100 Jahre Friedensarbeit

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100 Jahre Friedensarbeit
Die Ursprünge der organisierten Friedensbewegung
Nach dem Ende der napoleonischen Kriege entstanden da und dort Friedensgruppen. Diese Kriege hatten
25 Jahre gedauert, als sie 1815 schließlich zu Ende waren und hatten 2.100.000 Tote gefordert. Die
Friedensorganisationen waren Teil einer liberalen Bewegung für politische Reformen und kämpften für die
Menschenrechte, soziale Verbesserungen, Freihandel, die Abschaffung der Sklaverei und des Krieges.
Typische Beispiele waren die American Peace Society (Amerikanische Friedensgesellschaft), die 1815 in
New York gegründet wurde und die Society for the Promotion of Permanent and Universal Peace
(Gesellschaft zur Förderung eines dauerhaften und universalen Friedens), besser bekannt als London
Peace Society (Londoner Friedensgesellschaft), gegründet 1816 auf Initiative der Quäker. Der ethische
Pazifismus dieser ersten Gesellschaften wurde später noch durch Ideen aus Frankreich verstärkt, die
Völkerrecht als Alternative zum Krieg und als Weg zur Lösung internationaler Konflikte ansahen. Die
Bewegung breitete sich langsam aus. Die erste kontinentaleuropäische Friedensgesellschaft wurde 1830 in
Genf gegründet. Die London Peace Society schuf ein Netz von lokalen Gruppen und die Zahl der Mitglieder
wuchs, allerdings nur beim Mittelstand.
Um die Bewegung zu fördern und um ein Forum zu
schaffen, durch das die Friedensbewegung ein
internationales Programm entwickeln konnte, fingen
Pazifisten und FriedensgeselIschaften an,
Friedenskongresse zu organisieren. Ein weiteres Ziel der
Kongresse war es, den Pazifismus als eigenständige
ideologische Strömung darzustellen, unabhängig von
Sozialismus und Liberalismus.
Der erste Kongress, der 1843 in London stattfand, war in
der Hauptsache ein britisch-amerikanischer Versuch. Die
nachfolgenden Kongresse zogen mehr internationale
Beteiligung an, doch blieben die britischen und
amerikanischen Gesellschaften lange Zeit der Kern der Bewegung. Welt-Friedens-kongresse gab es 1848
in Brüssel, 1849 in Paris, 1850 in Frankfurt, 1851 in London, 1852 in Manchester und 1853 in Edinburgh.
Teilnehmer waren Intellektuelle, Geschäftsleute, Juristen, Mitglieder von Kirchen und Staatsmänner. Der
Pariser Kongress, dessen Vorsitzender Victor Hugo war, übernahm, was man das erste Programm der
internationalen Friedensbewegung nennen kann:
"Da allein der Friede die moralischen und materiellen Interessen der Nationen wahren kann, ist es die
Pflicht der Regierungen, alle Konflikte, die zwischen ihnen entstehen, vor einen Schiedsgerichtsausschuss
zu bringen, und dem Urteil der von ihm gewählten Richter zu folgen."
Die Anzahl der Truppen sollte entsprechend reduziert werden...
"... durch allgemeine und gleichzeitige Massnahmen, einerseits, um die Belastung des Volkes zu
erleichtern, andererseits, um die ständige Ursache der Furcht und des Misstrauens zwischen den Nationen
abzubauen."
Die Teilnehmer des Kongresses wurden ermutigt, sich für bessere Erziehung der Jugend einzusetzen, und
Haß und Vorurteile auszurotten.
Doch mit Napoleon waren die Kriege noch nicht zu Ende. 1854 brach der Krimkrieg aus; er forderte
785.000 Todesopfer. 1861, als der amerikanische Bürgerkrieg ausbrach, standen die FriedensGesellschaften zum ersten Mal vor dem klassischen Dilemma der Pazifisten. Die amerikanische
Friedensgesellschaft betrachtete die Sklaverei als ein größeres Übel als den Krieg und unterstützte die
Nordstaaten in ihrem Kampf, während die Londoner Friedensgesellschaft unter allen Umständen gegen die
Anwendung von Gewalt war.
Die Spaltung zeigte sich auf internationaler Ebene, als 1867 zwei internationale Organisationen gegründet
wurden: Die International League for Peace (Internationale Friedensliga) entstand bei einer Konferenz in
Paris im Mai 1867. Im September wurde bei einer Zusammenkunft in Genf die International League for
Peace and Freedom (lnternationale Liga für Frieden und Freiheit) geschaffen. Zwei der Gründer der
letzteren waren Victor Hugo und der Italiener Garibaldi. Die Friedensliga war neutral in politischen und
religiösen Angelegenheiten, während die Liga für Frieden und Freiheit radikaler war. Sie trat für die
Republik statt der Monarchie ein, richtete sich gegen klerikale Gewalt und Papismus und befürwortete die
Demokratie. Garibaldi wünschte revolutionäre Maßnahmen, während eine Gruppe französischer
Sozialisten von der Unterdrückung durch den Kapitalismus sprach, was einen Tumult hervorrief und einige
trockene
Kommentare über interne Streitereien unter den Pazifisten. Die Friedensliga fürchtete kompromittiert zu
werden und änderte ihren Namen in "Société des Amis de la Paix" (Gesellschaft der Friedensfreunde). Im
Interesse des Friedens versuchte diese Liga, die britische Kritik an dem neuen französischen Diktator,
Louis Napoleon (III), abzuschwächen, während Victor Hugo, der im Exil war, eine französische Revolution
und die Schaffung einer Republik wollte. Diese Differenzen wurden zur nie endenden Streitfrage der
Friedensbewegung: Sollte der Staat sich bewaffnen zur "Verteidigung" (gegen andere Staaten,
Revolutionen, größere Übel), und:
Ist es recht (oder eine gute Strategie), wenn der Unterdrückte Gewalt gegen den Staat, oder gegen ein
größeres Übel anwendet?
1889 war ein wichtiges Jahr für die Entwicklung der Friedensbewegung. Zusammen mit britischen und
französischen Parlamentariern gründete Frédéric Passy, ein französischer Abgeordneter, die
Interparlamentarische Union. Passy führte auch den Vorsitz beim ersten größeren internationalen
Friedenskongress (seit 1853), der erst 1889 in Paris stattfand. Es war der erste einer ganzen Reihe
"universaler Friedenskongresse". Die dabei vertretenen FriedensgeselIschaften beschlossen, sich unter
dem Namen "International Union of Peace Societies" zu vereinigen.
Einige andere international aktive Gründer der Bewegung während dieser Zeit waren Hodgson Pratt aus
Großbritannien, Christopher von Egidy aus Deutschland, Elie Ducommon und Albert Gobat aus der
Schweiz, Baronin Bertha von Suttner aus Österreich, Ernesto Teodoro Moneta aus Italien, Frederik Bajer
aus Dänemark, Carel Asser aus den Niederlanden, Henri La Fontaine aus Belgien, KIas P. Arnoldson aus
Schweden und Christian Lange aus Norwegen.
Weltweite Friedenskongresse – Gründung des Ständigen Internationalen Friedensbüros
Der zweite Kongress fand 1890 in London statt. Es war nötig, eine ständige Einrichtung für die
Organisation der Kongresse zu haben, und um die Friedensbewegung international zu repräsentieren.
Frederik Bajer aus Dänemark schlug bei dem Kongress in London zum erstenmal vor, ein Friedensbüro zu
gründen. Zur Ausarbeitung eines detaillierten Vorschlages wurde ein Komitee benannt.
Der dritte Weltfriedenskongress, der im Juli 1891 in Rom stattfand, beschloss, das "Ständige Internationale
Friedensbüro" zu schaffen, als Exekutiv-Büro der "Internationalen Union der Friedensgesellschaften". Die
formelle Einrichtung des Internationalen Friedensbüros (IFB) geschah im Dezember 1891 in Bern in der
Schweiz. Die Satzung wurde bei dem vierten Weltfriedenskongress, der vom 22.-27. August 1892 in Bern
stattfand, angenommen und die Ratsmitglieder gewählt. Frederik Bajer wurde der erste Präsident.
Das IFB war eine einzigartige Leistung innerhalb der gesamten Friedensbewegung, da hier sowohl die
radikalen, als auch die liberalen und die konservativen Elemente in einer Organisation zusammenfanden.
Die Gründer der beiden Gruppierungen für Frieden (und Freiheit) traten dem IFB bei, ebenso Pazifisten
und Antimilitaristen. Der liberale Pazifismus blieb der Kernpunkt des Programms für die Friedensbewegung
und das IFB, doch die Debatte darüber wurde fortgesetzt.
Der vierte Weltfriedenskongress rief auf zur Einberufung einer Konferenz der europäischen Staaten für
gegenseitige, ausgewogene, gleichzeitige Abrüstung. Das IFB begann mit der Herausgabe eines
bescheidenen Journals, das "Correspondence Autographiée" hieß. Es hatte eine Auflage von 100
Exemplaren.
