Primavera del rinascimento_Florenz (Musenblätter

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Der Frühling der Renaissance
Museen, Galerien
02.05.13
Eine Superschau im Palazzo Strozzi in
Florenz, die man gesehen haben sollte
von Rainer K. Wick
Der Frühling der Renaissance
Eine Superschau im Palazzo Strozzi in Florenz,
die man gesehen haben sollte
Die Besprechung der Ausstellung „Die Medici“ im
Mannheimer Museum Weltkulturen am 10.04.2013
endete mit der Feststellung, daß bei allem Bemühen
der Kuratoren, ein facettenreiches Bild dieser
europäischen Herrscherdynastie zu vermitteln, eines
nicht verzichtbar sei, nämlich die
Originalschauplätze, an denen die Medici gewirkt
haben, zu bereisen und vor Ort in Augenschein zu
nehmen.
Dazu hat nun Gelegenheit, wer sich nach Florenz
aufmacht, um dort die im März eröffnete und noch
bis zum 18. August laufende Ausstellung „La
Primavera del Rinascimento“, „Der Frühling der
Renaissance“, zu besuchen. Um es sogleich auf den
Punkt zu bringen: Die Ausstellung ist hochkarätig,
versammelt sie in den Räumen des Palazzo Strozzi,
Donatello Heiliger Ludwig von Toulouse
einem der herausragenden Florentiner Stadtpaläste
Foto © Antonio Quattrone
des späteren 15. Jahrhunderts, doch herausragende
Meisterwerke vor allem der Bildhauerkunst, aber auch der Malerei, aus den ersten
sechs Jahrzehnten der italienischen Frührenaissance. Hauptwerke aus Florentiner
Museen sowie internationale Leihgaben (u.a. aus dem Pariser Louvre, dem Londoner
Victoria and Albert Museum, der Washingtoner National Gallery, dem Berliner
Bode-Museum) veranschaulichen die Anfänge der Renaissance in Florenz, die zeitlich
mit dem Aufstieg der Medici zur mächtigsten und einflußreichsten Familie der Stadt
einherging. Genauer gesagt, wird der zeitliche Rahmen durch zwei Eckdaten
markiert: 1401, dem Jahr des Wettbewerbs für die zweite Bronzetür des Florentiner
Baptisteriums, und 1466, dem Todesjahr Donatellos, des bedeutendsten Florentiner
Bildhauers der Frührenaissance.
Zum Auftakt: Das gotische Erbe und die Wettbewerbsreliefs von 1401
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Ghiberti (lks) und Brunelleschi (re) Wettbewerbsentwürfe für die Bronzetür des Florentiner Baptisteriums - Foto © Rainer K. Wick.
Die von Beatrice Paolozzi Strozzi, der Direktorin des Florentiner Skulpturenmuseums
Bargello, und Marc Bormand, dem Chefkonservator der Skulpturenabteilung des
Louvre, kuratierte, angenehm klar und übersichtlich präsentierte Ausstellung ist in
zehn thematische Abteilungen gegliedert. Sie beginnt mit einem Blick auf das „Erbe
der Väter“ mit Werken von Künstlern wie Nicola und Giovanni Pisano, Anolfo di
Cambio und Giotto, die einerseits in der Formenwelt der Gotik zu Hause waren,
andererseits aber maßgebliche Zukunftsimpulse in Richtung Renaissance gegeben
haben. Im Mittelpunkt der zweiten Sektion stehen Ghibertis und Brunelleschis
Probestücke, die sie im Jahr 1401 im Rahmen des Wettbewerbs zur Gestaltung der
Bronzetür des Nordportals des Florentiner Baptisteriums einreichten. Unmittelbar
nebeneinander plaziert – spektakulärer könnte der Auftakt zu dieser zweiten
Abteilung kaum sein –, erlauben sie einen direkten Vergleich zwischen den Werken
der rivalisierenden Künstler. Die Teilnehmer an dem Wettbewerb hatten alle daßelbe
Thema, die Opferung Isaaks, zu bearbeiten und sich dabei an die durch Andrea
Pisanos Bronzetür vorgegebene gotische Vierpaßform zu halten. Die Entscheidung
der Jury fiel auf Ghiberti, u.a. auch deshalb, weil sein Gußverfahren einen deutlich
geringeren Materialverbrauch versprach als das seiner Konkurrenten. Obwohl
Brunelleschis Entwurf im Gesamtcharakter expressiver, jener Ghibertis „klassischer“
ausfiel, haben sich beide Künstler antiker Formanregungen bedient: Brunelleschi
zitiert den berühmten hellenistischen Dornauszieher, Ghibertis fast klassisch
durchmodellierter Oberkörper des auf dem Opferaltar knienden Isaak ist ohne
entsprechende Antikenkenntnis nicht denkbar. So ist es nur folgerichtig, daß die
Ausstellung zum Vergleich sowohl einen römischen Marmor des Dornausziehers wie
auch den muskulösen Torso eines antiken Kentauern zeigt. Sein Mißerfolg bei diesem
Wettbewerb veranlaßte Brunelleschi, der von seiner Ausbildung her Goldschmied
war, sich gewissermaßen kompensatorisch nahezu ausschließlich auf die Architektur
zu konzentrieren. Mit der Konstruktion der gigantischen Kuppel des Florentiner Doms,
die in der Ausstellung als Original-Holzmodell zu sehen ist, mit dem Bau des
Findelhauses, der Kirchen S. Lorenzo (mit der sog. alten Sakristei) und S. Spirito
sowie der Pazzi-Kapelle bei S. Croce wurde er zum Gründungsvater der Baukunst der
italienschen Frührenaissance. Hat man nach dem Besuch der Schau im Palazzo
Strozzi noch genügend Kraftreserven, kann das alles bei einem Rundgang durch die
Stadt in fußläufiger Entfernung an Ort und Stelle besichtigt werden.
