal Mortality due to Postpartum Infection General Hospital, Vienna, Austria, 1841-1850 14 18 12 Maternal Mortality (%) Maternal mortality, 1842 16 10 8 6 4 2 0 16 14 12 10 8 6 4 2 0 First Clinic Second Clinic 1841 1842 1843 1844 1845 MDs 1946 1847 1848 1849 1850 Midwives 1847 Hände waschen mit chlorhaltiger Lösung nach jeder Patientin Mortalität unter Wöchnerinnen von 12,3% auf 1,3 % gesenkt Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Womit haben wir es zu tun Biologische Arbeitsstoffe durch Bakterientoxine (z. B. Botulinustoxin, Tetanustoxin) durch Spaltprodukte infolge Eiweißfäulnis durch mikrobielle Infektionen Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Die mikrobielle Infektion Wovon ist es abhängig, ob es zu einer Infektion kommt? Def.: unter einer Infektion versteht man das Eindringen von Krankheitserregern in den Körper und das Auslösen einer Krankheit. Vorraussetzung beim Erreger Pathogenität, d.h. grundsätzliche krankmachende Eigenschaft des Erregers Infektionsfähigkeit, z.B. Haftungs- und/oder Eindringvermögen Virulenz Infektionsdosis, d.h. notwendige Erregermenge Vorraussetzung beim Menschen Immunität, d.h. Vorhandensein von AK Disposition, d.h. allgemeine Abwehrlage Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Welche Erreger begegnen uns Apathogene Erreger Physiologische Hautflora Parasiten Würmer, Milben, Läuse Schimmelpilze Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Pathogene Erreger MR- Erreger Erreger nach IfSG Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Erreger die häufig diskutiert werden MRSA Die Übertragung von MRSA erfolgt hauptsächlich über direkten Kontakt, im medizinischen Bereich vor allem über die Hände von Patienten und Personal. Da der verstorbene Patient den MRSA Keim nicht mehr aktiv über Kontakte streuen kann und bei Rachenbesiedlung keine Tröpfcheninfektion mehr möglich ist, ist eine MRSA Übertragung nach dem Tod des Patienten nur noch über Kontakt möglich. Die Angehörigen müssen keine Schutzkleidung (Kittel, Handschuhe, Mundschutz) tragen. Schutzkleidung sollte aber zur Verfügung gestellt werden, wenn Angehörige dies wünschen. Wichtig ist, dass die Angehörigen bei Verlassen des Zimmers eine hygienische Händedesinfektion durchführen. Da eine Besiedlung der Haut des Verstorbenen zunächst weiter bestehen kann, sollten Bestattungsunternehmer sich bei direktem Hautkontakt durch das Tragen von Schutzhandschuhen schützen. Sofort nach Beendigung des direkten Kontakts muss eine hygienische Händedesinfektion durchgeführt werden. Beim Transport MRSA-besiedelter Verstorbener können bei engem Körperkontakt ggf. Schutzkittel getragen werden. Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Erreger die häufig diskutiert werden Norovirus Die höchste Ansteckungsfähigkeit besteht während der akuten Erkrankung bis zu mindestens 48 h nach Abklingen der klinischen Symptome. Eine Virusausscheidung findet noch mindestens ca. 8-14 Tage nach Sistieren der Durchfälle statt. Die Infektiosität ist sehr hoch. Die Erreger werden in großer Menge über den Stuhl und Erbrochenes ausgeschieden. Die Übertragung erfolgt überwiegend fäkal-oral durch direkten oder indirekten Kontakt. Kontaminierte Gegenstände und Flächen können eine Übertragung vermitteln. Schutzmaßnahmen konsequente Händehygiene mit viruzid wirksamen Händedesinfektionsmittel nach jedem Kontakt mit kontaminierten Gegenständen, Flächen oder Material, nach dem Ausziehen der Handschuhe bzw. des Schutzkittels. Schutzkittel und Handschuhe tragen bei möglichem Kontakt mit erregerhaltigem Material Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Überlebenszeitraum unterschiedlicher Erreger Bakterienart Persistenzdauer Klebsiellen spp. 2 Stunden bis >30 Monate Pseudomonas aeruginosa 6 Stunden bis 16 Monate E. Coli 1,5 Stunden bis 16 Monate Staphylococcus aureus 7 Tage bis 7 Monate Enterococus spp. 5 Tage bis 4 Monate Tbc 1 Tag bis 4 Monate Salmonella typhi 6 Stunden bis 4 Wochen Candida albicans 1 – 120 Tage HAV 2 Stunden bis 60 Tage HBV, HIV > 1 Woche Norovirus 8 Stunden bis 7 Tage Influenzavirus 1 – 2 Tage Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Der Infektionsweg Die Verbreitung von Infektionskrankheiten ist von drei Faktoren abhängig : Quelle Weg Empfänger Alle drei zusammen bilden eine Kette, wird diese nicht unterbrochen kann es zu einer Übertragung/Infektion kommen. Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Der Infektionsweg Infektionswege von Mensch zu Mensch von Gegenständen zu Mensch Aufnahme über Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 die Haut bei Hautkontakt und Hautverletzungen (Stich-, Schnittverletzungen) die Atemwege durch Einatmen von Stäuben und Aerosolen den Mund durch Essen, Trinken, Rauchen mit kontaminierten Händen Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Aufgaben der Krankenhaushygiene Patientenschutz und Mitarbeiterschutz Belebte Oberflächen Unbelebte Oberflächen Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Anforderungen an die Betriebshygiene Reduzierung der Übertragungsrisiken! Trennung in "Schwarz-Weiß-Bereiche„ Bereitstellung von Umkleideräumen Betriebliche Reinigung von Wäsche Hygienepläne, Desinfektionsplan, Handschuh- und Hautschutzplan Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Lage und Wegführung im Krankenhaus Räumliche Abtrennung gegenüber anderen Funktionsbereichen im Krankenhaus Günstige Lage zu den Laboratorien der Pathologie Abtrennung der Bereiche für Leichenaufbewahrung und für Obduktion von den weiteren Arbeitsbereichen der Prosektur bzw. Pathologie. Wegeführung für den Leichentransport von den klinischen Einheiten zur Leichenaufbewahrung und Obduktion. Vermeidung von Durchgangsverkehr. Wegeführung für den Abtransport der Leichen durch Bestattungsinstitute. Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Prosektur Leichenaufbewahrungsraum mit Kühlzelle Obduktionsraum Personalschleuse als Einraumschleuse, um die Verschleppung von Infektionserregern aus dem Obduktionsbereich in die übrigen Bereiche der Prosektur und in das Krankenhaus zu verhindern Unreiner Arbeits-, Putz- und Entsorgungsraum. Ggf. Aufbahrungsraum. Ggf. Nebenraum z. B. für Schreibarbeiten. Sind in einem Krankenhaus lediglich ein Leichenaufbewahrungsund Aufbahrungsraum vorhanden, so dürfen dort aus infektionsprophylaktischen Gründen keine Obduktionen durchgeführt werden. Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Anforderungen an die Händehygiene Bedeutung der HD in der modernen Medizin Eine hohe HD Compliance verringert die Rate nosokomialer Infektionen sowie die Transmission multiresistenter Erreger, z. B. MRSA Nach Patienten-Leichenkontakt Nach infektiösem Kontakt Nach Handschuhwechsel Nach Kontakt mit Umfeld Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Kurze, saubere Fingernägel Kein Schmuck Händedesinfektionsmittel Richtige Methode Adäquater Waschplatz Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Anforderungen an die Berufskleidung Dienstkleidung nur im Krankenhaus Bereichsbezogene Kleidung (Station, Labor, Pathologie) Medizinische Dienstkleidung in der Pathologie ist genauso wenig statthaft, wie Pathologiekleidung in der Krankenbetreuung Zusätzliche Schutzkleidung (stationär) nach Risikoanalyse Nicht infektiöse Leichen Einmalschürze, Einmalhandschuhe und ggf. Augenschutz Infektiöse Leichen Schutzkittel, Einmalhandschuhe, FFP Mund-Nasenschutz, Augenschutz, Haarschutz Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Anforderungen an Instrumente Benötigte Pflegeutensilien nach Gebrauch aufbereiten Kämme, Bürsten, Rasierapparate u.v.m. Verwendete Materialien müssen mit geprüften Mitteln und Verfahren aufbereitbar sein Maschinell im RDG oder manuell als Eintauchdesinfektion Richtiges Mittel Richtige Konzentration Richtige Einwirkzeit Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Anforderungen an Flächen Benutzte Oberflächen nach Gebrauch desinfizierend reinigen Tische, Liegen, Betten u.v.m. Alle kontaminierten Oberflächen müssen mit geprüften Mitteln und Verfahren aufbereitbar sein Scheuerwischdesinfektion / Sprühdesinfektion Richtiges Mittel Richtige Konzentration Richtige Einwirkzeit Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Anforderungen an