Das Internationale Friedensbüro bekam jetzt die Aufgabe, die Weltfriedenskongresse vorzubereiten. Sie
fanden 1893 in Chicago, 1894 in Antwerpen und 1896 in Budapest statt. Ein alle zwei Monate
erscheinendes Bulletin ersetzte das Journal; 3000 Exemplare wurden gedruckt. Die Mitgliederzahl des IFB
nahm rasch zu. 1895 gehörten 65 Friedensgesellschaften aus 12 Ländern dem IFB an, 1897 waren es
schon 88 Vereinigungen aus 14 Ländern.
Der 7. WeIt-Friedenskongress, der im September 1896 in Budapest stattfand, stimmte einem Kodex
internationaler Gesetze zu. Seine Hauptprinzipien waren:
1. Internationale Beziehungen unterliegen denselben gesetzlichen und moralischen Prinzipien wie die
Beziehungen zwischen Einzelpersonen.
2. Keine Nation hat das Recht, in eigener Sache zu richten.
3. Keine Nation darf einer anderen den Krieg erklären.
4. Jeder Streit zwischen den Nationen sollte durch rechtliche Verfahren geregelt werden.
5. Die Autonomie jeder Nation ist unverletzlich.
6. Es gibt kein Recht zur Eroberung.
7. Nationen haben das Recht, ihre Selbst-Verteidigung zu rechtfertigen.
8. Nationen haben das unveräußerliche Recht, frei über sich selbst zu verfügen.
9. Es herrscht Solidarität zwischen allen Nationen.
Im Jahre 1898 appellierte das IFB an alle Nationen, sie sollten im spanisch-amerikanischen Krieg
vermitteln. In den darauffolgenden Jahren appellierte das IFB zugunsten des armenischen Volkes, der
Buren und des finnischen Volkes. Es forderte eine Beendigung der Feindseligkeiten und eine Lösung der
Konflikte zwischen Argentinien und Chile, China und Japan, des Russisch-Japanischen Krieges und der
Balkankriege durch Schiedsgerichte.
1899: Die erste internationale Friedenskonferenz
Mehrere Jahre lang versuchten Pazifisten, unter ihnen Bertha von Suttner, die Regierungen, also Könige,
Königinnen, Kaiser und den Zaren zu überzeugen, eine Friedenskonferenz einzuberufen. 1895 schrieb
Bertha Von Suttner ein Buch: "Schach der Qual", in welchem sie eine solche Konferenz beschrieb:
"Auf die Initiative eines der mächtigsten Staatsoberhäupter in Europa, und nachdem mit allen europäischen
Regierungen grundsätzliche Übereinstimmung erreicht worden war, wurde diese Konferenz einberufen und fast alte Staaten, große und kleine, mit wenigen Ausnahmen, haben ihr Einverständnis erklärt und sind
anwesend."
Bertha von Suttner schickte ihr Buch dem russischen Zaren Nikolaus II. Auch ein anderer Pazifist, der
russische Schriftsteller Johann Bloch, der 1892 das Buch "Der Krieg der Zukunft" geschrieben hatte,
machte dem Zaren grossen Eindruck. In dem Buch hatte er geschrieben, dass neue Technologien,
einschließlich der Sprengstoffe, die Alfred Nobel erfunden hatte, eine neue Situation schufen, die
zwangsläufig eine bessere internationale Verständigung erforderte. Wirtschaftliche Faktoren haben zur
Folge, dass kein Krieg von irgendeiner Seite mehr gewonnen werden kann. Nikolaus II. studierte das
sechsbändige Werk von Bloch gründlich, lud Bloch zu sich ein und befragte ihn persönlich viele Stunden
lang. Am 24. August 1898 gab Nikolaus II. ein Friedensmanifest heraus und rief zu einer internationalen
Konferenz auf: "Nationale Kultur, ökonomischer Fortschritt, die Schaffung von Werten wird behindert und
unterbunden." Der Zar hielt es für seine Pflicht, "diese endlose Aufrüstung zu beenden und nach Mitteln zu
suchen, um das Übel zu stoppen, das die ganze Welt bedroht."
Der Zar als Tenor
Die Waffen nieder
Walzer
von Bertha von Suttner
"Die Stimme ist nett, aber für das Orchester nicht laut
genug."
(Abrüstungs-Bilderbuch, Berlin 1899)
Die Zeitungen reagierten auf das Manifest negativ. Die
österreichische Linzer Montagspost schrieb: Nur ein
träumender Kosmopolit könnte so etwas ernst
nehmen, denn es sei ein ausgeklügelter Schachzug
einer echt slawischen Politik mit hinterhältigen
Motiven. Der Zar sei ein Bär im Lammfell. Tatsächlich
war Österreich dabei, seine Waffen zu modernisieren und das technologisch rückständige Russland wollte
diese Entwicklung stoppen oder verlangsamen. Auch die Sozialdemokratie reagierte skeptisch und sogar
feindlich, besonders gegen den Zaren selbst. Leute in diplomatischen Kreisen dachten, das Ziel des
Manifestes sei es, die anderen Mächte zu überreden, ihre Rüstungsproduktion zu stoppen, bis Russland
seine sibirische Eisenbahn fertig gebaut und einige weitere Anleihen gemacht hätte (und danach würde
Russland militärisch stärker sein). In der Tat konnte man kaum behaupten, der Zar handle auf friedliche
Weise, z.B. durch seine Russifizierungspolitik die er gegenüber Finnland betrieb. Die europäischen
Regierungen reagierten nicht begeistert in ihrer Antwort auf die Vorschläge des Zaren und die russische
Terminologie wechselte von "Abrüstung" zu "Stillstand des Rüstungswettlaufs".
Bemühungen, die Arbeiterbewegung zu gewinnen
Schon früh in seiner Geschichte versuchte das IFB eine Zusammenarbeit mit der Arbeiterbewegung zu
erreichen. Die ersten Friedenskongresse hatten festgestellt: "Genossenschaften sind der beste Weg zum
Frieden." Der Weltfriedenskongress von Bern 1892 beschloss, Arbeiterorganisationen gleichberechtigt zu
den Friedenskongressen einzuladen. Zunächst war die Reaktion sehr negativ. Belgische
Arbeiterorganisationen antworteten auf die Einladungen mit dem Hinweis auf die Entschließungen der
Zweiten Sozialistischen Internationale von 1891. Diese Entschließungen stellten fest, wenn die
wirtschaftlichen Ursachen für Kriege nicht zuerst durch die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft
beseitigt seien, seien alle Friedensbemühungen nutzlos. Bei ihrem Kongress in Zürich, im Jahr 1893,
propagierte die Zweite Internationale den Klassenkampf als einziges Mittel, um Frieden zwischen den
Völkern zu erreichen.
Doch diese Ansicht änderte sich. Drei Jahre später, in London, schloss die Zweite Internationale die
Schaffung eines Internationalen Gerichtshofes zur friedlichen Konfliktlösung in ihre Forderungen ein.
Andererseits zögerten viele liberale und konservative Pazifisten, sich mit der Arbeiterbewegung
einzulassen. Bertha von Suttner schrieb 1896, das pazifistische Programm für die Friedensarbeit müsse
noch vor irgendeiner allgemeinen Sozialreform erreicht werden. Der Präsident des IFB, Bajer, war anderer
Ansicht, doch Bertha von Suttners Meinung wurde bei den Friedensgesellschaften mehr akzeptiert,
besonders in Deutschland und Österreich. Mehrere Ratsmitglieder des IFB drängten zu einer Verbindung
mit der Arbeiterbewegung, sowohl durch das Programm der Friedensbewegung, als auch durch
persönliche Kontakte zwischen den Friedensgesellschaften und den Gewerkschaften. Die gemeinsamen
Ziele für Arbeiterverbände und Pazifisten wurden der Kampf für die Abrüstung, für internationale
Schiedsgerichte und die antimilitaristische Erziehung der Jugend. Besonders in Großbritannien und in
Frankreich bemühten sich die Friedensgesellschaften um Kontakte zur Arbeiterbewegung. Das IFB
begann, die wirtschaftlichen Ursachen des Krieges zu untersuchen.
