100 Jahre Friedensarbeit Die Ursprünge der organisierten Friedensbewegung Nach dem Ende der napoleonischen Kriege entstanden da und dort Friedensgruppen. Diese Kriege hatten 25 Jahre gedauert, als sie 1815 schließlich zu Ende waren und hatten 2.100.000 Tote gefordert. Die Friedensorganisationen waren Teil einer liberalen Bewegung für politische Reformen und kämpften für die Menschenrechte, soziale Verbesserungen, Freihandel, die Abschaffung der Sklaverei und des Krieges. Typische Beispiele waren die American Peace Society (Amerikanische Friedensgesellschaft), die 1815 in New York gegründet wurde und die Society for the Promotion of Permanent and Universal Peace (Gesellschaft zur Förderung eines dauerhaften und universalen Friedens), besser bekannt als London Peace Society (Londoner Friedensgesellschaft), gegründet 1816 auf Initiative der Quäker. Der ethische Pazifismus dieser ersten Gesellschaften wurde später noch durch Ideen aus Frankreich verstärkt, die Völkerrecht als Alternative zum Krieg und als Weg zur Lösung internationaler Konflikte ansahen. Die Bewegung breitete sich langsam aus. Die erste kontinentaleuropäische Friedensgesellschaft wurde 1830 in Genf gegründet. Die London Peace Society schuf ein Netz von lokalen Gruppen und die Zahl der Mitglieder wuchs, allerdings nur beim Mittelstand. Um die Bewegung zu fördern und um ein Forum zu schaffen, durch das die Friedensbewegung ein internationales Programm entwickeln konnte, fingen Pazifisten und FriedensgeselIschaften an, Friedenskongresse zu organisieren. Ein weiteres Ziel der Kongresse war es, den Pazifismus als eigenständige ideologische Strömung darzustellen, unabhängig von Sozialismus und Liberalismus. Der erste Kongress, der 1843 in London stattfand, war in der Hauptsache ein britisch-amerikanischer Versuch. Die nachfolgenden Kongresse zogen mehr internationale Beteiligung an, doch blieben die britischen und amerikanischen Gesellschaften lange Zeit der Kern der Bewegung. Welt-Friedens-kongresse gab es 1848 in Brüssel, 1849 in Paris, 1850 in Frankfurt, 1851 in London, 1852 in Manchester und 1853 in Edinburgh. Teilnehmer waren Intellektuelle, Geschäftsleute, Juristen, Mitglieder von Kirchen und Staatsmänner. Der Pariser Kongress, dessen Vorsitzender Victor Hugo war, übernahm, was man das erste Programm der internationalen Friedensbewegung nennen kann: "Da allein der Friede die moralischen und materiellen Interessen der Nationen wahren kann, ist es die Pflicht der Regierungen, alle Konflikte, die zwischen ihnen entstehen, vor einen Schiedsgerichtsausschuss zu bringen, und dem Urteil der von ihm gewählten Richter zu folgen." Die Anzahl der Truppen sollte entsprechend reduziert werden... "... durch allgemeine und gleichzeitige Massnahmen, einerseits, um die Belastung des Volkes zu erleichtern, andererseits, um die ständige Ursache der Furcht und des Misstrauens zwischen den Nationen abzubauen." Die Teilnehmer des Kongresses wurden ermutigt, sich für bessere Erziehung der Jugend einzusetzen, und Haß und Vorurteile auszurotten. Doch mit Napoleon waren die Kriege noch nicht zu Ende. 1854 brach der Krimkrieg aus; er forderte 785.000 Todesopfer. 1861, als der amerikanische Bürgerkrieg ausbrach, standen die FriedensGesellschaften zum ersten Mal vor dem klassischen Dilemma der Pazifisten. Die amerikanische Friedensgesellschaft betrachtete die Sklaverei als ein größeres Übel als den Krieg und unterstützte die Nordstaaten in ihrem Kampf, während die Londoner Friedensgesellschaft unter allen Umständen gegen die Anwendung von Gewalt war. Die Spaltung zeigte sich auf internationaler Ebene, als 1867 zwei internationale Organisationen gegründet wurden: Die International League for Peace (Internationale Friedensliga) entstand bei einer Konferenz in Paris im Mai 1867. Im September wurde bei einer Zusammenkunft in Genf die International League for Peace and Freedom (lnternationale Liga für Frieden und Freiheit) geschaffen. Zwei der Gründer der letzteren waren Victor Hugo und der Italiener Garibaldi. Die Friedensliga war neutral in politischen und religiösen Angelegenheiten, während die Liga für Frieden und Freiheit radikaler war. Sie trat für die Republik statt der Monarchie ein, richtete sich gegen klerikale Gewalt und Papismus und befürwortete die Demokratie. Garibaldi wünschte revolutionäre Maßnahmen, während eine Gruppe französischer Sozialisten von der Unterdrückung durch den Kapitalismus sprach, was einen Tumult hervorrief und einige trockene Kommentare über interne Streitereien unter den Pazifisten. Die Friedensliga fürchtete kompromittiert zu werden und änderte ihren Namen in "Société des Amis de la Paix" (Gesellschaft der Friedensfreunde). Im Interesse des Friedens versuchte diese Liga, die britische Kritik an dem neuen französischen Diktator, Louis Napoleon (III), abzuschwächen, während Victor Hugo, der im Exil war, eine französische Revolution und die Schaffung einer Republik wollte. Diese Differenzen wurden zur nie endenden Streitfrage der Friedensbewegung: Sollte der Staat sich bewaffnen zur "Verteidigung" (gegen andere Staaten, Revolutionen, größere Übel), und: Ist es recht (oder eine gute Strategie), wenn der Unterdrückte Gewalt gegen den Staat, oder gegen ein größeres Übel anwendet? 1889 war ein wichtiges Jahr für die Entwicklung der Friedensbewegung. Zusammen mit britischen und französischen Parlamentariern gründete Frédéric Passy, ein französischer Abgeordneter, die Interparlamentarische Union. Passy führte auch den Vorsitz beim ersten größeren internationalen Friedenskongress (seit 1853), der erst 1889 in Paris stattfand. Es war der erste einer ganzen Reihe "universaler Friedenskongresse". Die dabei vertretenen FriedensgeselIschaften beschlossen, sich unter dem Namen "International Union of Peace Societies" zu vereinigen. Einige andere international aktive Gründer der Bewegung während dieser Zeit waren Hodgson Pratt aus Großbritannien, Christopher von Egidy aus Deutschland, Elie Ducommon und Albert Gobat aus der Schweiz, Baronin Bertha von Suttner aus Österreich, Ernesto Teodoro Moneta aus Italien, Frederik Bajer aus Dänemark, Carel Asser aus den Niederlanden, Henri La Fontaine aus Belgien, KIas P. Arnoldson aus Schweden und Christian Lange aus Norwegen. Weltweite Friedenskongresse – Gründung des Ständigen Internationalen Friedensbüros Der zweite Kongress fand 1890 in London statt. Es war nötig, eine ständige Einrichtung für die Organisation der Kongresse zu haben, und um die Friedensbewegung international zu repräsentieren. Frederik Bajer aus Dänemark schlug bei dem Kongress in London zum erstenmal vor, ein Friedensbüro zu gründen. Zur Ausarbeitung eines detaillierten Vorschlages wurde ein Komitee benannt. Der dritte Weltfriedenskongress, der im Juli 1891 in Rom stattfand, beschloss, das "Ständige Internationale Friedensbüro" zu schaffen, als Exekutiv-Büro der "Internationalen Union der Friedensgesellschaften". Die formelle Einrichtung des Internationalen Friedensbüros (IFB) geschah im Dezember 1891 in Bern in der Schweiz. Die Satzung wurde bei dem vierten Weltfriedenskongress, der vom 22.