Antwort der Geschäftsführung des Klinikums Stuttgart auf die

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Antwort der Geschäftsführung des Klinikums Stuttgart auf die
Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen vom 18.10.10,
bezugnehmend auf den Artikel zum MRSA-Management
Sehr geehrte Damen und Herren,
zu Ihrer Anfrage im Zusammenhang mit dem Presseartikel in der Stuttgarter Zeitung vom
18.10.10 nimmt die Geschäftsführung des Klinikums Stuttgart wie folgt Stellung:
Zu Frage 1:
Der Presse-Artikel und Ihre Anfrage reduzieren die Frage der klinischen Einführung
sogenannter MRSA-Schnelltests auf eine ausschließlich ökonomisch begründete
Investitionsentscheidung. Wir hoffen, nachfolgend darlegen zu können, dass diese
Betrachtungsweise nur einen Teilaspekt der komplexen Problematik derartiger Schnelltests
darstellt. Für das Klinikum ist der ökonomische Aspekt dabei nicht ausschlaggebend.
Bei dem in Diskussion stehenden Schnelltest handelt es sich um die sogenannte MRSAPCR (Polymerase-Kettenreaktion). Bei diesem Test wird Nukleinsäure des Erregers über
einen „genetischen Fingerabdruck“ nachgewiesen. Es ist richtig, dass diese Reaktion
schneller abläuft als eine konventionelle bakteriologische Kultur. Im Normalfall kann das
Ergebnis einer solchen PCR bereits nach 3 Stunden vorliegen. Ob sich aus einem
frühzeitigen Ergebnis für den Patienten die in dem Presseartikel postulierten
Behandlungsvorteile ergeben, ist fraglich (siehe unten). Eine weitere Frage ist, ob das
Hygienemanagement eines Hauses sich dadurch real verbessert. Beides hängt in erster
Linie von der Verlässlichkeit des Ergebnisses derartiger Tests ab.
Im Großraum Stuttgart ist der Klinikverbund Südwest (umfasst u.a. die Krankenhäuser
Böblingen, Sindelfingen, Balingen, Leonberg, Calw) der Vorreiter in Sachen Einführung der
MRSA-PCR. Auf der letzten Tagung des MRE-Netzwerks Baden-Württemberg am 18.10.10
stellte der Chefarzt der Labormedizin des Klinikverbundes Südwest, Herr Dr. Thilo Rünz, die
Ergebnisse im Vergleich zur konventionellen Kultur dar. Hierbei nahm er zur Richtigkeit eines
positiven PCR-Ergebnisses Stellung. Es zeigte sich, dass von 2201 im Zeitraum Mai und
Juni 2010 im Klinikverbund getesteten Abstrichproben 97 (4,4 %) ein „MRSA-positives“ PCRErgebnis erbrachten. Von diesen 97 positiven Proben konnten jedoch nachfolgend nur 49
(50,5 %) in der parallel angesetzten Kulturuntersuchung bestätigt werden d.h. der Anteil
falsch positiver Ergebnisse ist mit 49,5 % extrem hoch. Die Zuverlässigkeit der Aussage
eines positiven PCR-Ergebnisses stellt sich somit unter „Alltagsbedingungen“ als wesentlich
geringer dar, als dies in den auf Studienbedingungen basierenden Fachinformationen der
Test-Hersteller postuliert wird. In der klinischen Praxis würde dies bedeuten, dass etwa die
Hälfte aller „PCR-positiv“ getesteten Patienten, übertherapiert und unnötigerweise beunruhigt
würden. Zusammenfassend heißt dies, dass die PCR-Testung eine statistisch geringe
Sensivität oder Richtig-Positiv-Rate aufzeigt.
Laut Aussage des Euregio-Netzwerkes Münsterland, welches derzeit als Exzellenz-Zentrum
im Umgang mit MRSA in Deutschland angesehen wird, ist der Goldstandard einer MRSADiagnose ausschließlich die Kultur. Ein positiver PCR-Nachweis gilt nach nur dann als
abgesichert, wenn er durch das Kulturverfahren bestätigt wurde (s. Homepage des MRSANetzwerks Münsterland, www.mrsa-net.de).
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass nach Erhalt eines positiven PCR-Ergebnisses die
Aussage „MRSA-positiv“ nur unter Vorbehalt getroffen werden kann. Für die klinische Praxis
ergeben sich damit 2 Handlungsmöglichkeiten nach Erhalt eines positiven PCRTestergebnisses:
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Die erste Möglichkeit ist, die Diagnose „MRSA-positiv“ dem Patienten und dem
klinischen Personal bereits mitzuteilen und die MRSA-Schutzmaßnahmen
(Einzelzimmer-Isolierung, Kittelpflege, Dekontamination) einzuleiten. In diesem Fall
müssen diese Maßnahmen in der Hälfte der Fälle nach wenigen Tagen, nämlich nach
Eintreffen des Kulturergebnisses, wieder rückgängig gemacht werden. Es ist
absehbar, dass dies zu Verwirrung bei den betroffenen Patienten und den klinischen
Mitarbeitern und zu einem erheblichen Vertrauensverlust in das Hygieneteam führen
würde. Zu bedenken ist auch, dass die gegenüber einem Patienten ausgesprochene
Diagnose „MRSA-positiv“ für diesen eine erhebliche psychische und physische
Belastung darstellt. Diese Diagnose aufgrund eines unsicheren Tests vorschnell
auszusprechen und später zurückzunehmen, erscheint uns unethisch.