Der erste wirkliche Durchbruch kam 1902, als der Kongress der Internationalen Genossenschafts-Allianz in
Manchester tagte. Bei dieser Zusammenkunft stimmten Vertreter aus 18 Ländern einmütig für eine
Resolution, welche die Ergebnisse der Friedenskonferenz von Monaco von 1902 begrüßte und sich für
formale Kontakte mit dem IFB aussprach. In Großbritannien sprachen sich die Sozialdemokratische Union,
die Unabhängige Labour-Partei, der Allgemeine Gewerkschaftsverband und der Gewerkschaftsrat von
London zugunsten des IFB aus. Die Metropolitan Radical Federation und die Genossenschafts-Union
wurden Mitglied des IFB. In Frankreich traten verschiedene Lehrerverbände, kleinere Verbände und
Hochschulen als Mitglieder bei. Irr Italien kamen die Arbeiterverbände von Rom und Brescia dazu. Die
belgische Sozialistische Partei, die zwar immer noch ihre eigenen antimilitaristischen Argumente
vorbrachte, akzeptierte auch die pazifistischen und schickte sogar ein Rundschreiben an ihre Ortsgruppen
mit dem Vorschlag, mit der Friedensbewegung zusammenzuarbeiten. Das hatte zur Folge, dass einige
belgische Gewerkschaften beitraten. In der Schweiz wurden die Sozialdemokratische Partei und der
Grütliverein Mitglieder.
Das IFB stellte fest, eine bessere Gesellschaftsordnung sei die Vorbedingung für einen internationalen
Frieden. Aber die Annäherung hielt sich in Grenzen. Es wurde auch festgestellt, dass die Abschaffung des
kapitalistischen Systems nicht notwendigerweise das Ende aller Kriege bedeuten würde. Selbst nach dem
Sieg des Proletariats würde es reiche und arme Länder geben und daher wirtschaftliche Kriegsursachen,
ebenso wie religiöse und rassische Unterschiede. Darum würde es fernerhin notwendig sein, ein System
internationalen Rechts zu schaffen, bei welchem Recht vor Macht geht.
Der schwedische Staatsbürger Alfred Nobel war ein persönlicher Freund Bertha von Suttners und ein
großzügiger Gönner der von ihr gegründeten Österreichischen Friedensgesellschaft.
(Quelle: UN-Archiv, Genf)
Im Oktober 1898 traf Bertha von Suttner den russischen Außenminister und schlug die Gründung einer
Russischen Friedensgesellschaft vor. Der Minister wandte ein, da müsse der Zar zuerst gefragt werden,
und, die Gründung einer Russischen Friedensgesellschaft sei unerwünscht und sogar unnötig, denn "jetzt
seien der Zar und seine Regierung selbst an der Spitze der Bewegung". Das Buch "Die Waffen nieder",
das Bertha Von Suttner berühmt gemacht hatte, als es 1888 erschienen war, war in Russland verboten.
In dem russischen Programmentwurf für die Konferenz 1899 war das ursprüngliche Manifest abgeschwächt
worden. Es war nur noch die Rede vom Achten gewisser Explosivstoffe und von der "Humanisierung" des
Krieges.
Die Einladungen für die Konferenz kamen aus den Niederlanden. Es entstanden Auseinandersetzungen,
da Italien gegen einen Vertreter des Papstes war und England dagegen war, dass die beiden
südafrikanischen Staaten Transvaal und Orange Freistaat eingeladen wurden, gegen den Willen der
Niederlande. Vom amerikanischen Kontinent kamen nur die USA und Mexiko. Die deutsche Delegation war
aus Anti-Pazifisten zusammengesetzt. Die Mitglieder des IFB waren sehr damit beschäftigt, die
Regierungen und die Vertreter der Staaten, die an der Konferenz in Den Haag teilnahmen, zu beeinflussen.
Ein "Friedens-Kreuzzug" mit Veranstaltungen in den europäischen Hauptstädten wurde von England aus
organisiert. Eleonore Selenka, die Frau eines Münchner Professors, sammelte über eine Million
Unterschriften zur Unterstützung der Friedenskonferenz aus der ganzen Welt.
Zu Ehren des lnitiators wurde die Konferenz am Geburtstag Nikolaus II., am 18. Mai 1899, eröffnet. Sie
dauerte bis zum 29. Juni. Ausser den europäischen Staaten nahmen noch die USA, Mexiko, China, Japan
und Siam daran teil. Es gab drei Kommissionen: Abrüstung, Kriegsregeln, Schiedsgericht. Die
Abrüstungskommission versagte: Ein russischer Vorschlag für ein fünfjähriges Moratorium des
Rüstungswettlaufs wurde abgewiesen. Die zweite Kommission kam überein, Dumdum-Geschosse, den
Gaskrieg und das Abwerfen von Bomben aus Ballonen für fünf Jahre zu verbieten. (Flugzeuge gab es
damals noch nicht.) Diese Ächtung wurde jedoch nicht erneuert - Flugzeuge kamen in Gebrauch und das
Abwerfen von Bomben hatte militärische Bedeutung erlangt. Die dritte Kommission erreichte etwas Neues:
Eine Konvention über die friedliche Beilegung internationaler Konflikte durch ein Schiedsgericht.
Im Jahr nach der Haager Konferenz, dem Jahr 1900, erhielt das Internationale Friedensbüro für seine
Friedensarbeit den Grossen Preis der Pariser Weltausstellung. Dort wurde auch der neunte
Weltfriedenskongress organisiert. im folgenden Jahr erhielt Frédéric Passy, ein Mitglied des IFB-Rats, den
ersten Friedens-Nobelpreis, zusammen mit Henri Dunant, dem Gründer des Roten Kreuzes. Im Jahr 1901
hatte das IFB 100 Mitgliedsgesellschaften in 19 Ländern. 1902 erhielt der Generalsekretär des IFB Elie
Ducommon den Friedens-Nobelpreis, zusammen mit dem IFB-Ratsmitglied Albert Gobat, der später
Ducommons Nachfolger wurde. Bertha von Suttner, die Vize-Präsidentin des IFB, erhielt den FriedensNobelpreis im Jahre 1905.
1907 wurde eine zweite Konferenz in Den Haag abgehalten. Der Schwerpunkt lag auf "humanitäre" Regeln
der Kriegführung und eine Konvention, die bei dieser Konferenz angenommen wurde, stellte fest, das
Recht, einen Feind zu schädigen, gelte nicht uneingeschränkt. Die Konvention verbot Waffen, die
unnötiges Leiden verursachen, besonders den Einsatz von Gift, "heimtückisches" Töten und das Töten
oder Verwunden eines Feindes, nachdem er sich schon ergeben hat. Jedoch wurde keine Einigung über
die Begrenzung "übermässiger Rüstung" erzielt. Es gab Pläne für eine dritte Haager Konferenz, doch
wurden sie fallengelassen, als die Spannungen vor Beginn des Ersten Weltkrieges zunahmen.
Das IFB richtete eine Untersuchungskommission ein, welche auf der Basis folgender Vorschläge arbeitete:
•
•
•
•
•
•
Kriege verhindern soziale Verbesserungen und industrielle Entwicklung.
Es müssen entscheidende Schritte unternommen werden, um die wachsenden Rüstungsausgaben
zu stoppen.
Es ist notwendig, gegen die kapitalistischen Syndikate vorzugehen, die aus egoistischen Gründen
Kolonialpolitik betreiben.
Internationale Beziehungen müssen entwickelt werden.
Schiedsgerichte und der Internationale Gerichtshof in Den Haag müssen gefördert und entwickelt
werden.
Stehende Heere sollten in Milizen umgewandelt werden.
Zwischen den beiden Weltkriegen und sogar bis zu den achtziger Jahren waren formelle Beziehungen
zwischen dem IFB und der Arbeiterbewegung nicht häufig. Zur Zeit der Neu-Organisation des IFB durch
ILCOP am Ende des Zweiten Weltkrieges gehörten nur Friedensorganisationen zu den Mitgliedern des
IFB. In den achtziger Jahren jedoch wuchs das Interesse der Arbeiterbewegung an Friedensfragen und
ebenso das Interesse der Friedensbewegung an Begegnungen mit der Arbeiterbewegung. Bei der
Atomabrüstungskampagne END gab es eine starke Beteiligung der Gewerkschaften. 1986 und 1987 haben
sich die ersten Gewerkschaften der Nachkriegszeit dem IFB angeschlossen: Die Industriegewerkschaft von
Bermuda und die Internationale Union der Lebensmittelgewerkschaften mit Sitz in der Schweiz. 1988
kamen die australische Lehrervereinigung und die Vereinigte Metallarbeitergewerkschaft Australiens hinzu.
1990 trat die britische Gewerkschaft der Feuerwehrmänner dem IFB als Mitglied bei.
Mobilisierung des IFB angesichts des drohenden Krieges und Anerkennung seiner Tätigkeit
Gegen das Jahr 1905 war die Mitgliedschaft des IFB auf 132 Friedensgesellschaften in 26 Ländern
angewachsen: Argentinien, Österreich, Belgien, Bolivien, Brasilien, Großbritannien, Kanada, Chile,
Dänemark, Ägypten, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, Japan, Norwegen, Niederlande, Persien,
Portugal, Rumänien, Rußland, Spanien, Schweden, Schweiz, USA und Uruguay.
1907 drückte der 16. Weltfriedenskongress die Hoffnung aus, dass eine Nation einen Schritt zur Abrüstung
durch einseitige Reduktion ihres Rüstungspotentials tun könnte, in der Hoffnung, dass dann weitere
Nationen nachziehen würden.