-27. August 1892 in Bern stattfand, angenommen und die Ratsmitglieder gewählt. Frederik Bajer wurde der erste Präsident. Das IFB war eine einzigartige Leistung innerhalb der gesamten Friedensbewegung, da hier sowohl die radikalen, als auch die liberalen und die konservativen Elemente in einer Organisation zusammenfanden. Die Gründer der beiden Gruppierungen für Frieden (und Freiheit) traten dem IFB bei, ebenso Pazifisten und Antimilitaristen. Der liberale Pazifismus blieb der Kernpunkt des Programms für die Friedensbewegung und das IFB, doch die Debatte darüber wurde fortgesetzt. Der vierte Weltfriedenskongress rief auf zur Einberufung einer Konferenz der europäischen Staaten für gegenseitige, ausgewogene, gleichzeitige Abrüstung. Das IFB begann mit der Herausgabe eines bescheidenen Journals, das "Correspondence Autographiée" hieß. Es hatte eine Auflage von 100 Exemplaren. Das Internationale Friedensbüro bekam jetzt die Aufgabe, die Weltfriedenskongresse vorzubereiten. Sie fanden 1893 in Chicago, 1894 in Antwerpen und 1896 in Budapest statt. Ein alle zwei Monate erscheinendes Bulletin ersetzte das Journal; 3000 Exemplare wurden gedruckt. Die Mitgliederzahl des IFB nahm rasch zu. 1895 gehörten 65 Friedensgesellschaften aus 12 Ländern dem IFB an, 1897 waren es schon 88 Vereinigungen aus 14 Ländern. Der 7. WeIt-Friedenskongress, der im September 1896 in Budapest stattfand, stimmte einem Kodex internationaler Gesetze zu. Seine Hauptprinzipien waren: 1. Internationale Beziehungen unterliegen denselben gesetzlichen und moralischen Prinzipien wie die Beziehungen zwischen Einzelpersonen. 2. Keine Nation hat das Recht, in eigener Sache zu richten. 3. Keine Nation darf einer anderen den Krieg erklären. 4. Jeder Streit zwischen den Nationen sollte durch rechtliche Verfahren geregelt werden. 5. Die Autonomie jeder Nation ist unverletzlich. 6. Es gibt kein Recht zur Eroberung. 7. Nationen haben das Recht, ihre Selbst-Verteidigung zu rechtfertigen. 8. Nationen haben das unveräußerliche Recht, frei über sich selbst zu verfügen. 9. Es herrscht Solidarität zwischen allen Nationen. Im Jahre 1898 appellierte das IFB an alle Nationen, sie sollten im spanisch-amerikanischen Krieg vermitteln. In den darauffolgenden Jahren appellierte das IFB zugunsten des armenischen Volkes, der Buren und des finnischen Volkes. Es forderte eine Beendigung der Feindseligkeiten und eine Lösung der Konflikte zwischen Argentinien und Chile, China und Japan, des Russisch-Japanischen Krieges und der Balkankriege durch Schiedsgerichte. 1899: Die erste internationale Friedenskonferenz Mehrere Jahre lang versuchten Pazifisten, unter ihnen Bertha von Suttner, die Regierungen, also Könige, Königinnen, Kaiser und den Zaren zu überzeugen, eine Friedenskonferenz einzuberufen. 1895 schrieb Bertha Von Suttner ein Buch: "Schach der Qual", in welchem sie eine solche Konferenz beschrieb: "Auf die Initiative eines der mächtigsten Staatsoberhäupter in Europa, und nachdem mit allen europäischen Regierungen grundsätzliche Übereinstimmung erreicht worden war, wurde diese Konferenz einberufen und fast alte Staaten, große und kleine, mit wenigen Ausnahmen, haben ihr Einverständnis erklärt und sind anwesend." Bertha von Suttner schickte ihr Buch dem russischen Zaren Nikolaus II. Auch ein anderer Pazifist, der russische Schriftsteller Johann Bloch, der 1892 das Buch "Der Krieg der Zukunft" geschrieben hatte, machte dem Zaren grossen Eindruck. In dem Buch hatte er geschrieben, dass neue Technologien, einschließlich der Sprengstoffe, die Alfred Nobel erfunden hatte, eine neue Situation schufen, die zwangsläufig eine bessere internationale Verständigung erforderte. Wirtschaftliche Faktoren haben zur Folge, dass kein Krieg von irgendeiner Seite mehr gewonnen werden kann. Nikolaus II. studierte das sechsbändige Werk von Bloch gründlich, lud Bloch zu sich ein und befragte ihn persönlich viele Stunden lang. Am 24. August 1898 gab Nikolaus II. ein Friedensmanifest heraus und rief zu einer internationalen Konferenz auf: "Nationale Kultur, ökonomischer Fortschritt, die Schaffung von Werten wird behindert und unterbunden." Der Zar hielt es für seine Pflicht, "diese endlose Aufrüstung zu beenden und nach Mitteln zu suchen, um das Übel zu stoppen, das die ganze Welt bedroht." Der Zar als Tenor Die Waffen nieder Walzer von Bertha von Suttner "Die Stimme ist nett, aber für das Orchester nicht laut genug." (Abrüstungs-Bilderbuch, Berlin 1899) Die Zeitungen reagierten auf das Manifest negativ. Die österreichische Linzer Montagspost schrieb: Nur ein träumender Kosmopolit könnte so etwas ernst nehmen, denn es sei ein ausgeklügelter Schachzug einer echt slawischen Politik mit hinterhältigen Motiven. Der Zar sei ein Bär im Lammfell. Tatsächlich war Österreich dabei, seine Waffen zu modernisieren und das technologisch rückständige Russland wollte diese Entwicklung stoppen oder verlangsamen. Auch die Sozialdemokratie reagierte skeptisch und sogar feindlich, besonders gegen den Zaren selbst. Leute in diplomatischen Kreisen dachten, das Ziel des Manifestes sei es, die anderen Mächte zu überreden, ihre Rüstungsproduktion zu stoppen, bis Russland seine sibirische Eisenbahn fertig gebaut und einige weitere Anleihen gemacht hätte (und danach würde Russland militärisch stärker sein). In der Tat konnte man kaum behaupten, der Zar handle auf friedliche Weise, z.B. durch seine Russifizierungspolitik die er gegenüber Finnland betrieb. Die europäischen Regierungen reagierten nicht begeistert in ihrer Antwort auf die Vorschläge des Zaren und die russische Terminologie wechselte von "Abrüstung" zu "Stillstand des Rüstungswettlaufs". Bemühungen, die Arbeiterbewegung zu gewinnen Schon früh in seiner Geschichte versuchte das IFB eine Zusammenarbeit mit der Arbeiterbewegung zu erreichen. Die ersten Friedenskongresse hatten festgestellt: "Genossenschaften sind der beste Weg zum Frieden." Der Weltfriedenskongress von Bern 1892 beschloss, Arbeiterorganisationen gleichberechtigt zu den Friedenskongressen einzuladen. Zunächst war die Reaktion sehr negativ. Belgische Arbeiterorganisationen antworteten auf die Einladungen mit dem Hinweis auf die Entschließungen der Zweiten Sozialistischen Internationale von 1891. Diese Entschließungen stellten fest, wenn die wirtschaftlichen Ursachen für Kriege nicht zuerst durch die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft beseitigt seien, seien alle Friedensbemühungen nutzlos. Bei ihrem Kongress in Zürich, im Jahr 1893, propagierte die Zweite Internationale den Klassenkampf als einziges Mittel, um Frieden zwischen den Völkern zu erreichen. Doch diese Ansicht änderte sich. Drei Jahre später, in London, schloss die Zweite Internationale die Schaffung eines Internationalen Gerichtshofes zur friedlichen Konfliktlösung in ihre Forderungen ein. Andererseits zögerten viele liberale und konservative Pazifisten, sich mit der Arbeiterbewegung einzulassen. Bertha von Suttner schrieb 1896, das pazifistische Programm für die Friedensarbeit müsse noch vor irgendeiner allgemeinen Sozialreform erreicht werden. Der Präsident des IFB, Bajer, war anderer Ansicht, doch Bertha von Suttners Meinung wurde bei den Friedensgesellschaften mehr akzeptiert, besonders in Deutschland und Österreich. Mehrere Ratsmitglieder des IFB drängten zu einer Verbindung mit der Arbeiterbewegung, sowohl durch das Programm der Friedensbewegung, als auch durch persönliche Kontakte zwischen den Friedensgesellschaften und den Gewerkschaften. Die gemeinsamen Ziele für Arbeiterverbände und Pazifisten wurden der Kampf für die Abrüstung, für internationale Schiedsgerichte und die antimilitaristische Erziehung der Jugend. Besonders in Großbritannien und in Frankreich bemühten sich die Friedensgesellschaften um Kontakte zur Arbeiterbewegung. Das IFB begann, die wirtschaftlichen Ursachen des Krieges zu untersuchen. Der erste wirkliche Durchbruch kam 1902, als der Kongress der Internationalen Genossenschafts-Allianz in Manchester tagte. Bei dieser Zusammenkunft stimmten Vertreter aus 18 Ländern einmütig für eine Resolution, welche die Ergebnisse der Friedenskonferenz von Monaco von 1902 begrüßte und sich für formale Kontakte mit dem IFB aussprach. In Großbritannien sprachen sich die Sozialdemokratische Union, die Unabhängige