Seite 1 Download von: www.hhesse.de Inhaltsverzeichnis 1 Vorwort ............................................................................................................................................. 2 2 Einleitung.......................................................................................................................................... 4 3 Hermann Hesse und sein Geburtshoroskop ...................................................................................... 7 3.1 Hesses Begegnung mit der Astrologie seiner Zeit .........................................................................7 3.2 Herrschersystem ............................................................................................................................9 3.2.1 Überblick .....................................................................................................................................9 3.2.2 Vom Wissen zur Weisheit: Die Betonung der Achse Zwillinge-Schütze ...............................10 3.2.2.1 Der Sinnsucher und Einheitsdenker: Schütze AC mit Jupiter in Haus 1 ......................... 12 3.2.2.2 Der Autor der Krise: Saturn Quadrat Aszendent und Sonne-Pluto ....................................... 15 3.2.2.2.1 “Der Steppenwolf” ............................................................................................................. 3.2.2.2.2 “Das Glasperlenspiel” ......................................................................................................... 3.2.2.3 Der Schriftsteller und “Seelenführer”: DC in den Zwillingen und Merkur in 7 ................. 24 3.2.2.3.1 Weisheit kann nicht mitgeteilt werden................................................................................ 3.2.2.3.2 Der Psychopompus für ratsuchende Leser – jeden Tag bis zu 500 Seiten ......................... 3.2.3 Denken und Gefühl: Rezeption zwischen Haus 3 und Haus 4 .................................................29 3.2.3.1 Durch das psychoanalytische Gespräch zur Identität: Von Haus 3 nach 4 ........................... 31 3.2.3.2 Der Kultautor für Identitätssuchende - von Haus 4 nach 3 .................................................. 33 3.2.3.3 Hesses Mutter: Mond - Saturn .............................................................................................. 34 3.2.3.4 Die Sehnsucht nach der Urmutter: Mond – Neptun .............................................................. 37 3.2.3.5 Der verletzte Friedenskämpfer: Mars-Neptun-Chiron........................................................... 39 3.3 Vom Geist zum Körper, von der Ordnung ins Chaos: Die Mondknoten ...................................42 4 Zusammenfassung und Ausblick .................................................................................................... 44 5 Nachwort ......................................................................................................................................... 47 6 Literatur ........................................................................................................................................... 48 6.1 Astrologie .....................................................................................................................................48 6.2 Hermann Hesse ............................................................................................................................48 7 Anhang............................................................................................................................................ 