Ernesto Teodoro Moneta, Mitglied des IFB-Rates, erhielt den Friedens-Nobelpreis. Im darauffolgenden
Jahr wurde der Friedens-Nobelpreis Frederik
Bajer, dem ersten IFB-Präsidenten, verliehen. Er teilte den Preis mit Klas P. Arnoldson von Schweden,
dem Gründer der Schwedischen Gesellschaft für Frieden und Schiedsgerichtsbarkeit.
Der 18. Weltfriedenskongress fand 1910 in Riddarhusset/Stockholm statt. In jenem Jahr erhielt das
Internationale Friedensbüro selbst den Friedens-Nobelpreis. Alfred Hermann Fried, ein Mitglied des IFBRates, erhielt ihn 1911.
Die Friedensbewegung wurde zu einer größeren Volksbewegung. Während dieser Zeit herrschte unter den
europäischen Mächten ein ungeheurer Rüstungswettlauf und sie schlossen aggressive Militärbündnisse.
Ihre Ziele waren oft militärische Eroberungen. Praktisch jede Nation erhob Anspruch auf Gebiete des
Nachbarlandes. Die Großmächte wetteiferten auch darin, sich Kolonien in Übersee anzueignen und
brüsteten sich mit der Stärke ihrer Flotten.
Militäre Truppen und Marinekräfte der Grossmächte (1000 man)
1880
1890
1900
1910
1914
Russland
791
677 1 162 1 285
1 352
Frankreich
543
542
715
769
910
Deutschland
426
504
524
694
891
Grossbritannien
367
420
624
521
532
Österreich246
346
385
425
444
Ungarn
Italien
216
284
255
322
345
Japan
71
84
234
271
306
USA
34
39
96
127
164
Flottentonnage der Grossmächte (1000 ton)
1880
1890
1900
1910
1914
Grossbritannien
650
679 1 065 2 174
2 714
Frankreich
271
319
499
725
900
Russland
200
180
338
401
679
USA
169
240
333
824
985
Italien
100
242
245
327
498
Deutschland
88
190
285
964
1 305
Österreich60
66
87
210
372
Ungarn
Japan
15
41
187
496
700
(Quelle: Kennedy, The Rise And Fall of the Great Powers)
Pazifismus kontra Nationalismus - Bemühungen, die Katastrophe zu verhindern
Während des immer bedrohlicheren Rüstungswettlaufs in Europa versuchte das IFB, die deutschfranzösische Versöhnung zu fördern. Eine Initiative kam von dem deutschen Parlamentarier Ludwig Frank.
Der deutsche Reichstag war dabei, eine Verlängerung der Wehrpflicht zu beschliessen und Frank wollte
das Argument der "Notwendigkeit" der Verlängerung widerlegen, indem er Gespräche mit Frankreich als
Alternative vorschlug. Man bat das IFB, eine Konferenz von deutschen und französischen Parlamentariern
zu organisieren. In der gespannten politischen Atmosphäre war das ein schwieriges Unterfangen. Viele
Abgeordnete weigerten sich, an einem solchen Treffen teilzunehmen. Deutsche Reichstagsabgeordnete
sabotierten sogar die Vorbereitung durch Einschüchterung ihrer Kollegen, um ihre Teilnahme zu
verhindern. Schliesslich trafen sich 39 deutsche Reichstagsabgeordnete mit 190 französischen
Abgeordneten und 25 Senatoren im Mai 1913 in Bern (Schweiz). Ausser elf Teilnehmern waren alle
Deutschen Sozialdemokraten. Die Ziele der Zusammenkunft, die der Generalsekretär Gobat zu Beginn der
Konferenz darlegte, waren: die Notwendigkeit der Rüstungsbegrenzung festzustellen, Vorschläge zu
unterbreiten für Mittel und Wege zu einer friedlichen Lösung der Konflikte und eine deutsch-französische
Kommission zur Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu bilden. Alle diese Ziele
wurden erreicht. Für das folgende Jahr war eine zweite deutsch-französische Konferenz geplant, doch die
Weltlage machte ihre Organisation unmöglich.
Der Wettfriedenskongress von 1913 fand in Den Haag statt. Die Delegierten des Kongresses waren die
ersten, die den neu erbauten Friedenspalast von Den Haag benutzten, der später Sitz des Internationalen
Gerichtshofes werden sollte. 1914 sollte der Kongress in Wien stattfinden. Der "Grosse Krieg" verhinderte
alle Vorbereitungen für den Kongress im Juli 1914.
Am 28. Juni wurde der österreichische Kronprinz Franz Ferdinand in Sarajewo ermordet. Die
österreichische Regierung stellte Forderungen an Serbien. Russland machte mobil, um Serbien zu
verteidigen. Deutschland erklärte Russland am 1. August den Krieg und griff dann Frankreich durch das
neutrale Belgien an. Darauf traten Russland und England in den Krieg ein.
Der Rat des IFB bestand vor allem aus Personen aus den kriegführenden Ländern. Politische Aktionen
wurden schwierig. Es entstand eine Spaltung zwischen denen, die auf einer sofortigen Beendigung der
Feindseligkeiten bestanden und denen, die eine Verurteilung Deutschlands wollten, das die Neutralität
Belgiens und Luxemburgs verletzt hatte. Das IFB protestierte gegen den Krieg und die Verletzungen des
Völkerrechts, die stattgefunden hatten. Es empfahl auch die Schaffung einer internationalen Staaten-
organisation und insbesondere eines Weltgerichtshofes. Abgesehen davon enthielt sich das IFB während
des Krieges jeder politischen Tätigkeit. Stattdessen richtete es zu Beginn des Krieges einen Dienst für
Kriegsgefangene ein. Dieser Dienst versandte bis Ende 1919 mehr als 800.000 Briefe und Karten, um
vermisste Personen aufzufinden.
Nach dem Ersten Weltkrieg – Das Wachstum der Friedensorganisationen
Nach dem "Grossen Krieg" wurde eine der Forderungen des Programms des IFB verwirklicht: die
Gründung des Völkerbundes. Leider hatte der Völkerbund viele Fehler, die 20 Jahre später zu seiner
Auflösung und seinem Misserfolg führen sollten. Das IFB-Ratstreffen vom August 1919 forderte eine
Revision der Völkerbund-Satzungen. Besonders...
die Benennung der Prinzipien, auf denen der Völkerbund beruhen soll, in der Präambel der Statuten; die
Ausarbeitung internationaler Rechtsbestirnmungen die absolute Verurteilung des Krieges; die strenge
Verpflichtung, internationale Konflikte gut willig und juristisch zu lösen; das Recht aller Nationen, sich dem
Völkerbund anzuschließen, unter der einzigen Bedingung, dass sie den Verpflichtungen des Bundes
genügen - was auch für alle Mitglieder zutreffen sollte; die Schaffung des Internationalen Gerichtshofes; die
Abschaffung der nationalen Heere und die Einrichtung internationaler Armee- und Marinekräfte (die unter
der Kontrolle des Völkerbundes stehen sollten).
Für mehrere Jahre sollten IFB und die Weltfriedenskongresse den Völkerbund unterstützen, während sie
gleichzeitig auf seine Reform drängten.
Die Friedensbewegung veränderte sich nach 1918. Viele FriedensgeselIschaften verloren Mitglieder. Die
Schwedische Gesellschaft für Frieden und Schiedsgerichtbarkeit zum Beispiel hatte Ende 1918 20.077
zahlende Mitglieder. 1919 sank diese Zahl auf 15 945. 1920 betrug die Mitgliedsstärke 7 217 und 1921 nur
noch 3 816.
Ein Grund für diesen Niedergang war die Einrichtung der neuen Völkerbunds-Organisationen. Sie vertraten
einen spezifischen und sehr populären Teil des IFB-Programms. Außerdem verfügten sie über größere
Geldmittel, weil viele von ihnen direkt von den nationalen Regierungen unterstützt wurden. Einige
Friedensgesellschaften lösten sich sogar vom IFB, um sich stattdessen der Weltföderation der
Völkerbunds-Organisationen anzuschliessen. Dies geschah in der Schweiz, den Niederlanden und in
Dänemark. Ein Zusammenschluss mit der Föderation wurde ausgeschlossen, weil dies das Aufgeben des
breiteren Programms des IFB und der Kritik am Völkerbund bedeutet hätte.