Labour-Partei, der Allgemeine Gewerkschaftsverband und der Gewerkschaftsrat von London zugunsten des IFB aus. Die Metropolitan Radical Federation und die Genossenschafts-Union wurden Mitglied des IFB. In Frankreich traten verschiedene Lehrerverbände, kleinere Verbände und Hochschulen als Mitglieder bei. Irr Italien kamen die Arbeiterverbände von Rom und Brescia dazu. Die belgische Sozialistische Partei, die zwar immer noch ihre eigenen antimilitaristischen Argumente vorbrachte, akzeptierte auch die pazifistischen und schickte sogar ein Rundschreiben an ihre Ortsgruppen mit dem Vorschlag, mit der Friedensbewegung zusammenzuarbeiten. Das hatte zur Folge, dass einige belgische Gewerkschaften beitraten. In der Schweiz wurden die Sozialdemokratische Partei und der Grütliverein Mitglieder. Das IFB stellte fest, eine bessere Gesellschaftsordnung sei die Vorbedingung für einen internationalen Frieden. Aber die Annäherung hielt sich in Grenzen. Es wurde auch festgestellt, dass die Abschaffung des kapitalistischen Systems nicht notwendigerweise das Ende aller Kriege bedeuten würde. Selbst nach dem Sieg des Proletariats würde es reiche und arme Länder geben und daher wirtschaftliche Kriegsursachen, ebenso wie religiöse und rassische Unterschiede. Darum würde es fernerhin notwendig sein, ein System internationalen Rechts zu schaffen, bei welchem Recht vor Macht geht. Der schwedische Staatsbürger Alfred Nobel war ein persönlicher Freund Bertha von Suttners und ein großzügiger Gönner der von ihr gegründeten Österreichischen Friedensgesellschaft. (Quelle: UN-Archiv, Genf) Im Oktober 1898 traf Bertha von Suttner den russischen Außenminister und schlug die Gründung einer Russischen Friedensgesellschaft vor. Der Minister wandte ein, da müsse der Zar zuerst gefragt werden, und, die Gründung einer Russischen Friedensgesellschaft sei unerwünscht und sogar unnötig, denn "jetzt seien der Zar und seine Regierung selbst an der Spitze der Bewegung". Das Buch "Die Waffen nieder", das Bertha Von Suttner berühmt gemacht hatte, als es 1888 erschienen war, war in Russland verboten. In dem russischen Programmentwurf für die Konferenz 1899 war das ursprüngliche Manifest abgeschwächt worden. Es war nur noch die Rede vom Achten gewisser Explosivstoffe und von der "Humanisierung" des Krieges. Die Einladungen für die Konferenz kamen aus den Niederlanden. Es entstanden Auseinandersetzungen, da Italien gegen einen Vertreter des Papstes war und England dagegen war, dass die beiden südafrikanischen Staaten Transvaal und Orange Freistaat eingeladen wurden, gegen den Willen der Niederlande. Vom amerikanischen Kontinent kamen nur die USA und Mexiko. Die deutsche Delegation war aus Anti-Pazifisten zusammengesetzt. Die Mitglieder des IFB waren sehr damit beschäftigt, die Regierungen und die Vertreter der Staaten, die an der Konferenz in Den Haag teilnahmen, zu beeinflussen. Ein "Friedens-Kreuzzug" mit Veranstaltungen in den europäischen Hauptstädten wurde von England aus organisiert. Eleonore Selenka, die Frau eines Münchner Professors, sammelte über eine Million Unterschriften zur Unterstützung der Friedenskonferenz aus der ganzen Welt. Zu Ehren des lnitiators wurde die Konferenz am Geburtstag Nikolaus II., am 18. Mai 1899, eröffnet. Sie dauerte bis zum 29. Juni. Ausser den europäischen Staaten nahmen noch die USA, Mexiko, China, Japan und Siam daran teil. Es gab drei Kommissionen: Abrüstung, Kriegsregeln, Schiedsgericht. Die Abrüstungskommission versagte: Ein russischer Vorschlag für ein fünfjähriges Moratorium des Rüstungswettlaufs wurde abgewiesen. Die zweite Kommission kam überein, Dumdum-Geschosse, den Gaskrieg und das Abwerfen von Bomben aus Ballonen für fünf Jahre zu verbieten. (Flugzeuge gab es damals noch nicht.) Diese Ächtung wurde jedoch nicht erneuert - Flugzeuge kamen in Gebrauch und das Abwerfen von Bomben hatte militärische Bedeutung erlangt. Die dritte Kommission erreichte etwas Neues: Eine Konvention über die friedliche Beilegung internationaler Konflikte durch ein Schiedsgericht. Im Jahr nach der Haager Konferenz, dem Jahr 1900, erhielt das Internationale Friedensbüro für seine Friedensarbeit den Grossen Preis der Pariser Weltausstellung. Dort wurde auch der neunte Weltfriedenskongress organisiert. im folgenden Jahr erhielt Frédéric Passy, ein Mitglied des IFB-Rats, den ersten Friedens-Nobelpreis, zusammen mit Henri Dunant, dem Gründer des Roten Kreuzes. Im Jahr 1901 hatte das IFB 100 Mitgliedsgesellschaften in 19 Ländern. 1902 erhielt der Generalsekretär des IFB Elie Ducommon den Friedens-Nobelpreis, zusammen mit dem IFB-Ratsmitglied Albert Gobat, der später Ducommons Nachfolger wurde. Bertha von Suttner, die Vize-Präsidentin des IFB, erhielt den FriedensNobelpreis im Jahre 1905. 1907 wurde eine zweite Konferenz in Den Haag abgehalten. Der Schwerpunkt lag auf "humanitäre" Regeln der Kriegführung und eine Konvention, die bei dieser Konferenz angenommen wurde, stellte fest, das Recht, einen Feind zu schädigen, gelte nicht uneingeschränkt. Die Konvention verbot Waffen, die unnötiges Leiden verursachen, besonders den Einsatz von Gift, "heimtückisches" Töten und das Töten oder Verwunden eines Feindes, nachdem er sich schon ergeben hat. Jedoch wurde keine Einigung über die Begrenzung "übermässiger Rüstung" erzielt. Es gab Pläne für eine dritte Haager Konferenz, doch wurden sie fallengelassen, als die Spannungen vor Beginn des Ersten Weltkrieges zunahmen. Das IFB richtete eine Untersuchungskommission ein, welche auf der Basis folgender Vorschläge arbeitete: • • • • • • Kriege verhindern soziale Verbesserungen und industrielle Entwicklung. Es müssen entscheidende Schritte unternommen werden, um die wachsenden Rüstungsausgaben zu stoppen. Es ist notwendig, gegen die kapitalistischen Syndikate vorzugehen, die aus egoistischen Gründen Kolonialpolitik betreiben. Internationale Beziehungen müssen entwickelt werden. Schiedsgerichte und der Internationale Gerichtshof in Den Haag müssen gefördert und entwickelt werden. Stehende Heere sollten in Milizen umgewandelt werden. Zwischen den beiden Weltkriegen und sogar bis zu den achtziger Jahren waren formelle Beziehungen zwischen dem IFB und der Arbeiterbewegung nicht häufig. Zur Zeit der Neu-Organisation des IFB durch ILCOP am Ende des Zweiten Weltkrieges gehörten nur Friedensorganisationen zu den Mitgliedern des IFB. In den achtziger Jahren jedoch wuchs das Interesse der Arbeiterbewegung an Friedensfragen und ebenso das Interesse der Friedensbewegung an Begegnungen mit der Arbeiterbewegung. Bei der Atomabrüstungskampagne END gab es eine starke Beteiligung der Gewerkschaften. 1986 und 1987 haben sich die ersten Gewerkschaften der Nachkriegszeit dem IFB angeschlossen: Die Industriegewerkschaft von Bermuda und die Internationale Union der Lebensmittelgewerkschaften mit Sitz in der Schweiz. 1988 kamen die australische Lehrervereinigung und die Vereinigte Metallarbeitergewerkschaft Australiens hinzu. 1990 trat die britische Gewerkschaft der Feuerwehrmänner dem IFB als Mitglied bei. Mobilisierung des IFB angesichts des drohenden Krieges und Anerkennung seiner Tätigkeit Gegen das Jahr 1905 war die Mitgliedschaft des IFB auf 132 Friedensgesellschaften in 26 Ländern angewachsen: Argentinien, Österreich, Belgien, Bolivien, Brasilien, Großbritannien, Kanada, Chile, Dänemark, Ägypten, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, Japan, Norwegen, Niederlande, Persien, Portugal, Rumänien, Rußland, Spanien, Schweden, Schweiz, USA und Uruguay. 