50 © 2002 Christina Dolland Seite 2 1 Vorwort Thema dieser Arbeit ist die Interpretation des Radixhoroskops von dem Dichter und Schriftsteller Hermann Hesse, geboren am 2. Juli 1877 in Calw (D) um 18 Uhr 30. Ein umfassender Blick soll Hesses Leben und Werk gelten, wie sie sich in seiner Horoskopstruktur als vorhandene Veranlagungen, zu entwickelnde Fähigkeiten und als Lebensherausforderungen spiegeln. Hermann Hesses Horoskop diente bei zwei astrologischen Büchern der letzten Zeit als ein Beispiel, um astrologische Vorgehensweisen daran zu demonstrieren. Entsprechend sind die Ausführungen zum Gesamthoroskop beides Mal sehr knapp gefasst und von der Darstellung der zu vermittelnden Methode mehr geprägt als vom spezifischen Interesse an Hesses Leben und Werk. In dem 2001 im Chiron Verlag erschienenen Buch von Gertrud Hamers “Die Dispositorenverknüpfungen im Horoskop”1 geht es vor allem um den Einfluss von Zeichenherrschern auf die ihnen unterstellten Planeten, das heißt um die Dispositorenkette im Sinne von Thomas Ring. Erst in zweiter Linie geht es um die Häuserherrscher, wobei Gertrud Hamers mit dem Koch´schen Häusersystem arbeitet. 2 Entsprechend erstellt sie für ihre Interpretation von Hesses Horoskop die Dispositorenverknüpfung als Ausgangspunkt. In meiner Arbeit über Hermann Hesses Horoskop verwende ich das Häusersystem nach Placidus und lege den Schwerpunkt auf die Interpretation des Häuserherrschersystems nach Hermann Meyer. Die Häuser im Horoskop sind das Individuellere im Vergleich zu den Planeten in den Zeichen, in denen sie zum Teil sehr lange stehen können, während der Aszendent und damit die Häuserverteilung circa alle zwei Stunden wechselt. Die Vernetzung der Häuserherrscher ergibt deshalb ein angemesseneres Bild von der Struktur der Persönlichkeit. Der Vorteil der Interpretation nach dem Herrschersystem ist, dass sie nicht zu einem statischen Abbild führt, sondern den Fluss von Energien anzeigt, wie die Planeten in den einzelnen Lebensbereichen zusammenwirken, welche Häuser durch Ursache und Wirkung miteinander verbunden sind, welche Kreisläufe es dabei gibt. Das Häuserherrschersystem nach Hermann Meyer verwendet auch Rainer Öhlschleger in dem Buch “Stichworte zur Horoskopdeutung”, in dem die zweite Kurzbesprechung von Hermann Hesses Horoskop zu finden ist. 3 Er demonstriert sein selbst entworfenes Konstellationenraster anhand von Hesses Horoskop und zählt danach stichpunktartig die Fülle von Entsprechungen der Konstellationen zu Hesses Leben und seinen Themen auf, was einiges an Anregungen gibt. In meiner Arbeit gehe ich von der Gesamtstruktur der Häuserherrscher- Beziehungen aus, die ich in einer Übersichtsgrafik darstelle und danach beschreibe. Darauf aufbauend werden in den einzelnen Kapiteln die in sich zusammenhängenden Teilstrukturen interpretiert und zu Hesses Leben und Werk in Beziehung gesetzt. In diese Arbeit geht neben den astrologischen Interpretationen von Hesses Leben auch ein literaturwissenschaftlicher Ansatz mit ein, indem detailliert Hesses literarisches Werk unter dem astrologischen Gesichtspunkt betrachtet wird. Dabei befasse ich mich unter anderem ausführlich mit 1Über Hermann Hesse S. 98-103 2Zum Unterschied zwischen Zeichen- und Häuserherrscher ein Beispiel: Steht Mars im Krebs, so ist sein Zeichenherrscher oder Dispositor der Mond. Wenn Mars in Haus 3 steht und die Spitze des 3. Hauses zeigt noch in die Zwillinge, dann ist der Häuserherrscher von Mars der Zwillingsmerkur. 