Ein weiterer Grund für den Rückgang des IFB war die Entwicklung eines stärkeren und radikaler
antimilitaristischen Flügels der Friedensbewegung. Das war ein logisches Resultat des Krieges, der eine
ganze Generation radikalisiert hatte. Die militant antimilitaristische Strömung, die vor dem Kriege innerhalb
des IFB existiert hatte, war eine Minderheit gewesen. Doch der klassische Pazifismus und sein Programm
hatten, mit Ausnahme der Erwartung, der Völkerbund möge sich zu einer Weitregierung entwickeln, viel
von ihrer Anziehungskraft verloren. Der ideologische Konflikt zwischen Pazifismus und Antimilitarismus
brach aus. Die Radikalen stellten die Effektivität des IFB-Programms in Frage, das ja auf der Stärkung des
Völkerrechts basierte. Sie wollten Nationalismus und Militarismus kompromisslos bekämpfen und standen
Militär und Armeen in völliger Opposition gegenüber. Sie begannen damit, Arbeitsverweigerung in
Rüstungsbetrieben und Widerstand gegen den Krieg im weitesten Sinne anzuregen. Die klassischen
Pazifisten wollten eine internationale Polizeimacht und befürworteten "defensive" Kriege und Waffen.
Politische Ideologien vertieften die Trennung, da linke Bewegungen nicht mit "Bürgerlichen" und rechten
Bewegungen zusammenarbeiten wollten, und umgekehrt.
Die Führung des IFB sah diese Gegensätze als unversöhnlich an und die Bewegung spaltete sich. Das IFB
entwickelte jetzt ein klareres Profil: Frieden durch Völkerrecht (und dessen Entwicklung und Unterstützung).
Diese Strömung, und somit das IFB, verlor an Bedeutung innerhalb der Friedensbewegung. Andererseits
entstanden viele neue Friedensorganisationen auf nationaler und internationaler Ebene.
1915: Die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit
(The Women's International League for Peace and Freedom - WILPF)
WILPF hat ihre Wurzeln in der internationalen Suffragetten-Allianz, eine damals schon gut etablierte
Organisation mit PazifistInnen in den Leitungspositionen. Als die Suffragetten-Allianz ihren regulären
Kongress wegen des Krieges ausfallen ließ, übernahmen die holländischen Mitglieder Anfang 1915 die
Initiative, um einen Frauenkongress gegen den Krieg zusammenzurufen, Zum Kongress versammelten
sich im April 1915 1136 Frauen in Den Haag. Als Resultat wurden Frauendelegationen an 14 Regierungen
Europa, USA und Russland gesandt, um eine Konferenz neutraler Nationen zu fordern, die zwischen den
kriegführenden Ländern vermitteln sollte.
Während des Haager Kongresses wurde das Internationale Frauenkomitee für einen permanenten Frieden
gegründet und in verschiedenen Ländern bildeten sich Sektionen. Eine inoffizielle Konferenz neutraler
Länder wurde schließlich 1916 mit finanzieller Unterstützung des amerikanischen Millionärs Henry Ford
abgehalten, aber diese Bemühung scheiterte, als Deutschland den unbegrenzten U-Boot-Krieg fortsetzte
und die USA im April 1917 in den Krieg eintraten. Aber die Sektionen, die in vielen Ländern entstanden
waren, setzten ihre Arbeit fort und nach der deutschen Kapitulation 1918 wurde ein neuer Kongress in
Zürich zusammengerufen. Eine offizielle Satzung der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit
wurde verabschiedet und das Büro von Amsterdam nach Genf verlegt, um in der Nähe des Hauptquartiers
des neugegründeten Völkerbundes zu sein.
1919: Der Internationale Versöhnungsbund
(The lnternational Fellowship of Reconciliation - IFOR)
Am Rande der zweiten Haager Konferenz von 1907 diskutierten Teilnehmer von den deutschen und
englischen Kirchen die Frage, wie Spannungen zwischen den Ländern abgebaut werden könnten. Nach
sechs Jahren des Austauschs von Delegationen von Christen aus Großbritannien und Deutschland wurde
der Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen bei einem Treffen in Konstanz vom 1.-3. August 1914
gegründet. Das Konstanzer Treffen fand unmittelbar am Vorabend des Weltkrieges statt. Es musste am 3.
August beendet werden, weil die Teilnehmer, die aus 12 verschiedenen Ländern stammten, in versiegelten
Eisenbahnwagen aus Deutschland ausgewiesen wurden. Einige Teilnehmer beschlossen die Gründung
einer internationalen Friedensallianz und nationale "Versöhnungsbünde" entstanden. Während es dem
Weltbund vor allem um internationale Zusammenarbeit ging, betonten die Mitglieder dieser Gruppen
besonders die persönliche Verpflichtung zum Kampf gegen den Krieg, Gewaltfreiheit und die Bergpredigt.
Nach dem Krieg trafen sich im Oktober 1919 etwa 40 Pazifisten in Bilthofen in den Niederlanden, um den
Internationalen Versöhnungsbund ins Leben zu rufen. Reisesekretäre wurden ausgesandt, die IFORZweige in den meisten westlichen Ländern, in Japan, China, Australien, Neuseeland und später in Afrika
und Lateinamerika gründeten. Pierre Cérésole, der erste IFOR-Sekretär, war außerdem der Gründer des
Internationalen Zivil-dienstes (Service Civil International) gewesen.
1921: Die Internationale der Kriegsdienstgegner
(The War Resisters' International - WRI)
Die Geschichte der WRI geht auf 1904 zurück, als ein antimilitaristischer Kongress in den Niederlanden
abgehalten wurde, bei dem die Internationale Antimilitaristische Assoziation entstand. Bis zum Krieg
arbeitete die Assoziation hauptsächlich in Holland. Nach dem Krieg wurden nationale Organisationen
gebildet. Sie versuchten, persönlichen Pazifismus mit einer ökonomischen Kritik der Klassenstrukturen zu
verknüpfen. Die Internationale Antimilitaristische Assoziation kam wieder 1919 zu einem Kongress
zusammen, auf dem sie ihre vier Motivationspunkte definierte: Die Zurückweisung persönlicher Zwänge,
die durch den Militarismus ausgeübt werden; die Zurückweisung aller Formen von Gewalt; die
Zurückweisung des militärischen Selbstbewusstseins als "Wachhund des Staates"; und die Zurückweisung
des kapitalistischen Staates selbst. Die Assoziation spaltete sich bei ihrem dritten Kongress 1921. Auf die
Initiative von Quäkern hin gründeten vier nationale gewaltfreie antimilitaristische Organisationen ihre
eigene Internationale, die sich zunächst "Paco" (der Esperanto-Ausdruck für Frieden) nannte. Ein
zerbrochenes Gewehr wurde als gemeinsames Symbol gewählt.
1922 wurde der Name "Internationale der Kriegsdienstgegner" geändert. Der anarcho-syndikalistische
Antimilitarismus ging nach 1921 zurück und die antimilitaristische Assoziation verschwand 1940. Die WRI
wuchs schnell während der Friedenswellen der zwanziger und dreissiger Jahre und 1933 war sie in 24
Ländern vertreten, wo sie ihre Arbeit auf Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen konzentrierte.
In der Zeit nach 1920 gab es eine grosse Friedensbewegung in Europa. In den Niederlanden wurden 1924
dem Parlament Petitionen mit anderthalb Millionen Unterschriften gegen das Marinegesetz übergeben.
"Kirche und Frieden" war einer der Initiatoren. Das Marinegesetz wurde in der Folge abgelehnt. Die
Mitgliederzahl der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG) stieg 1926 auf 30.000 an. In Schweden war der
"weisse General" - so genannt wegen seiner weissen Kleidung und seines weissen Autos, mit dem er auf
Vortragsreisen fuhr - ein solch effizienter Redner, dass überall nach seinen Auftritten neue Friedensgruppen entstanden. Die Mitgliederzahl der Schwedischen Gesellschaft für Frieden und Schiedsgerichtsbarkeit stieg 1930 auf 49.000 Mitglieder und 1482 Ortsgruppen an.
Das IFB jedoch, welches "Frieden durch Völkerrecht" befürwortete, sah den Einfluss dieser Strömung
schwinden. 1922 beschloss seine Führung, sich für eine weitere Zusammenarbeit innerhalb der
Friedensbewegung einzusetzen und verkündete später, dass sie die Strömungen, die Widerstand gegen
Krieg und militärische Verteidigung propagierten, als gleichwertig ansähe.
1923 schlug das IFB bei einer Tagung in Basel ein Komitee zur Koordination (CIC) pazifistischer Kräfte vor,
zusammen mit der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit, dem Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen und der Internationalen Freimaurerassoziation. Später nahmen viele andere
Organisationen an den Treffen teil: Die Weltföderation der Völkerbund-Organisationen, der Internationale
Gewerkschaftsbund, das Institut für Völkerrecht, das Internationale Komitee für demokratische Aktion, der
Internationale Frauenrat, das Internationale Büro für Erziehung, die Internationale Lehrervereinigung, die
Vereinigung der Ligen für Menschenrechte, die Weltjugendliga und die Vereinigung internationaler
Assoziationen.