1907 drückte der 16. Weltfriedenskongress die Hoffnung aus, dass eine Nation einen Schritt zur Abrüstung durch einseitige Reduktion ihres Rüstungspotentials tun könnte, in der Hoffnung, dass dann weitere Nationen nachziehen würden. Ernesto Teodoro Moneta, Mitglied des IFB-Rates, erhielt den Friedens-Nobelpreis. Im darauffolgenden Jahr wurde der Friedens-Nobelpreis Frederik Bajer, dem ersten IFB-Präsidenten, verliehen. Er teilte den Preis mit Klas P. Arnoldson von Schweden, dem Gründer der Schwedischen Gesellschaft für Frieden und Schiedsgerichtsbarkeit. Der 18. Weltfriedenskongress fand 1910 in Riddarhusset/Stockholm statt. In jenem Jahr erhielt das Internationale Friedensbüro selbst den Friedens-Nobelpreis. Alfred Hermann Fried, ein Mitglied des IFBRates, erhielt ihn 1911. Die Friedensbewegung wurde zu einer größeren Volksbewegung. Während dieser Zeit herrschte unter den europäischen Mächten ein ungeheurer Rüstungswettlauf und sie schlossen aggressive Militärbündnisse. Ihre Ziele waren oft militärische Eroberungen. Praktisch jede Nation erhob Anspruch auf Gebiete des Nachbarlandes. Die Großmächte wetteiferten auch darin, sich Kolonien in Übersee anzueignen und brüsteten sich mit der Stärke ihrer Flotten. Militäre Truppen und Marinekräfte der Grossmächte (1000 man) 1880 1890 1900 1910 1914 Russland 791 677 1 162 1 285 1 352 Frankreich 543 542 715 769 910 Deutschland 426 504 524 694 891 Grossbritannien 367 420 624 521 532 Österreich246 346 385 425 444 Ungarn Italien 216 284 255 322 345 Japan 71 84 234 271 306 USA 34 39 96 127 164 Flottentonnage der Grossmächte (1000 ton) 1880 1890 1900 1910 1914 Grossbritannien 650 679 1 065 2 174 2 714 Frankreich 271 319 499 725 900 Russland 200 180 338 401 679 USA 169 240 333 824 985 Italien 100 242 245 327 498 Deutschland 88 190 285 964 1 305 Österreich60 66 87 210 372 Ungarn Japan 15 41 187 496 700 (Quelle: Kennedy, The Rise And Fall of the Great Powers) Pazifismus kontra Nationalismus - Bemühungen, die Katastrophe zu verhindern Während des immer bedrohlicheren Rüstungswettlaufs in Europa versuchte das IFB, die deutschfranzösische Versöhnung zu fördern. Eine Initiative kam von dem deutschen Parlamentarier Ludwig Frank. Der deutsche Reichstag war dabei, eine Verlängerung der Wehrpflicht zu beschliessen und Frank wollte das Argument der "Notwendigkeit" der Verlängerung widerlegen, indem er Gespräche mit Frankreich als Alternative vorschlug. Man bat das IFB, eine Konferenz von deutschen und französischen Parlamentariern zu organisieren. In der gespannten politischen Atmosphäre war das ein schwieriges Unterfangen. Viele Abgeordnete weigerten sich, an einem solchen Treffen teilzunehmen. Deutsche Reichstagsabgeordnete sabotierten sogar die Vorbereitung durch Einschüchterung ihrer Kollegen, um ihre Teilnahme zu verhindern. Schliesslich trafen sich 39 deutsche Reichstagsabgeordnete mit 190 französischen Abgeordneten und 25 Senatoren im Mai 1913 in Bern (Schweiz). Ausser elf Teilnehmern waren alle Deutschen Sozialdemokraten. Die Ziele der Zusammenkunft, die der Generalsekretär Gobat zu Beginn der Konferenz darlegte, waren: die Notwendigkeit der Rüstungsbegrenzung festzustellen, Vorschläge zu unterbreiten für Mittel und Wege zu einer friedlichen Lösung der Konflikte und eine deutsch-französische Kommission zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu bilden. Alle diese Ziele wurden erreicht. Für das folgende Jahr war eine zweite deutsch-französische Konferenz geplant, doch die Weltlage machte ihre Organisation unmöglich. Der Wettfriedenskongress von 1913 fand in Den Haag statt. Die Delegierten des Kongresses waren die ersten, die den neu erbauten Friedenspalast von Den Haag benutzten, der später Sitz des Internationalen Gerichtshofes werden sollte. 1914 sollte der Kongress in Wien stattfinden. Der "Grosse Krieg" verhinderte alle Vorbereitungen für den Kongress im Juli 1914. Am 28. Juni wurde der österreichische Kronprinz Franz Ferdinand in Sarajewo ermordet. Die österreichische Regierung stellte Forderungen an Serbien. Russland machte mobil, um Serbien zu verteidigen. Deutschland erklärte Russland am 1. August den Krieg und griff dann Frankreich durch das neutrale Belgien an. Darauf traten Russland und England in den Krieg ein. Der Rat des IFB bestand vor allem aus Personen aus den kriegführenden Ländern. Politische Aktionen wurden schwierig. Es entstand eine Spaltung zwischen denen, die auf einer sofortigen Beendigung der Feindseligkeiten bestanden und denen, die eine Verurteilung Deutschlands wollten, das die Neutralität Belgiens und Luxemburgs verletzt hatte. Das IFB protestierte gegen den Krieg und die Verletzungen des Völkerrechts, die stattgefunden hatten. Es empfahl auch die Schaffung einer internationalen Staaten- organisation und insbesondere eines Weltgerichtshofes. Abgesehen davon enthielt sich das IFB während des Krieges jeder politischen Tätigkeit. Stattdessen richtete es zu Beginn des Krieges einen Dienst für Kriegsgefangene ein. Dieser Dienst versandte bis Ende 1919 mehr als 800.000 Briefe und Karten, um vermisste Personen aufzufinden. Nach dem Ersten Weltkrieg – Das Wachstum der Friedensorganisationen Nach dem "Grossen Krieg" wurde eine der Forderungen des Programms des IFB verwirklicht: die Gründung des Völkerbundes. Leider hatte der Völkerbund viele Fehler, die 20 Jahre später zu seiner Auflösung und seinem Misserfolg führen sollten. Das IFB-Ratstreffen vom August 1919 forderte eine Revision der Völkerbund-Satzungen. Besonders... die Benennung der Prinzipien, auf denen der Völkerbund beruhen soll, in der Präambel der Statuten; die Ausarbeitung internationaler Rechtsbestirnmungen die absolute Verurteilung des Krieges; die strenge Verpflichtung, internationale Konflikte gut willig und juristisch zu lösen; das Recht aller Nationen, sich dem Völkerbund anzuschließen, unter der einzigen Bedingung, dass sie den Verpflichtungen des Bundes genügen - was auch für alle Mitglieder zutreffen sollte; die Schaffung des Internationalen Gerichtshofes; die Abschaffung der nationalen Heere und die Einrichtung internationaler Armee- und Marinekräfte (die unter der Kontrolle des Völkerbundes stehen sollten). Für mehrere Jahre sollten IFB und die Weltfriedenskongresse den Völkerbund unterstützen, während sie gleichzeitig auf seine Reform drängten. Die Friedensbewegung veränderte sich nach 1918. Viele FriedensgeselIschaften verloren Mitglieder. Die Schwedische Gesellschaft für Frieden und Schiedsgerichtbarkeit zum Beispiel hatte Ende 1918 20.077 zahlende Mitglieder. 1919 sank diese Zahl auf 15 945. 1920 betrug die Mitgliedsstärke 7 217 und 1921 nur noch 3 816. Ein Grund für diesen Niedergang war die Einrichtung der neuen Völkerbunds-Organisationen. Sie vertraten einen spezifischen und sehr populären Teil des IFB-Programms. Außerdem verfügten sie über größere Geldmittel, weil viele von ihnen direkt von den nationalen Regierungen unterstützt wurden. Einige Friedensgesellschaften lösten sich sogar vom IFB, um sich stattdessen der Weltföderation der Völkerbunds-Organisationen anzuschliessen. Dies geschah in der Schweiz, den Niederlanden und in Dänemark. Ein Zusammenschluss mit der Föderation wurde ausgeschlossen, weil dies das Aufgeben des breiteren Programms des IFB und der Kritik am Völkerbund bedeutet hätte. Ein weiterer Grund für den Rückgang des IFB war die Entwicklung eines stärkeren und radikaler antimilitaristischen Flügels der Friedensbewegung. Das war ein logisches Resultat des Krieges, der eine ganze Generation radikalisiert hatte. Die militant antimilitaristische Strömung, die vor dem Kriege innerhalb des IFB existiert hatte, war eine Minderheit gewesen. Doch der klassische Pazifismus und sein Programm hatten, mit Ausnahme der Erwartung, der Völkerbund möge sich zu einer Weitregierung entwickeln, viel von ihrer Anziehungskraft verloren. Der ideologische Konflikt zwischen Pazifismus und Antimilitarismus brach aus. Die Radikalen stellten die Effektivität des IFB-Programms in Frage, das ja auf der Stärkung des Völkerrechts basierte. Sie wollten Nationalismus und Militarismus kompromisslos bekämpfen und standen Militär und Armeen in völliger Opposition gegenüber. Sie begannen damit, Arbeitsverweigerung in Rüstungsbetrieben und Widerstand gegen den Krieg im weitesten Sinne anzuregen. Die klassischen Pazifisten wollten eine internationale Polizeimacht und befürworteten "defensive" Kriege und Waffen. Politische Ideologien vertieften die Trennung, da linke Bewegungen nicht mit "Bürgerlichen" und rechten Bewegungen zusammenarbeiten wollten, und umgekehrt. Die Führung des IFB sah diese Gegensätze als unversöhnlich an und die Bewegung spaltete sich. Das IFB entwickelte jetzt ein klareres Profil: Frieden durch Völkerrecht (und dessen Entwicklung und Unterstützung). Diese Strömung, und somit das IFB, verlor an Bedeutung innerhalb der Friedensbewegung. Andererseits entstanden viele neue Friedensorganisationen auf nationaler und internationaler Ebene. 