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Die Leitthese: Führende Rolle der Skulptur
Dreh- und Angelpunkt der Ausstellung ist die Leitthese, daß in der ersten Phase der
Florentiner Frührenaissance der Skulptur die maßgebliche Führungsrolle
zugekommen sei. Insofern ist es auch kein Zufall, daß die Kuratoren den Untertitel
„La scultura e le arti a Firenze 1400-1460“ (Die Skulptur und die Künste in Florenz
1400-1460) gewählt haben. Sieht man von Brunelleschi als Architekt ab, so waren drei
der vier bahnbrechenden Meister der ersten Hälfte des Quattrocento, also des 15.
Jahrhunderts, Bildhauer: Ghiberti, Donatello und Lucca
della Robbia, nur Masaccio war Maler. Ghiberti und
Donatello stehen folglich im Mittelpunkt der nächsten
Sektionen, in denen es u.a. um Bauplastiken für den
Dom, den Campanile und für das Oratorium
Orsanmichele geht. Glanzstücke sind zwei der
zahlreichen Nischenfiguren für Orsanmichele, nämlich
Ghibertis Heiliger Matthäus von 1419-22 und Donatellos
eigens für die Ausstellung aufwendig restaurierter, 2,85
Meter hoher Heiliger Ludwig von Toulouse (1422-25).
Wenn der Begriff „Renaissance“ nicht nur ganz
allgemein die Wiedergeburt der Kunst nach den
Jahrhunderten des „dunklen Mittealters“ meint, so wie
Ghiberti es Mitte des 15. Jahrhunderts in seinen
„Denkwürdigkeiten“ (Commentarii) sah, sondern
Luca della Robbia, Madonna und Kind
speziell eine Wiederbelebung der Antike, wie Giorgio
1445-50 -Foto © Detroit Institute of Arts
Vasari in seinen berühmten Künstlerviten (1550 und
1568) betonte, dann gelingt es der Ausstellung geschickt, durch sparsam
ausgewählte antike Belegstücke zu zeigen, wie die Kunst eines paganen Zeitalters
subtil in die noch stark christlich bestimmte und gestimmte Kultur des Quattrocento
eindringen und eine allmähliche Transformation in Richtung einer humanistisch
geprägten Frühmoderne bewirken konnte.
Thematische Schwerpunkte: Vom Reiterstandbild zum Madonnenrelief
Als eine spezifische Form der Antikenrezeption erscheint in der Frührenaissance das
Reiterstandbild, das erfolgreichen Söldnerführern, den Condottiere, gewidmet wurde.
Donatello schuf ab 1447 für den Vorplatz der Kirche S. Antonio in Padua das
Denkmal des Condottiere Erasmo de’Narni, genannt Gattamelata, das erste
überlebensgroße, als Freiplastik gearbeitete Reiterstandbild
seit römischer Zeit, das durch die antike Bronzeskulptur des
Kaisers Marc Aurel inspiriert wurde. Der Palazzo Strozzi zeigt
eine diesem römischen Vorbild nachempfundene Kleinbronze
aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, ferner Donatellos nur
selten ausgestelltes, eindrucksvolles Gipsmodell des Kopfes
von Gattamelata, dessen Gestaltung ganz offensichtlich durch
römische Herrscherporträts beeinflußt wurde, und einen
bronzenen Pferdekopf aus der griechischen Klassik sowie zum
Vergleich dazu einen solchen von Donatello. Daß es auch
gemalte Reiterstandbilder gab, ist jedem Besucher des
Florentiner Doms bekannt, wo sich Paolo Uccellos Fresko des
Condottiere John Hawkwood befindet. Wie sehr in der
Donatello, Modell für den Kopf
des Gattamelata, um 1447
Frührenaissance Maler – von Masaccio bis Piero della
Foto © Giuliano Ghirardini
Francesca – von der Plastik jener Zeit profitiert haben,
illustriert u.a. Andrea del Castagnos statuarisch konzipiertes Ganzfigurenbildnis eines
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anderen Söldnerführers, des Condottiere Filippo Scolari, genannt Pippo Spano.