1927: Das Internationale Komitee zur Koordination pazifistischer Kräfte
(The International Committee for the Coordination of Pacifist Forces CIC) und der Vereinigte Friedensrat
(Joint Peace Council)
Die formalen Regeln des CIC wurden bis 1927 allerdings nicht anerkannt, und zunächst auch nur von fünf
kleineren Organisationen. Die Organisationen des linken und radikalen Flügels der Friedensbewegung
fehlten. Tatsächlich konnte das IFB die Spaltung der Friedensbewegung nicht verhindern, die sogar noch
größer wurde. 1928 gründeten die radikalen Friedensbewegungen ihr eigenes Netzwerk, den Vereinigten
Friedensrat. Dieses Netzwerk konzentrierte sich auf den Widerstand gegen die Wehrpflicht und 1930
wurde ein Appell gegen die Einberufung ("eine Form von Sklaverei") veröffentlicht: "Militärische Ausbildung
ist Einübung von Geist und Körper in die Kunst des Tötens. Sie ist Ausbildung zum Kriege. - Sie beendet
die Entwicklung der Suche nach dem Frieden." Der Appell war unter anderem unterzeichnet von der
WILPF-Präsidentin Jane Addams, von Sigmund Freud, Thomas Mann, Upton Sinclair, Stefan Zweig,
Selma Lagerlöf, Bertrand Russell und H.G. Wells.
Eine Friedenswelle in den zwanziger Jahren
Die Aktivitäten von CIC bestanden hauptsächlich in der Präsentation gemeinsamer Erklärungen, so zum
Beispiel während der 9. Vollversammlung des Völkerbundes 1928, als Abrüstungsmaßnahmen gefordert
wurden. Am 10. Jahrestag des Völkerbundes 1930 organisierte CIC eine öffentliche Veranstaltung in Genf.
Das Koordinationskomitee war nie stark oder einig. Zu Beginn der Abrüstungskonferenz 1932 in Genf
schlugen Versuche fehl, ein gemeinsames Manifest der Friedensbewegungen zu veröffentlichen. Die
verschiedenen Organisationen gaben alle ihre eigenen Stellungnahmen bei der Konferenz ab - ein
Verhalten, das sich kürzlich während der UNO-Sondersitzungen über Abrüstung 1978, 1982 und 1988
wiederholt hat.
Die Entschärfung des europäischen Pulverfasses
Ab 1929 spezialisierte sich das IFB auf die Situation auf dem Balkan, dem "Pulverfass Europas". Der
Weltfriedenskongress von 1929 in Athen schlug jährliche Balkankonferenzen vor, um die Nationen
"intellektuell, materiell, wirtschaftlich und politisch näher zusammenzubringen". IFB-Mitarbeiter besuchten
Konstantinopel (Istanbul), Sofia, Bukarest und Belgrad, wo sie Regierungsvertreter und andere
Persönlichkeiten trafen. Als Ergebnis dieser Besuche entstanden FriedensgeselIschaften in Griechenland,
Rumänien und Bulgarien. Unter Schirmherrschaft des IFB fand die erste Balkankonferenz 1930 in Athen
statt. Vertreter aus Albanien, Bulgarien, Griechenland, Rumänien, der Türkei und Jugoslawien nahmen teil.
Von 1931 bis 1933 wurden weitere Konferenzen abgehalten, die 1934 zum Balkanvertrag zwischen
Griechenland, Rumänien, der Türkei und Jugoslawien führten.
Die Ablehnung des Krieges
1928 war der "Briand-Kellog-Pakt" oder der "Generalvertrag zum Verzicht auf den Krieg" in Paris
unterzeichnet worden. 61 Länder waren Mitglieder des Paktes. Sie verurteilten den "Rückgriff auf den Krieg
als Lösung internationaler Kontroversen" und wiesen ihn als Mittel nationaler Politik zurück. Sie stimmten
darin überein, daß "die Beilegung oder Lösung aller Kontroversen oder Konflikte zwischen ihnen, was auch
immer ihr Ursprung sein möge, nie anders als mit friedlichen Mitteln vorangetrieben werden soll."
Obwohl er nicht sehr spezifisch war, führte der Pakt zu der ersten Konferenz zur Diskussion einer
universellen Reduzierung und Begrenzung aller Waffenarten. An der Weltabrüstungskonferenz, die Anfang
1932 unter der Schirmherrschaft des Völkerbundes zusammenkam, nahmen mehr als 60 Nationen teil.
Die Konferenz war natürlich ein wichtiger Schwerpunkt für das IFB. Alle Mitglieder sämtlicher Parlamente
der europäischen Staaten erhielten einen Brief vom IFB in ihrer Muttersprache. Insgesamt bekamen 15.000
Parlamentarier diesen Brief. Die Weltfriedenskongresse von 1931 und 1932 beschäftigten sich beide mit
der Abrüstung. Der Kongress von 1932 forderte von der Konferenz folgende konkrete Schritte:
1. Abschaffung von chemischen, bakteriologischen und Brandwaffen sowie ihrer Vorbereitung in
Friedenszeiten und die strenge und permanente internationale Kontrolle der Fabriken, die sie
herstellen könnten.
2. Internationalisierung der Luftstreitkräfte unter Autorität des Völkerbundes.
3. Qualitative Abrüstung; Abschaffung besonders aggressiver Waffen: Bomben- und Kampfflugzeuge,
Flugzeugträger, schwere Artillerie, Panzer, große Kriegsschiffe und U-Boote.
4. Abschaffung privater Waffenherstellung und des Waffenhandels; Internationalisierung der
Produktion und des Verkaufs von Verteidigungs- oder Polizeimaterial (unter Kontrolle des
Völkerbundes).
5. Direkte Reduzierung nach Waffengattungen und indirekte oder finanzielle Reduzierung der noch
erlaubten Waffen im Verhältnis zu der zunehmenden Sicherheit, die durch die Konvention selbst
garantiert ist.
6. Allgemeine, dauernde und gleiche Kontrolle für alle Länder über die Durchführung der Konvention.
Die auf der Abrüstungskonferenz diskutierten Vorschläge waren weitreichend und ernsthaft. Trotzdem
schlugen viele Staaten eine harte Linie ein, was den Erfolg unwahrscheinlich machte. Die Konferenz
stagnierte, als Deutschland aus dem Völkerbund austrat und sich in Verletzung des Versailler Vertrages
wiederbewaffnete. 1936 löste der Völkerbund die Konferenz auf und sie trat nie wieder zusammen.
Nahendes Unheil
Als Organisation bekam das IFB zunehmende Probleme. Als Hitler in Deutschland an die Macht kam und
in anderen Ländern der Faschismus erstarkte, wurden Pazifisten verfolgt oder sie verließen die
Friedensorganisationen. Die wichtigsten Friedensgesellschaften in Deutschland - Deutsche
Friedensgesellschaft (DFG) - und in Österreich wurden aufgelöst. Der britische Nationale Friedensrat
existierte nur auf dem Papier. Es gab zwar aktive Friedensorganisationen während dieser Zeit, zum
Beispiel die Peace Pledge Union in Großbritannien, aber sie waren nicht Mitglied des IFB. Die Appelle des
IFB vor dem Zweiten Weltkrieg verhallten praktisch ungehört.
Einer dieser Appelle forderte eine internationale Konferenz zwischen europäischen Staaten, den USA und
anderen, sowohl "totalitären als auch demokratischen". Das Internationale Friedensbüro schrieb kurz nach
dem Münchner Abkommen von 1939 in einem Brief an alle Außenminister:
Wie soll der Frieden organisiert werden? Uns scheint klar zu sein, dass teilweise und begrenzte
Abkommen wie das kürzliche (München) keine ausreichende Grundlage für einen allgemeinen Frieden
begründen - besonders, da andere Äußerungen dem Geist dieser Abkommen zu widersprechen scheinen
und dauernd neue Schwierigkeiten auftauchen.
Das Ziel der internationalen Konferenz wäre die Organisierung des Friedens und die Reduzierung von
Rüstung. Der Brief stellte fest, dass
.. alle wichtigen Führungspersonen der alten und der neuen Welt die Notwendigkeit dieser für alle offenen
Konferenz eingesehen, verstanden und bekannt haben. Insbesondere Präsident Roosevelt hat ihre
Dringlichkeit betont. (...)
Aber niemand ergreift die Initiative und ruft eine Konferenz zusammen, so wie das Zar Nikolaus II. bei der
ersten Haager Konferenz getan hat. Niemand traut sich, Initiative zu übernehmen und einen festen
Vorschlag zu formulieren. Wir bitten Sie, diese notwendige internationale Konferenz einzuberufen - im
Namen des Internationalen Friedensbüros, im Namen aller, die für den Frieden kämpfen und den Krieg
verhindern wollen, im Namen all der Menschen, deren tiefe Gefühle so stark zum Ausdruck gekommen
sind.