1915: Die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (The Women's International League for Peace and Freedom - WILPF) WILPF hat ihre Wurzeln in der internationalen Suffragetten-Allianz, eine damals schon gut etablierte Organisation mit PazifistInnen in den Leitungspositionen. Als die Suffragetten-Allianz ihren regulären Kongress wegen des Krieges ausfallen ließ, übernahmen die holländischen Mitglieder Anfang 1915 die Initiative, um einen Frauenkongress gegen den Krieg zusammenzurufen, Zum Kongress versammelten sich im April 1915 1136 Frauen in Den Haag. Als Resultat wurden Frauendelegationen an 14 Regierungen Europa, USA und Russland gesandt, um eine Konferenz neutraler Nationen zu fordern, die zwischen den kriegführenden Ländern vermitteln sollte. Während des Haager Kongresses wurde das Internationale Frauenkomitee für einen permanenten Frieden gegründet und in verschiedenen Ländern bildeten sich Sektionen. Eine inoffizielle Konferenz neutraler Länder wurde schließlich 1916 mit finanzieller Unterstützung des amerikanischen Millionärs Henry Ford abgehalten, aber diese Bemühung scheiterte, als Deutschland den unbegrenzten U-Boot-Krieg fortsetzte und die USA im April 1917 in den Krieg eintraten. Aber die Sektionen, die in vielen Ländern entstanden waren, setzten ihre Arbeit fort und nach der deutschen Kapitulation 1918 wurde ein neuer Kongress in Zürich zusammengerufen. Eine offizielle Satzung der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit wurde verabschiedet und das Büro von Amsterdam nach Genf verlegt, um in der Nähe des Hauptquartiers des neugegründeten Völkerbundes zu sein. 1919: Der Internationale Versöhnungsbund (The lnternational Fellowship of Reconciliation - IFOR) Am Rande der zweiten Haager Konferenz von 1907 diskutierten Teilnehmer von den deutschen und englischen Kirchen die Frage, wie Spannungen zwischen den Ländern abgebaut werden könnten. Nach sechs Jahren des Austauschs von Delegationen von Christen aus Großbritannien und Deutschland wurde der Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen bei einem Treffen in Konstanz vom 1.-3. August 1914 gegründet. Das Konstanzer Treffen fand unmittelbar am Vorabend des Weltkrieges statt. Es musste am 3. August beendet werden, weil die Teilnehmer, die aus 12 verschiedenen Ländern stammten, in versiegelten Eisenbahnwagen aus Deutschland ausgewiesen wurden. Einige Teilnehmer beschlossen die Gründung einer internationalen Friedensallianz und nationale "Versöhnungsbünde" entstanden. Während es dem Weltbund vor allem um internationale Zusammenarbeit ging, betonten die Mitglieder dieser Gruppen besonders die persönliche Verpflichtung zum Kampf gegen den Krieg, Gewaltfreiheit und die Bergpredigt. Nach dem Krieg trafen sich im Oktober 1919 etwa 40 Pazifisten in Bilthofen in den Niederlanden, um den Internationalen Versöhnungsbund ins Leben zu rufen. Reisesekretäre wurden ausgesandt, die IFORZweige in den meisten westlichen Ländern, in Japan, China, Australien, Neuseeland und später in Afrika und Lateinamerika gründeten. Pierre Cérésole, der erste IFOR-Sekretär, war außerdem der Gründer des Internationalen Zivil-dienstes (Service Civil International) gewesen. 1921: Die Internationale der Kriegsdienstgegner (The War Resisters' International - WRI) Die Geschichte der WRI geht auf 1904 zurück, als ein antimilitaristischer Kongress in den Niederlanden abgehalten wurde, bei dem die Internationale Antimilitaristische Assoziation entstand. Bis zum Krieg arbeitete die Assoziation hauptsächlich in Holland. Nach dem Krieg wurden nationale Organisationen gebildet. Sie versuchten, persönlichen Pazifismus mit einer ökonomischen Kritik der Klassenstrukturen zu verknüpfen. Die Internationale Antimilitaristische Assoziation kam wieder 1919 zu einem Kongress zusammen, auf dem sie ihre vier Motivationspunkte definierte: Die Zurückweisung persönlicher Zwänge, die durch den Militarismus ausgeübt werden; die Zurückweisung aller Formen von Gewalt; die Zurückweisung des militärischen Selbstbewusstseins als "Wachhund des Staates"; und die Zurückweisung des kapitalistischen Staates selbst. Die Assoziation spaltete sich bei ihrem dritten Kongress 1921. Auf die Initiative von Quäkern hin gründeten vier nationale gewaltfreie antimilitaristische Organisationen ihre eigene Internationale, die sich zunächst "Paco" (der Esperanto-Ausdruck für Frieden) nannte. Ein zerbrochenes Gewehr wurde als gemeinsames Symbol gewählt. 1922 wurde der Name "Internationale der Kriegsdienstgegner" geändert. Der anarcho-syndikalistische Antimilitarismus ging nach 1921 zurück und die antimilitaristische Assoziation verschwand 1940. Die WRI wuchs schnell während der Friedenswellen der zwanziger und dreissiger Jahre und 1933 war sie in 24 Ländern vertreten, wo sie ihre Arbeit auf Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen konzentrierte. In der Zeit nach 1920 gab es eine grosse Friedensbewegung in Europa. In den Niederlanden wurden 1924 dem Parlament Petitionen mit anderthalb Millionen Unterschriften gegen das Marinegesetz übergeben. "Kirche und Frieden" war einer der Initiatoren. Das Marinegesetz wurde in der Folge abgelehnt. Die Mitgliederzahl der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG) stieg 1926 auf 30.000 an. In Schweden war der "weisse General" - so genannt wegen seiner weissen Kleidung und seines weissen Autos, mit dem er auf Vortragsreisen fuhr - ein solch effizienter Redner, dass überall nach seinen Auftritten neue Friedensgruppen entstanden. Die Mitgliederzahl der Schwedischen Gesellschaft für Frieden und Schiedsgerichtsbarkeit stieg 1930 auf 49.000 Mitglieder und 1482 Ortsgruppen an. Das IFB jedoch, welches "Frieden durch Völkerrecht" befürwortete, sah den Einfluss dieser Strömung schwinden. 1922 beschloss seine Führung, sich für eine weitere Zusammenarbeit innerhalb der Friedensbewegung einzusetzen und verkündete später, dass sie die Strömungen, die Widerstand gegen Krieg und militärische Verteidigung propagierten, als gleichwertig ansähe. 1923 schlug das IFB bei einer Tagung in Basel ein Komitee zur Koordination (CIC) pazifistischer Kräfte vor, zusammen mit der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit, dem Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen und der Internationalen Freimaurerassoziation. Später nahmen viele andere Organisationen an den Treffen teil: Die Weltföderation der Völkerbund-Organisationen, der Internationale Gewerkschaftsbund, das Institut für Völkerrecht, das Internationale Komitee für demokratische Aktion, der Internationale Frauenrat, das Internationale Büro für Erziehung, die Internationale Lehrervereinigung, die Vereinigung der Ligen für Menschenrechte, die Weltjugendliga und die Vereinigung internationaler Assoziationen. 