3Erschienen bei Edition Astrodata 1996. Über Hermann Hesse S. 76-78 © 2002 Christina Dolland Seite 3 dem Gedicht “Stufen” und den bekanntesten Romanen wie “Siddhartha”, “Der Steppenwolf” und “Das Glasperlenspiel”. Zur besseren Orientierung über Hermann Hesses Leben sind im Anhang ein tabellarischer Lebenslauf und eine Kurzbiographie von Radio Bremen beigelegt. Ferner erstellte ich für den Anhang kurze Inhaltsangaben seiner wichtigsten Werke, die dem Leser einen Überblick über das Geschehen im jeweiligen Roman geben und so zum besseren Verständnis meiner manchmal aufs Detail bezogenen astrologischen Interpretationen beitragen sollen. Das Horoskop von Hermann Hesse mit Auswertungen nach dem Astro-Programm Sarastro befindet sich ebenfalls im Anhang. Eingefügte astrologische Kommentare sind kursiv geschrieben, bei Zitaten sind astrologische Einschübe meinerseits der besseren Kenntlichkeit halber zusätzlich farbig. Bedanken möchte ich mich herzlich bei Hermann Meyer und seinem Ausbildungsteam für psychologische Astrologie. Mein Dank gilt auch allen, die mich ermutigt haben, diese Arbeit über Hermann Hesse zu schreiben. Bei Peter Dolland, Uta Gottschalk, Christa Sauer und Ursula Thiel bedanke ich mich besonders für das Korrekturlesen und die guten Anregungen, die sie mir zurückgemeldet haben. © 2002 Christina Dolland Seite 4 2 Einleitung Hermann Hesse wurde am 2. Juli 1877 in dem Schwarzwadstädtchen Calw geboren als Kind des Missionars Johannes Hesse und seiner Frau Marie, Tochter des Indologen und Missionars Hermann Gundert. Die Familie des Vaters ist baltendeutscher Abstammung, die mütterliche Familie schwäbisch-schweizerischer Herkunft. Auch für Hermann Hesse war die Theologenlaufbahn vorgesehen: Er besuchte zunächst die Calwer Lateinschule und ab 1891 war er Seminarist im evangelisch-theologischen Seminar in Maulbronn. Schon im nächsten Jahr entfloh er von dort. Nach einer Mechanikerlehre bei der Turmuhrenfabrik Perrot in Calw erlernte er den Beruf des Buchhändlers in Tübingen und Basel und veröffentlichte erste eigene Dichtungen. Sein erster großer Erfolg war “Peter Camenzid”. Danach heiratete er 1904 die Fotografin Maria Bernoulli, zog mit ihr in ein Bauernhaus in Gaienhofen am Bodensee und begann, als freier Schriftsteller zu leben. Dort kamen seine drei Söhne auf die Welt. Die Ehe geriet bald in die Krise und Hesse unternahm viele Reisen, 1911 auch nach Ostasien. 1912 übersiedelte die Familie nach Bern in die Schweiz. Während des Ersten Weltkrieges arbeitete Hesse in Bern in der Deutschen Gefangenenfürsorge und bezog gegen den Krieg Stellung. Die Kriegsjahre waren von persönlichen Schicksalsschlägen gekennzeichnet wie Tod des Vaters 1916 und eine Nervenkrankheit seiner Frau. Hesse unterzog sich bei einem Jungianer einer Psychoanalyse. 1919 veröffentlichte er “Demian” und ließ sich nach der Trennung von der Familie in Montagnola im Tessin (CH) nieder, wurde aber erst 1924 Schweizer Staatsbürger. Seine indische Dichtung “Siddhartha” erschien 1922. 1923 heiratete er Ruth Wenger, eine Sängerin, von der er sich 1927 wieder scheiden ließ. In diesem Jahr veröffentlichte er sein berühmtestes Werk “Der Steppenwolf”. Eine dritte Ehe schließt Hesse 1931 mit Ninon Dolbin. Sein Alterswerk “Das Glasperlenspiel” erscheint 1943 während des Zweiten Weltkrieges. 1946 wurde Hesse mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Er stirbt mit 85 Jahren am 9. August 1962 in Montagnola. 