Beigefügt war ein Memorandum, das Ausmaß, Ziel, Zusammensetzung und Befugnisse, Dauer und
Dringlichkeit der Konferenz zusammenfasste. Besonders Roosevelt wurde gedrängt, die Initiative zu
ergreifen. Gleichzeitig wurden die Diktatoren in Deutschland, Italien und Japan heftig verurteilt. Mit
brillanter Rhetorik schrieb IFB-Präsident La Fontaine 1939 in einem Leitartikel der Januarausgabe von "Le
Mouvement Pacifiste":
Wenn einige Leute in weitabgelegenen oder nahen Zuschauerländern es fertiggebracht haben, die
monströsen, groben und feigen Methoden gutzuheißen, mit denen die italienischen, deutschen und
japanischen Diktatoren die kriminelle Frechheit besessen haben, den Namen ihrer Völker in den Schmutz
zu ziehen, wird das, was durch. einen Terror, der zu den dunkelsten Epochen der Vergangenheit gehört,
zum Schweigen und zu furchtbarster Zustimmung gebracht wurde, das, was zunächst in Äthiopien und
dann in China und Spanien geschah, für jene, die die profitierenden oder unbekannten Unterstützer und
Schmeichler gewesen sind, immer eine untilgbare Schande bleiben, ähnlich des Schandmals, das in
vergangenen Jahren den Gefangenen im Zuchthaus beigebracht wurde, erniedrigend und rachsüchtig.
Die Initiative zu einer internationalen Konferenz wurde nicht ergriffen. Die Kriegsvorbereitungen waren zu
weit fortgeschritten. Italien, Deutschland (in Spanien) und Japan befanden sich schon im Krieg und die
größte, jemals von Menschen geschaffene Katastrophe begann.
Nach Beginn des deutsch-polnischen Krieges 1939 waren IFB-Ratssitzungen und Kommunikation
zwischen Pazifisten fast unmöglich geworden. Das IFB wurde von einem permanenten Komitee in der
Schweiz geleitet. Das Komitee verurteilte Deutschland und seine Handlungen als barbarisch und bat
neutrale Länder, ihre Neutralität aufzugeben und die USA, in den Krieg einzutreten.
Ohne Kontakt zu seinen Mitgliedsorganisationen begrenzte das IFB seine Arbeit auf Hilfsaktionen für
Kriegsgefangene, deportierte Personen und Flüchtlinge. Die weitere Existenz des IFB wurde durch ein
Komitee von Unterstützern in der Schweiz sichergestellt, die dem Büro moralisch und finanziell beistanden.
Nach 1945: Ein neuer Anlauf nach dem 2. Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren vom Internationalen Friedensbüro nur noch eher unbedeutende
Mitgliedsorganisationen in den USA, Großbritannien, Schweden und der Schweiz übriggeblieben. Während
des Zweiten Weltkriegs waren alle internationalen Kommunikationsstrukturen und Aktivitäten der
Friedensbewegung zusammengebrochen, mit Ausnahme der Hilfe für Kriegsgefangene, Deportierte und
Flüchtlinge.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang es dem völlig überalterten Friedensbüro zunächst nicht, die
Organisation wiederaufzubauen. Der schweizerische Bundesrat übertrug dessen Vermögen auf das 1949
gegründete, International Liaison Committee of Organizations for Peace (ILCOP). Es vereinte 20
Mitgliedsorganisationen, darunter sechs Friedensräte. Dabei war auch der Schweizerische Friedensrat,
dessen Präsident Ernst Wolf zunächst ILCOP-Vorsitzender, später auch Präsident des IFB wurde. Es
dauerte aber noch bis 1961 bis ein permanentes Sekretariat errichtet werden konnte.
Mächtige Konkurrenz wächst heran
Weitaus mehr Dynamik entwickelte unterdessen ein anderer Strang der Friedensbewegung, der
Atompazifismus. Er war entstanden, als der kalte Krieg mit der Berlin-Krise 1948/49 erstmals
Kriegsdrohungen zwischen Mächten aufkommen liess, von, denen die eine Atomwaffen besass. Die
Nuklear-PazifistInnen organisierten 1949 in Paris eine Weltfriedenskonferenz, zu der über zweitausend
Delegierte aus 72 Ländern kamen. 1950 sammelten sie mit dem Stockholmer Appell zur absoluten Ächtung
der Atombombe 500 Millionen Unterschriften. Ebenfalls 1950 fand die zweite Weltfriedenskonferenz in
Warschau statt, wo sich die Bewegung den Namen Weltfriedensrat (World Peace Council - WPC) gab. Der
Rest ist die traurige Geschichte davon, wie der Westblock die Bewegung ausgrenzte und verfolgte, und.
wie der Ostblock sie dafür umso erstickender ans Herz drückte und manipulierte.
Bereits zur Pariser Konferenz 1949 wurde vielen Delegierten aus dem Osten die Einreise verweigert. Die
zweite Konferenz musste aus demselben Grund von Sheffield nach Warschau verlegt werden. 1952 wurde
der WPC mit Hauptsitz in Paris als "5. Kolonne" des Landes verwiesen, 1957 auch am zweiten Sitz in Wien
verboten (wo er aber unter einem Decknamen bis 1968 verblieb). 1968 zog das Hauptquartier nach
Helsinki um. 1975 lancierte er den. zweiten Stockholmer Appell als Aufruf zur Hoffnung in der beginnenden
ersten Détente zwischen den Blöcken. Der Weltfriedensrat hatte bis Ende der achtziger Jahre nach
eigenen Angaben zweitausend teilnehmende Organisationen und Bewegungen (es gibt keine formale
Mitgliedschaft) aus 140 Ländern. Bis heute sind jedoch die Zweifel über die autonome Willensbildung in
diesem Club nicht beseitigt (noch 1979 war für den WPC die Invasion in Afghanistan ein Akt der
Solidarität). Erst an der Athener Konferenz 1990 führten viele Auflösungsanträge und die drastische
Reduktion der Finanzierung durch das sowjetische Friedenskomitee zu einem Kurs der Dezentralisierung
und Öffnung, die eine Rehabilitierung denkbar erscheinen lassen.
Zersplitterung der Kräfte
Das Internationale Friedensbüro stand jedoch nicht nur im Schatten des ungleich größeren und
finanzkräftigeren Weltfriedensrates. Auch diejenigen (atom-)pazifistischen Organisationen im Westen, die
einen Bogen um den WPC machten, konnten nicht integriert werden. Im Januar 1959 fand in London unter
dem Vorsitz von Bertrand Russell ein großer internationaler Kongress gegen Atomwaffen statt. Diese
Kreise, namentlich die CNDs (Campaign for Nuclear Disarmement) in Großbritannien, Kanada und
Neuseeland, Ostermarsch- und andere Anti-Atombomben-Bewegungen, veranstalteten 1962 in Oxford
eine Zusammenkunft über einen internationalen Zusammenschluss. Dieses Meeting gab dankbare
Schlagzeilen in der Presse ab, weil die Teilnehmerlnnen ursprünglich eingeladene VertreterInnen des
Weltfriedensrates wieder vor die Türe setzten.
Bei der konstruktiven Arbeit hatte man, aber eine weniger glückIiche Hand. Unter dem Namen ICDP
(International Confederation for Disarmement and Peace) wurde eine neue Dachorganisation gegründet,
bei der auch Personen und Organisationen des ILCOP/IFB Mitglied waren. Innerhalb des ILCOMFB
entstand dadurch eine jahrelange Debatte über, Fusion mit der dynamischeren ICDP oder Selbständigkeit.
Fusionspläne handstreichartig vereitelt
Die Fusionsdebatten endeten 1964 mit einem skurrilen Handstreich des 1 LCOP/IFB-Versitzenden (und
Präsidenten des Schweizerischen Friedensrats) Ernst Wolf. In Wildwest-Manier bemächtigte er sich des
beträchtlichen Vermögens von ILCOP/IFB - 800.000 Franken aus Nobelpreis-Geldern -und brachte es
unantastbar in einer Stiftung unter. Die Stiftungsstatuten erlaubten nur, mit den Zinsen ein Büro in der
Schweiz zu finanzieren, das den Namen "Internationales Friedensbüro" tragen sollte. Eine Statutenänderung machte er von der Zustimmung des Schweizer Bundesrates abhängig - in der wohl berechtigten
Annahme, dieser werde das Geld sicher vor einem Zugriff von ICDP bewahren, in dessen Reihen man
beim IFB immer noch Krypto-KommunistInnen vermutete.
ILCOP/IFB ergab sich zehn Tage später an der Mitgliederversammlung in sein finanziell gepolstertes
Schicksal, benannte sich definitiv in Internationales Friedensbüro um, eröffnete das heute noch bestehende
Büro in der 41 rue de Zurich in Genf und fand die versetzte Braut ICDP mit tausend Dollar Darlehen und
weiteren tausend Dollar für einen gemeinsamen Informationsdienst ab. 1984, also 20 Jahre später, sollte
das Friedensbüro dann doch mit der ICDP fusionieren, allerdings erst nachdem letzteres die zweite
nuklearpazifistische Bewegung (Nachrüstungsprotest) der achtziger Jahre weitgehend verschlafen hatte
und deren Koordination längst bei END (European Nuclear Disarmament) und IPCC (International Peace
Communcation and Coordination Center) lag.