1927: Das Internationale Komitee zur Koordination pazifistischer Kräfte (The International Committee for the Coordination of Pacifist Forces CIC) und der Vereinigte Friedensrat (Joint Peace Council) Die formalen Regeln des CIC wurden bis 1927 allerdings nicht anerkannt, und zunächst auch nur von fünf kleineren Organisationen. Die Organisationen des linken und radikalen Flügels der Friedensbewegung fehlten. Tatsächlich konnte das IFB die Spaltung der Friedensbewegung nicht verhindern, die sogar noch größer wurde. 1928 gründeten die radikalen Friedensbewegungen ihr eigenes Netzwerk, den Vereinigten Friedensrat. Dieses Netzwerk konzentrierte sich auf den Widerstand gegen die Wehrpflicht und 1930 wurde ein Appell gegen die Einberufung ("eine Form von Sklaverei") veröffentlicht: "Militärische Ausbildung ist Einübung von Geist und Körper in die Kunst des Tötens. Sie ist Ausbildung zum Kriege. - Sie beendet die Entwicklung der Suche nach dem Frieden." Der Appell war unter anderem unterzeichnet von der WILPF-Präsidentin Jane Addams, von Sigmund Freud, Thomas Mann, Upton Sinclair, Stefan Zweig, Selma Lagerlöf, Bertrand Russell und H.G. Wells. Eine Friedenswelle in den zwanziger Jahren Die Aktivitäten von CIC bestanden hauptsächlich in der Präsentation gemeinsamer Erklärungen, so zum Beispiel während der 9. Vollversammlung des Völkerbundes 1928, als Abrüstungsmaßnahmen gefordert wurden. Am 10. Jahrestag des Völkerbundes 1930 organisierte CIC eine öffentliche Veranstaltung in Genf. Das Koordinationskomitee war nie stark oder einig. Zu Beginn der Abrüstungskonferenz 1932 in Genf schlugen Versuche fehl, ein gemeinsames Manifest der Friedensbewegungen zu veröffentlichen. Die verschiedenen Organisationen gaben alle ihre eigenen Stellungnahmen bei der Konferenz ab - ein Verhalten, das sich kürzlich während der UNO-Sondersitzungen über Abrüstung 1978, 1982 und 1988 wiederholt hat. Die Entschärfung des europäischen Pulverfasses Ab 1929 spezialisierte sich das IFB auf die Situation auf dem Balkan, dem "Pulverfass Europas". Der Weltfriedenskongress von 1929 in Athen schlug jährliche Balkankonferenzen vor, um die Nationen "intellektuell, materiell, wirtschaftlich und politisch näher zusammenzubringen". IFB-Mitarbeiter besuchten Konstantinopel (Istanbul), Sofia, Bukarest und Belgrad, wo sie Regierungsvertreter und andere Persönlichkeiten trafen. Als Ergebnis dieser Besuche entstanden FriedensgeselIschaften in Griechenland, Rumänien und Bulgarien. Unter Schirmherrschaft des IFB fand die erste Balkankonferenz 1930 in Athen statt. Vertreter aus Albanien, Bulgarien, Griechenland, Rumänien, der Türkei und Jugoslawien nahmen teil. Von 1931 bis 1933 wurden weitere Konferenzen abgehalten, die 1934 zum Balkanvertrag zwischen Griechenland, Rumänien, der Türkei und Jugoslawien führten. Die Ablehnung des Krieges 1928 war der "Briand-Kellog-Pakt" oder der "Generalvertrag zum Verzicht auf den Krieg" in Paris unterzeichnet worden. 61 Länder waren Mitglieder des Paktes. Sie verurteilten den "Rückgriff auf den Krieg als Lösung internationaler Kontroversen" und wiesen ihn als Mittel nationaler Politik zurück. Sie stimmten darin überein, daß "die Beilegung oder Lösung aller Kontroversen oder Konflikte zwischen ihnen, was auch immer ihr Ursprung sein möge, nie anders als mit friedlichen Mitteln vorangetrieben werden soll." Obwohl er nicht sehr spezifisch war, führte der Pakt zu der ersten Konferenz zur Diskussion einer universellen Reduzierung und Begrenzung aller Waffenarten. An der Weltabrüstungskonferenz, die Anfang 1932 unter der Schirmherrschaft des Völkerbundes zusammenkam, nahmen mehr als 60 Nationen teil. Die Konferenz war natürlich ein wichtiger Schwerpunkt für das IFB. Alle Mitglieder sämtlicher Parlamente der europäischen Staaten erhielten einen Brief vom IFB in ihrer Muttersprache. Insgesamt bekamen 15.000 Parlamentarier diesen Brief. Die Weltfriedenskongresse von 1931 und 1932 beschäftigten sich beide mit der Abrüstung. Der Kongress von 1932 forderte von der Konferenz folgende konkrete Schritte: 1. Abschaffung von chemischen, bakteriologischen und Brandwaffen sowie ihrer Vorbereitung in Friedenszeiten und die strenge und permanente internationale Kontrolle der Fabriken, die sie herstellen könnten. 2. Internationalisierung der Luftstreitkräfte unter Autorität des Völkerbundes. 3. Qualitative Abrüstung; Abschaffung besonders aggressiver Waffen: Bomben- und Kampfflugzeuge, Flugzeugträger, schwere Artillerie, Panzer, große Kriegsschiffe und U-Boote. 4. Abschaffung privater Waffenherstellung und des Waffenhandels; Internationalisierung der Produktion und des Verkaufs von Verteidigungs- oder Polizeimaterial (unter Kontrolle des Völkerbundes). 5. Direkte Reduzierung nach Waffengattungen und indirekte oder finanzielle Reduzierung der noch erlaubten Waffen im Verhältnis zu der zunehmenden Sicherheit, die durch die Konvention selbst garantiert ist. 6. Allgemeine, dauernde und gleiche Kontrolle für alle Länder über die Durchführung der Konvention. Die auf der Abrüstungskonferenz diskutierten Vorschläge waren weitreichend und ernsthaft. Trotzdem schlugen viele Staaten eine harte Linie ein, was den Erfolg unwahrscheinlich machte. Die Konferenz stagnierte, als Deutschland aus dem Völkerbund austrat und sich in Verletzung des Versailler Vertrages wiederbewaffnete. 1936 löste der Völkerbund die Konferenz auf und sie trat nie wieder zusammen. Nahendes Unheil Als Organisation bekam das IFB zunehmende Probleme. Als Hitler in Deutschland an die Macht kam und in anderen Ländern der Faschismus erstarkte, wurden Pazifisten verfolgt oder sie verließen die Friedensorganisationen. Die wichtigsten Friedensgesellschaften in Deutschland - Deutsche Friedensgesellschaft (DFG) - und in Österreich wurden aufgelöst. Der britische Nationale Friedensrat existierte nur auf dem Papier. Es gab zwar aktive Friedensorganisationen während dieser Zeit, zum Beispiel die Peace Pledge Union in Großbritannien, aber sie waren nicht Mitglied des IFB. Die Appelle des IFB vor dem Zweiten Weltkrieg verhallten praktisch ungehört. Einer dieser Appelle forderte eine internationale Konferenz zwischen europäischen Staaten, den USA und anderen, sowohl "totalitären als auch demokratischen". Das Internationale Friedensbüro schrieb kurz nach dem Münchner Abkommen von 1939 in einem Brief an alle Außenminister: Wie soll der Frieden organisiert werden? Uns scheint klar zu sein, dass teilweise und begrenzte Abkommen wie das kürzliche (München) keine ausreichende Grundlage für einen allgemeinen Frieden begründen - besonders, da andere Äußerungen dem Geist dieser Abkommen zu widersprechen scheinen und dauernd neue Schwierigkeiten auftauchen. Das Ziel der internationalen Konferenz wäre die Organisierung des Friedens und die Reduzierung von Rüstung. Der Brief stellte fest, dass .. alle wichtigen Führungspersonen der alten und der neuen Welt die Notwendigkeit dieser für alle offenen Konferenz eingesehen, verstanden und bekannt haben. Insbesondere Präsident Roosevelt hat ihre Dringlichkeit betont. (...) Aber niemand ergreift die Initiative und ruft eine Konferenz zusammen, so wie das Zar Nikolaus II. bei der ersten Haager Konferenz getan hat. Niemand traut sich, Initiative zu übernehmen und einen festen Vorschlag zu formulieren. Wir bitten Sie, diese notwendige internationale Konferenz einzuberufen - im Namen des Internationalen Friedensbüros, im Namen aller, die für den Frieden kämpfen und den Krieg verhindern wollen, im Namen all der Menschen, deren tiefe