die Entsorgung Maßnahmen zur Entsorgung von Materialien, Gerätschaften und Kleidungsstücken (z. B. Spritzen, Schwämme, Tupfer, Einmalhandschuhe, Schutzanzüge, Straßenkleidung, ...) treffen. Abfall Roter Müllsack, ggfs. verschlossene Sondermülltonnen Wäsche Wäschesack (ggfs. flüssigkeitsdicht), zentrale Wäscherei Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Grundversorgung Entkleiden Entfernen von Drittstoffen Reinigen Frisieren Ankleiden Transport aus dem Pflegebereich in den Leichenaufbewahrungsraum Umlagern Eine Aufbahrung ist - abhängig vom Zustand des Leichnams, der Raumtemperatur, Sonneneinstrahlung, Raumbelüftung - in hausinternen Plänen festzulegen. Eine Abholung am selben Tag durch das Bestattungsunternehmen sollte angestrebt werden. Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Anforderungen an den Aufbewahrungsraum Abschließbar, von außen nicht einsehbar, mit natürlicher oder künstlicher Lüftung versehen (Raumtemperatur max. 15°C). Die Fenster, die geöffnet werden können, mit Fliegengitter/-gaze versehen. Der Fußboden muss wasserdicht, alle Wände und Bodenbeläge abwasch- und desinfizierbar sein. Ausstattung: Handwaschbecken mit Warm- und Kaltwasseranschluss und Bedienungsmöglichkeit ohne Handkontakt wandseitig installierte Spender für Flüssigseife, Einmalhandtücher und Händedesinfektionsmittel Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Umgang mit infektiösen Leichen Ist der Verstorbene an einer meldepflichtigen Infektionskrankheit erkrankt gewesen oder mit einem meldepflichtigen Krankheitserreger infiziert (entsprechend § 6 und 7 IfSG) und ist durch den Umgang mit der Leiche eine Weiterverbreitung möglich, sind die Leiche sowie der Sarg deutlich sichtbar zu Kennzeichnen. Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Affenpocken Amöbenruhr Brucellose Cholera Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung Diphtherie Echinokokkose Fleckfieber (Entlausung v. Textilien, Wäsche) Hämorrhagisches Fieber Lepra Maul- und Klauenseuche Meningoenzephalomyelitis Milzbrand Ornithose Paratyphus Pest Poliomyelitis Pocken Q-Fieber Rotz/Pseudorotz Shigellen-Ruhr Tollwut Tuberkulose Tularämie Typhus Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Umgang mit infektiösen Leichen RG 3+4 Der Leichnam muss in eine dicht verschließbare (z.B. Reißverschluss, Versiegelung) und flüssigkeitsdichte Plastikhülle gelegt werden, die von außen vollständig und fachgerecht mit einem geeigneten Desinfektionsmittel desinfiziert wird. Nach dem Ende der Einwirkzeit ist der Leichensack in den Sarg zu legen. Der Leichensack darf nur auf Anordnung des Gesundheitsamtes erneut geöffnet werden. Der Sarg muss bis zur Verbrennung/Beerdigung in einem separaten, gekennzeichneten und gesicherten Kühlraum aufbewahrt werden. Der Bestatter ist über das Infektionsrisiko aufzuklären. Einbalsamieren ist untersagt. Der Leichnam bleibt bis zur Bestattung unter Aufsicht des Gesundheitsamtes. Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene Sonstige Maßnahmen bei vorliegen einer meldepflichtigen Erkrankung nach § 6 IfSG Desinfektion und Abfallentsorgung: Die Flächendesinfektion wird mit einem Desinfektionsmittel aus der jeweils gültigen Liste der vom RKI geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und –verfahren durchgeführt. Die hygienische Händedesinfektion wird nach Ablegen der Einmalhandschuhe mit einem alkoholischen, ggf. viruswirksamen Händedesinfektionsmittel durchgeführt. Kontaminierte Wäsche wird einem desinfizierenden Verfahren nach RKI- Liste unterzogen. Kontaminierte Abfälle werden zur Entsorgung abhängig von der Art des Erregers ggf. dampfdesinfiziert oder verbrannt (Hygieneplan). Zur Schlussdesinfektion (Typhus, Cholera, Diphtherie, offene Tuberkulose, Pest, Milzbrand, VHF) werden Oberflächen (Raum, Mobiliar), Matratzen, Kissen und Decken mit Mitteln und Verfahren der RKI- Liste desinfiziert. Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene ….. und letztendlich, Hygiene unterliegt den Gesetzen der Lebenden…… Fachtagung „ Bestatter im Tischlerhandwerk-NRW“ 13.05.09 Michael Sichelschmidt Krankenhaushygiene