Neue Ansätze während des Vietnamkrieges
Nach dem doch offensichtlichen Unvermögen, die Anti-Atombewegung der Ostermarsch-Zeit zu integrieren
- die relevanten Organisationen schlossen sich ja mehrheitlich in der ICDP zusammen - war das lFB
während des Vietnamkrieges etwas handlungsfähiger. 1965 forderte die Jahresversammlung die USRegierung zur Einstellung aller Bombardierungen in Nordvietnam und zu Verhandlungen mit dem Vietcong
unter UNO—Schirmherrschaft auf (was wiederum nicht die klar Vietcong-freundliche Stimmung der
DemonstrantInnen auf der Strasse traf).
Klar unterstützte das lFD hingegen - unter dem Einfluss der Mitgliedsorganisation War Resisters'
International - Internationale der Kriegsdienstgegner (WRI/IdK) - das Recht auf Kriegsdienstverweigerung.
Die Position, die das lFD zusammen mit Amnesty, WRI, den Quäkern und dem Internationalen Zivildienst
(SCI) ab 1967 dazu ausgearbeitet hat, wurde 1989 von der UNO-Menschenrechtskommission weitgehend
übernommen, als diese sich einstimmig gegen Gefängnisstrafen für Kriegsdienstverweigerer und für einen
nichtdiskriminierenden Zivildienst aussprach.
Beharrlicher Einsatz für Abrüstung
Wenig mit einer Massenmobilisierung verbunden, aber beharrlich und für viele Friedensorganisationen
wichtig, war die Arbeit, die das Internationale Friedensbüro auf dem Gebiet der allgemeinen Abrüstung
leistete. 1970 übernahm es bei der UNO das Sekretariat für das Komitee über Abrüstung der NGO's (NonGovernmental Organizations - Nicht-Regierungsorganisationen). Die UNO kennt ja im Gegensatz zu
anderen internationalen Organisationen ein Statut, das diesen NGO's - je nach ihren Ideen - eine
Einflussnahme ermöglicht.
1972 fand in Genf eine Abrüstungskonferenz mit gemischter Beteiligung von 250 Regierungen und NGO's
statt, 1974 in Bradford eine weitere; 1978 kam unter dem Druck der Bewegung der Blockfreien die erste
Spezial-session der UNO-Generalversammlung über Abrüstung zustande. Sean Mc Bnide, seit 1964
Schatzmeister und 1974 bis 1985 Präsident des Friedensbüros, war der maßgebliche Verfechter dieses
UNO-Lobbying-Kurses, Er erhielt dafür 1974 den Friedens-Nobelpreis - übrigens einer von insgesamt 14
Friedens-Nobelpreisen, welche IFB-Funktionäre und einmal das IFB als Organisation zwischen 1901 und
1982 bekommen haben.
Die Zeit nach dem Vietnamkrieg, der 1975 nicht nach den IFB-Vorstellungen mit Friedensverhandlungen,
sondern mehr nach dem Geschmack der Protestbewegungen mit einem schlichten militärischen Sieg der
Nordvietnamesen und des Vietcong endete, brachte auch einen Rückgang der Friedensbewegung manchmal ist ein Erfolg bei zu beschränkten Zielen auch nicht das, was auf die Dauer trägt.
1975 war aber auch das Jahr, in dem die KSZE mit der Unterzeichnung des Abschluß-Dokumentes von
Helsinki einen viel breiteren Prozess in Gang brachte. Das Internationale Friedensbüro war hier einmal
hellhörig und der Zeit voraus: 1977 wurde eine internationale Abrüstungs-Fahrt von Helsinki nach Belgrad
(dem nächsten Konferenzort der KSZE) durchgeführt, während der an Hunderten von Veranstaltungen mit
Hunderttausenden von Teilnehmerlnnen die Diskrepanz zwischen den Helsinki-Deklarationen zur
Abrüstung und dem unvermindert weitergehenden Rüstungswettlauf aufgezeigt wurde.
Als sich der kalte Krieg Anfang der 80er Jahre mit der Invasion in Afghanistan, mit neuen sowjetischen
Mittelstreckenraketen und schließlich mit dem NATO-Nachrüstungsbeschluß w jeder dramatisch zuspitzte,
wurden die offiziell deklarierten KSZE-Prinzipien plötzlich vehement eingefordert. Im END-Appell vom April
1980 erklärten sich europäische Bürgerlnnen selber dafür zuständig, den Kontinent von Portugal bis Polen
von Atomwaffen zu befreien. Die Blöcke wurden kurzerhand für abgeschafft erklärt:
Wir müssen anfangen, so zu handeln, als ob ein vereinigtes neutrales Europa bereits existierte, das nicht
einem "Westen" oder "Osten" gegenüber loyal ist, sondern untereinander; und Gegenmaßnahmen
irgendwelcher Staaten werden wir einfach ignorieren.
Diese Deklaration wurde zur Basis der Friedensbewegung der achtziger Jahre. Ganz auf der gleichen Linie
erklärten die Bürgerlnnen-Bewegungen im Osten (wie die Charta 77 in der ehemaligen CSFR), dass die
Menschenrechtsprinzipien der KSZE Vorrang hätten vor den Gesetzen ihrer sich wieder verhärtenden
Regimes und proklamierten die Blockabschaffung.
Von den neuen Bewegungen überholt
Das Internationale Friedensbüro konnte dieser Dynamik nicht ganz folgen. Typisch für dessen damalige,
noch auf die internationale Ebene fixierte Optik ist ein Brief des Präsidenten Sean Mac Bride vom 30. Nov.
1981 an die Delegationsleiter der USA und UdSSR, in dem er die beginnenden Verhandlungen über die
Mittelstreckenwaffen wärmstens begrüsste. Derweilen war bei den Demonstrationen die abschätzige
Bemerkung zu hören:
"Wenn zwei Verbrecher sich an einen Tisch setzen, was soll denn dabei herauskommen, wenn nicht ein
neues Verbrechen?"
Die internationalen Kontakte der neuen Friedensbewegung liefen denn auch diesmal wieder weitgehend
am IFB vorbei. 1982 (bis heute) übernahm ein END-Verbindungskomitee ohne festere Struktur die
Organisation der jährlichen Friedenskonferenzen - was in den ersten Jahrzehnten seiner Geschichte die
raison d'être des IFB gewesen war. Ab 1990 kam dann die Helsinki Citizens Assembly als Veranstalterin
ähnlicher Konferenzen mit ähnlichem Teilnehmerlnnenkreis, aber mit festeren Strukturen und zentraler
Verwurzelung in den Menschenrechtsbewegungen Mittel- und Osteuropas dazu. Aber die International
Confederation for Disarmement and Peace (ICDP), die Kreation der ersten Anti-Atombewegung, erlebte
ihre fast zwangsläufige Neuauflage: 1981 wurde unter dem Namen P00 (International Peace
Communication and Coordination Center) wiederum eine eigene Dachorganisation gegründet, der die
wichtigeren aktiven Bewegungen beitraten, namentlich der niederländische interkirchliche Friedensrat, die
Campaign for Nuclear Disarmement (CND) in Grossbritannien und der Schweizerische Friedensrat, Das
IFB beklagte erneut die Doppelmitgliedschaften und Doppelkonferenzen, kam aber im Verlauf der Zeit zu
einer Zusammenarbeit und zu gegenseitigen Beitrittsempfehlungen an die Mitgliedsorganisationen (wobei
man beim P00 das Friedensbüro noch lange als spezialisiertes UNO-Lobby-Büro wahrnahm), Heute ist
wieder eine Art Fusion im Gange: das EPSO (European Peace and Security 0ffice), das in Brüssel für die
Friedensbewegung die Sicherheits-Politik der EG beobachtet., ist ein Joint Venture von IPCC und IFB.
Von der Lobby- zur Basisarbeit
Eine starke Dynamik gewann das Internationale Friedensbüro erst wieder ab 1985 unter der Präsidentschaft Bruce Kents, typischerweise einem Aktivisten der neuen Friedensbewegung, der mehr Zeit auf
Friedensmärschen verbracht hat als in UNO-Vorhallen. 1986 kam man auch zu einem umfassenderen
Aktionsprogram m mit Kampagnen gegen den Waffenhandel, gegen Militärbasen in fremden Ländern, für
einen totalen Atomteststopp, zur juristischen Verurteilung jeglicher Tätigkeit bei der Atomwaffenherstellung
und für die Legalisierung der Kriegsdienstverweigerung. Allein 1987 stieg die Anzahl der Mitgliedsorganisationen um 26 auf 60 an, ein Trend, der sich bis heute unvermindert fortsetzt: 1991 brachten 24
Neubeitritte das Total auf 124.
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