Gefühle so stark zum Ausdruck gekommen sind. Beigefügt war ein Memorandum, das Ausmaß, Ziel, Zusammensetzung und Befugnisse, Dauer und Dringlichkeit der Konferenz zusammenfasste. Besonders Roosevelt wurde gedrängt, die Initiative zu ergreifen. Gleichzeitig wurden die Diktatoren in Deutschland, Italien und Japan heftig verurteilt. Mit brillanter Rhetorik schrieb IFB-Präsident La Fontaine 1939 in einem Leitartikel der Januarausgabe von "Le Mouvement Pacifiste": Wenn einige Leute in weitabgelegenen oder nahen Zuschauerländern es fertiggebracht haben, die monströsen, groben und feigen Methoden gutzuheißen, mit denen die italienischen, deutschen und japanischen Diktatoren die kriminelle Frechheit besessen haben, den Namen ihrer Völker in den Schmutz zu ziehen, wird das, was durch. einen Terror, der zu den dunkelsten Epochen der Vergangenheit gehört, zum Schweigen und zu furchtbarster Zustimmung gebracht wurde, das, was zunächst in Äthiopien und dann in China und Spanien geschah, für jene, die die profitierenden oder unbekannten Unterstützer und Schmeichler gewesen sind, immer eine untilgbare Schande bleiben, ähnlich des Schandmals, das in vergangenen Jahren den Gefangenen im Zuchthaus beigebracht wurde, erniedrigend und rachsüchtig. Die Initiative zu einer internationalen Konferenz wurde nicht ergriffen. Die Kriegsvorbereitungen waren zu weit fortgeschritten. Italien, Deutschland (in Spanien) und Japan befanden sich schon im Krieg und die größte, jemals von Menschen geschaffene Katastrophe begann. Nach Beginn des deutsch-polnischen Krieges 1939 waren IFB-Ratssitzungen und Kommunikation zwischen Pazifisten fast unmöglich geworden. Das IFB wurde von einem permanenten Komitee in der Schweiz geleitet. Das Komitee verurteilte Deutschland und seine Handlungen als barbarisch und bat neutrale Länder, ihre Neutralität aufzugeben und die USA, in den Krieg einzutreten. Ohne Kontakt zu seinen Mitgliedsorganisationen begrenzte das IFB seine Arbeit auf Hilfsaktionen für Kriegsgefangene, deportierte Personen und Flüchtlinge. Die weitere Existenz des IFB wurde durch ein Komitee von Unterstützern in der Schweiz sichergestellt, die dem Büro moralisch und finanziell beistanden. Nach 1945: Ein neuer Anlauf nach dem 2. Weltkrieg Nach dem Zweiten Weltkrieg waren vom Internationalen Friedensbüro nur noch eher unbedeutende Mitgliedsorganisationen in den USA, Großbritannien, Schweden und der Schweiz übriggeblieben. Während des Zweiten Weltkriegs waren alle internationalen Kommunikationsstrukturen und Aktivitäten der Friedensbewegung zusammengebrochen, mit Ausnahme der Hilfe für Kriegsgefangene, Deportierte und Flüchtlinge. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang es dem völlig überalterten Friedensbüro zunächst nicht, die Organisation wiederaufzubauen. Der schweizerische Bundesrat übertrug dessen Vermögen auf das 1949 gegründete, International Liaison Committee of Organizations for Peace (ILCOP). Es vereinte 20 Mitgliedsorganisationen, darunter sechs Friedensräte. Dabei war auch der Schweizerische Friedensrat, dessen Präsident Ernst Wolf zunächst ILCOP-Vorsitzender, später auch Präsident des IFB wurde. Es dauerte aber noch bis 1961 bis ein permanentes Sekretariat errichtet werden konnte. Mächtige Konkurrenz wächst heran Weitaus mehr Dynamik entwickelte unterdessen ein anderer Strang der Friedensbewegung, der Atompazifismus. Er war entstanden, als der kalte Krieg mit der Berlin-Krise 1948/49 erstmals Kriegsdrohungen zwischen Mächten aufkommen liess, von, denen die eine Atomwaffen besass. Die Nuklear-PazifistInnen organisierten 1949 in Paris eine Weltfriedenskonferenz, zu der über zweitausend Delegierte aus 72 Ländern kamen. 1950 sammelten sie mit dem Stockholmer Appell zur absoluten Ächtung der Atombombe 500 Millionen Unterschriften. Ebenfalls 1950 fand die zweite Weltfriedenskonferenz in Warschau statt, wo sich die Bewegung den Namen Weltfriedensrat (World Peace Council - WPC) gab. Der Rest ist die traurige Geschichte davon, wie der Westblock die Bewegung ausgrenzte und verfolgte, und. wie der Ostblock sie dafür umso erstickender ans Herz drückte und manipulierte. Bereits zur Pariser Konferenz 1949 wurde vielen Delegierten aus dem Osten die Einreise verweigert. Die zweite Konferenz musste aus demselben Grund von Sheffield nach Warschau verlegt werden. 1952 wurde der WPC mit Hauptsitz in Paris als "5. Kolonne" des Landes verwiesen, 1957 auch am zweiten Sitz in Wien verboten (wo er aber unter einem Decknamen bis 1968 verblieb). 1968 zog das Hauptquartier nach Helsinki um. 1975 lancierte er den. zweiten Stockholmer Appell als Aufruf zur Hoffnung in der beginnenden ersten Détente zwischen den Blöcken. Der Weltfriedensrat hatte bis Ende der achtziger Jahre nach eigenen Angaben zweitausend teilnehmende Organisationen und Bewegungen (es gibt keine formale Mitgliedschaft) aus 140 Ländern. Bis heute sind jedoch die Zweifel über die autonome Willensbildung in diesem Club nicht beseitigt (noch 1979 war für den WPC die Invasion in Afghanistan ein Akt der Solidarität). Erst an der Athener Konferenz 1990 führten viele Auflösungsanträge und die drastische Reduktion der Finanzierung durch das sowjetische Friedenskomitee zu einem Kurs der Dezentralisierung und Öffnung, die eine Rehabilitierung denkbar erscheinen lassen. Zersplitterung der Kräfte Das Internationale Friedensbüro stand jedoch nicht nur im Schatten des ungleich größeren und finanzkräftigeren Weltfriedensrates. Auch diejenigen (atom-)pazifistischen Organisationen im Westen, die einen Bogen um den WPC machten, konnten nicht integriert werden. Im Januar 1959 fand in London unter dem Vorsitz von Bertrand Russell ein großer internationaler Kongress gegen Atomwaffen statt. Diese Kreise, namentlich die CNDs (Campaign for Nuclear Disarmement) in Großbritannien, Kanada und Neuseeland, Ostermarsch- und andere Anti-Atombomben-Bewegungen, veranstalteten 1962 in Oxford eine Zusammenkunft über einen internationalen Zusammenschluss. Dieses Meeting gab dankbare Schlagzeilen in der Presse ab, weil die Teilnehmerlnnen ursprünglich eingeladene VertreterInnen des Weltfriedensrates wieder vor die Türe setzten. Bei der konstruktiven Arbeit hatte man, aber eine weniger glückIiche Hand. Unter dem Namen ICDP (International Confederation for Disarmement and Peace) wurde eine neue Dachorganisation gegründet, bei der auch Personen und Organisationen des ILCOP/IFB Mitglied waren. Innerhalb des ILCOMFB entstand dadurch eine jahrelange Debatte über, Fusion mit der dynamischeren ICDP oder Selbständigkeit. Fusionspläne handstreichartig vereitelt Die Fusionsdebatten endeten 1964 mit einem skurrilen Handstreich des 1 LCOP/IFB-Versitzenden (und Präsidenten des Schweizerischen Friedensrats) Ernst Wolf. In Wildwest-Manier bemächtigte er sich des beträchtlichen Vermögens von ILCOP/IFB - 800.000 Franken aus Nobelpreis-Geldern -und brachte es unantastbar in einer Stiftung unter. Die Stiftungsstatuten erlaubten nur, mit den Zinsen ein Büro in der Schweiz zu finanzieren, das den Namen "Internationales Friedensbüro" tragen sollte. Eine Statutenänderung machte er von der Zustimmung des Schweizer Bundesrates abhängig - in der wohl berechtigten Annahme, dieser werde das Geld sicher vor einem Zugriff von ICDP bewahren, in dessen Reihen man beim IFB immer noch Krypto-KommunistInnen vermutete. ILCOP/IFB ergab sich zehn Tage später an der Mitgliederversammlung in sein finanziell gepolstertes Schicksal, benannte sich definitiv in Internationales Friedensbüro um, eröffnete das heute noch bestehende Büro in der 41 rue de Zurich in Genf und fand die versetzte Braut ICDP mit tausend Dollar Darlehen und weiteren tausend Dollar für einen gemeinsamen Informationsdienst ab. 1984, also 20 Jahre später, sollte das Friedensbüro dann doch mit der ICDP fusionieren, allerdings erst nachdem letzteres die zweite nuklearpazifistische Bewegung (Nachrüstungsprotest) der achtziger Jahre weitgehend verschlafen hatte und deren Koordination längst bei END (European Nuclear Disarmament) und IPCC (International Peace Communcation and Coordination Center) lag. Neue Ansätze während des Vietnamkrieges Nach dem doch offensichtlichen Unvermögen, die Anti-Atombewegung der Ostermarsch-Zeit zu integrieren - die relevanten Organisationen schlossen sich ja mehrheitlich in der ICDP zusammen - war das lFB während des Vietnamkrieges etwas handlungsfähiger. 