4 Hermann Hesses 125. Geburtstag am 2. Juli 2002 und sein 40. Todestag am 9. August 2002 wurden in den Medien zum Anlass genommen, eine Bilanz zu ziehen. Hesse ist heute der weltweit meist gelesene und bekannteste Autor deutscher Sprache. Seine Weltauflage umfasst über 100 Millionen Exemplare. Die Werke keines anderen deutschsprachigen Autors des 20. Jahrhunderts wurden so häufig übersetzt wie die Bücher von Hesse – in 54 Sprachen. Monatlich werden heute noch 35 000 seiner Bücher verkauft. Sie sind Kultbücher eines Kultautors. Auch im asiatischen Raum wie Japan, Korea und China sind seine Werke sehr beliebt. In Japan und Korea hat Hesse heute genau so viele Leser wie in Deutschland. In Seoul entsteht zu Hesses 125. Geburtstag das größte Hesse-Museum der Welt. Zahlreiche Ausstellungen auch zu Hesse als Maler begleiten weltweit das Hesse-Jahr, so in Berlin (D), Calw (D), Maulbronn (D), Gaienhofen (D), Montagnola (CH), selbst in Südindien. Neue Internet-Seiten wurden erstellt und die Illustrierte “Stern” widmete dem Jubilar eine mehrteilige Serie und nennt ihn den “Guru für die Jugend der Welt”. Das ist nicht nur eine Anspielung auf die 4Zum Teil nach Internet: www.hermann-hesse.de/biographie/lebenslauf. Im Anhang ist ein ausführlicherer tabellarischer Lebenslauf und eine Kurzbiografie von Radio Bremen beigefügt. Kurze Inhaltsangaben der bekanntesten Romane von Hesse stehen ebenfalls im Anhang. http://www.hhesse.de/exlink.php?link=http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/HesseHermann/index.html www.radiobremen.de/rb2_archiv/literatur/hesse/bio1.htm © 2002 Christina Dolland Seite 5 USA der sechziger Jahre, wo die Hippies ihn zur Kultfigur mit seinem “Steppenwolf” machten und in ihm einen Führer zum psychedelischen Erlebnis sahen. Seine Hinwendung zu Asien war für die “Blumenkinder” Ausdruck ihrer Sehnsucht nach esoterischer Bewusstseinserweiterung und Ganzheitlichkeit. Wie kaum ein anderer spricht Hesse Jugendliche an, indem er intensiv das seelische Erleben von Heranwachsenden schildert und sich mit der psychologischen Bedeutung der Kindheitserinnerungen im Erwachsenen befasst. 5 Kein Zweifel, Hesse ist immer noch aktuell und macht auch noch nach 125 Jahren von sich reden. Es bleibt die Frage, was die große Anziehungskraft dieses schwäbischen Dichters ausmacht und was das Geheimnis seines Erfolges ist. In meiner Arbeit möchte ich das Horoskop von Hesse auf wichtige Konstellationen hin untersuchen, vor allem nach der Methode des Häuser-Herrschersystems. Dabei stehen die Fragen an: Wie hat er seine Anlagen des Geburtshoroskops ausgelebt, welche Fähigkeiten konnte er wie entwickeln? Welche Lebensaufgaben waren angelegt, wo gab es die entscheidenden Herausforderungen und Hindernisse auf seinem Weg? Dabei gehe ich von einer ganz engen Verknüpfung von Hesses Werk und Leben aus, die er auch selbst formuliert: “All meine Erzählungen handelten von mir selbst, spiegelten meine eigenen heimlichen Träume und Wünsche, meine eigenen bitteren Nöte. Auch solche Bücher, in denen ich einst im festen Glauben fremde Schicksale und Konflikte darzustellen gemeint hatte, auch sie deuteten am selben Schicksal, am meinigen.”6 “Mein Thema ist das Stück Menschentum und Liebe, das Stück Triebleben und Sublimierungsleben darzustellen, das ich aus meiner Natur heraus kenne, für dessen Richtigkeit, Aufrichtigkeit, Erlebtheit ich einstehen kann.”7 “Eine neue Dichtung beginnt für mich in dem Augenblick zu entstehen, wo eine Figur mir sichtbar wird, welche für eine Weile Symbol und Träger meines Erlebens, meiner Gedanken, meiner Probleme werden kann. Die Erscheinung dieser mythischen Person (P e t e r C a m e n z i n d, K n u l p, D e m i a n, S i d d h a r t h a, H a r r y H a l l e r usw.) ist der schöpferische Augenblick, aus dem alles entsteht.”8 Hesse formuliert hier sein Verhältnis zu seinem eigenen Werk: Es bedeutet Selbstdarstellung und Analyse von ihm selbst durchlebten Konflikten. Astrologisch entspricht das bei ihm dem Herrscher von 1 (Jupiter) in 