-
Die zweite Handlungsmöglichkeit wäre, das PCR-Ergebnis zunächst zur Kenntnis zu
nehmen, jedoch nicht zu kommunizieren und die Kultur abzuwarten. In diesem Fall
wären der Zeitvorteil der PCR verspielt und die Kosten für diese aufwändige
Diagnostik umsonst getätigt.
Nur vor dem Hintergrund derartiger, differenzierter Betrachtungen wird die
Kostendiskussion im Klinikum Stuttgart geführt. Ausgereifte, wissenschaftlich
abgesicherte neue Methoden auf dem Gebiet der Hygiene werden im Klinikum
selbstverständlich eingeführt, wenn sich daraus ein eindeutiger Behandlungsvorteil zum
Wohle des Patienten und zur Verbesserung des Hygienemanagements ergibt. Wir
werden die weitere Diskussion unter Fachexperten zum Thema des Schnelltests
aufmerksam verfolgen. Unser Krankenhaushygieniker, Herr Prof. Trautmann, ist
aufgrund seiner Mitgliedschaft und aktiven Mitarbeit in nationalen und regionalen
Gremien (u. a. MRE-Netzwerk Baden-Württemberg, GeQik-MRSA-Modul der BadenWürttembergischen Krankenhausgesellschaft, Kommission für Krankenhaushygiene und
Infektionsprävention des Robert-Koch-Instituts) zu allen Themen rund um MRSA und
anderen antibiotikaresistenten Keimen stets auf dem neuesten Stand informiert. Sobald
diese Gremien ihren derzeit noch sehr kontroversen Diskussionsprozess zur Einführung
der Schnelltests abgeschlossen haben, wird uns Herr Prof. Trautmann von den daraus
resultierenden Handlungsempfehlungen selbstverständlich in Kenntnis setzen. Die
Entscheidung der Klinikumsleitung wird dann auf der Grundlage gesicherter Erkenntnisse
erfolgen unter ausdrücklicher Würdigung der Sicherheit der Patienten.
Zu Frage 2:
Das im Klinikum etablierte, umfangreiche Hygieneprogramm gegen resistente Erreger, also
auch MRSA, ist Ihnen durch Darstellungen von Herrn Prof. Trautmann im
Gesundheitsausschuss und vorangegangene Presseartikel bekannt.
Zusammenfassend sind dies folgende Maßnahmen:
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Kontinuierliche Fort- und Weiterbildung in Krankenhaushygiene für Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter aller Berufsgruppen, insbesondere auch in Hinsicht auf Umgang mit
resistenten Erregern
Definition der Standards im Hygienehandbuch mit kontinuierlicher Aktualisierung und
Bereitstellung für alle MitarbeiterInnen im Intranet des Klinikums
Kontinuierliches Screening der Antibiotika-Resistenzen in der Bakteriologie
Screening von MRSA bei Risikopatienten nach einem definierten und im Klinikum
etablierten Schema auf der Grundlage von bakteriologischen Kulturen
Isolierung von MRSA-positiv getesteten Patienten aufgrund eines gesicherten
Kulturnachweises und Maßnahmen zur Verhinderung von Übertragung nach einem
fest gelegten Standard
Behandlung MRSA-positiver Patienten nach den aktuell gültigen Standards mit dem
Ziel der Dekontamination
Aktive Teilnahme des Leiters der Krankenhaushygiene, Herrn Prof. Trautmann, an
den regionalen MRE-Netzwerken und der nationalen Kommission für
Krankenhaushygiene und Infektionsprävention des Robert-Koch-Instituts
Das gesamte Programm der Krankenhaushygiene wird am Klinikum Stuttgart mit
unvermindertem Engagement aller Beteiligten fortgesetzt. Nationale Hygienevorgaben und
die Empfehlungen lokaler Netzwerke zum Umgang mit MRE werden dabei stets aktuell in
das Projekt eingearbeitet und umgesetzt. Durch frühestmögliche kulturbasierte Diagnostik,
wenn möglich, bereits bei ambulanten Voruntersuchungen der Patienten, wird dabei der
Zeitpunkt der MRSA-Diagnose soweit wie möglich nach vorne verlegt. Hiermit wird
sichergestellt, dass MRSA-positive Patienten frühzeitig erkannt und entsprechend isoliert
und antimikrobiell behandelt werden können. Die daraus resultierende MRSA-Inzidenz in
den städtischen Häusern liegt an allen Standorten deutlich unter derjenigen, die aus anderen
Stuttgarter Kliniken, aus dem Klinikverbund Südwest und vom MRSA-KISS-Projekt des
Nationalen Referenzzentrums für Surveillance aus Berlin berichtet werden. Damit wird nicht
nur das MRSA-Infektionsrisiko am Klinikum minimiert, sondern es werden auf hohem
wissenschaftlich abgesicherten Niveau krankenhaushygienische Maßnahmen mit dem Ziel
der Verhinderung nosokomialer Infektionen (d. h. Infektion mit Mikroorganismen, die im
zeitlichen Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt oder einem Aufenthalt in einer
anderen medizinischen Einrichtung stehen) durch das Institut für Krankenhaushygiene des
Klinikum Stuttgart initiiert, umgesetzt und kontrolliert.
gez. Dr. R.-M. Schmitz
gez. Prof. Dr. Claude Krier
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