1965 forderte die Jahresversammlung die USRegierung zur Einstellung aller Bombardierungen in Nordvietnam und zu Verhandlungen mit dem Vietcong unter UNO—Schirmherrschaft auf (was wiederum nicht die klar Vietcong-freundliche Stimmung der DemonstrantInnen auf der Strasse traf). Klar unterstützte das lFD hingegen - unter dem Einfluss der Mitgliedsorganisation War Resisters' International - Internationale der Kriegsdienstgegner (WRI/IdK) - das Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Die Position, die das lFD zusammen mit Amnesty, WRI, den Quäkern und dem Internationalen Zivildienst (SCI) ab 1967 dazu ausgearbeitet hat, wurde 1989 von der UNO-Menschenrechtskommission weitgehend übernommen, als diese sich einstimmig gegen Gefängnisstrafen für Kriegsdienstverweigerer und für einen nichtdiskriminierenden Zivildienst aussprach. Beharrlicher Einsatz für Abrüstung Wenig mit einer Massenmobilisierung verbunden, aber beharrlich und für viele Friedensorganisationen wichtig, war die Arbeit, die das Internationale Friedensbüro auf dem Gebiet der allgemeinen Abrüstung leistete. 1970 übernahm es bei der UNO das Sekretariat für das Komitee über Abrüstung der NGO's (NonGovernmental Organizations - Nicht-Regierungsorganisationen). Die UNO kennt ja im Gegensatz zu anderen internationalen Organisationen ein Statut, das diesen NGO's - je nach ihren Ideen - eine Einflussnahme ermöglicht. 1972 fand in Genf eine Abrüstungskonferenz mit gemischter Beteiligung von 250 Regierungen und NGO's statt, 1974 in Bradford eine weitere; 1978 kam unter dem Druck der Bewegung der Blockfreien die erste Spezial-session der UNO-Generalversammlung über Abrüstung zustande. Sean Mc Bnide, seit 1964 Schatzmeister und 1974 bis 1985 Präsident des Friedensbüros, war der maßgebliche Verfechter dieses UNO-Lobbying-Kurses, Er erhielt dafür 1974 den Friedens-Nobelpreis - übrigens einer von insgesamt 14 Friedens-Nobelpreisen, welche IFB-Funktionäre und einmal das IFB als Organisation zwischen 1901 und 1982 bekommen haben. Die Zeit nach dem Vietnamkrieg, der 1975 nicht nach den IFB-Vorstellungen mit Friedensverhandlungen, sondern mehr nach dem Geschmack der Protestbewegungen mit einem schlichten militärischen Sieg der Nordvietnamesen und des Vietcong endete, brachte auch einen Rückgang der Friedensbewegung manchmal ist ein Erfolg bei zu beschränkten Zielen auch nicht das, was auf die Dauer trägt. 1975 war aber auch das Jahr, in dem die KSZE mit der Unterzeichnung des Abschluß-Dokumentes von Helsinki einen viel breiteren Prozess in Gang brachte. Das Internationale Friedensbüro war hier einmal hellhörig und der Zeit voraus: 1977 wurde eine internationale Abrüstungs-Fahrt von Helsinki nach Belgrad (dem nächsten Konferenzort der KSZE) durchgeführt, während der an Hunderten von Veranstaltungen mit Hunderttausenden von Teilnehmerlnnen die Diskrepanz zwischen den Helsinki-Deklarationen zur Abrüstung und dem unvermindert weitergehenden Rüstungswettlauf aufgezeigt wurde. Als sich der kalte Krieg Anfang der 80er Jahre mit der Invasion in Afghanistan, mit neuen sowjetischen Mittelstreckenraketen und schließlich mit dem NATO-Nachrüstungsbeschluß w jeder dramatisch zuspitzte, wurden die offiziell deklarierten KSZE-Prinzipien plötzlich vehement eingefordert. Im END-Appell vom April 1980 erklärten sich europäische Bürgerlnnen selber dafür zuständig, den Kontinent von Portugal bis Polen von Atomwaffen zu befreien. Die Blöcke wurden kurzerhand für abgeschafft erklärt: Wir müssen anfangen, so zu handeln, als ob ein vereinigtes neutrales Europa bereits existierte, das nicht einem "Westen" oder "Osten" gegenüber loyal ist, sondern untereinander; und Gegenmaßnahmen irgendwelcher Staaten werden wir einfach ignorieren. Diese Deklaration wurde zur Basis der Friedensbewegung der achtziger Jahre. Ganz auf der gleichen Linie erklärten die Bürgerlnnen-Bewegungen im Osten (wie die Charta 77 in der ehemaligen CSFR), dass die Menschenrechtsprinzipien der KSZE Vorrang hätten vor den Gesetzen ihrer sich wieder verhärtenden Regimes und proklamierten die Blockabschaffung. Von den neuen Bewegungen überholt Das Internationale Friedensbüro konnte dieser Dynamik nicht ganz folgen. Typisch für dessen damalige, noch auf die internationale Ebene fixierte Optik ist ein Brief des Präsidenten Sean Mac Bride vom 30. Nov. 1981 an die Delegationsleiter der USA und UdSSR, in dem er die beginnenden Verhandlungen über die Mittelstreckenwaffen wärmstens begrüsste. Derweilen war bei den Demonstrationen die abschätzige Bemerkung zu hören: "Wenn zwei Verbrecher sich an einen Tisch setzen, was soll denn dabei herauskommen, wenn nicht ein neues Verbrechen?" Die internationalen Kontakte der neuen Friedensbewegung liefen denn auch diesmal wieder weitgehend am IFB vorbei. 1982 (bis heute) übernahm ein END-Verbindungskomitee ohne festere Struktur die Organisation der jährlichen Friedenskonferenzen - was in den ersten Jahrzehnten seiner Geschichte die raison d'être des IFB gewesen war. Ab 1990 kam dann die Helsinki Citizens Assembly als Veranstalterin ähnlicher Konferenzen mit ähnlichem Teilnehmerlnnenkreis, aber mit festeren Strukturen und zentraler Verwurzelung in den Menschenrechtsbewegungen Mittel- und Osteuropas dazu. Aber die International Confederation for Disarmement and Peace (ICDP), die Kreation der ersten Anti-Atombewegung, erlebte ihre fast zwangsläufige Neuauflage: 1981 wurde unter dem Namen P00 (International Peace Communication and Coordination Center) wiederum eine eigene Dachorganisation gegründet, der die wichtigeren aktiven Bewegungen beitraten, namentlich der niederländische interkirchliche Friedensrat, die Campaign for Nuclear Disarmement (CND) in Grossbritannien und der Schweizerische Friedensrat, Das IFB beklagte erneut die Doppelmitgliedschaften und Doppelkonferenzen, kam aber im Verlauf der Zeit zu einer Zusammenarbeit und zu gegenseitigen Beitrittsempfehlungen an die Mitgliedsorganisationen (wobei man beim P00 das Friedensbüro noch lange als spezialisiertes UNO-Lobby-Büro wahrnahm), Heute ist wieder eine Art Fusion im Gange: das EPSO (European Peace and Security 0ffice), das in Brüssel für die Friedensbewegung die Sicherheits-Politik der EG beobachtet., ist ein Joint Venture von IPCC und IFB. Von der Lobby- zur Basisarbeit Eine starke Dynamik gewann das Internationale Friedensbüro erst wieder ab 1985 unter der Präsidentschaft Bruce Kents, typischerweise einem Aktivisten der neuen Friedensbewegung, der mehr Zeit auf Friedensmärschen verbracht hat als in UNO-Vorhallen. 1986 kam man auch zu einem umfassenderen Aktionsprogram m mit Kampagnen gegen den Waffenhandel, gegen Militärbasen in fremden Ländern, für einen totalen Atomteststopp, zur juristischen Verurteilung jeglicher Tätigkeit bei der Atomwaffenherstellung und für die Legalisierung der Kriegsdienstverweigerung. Allein 1987 stieg die Anzahl der Mitgliedsorganisationen um 26 auf 60 an, ein Trend, der sich bis heute unvermindert fortsetzt: 1991 brachten 24 Neubeitritte das Total auf 124.