1: Bei seinem Auftreten steht die eigene Person im Mittelpunkt, alles dreht sich um das Verständnis und die Analyse der eigenen Entwicklung und Befindlichkeit. Hesses Äußerungen zu seinem Werk müssen bei dessen Verständnis und Interpretation ernst genommen werden, sie geben einen Einblick in den Schaffensprozess des Dichters aus der unmittelbarsten Quelle. So herrscht in der Hesse-Forschung, wie C. Karstedt berichtet, “Einigkeit darüber, dass sich zwischen Hesses Leben und seiner Dichtung eine sehr deutliche Analogie herstellen läßt”. In diesem Zusammenhang ist auch zu verstehen, dass in seinen Romanen viele Hauptfiguren die Initialen ihres Autors tragen, so Hermann Heilner aus “Unterm Rad”, Harry Haller aus “Der Steppenwolf” oder der Erzähler H.H. aus “Die Morgenlandfahrt”. 9 5Siehe z.B. www.swr.de/thema 6Hesse in einem Artikel der “Neuen Züricher Zeitung” am 20.11.1921. Nach C. Karstedt, Die Entwicklung des Frauenbildes bei Hermann Hesse, Frankfurt 1983, S. 7 7Zitiert nach Bernhard Zeller, Hermann Hesse, rororo Bildmonographien 85, S. 7 8Aus ”Eine Arbeitsnacht”, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 11, S. 81 9C. Karstedt, Die Entwicklung des Frauenbildes bei Hermann Hesse, Frankfurt 1983, S. 7 © 2002 Christina Dolland Seite 6 Einen wichtigen Einfluss auf Hesses Leben und Werk hatte seine Erfahrung der Psychoanalyse bei einem Jungianer und bei C. G. Jung selbst in der Zeit von 1916 bis 1921. Das große Thema Hesses ist die Selbstverwirklichung, unter der er die Eingliederung auch der widersprüchlichsten Seiten von sich selbst in das eigene Leben versteht. Auch die durch gesellschaftliche Normen und Werte als böse abgelehnten Eigenschaften und Triebe haben ihre Berechtigung für die menschliche Entwicklung. Diese Grundvorstellungen entlehnt Hesse aus der Tiefenpsychologie und lässt sie ab dem “Demian” 1919 in seine Romane mit einfließen. Die Jung´sche Tiefenpsychologie mit heranzuziehen ist notwendig, um die Funktion von Hesses Romanfiguren zu erkennen. Es geht ihm, wie er sagt, in seinen Romanen um “eine einzige Person in ihren Beziehungen zur Welt und zum eigenen Ich”. 10 Die auftretenden Figuren sind also nicht als eigenständige Personen interessant, die der Hauptgestalt im Außen entgegentreten, sondern insofern sie ein Teil des Innern der Erzählerperson sind. Dies entspricht dem Gedanken der Tiefenpsychologie, dass in Träumen Personen auftauchen, die Verkörperungen von Teilen des eigenen Innern sind, die meist im Bewussten unterdrückt sind. Diese Traumpersonen wollen dem Träumer zur Integration der unbewussten Anteile verhelfen. So begegnet zum Beispiel Sinclair im “Demian”11 der dunklen Gestalt Franz Kromer, der ihn erpresst und ihm Angst einjagt. Hier tritt Sinclair sein Schatten im Jung´schen Sinn entgegen. Das wird auch sprachlich angedeutet: “In meinen Träumen lebte er (Kromer) wie mein Schatten mit, und was er mir nicht in der Wirklichkeit antat, das ließ meine Phantasie ihn in diesen Träumen tun...ich verlor Kraft und Leben an diese Schatten.”12 Und wenn der Steppenwolf 13 Hermine trifft, so beginnt für Harry Haller seine Anima in ihm zu sprechen: “Vor ihrem (Hermines) Blick, aus dem meine eigene Seele mich anzuschauen schien, sank alle Wirklichkeit zusammen, auch die Wirklichkeit meines sinnlichen Verlangens nach ihr. Verzaubert blickten wir einander an, blickte meine arme kleine Seele mich an.” 14 Hesses Romane sind somit eine künstlerische Aufarbeitung der Erfahrungen bei seiner eigenen Psychoanalyse und haben so ganz viel mit seinem eigenen Innenleben zu tun. 10Aus “Eine Arbeitsnacht”, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd. 11, S. 81 11Kurze Inhaltsangabe im Anhang. 