Größten Einfluß auf die Kunst der Renaissance und der folgenden Jahrhunderte
hatte Brunelleschis Erfindung der Zentralperspektive, die im frühen 15. Jahrhundert
nicht nur in die Malerei Eingang fand (das früheste bedeutende Gemälde, das die
perfekte Beherrschung dieses neuen Darstellungsverfahrens zeigt, ist Masaccios
Trinitäts-Fresko in der gotischen Kirche S. Maria Novella in unmittelbarer Nähe des
Florentiner Bahnhofs), sondern auch in die Reliefkunst, wie einige fein gearbeitete
Beispiele in der entsprechenden Sektion der Schau im Palazzo Strozzi belegen.
Breit wird die rasche Ausbreitung des „neuen Stils“, der die Gotik natürlich nicht sofort
vollständig verdrängen konnte, dokumentiert, und zwar interessanterweise an einem
Motiv, das nicht dem antiken Erbe verpflichtet ist, sondern ganz im Christlichen
verankert ist, nämlich an Darstellungen der Maria mit dem Kind. Hier versammeln die
Kuratoren betörend schöne Exemplare aus dem Umkreis von Ghiberti, von Donatello
und vor allem von dem überaus produktiven Luca della Robbia, ferner eine hinreißend
gemalte Madonna mit dem Christuskind von Filippo Lippi aus der Zeit um 1460.
Bildnisbüsten: Die Emanzipation des modernen Individuums
Die letzte Sektion ist der Porträtplastik der Frührenaissance gewidmet und
konzentriert sich dabei auf Büsten von Angehörigen der Florentiner Aristokratie, die
seit Mitte des Quattrocento zunehmend als Förderer
der Künste und als Mäzene in Erscheinung traten und
dabei sehr bewußt die Kunst nicht nur als Instrument
der Selbstvergewisserung, sondern auch der
Selbstdarstellung einsetzten. Hatte die großartige
Ausstellung „Gesichter der Renaissance“ 2001 im
Bode-Museum Berlin die Entdeckung und
Emanzipation des Individuums im 15. Jahrhundert, den
Prozeß der Bewußtwerdung des Selbst des „modernen
Menschen“, schwerpunktmäßig an Beispielen aus der
Malerei vorgeführt, so sind es nun in Florenz
bedeutende skulpturale Arbeiten etwa von Desiderio
da Settignano, Mina da Fiesole, Antonio Rosselino
oder Andrea del Verrocchio, die in ihrem teilweise
schonungslosen Realismus ein lebensnahes Bild der
Florentiner Elite jener Jahrzehnte vermitteln und dabei
auch vor der Darstellung des Häßlichen nicht
Antonio Rosselino, Giovanni di Antonio
haltmachen. Das schloß selbstverständlich die
Chellini 1456 - Foto © Rainer K. Wick
einfühlsame Schilderung jugendlicher Schönheit nicht
aus, wie Desiderio da Settignanos Marmorbüste der jungen Marietta Strozzi aus der
reichen, mit den Medici rivalisierenden Banker-Familie eindrucksvoll bestätigt. Sie
bildet zusammen mit dem originalen Holzmodell des ab 1489 errichteten Palazzo
Strozzi den Schlußpunkt einer Ausstellung, die man als Freund der Kunst Italiens
und speziell der italienischen Renaissance auf jeden Fall gesehen haben sollte.
Wer es nicht schafft, nach Florenz zu kommen, hat eine zweite Chance: Die
Ausstellung wird vom 26.09.2013 bis 06.01.2014 im Louvre in Paris zu sehen sein.
Und noch eine Empfehlung: Die 39,- € für das 552 Seiten starke, reich bebilderte
Katalogbuch sind eine Ausgabe, die sich auf jeden Fall lohnt.
La Primavera del Rinascimento. La scultura e le arti a Firenze 1400-1460
Palazzo Strozzi - Piazza Strozzi - I-50123 Firenze
Tel. 0039 055 2645155
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http://www.palazzostrozzi.org/
bis 18.08.2013 - täglich 9.00-20.00 Uhr, donnerstags
9.00-23.00 Uhr
Katalogbuch La Primavera del Rinascimento,
hrsg. v. Beatrice Paolozzi Strozzi und Marc Bormand
Verlag Mandragora, Florenz 2013
in der Ausstellung als Softcover € 39,00; als HardcoverBuchhandelsausgabe € 50,00
(auch in englischer Sprache unter dem Titel „The
Springtime of the Renaissance“)
Desiderio da Settignano, Marietta Strozzi
um 1464 - Foto © Antje Voigt
Kontakt / Impressum
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