12Demian, st 206, 1980, S. 35 13Kurze Inhaltsangabe im Anhang. 14Der Steppenwolf, st 175, 1974, S. 188 © 2002 Christina Dolland Seite 7 3 Hermann Hesse und sein Geburtshoroskop 3.1 Hesses Begegnung mit der Astrologie seiner Zeit Vorab soll hier kurz nachgeforscht werden, welches Verhältnis Hesse zur Astrologie seiner Zeit hatte und was es an Äußerungen von ihm dazu gibt. Hesse wurde in dem alten Schwarzwaldstädtchen Calw im engen Tal der Nagold geboren. Er kam als zweites Kind von Marie Hesse-Gundert und Johannes Hesse, einem Deutschbalten, zur Welt, zwei Jahre nach seiner Schwester Adele. Seine Mutter berichtet in ihrem Tagebuch über die Geburt am 2. Juli 1877 in der Abendstunde um halb sieben15 : das sehr große, schwere, schöne Kind habe sich gleich selbstständig dem Licht zugewendet. 16 Die Wärme und das Licht dieses Sommerabends sind etwas Wichtiges, was Hesse sein Leben lang beeinflusst hat. Über seine Geburt schreibt er später in “Kurzgefasster Lebenslauf”: “Ich wurde geboren gegen das Ende der Neuzeit, kurz vor der beginnenden Wiederkehr des Mittelalters, im Zeichen des Schützen und von Jupiter freundlich bestrahlt. Meine Geburt geschah in früher Abendstunde an einem warmen Tag im Juli, und die Temperatur jener Stunde ist es, welche ich unbewußt mein Leben lang geliebt und gesucht und, wenn sie 17 fehlte, schmerzlich entbehrt habe.” In diesem Lebenslauf versucht Hesse “in märchenhafter und halb humoristischer Form” Freunden einen Überblick über sein Leben zu geben. Aus dem Anfang dieses Lebenslaufs ist zu ersehen, dass Hesse seinen Schütze-Aszendenten kannte. 1921 interessierte sich C. G. Jung für Hesses Horoskop im Rahmen seiner psychoanalytischen Sitzungen bei ihm. Hesse hatte sich bei einem Freund, dem Diplomingenieur und Architekten18 Joseph Englert 1919/20 ein Radixhoroskop anfertigen lassen. 19 Dieses Horoskop ist auch unter dem Gesichtspunkt der Geschichte der Astrologie interessant und im Anhang beigefügt 20 Seinem Freund Joseph Englert, dem Hesse sehr dankbar war, weil er ihm während seiner Ehekrise 1920 tatkräftig beigestanden hatte, 21 setzte Hesse in der Erzählung “Klingsors le tzter Sommer” (1920) 22 ein Denkmal. In der Geschichte des Malers Klingsor, der depressiv und vom Tod beunruhigt, gleichzeitig aber von der Leidenschaft zum Leben und zur Kunst besessen ist, beschreibt Hesse sich selbst. Im Freundeskreis dieses Malers, der in seinem letzten Sommer einen rauschhaften Durchbruch zum expressiven Künstlertum erfährt, tritt ein armenischer Magier und Sterndeuter auf, 15Siehe Horoskop von Hermann Hesse im Anhang 16Bernhard Zeller, Hermann Hesse, rororo-Monographie 85, 1971, S. 13 17Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 6, S. 391 18Martin Pfeiffer, Hesse-Kommentar zu sämtlichen Werken, st 1740, S. 188 19Stern 30/2002, 125 Jahre Hermann Hesse /Teil 4, S. 67. Siehe Brief an Joseph Englert vom 25.5.1921, Hermann Hesse, Gesammelte Briefe, Suhrkamp 1973, Bd 1, S. 473. 20Auf dieses Horoskop wurde ich durch einen Internetkontakt bei www.hhesse.de aufmerksam. Es ist abgedruckt in Hermann Hesse, Gesamme lte Briefe, Suhrkamp 1973, Bd 1, S. 573 – 576 und auch hier im Anhang zu finden. 21Hermann Hesse, Gesammelte Briefe, Suhrkamp 1973, Bd 1, Brief an Joseph Englert S. 451 22Kurze Inhaltsangabe im Anhang. © 2002 Christina Dolland Seite 8 der dem “Julikind” Klingsor Andeutungen über seine Sterne macht. 23 Sie decken sich zum Teil mit Aussagen Englerts im Horoskop von Hesse. Zuletzt diskutieren Klingsor und der armenische Magier über die Freiheit zum Lebenwollen: “...Sänger des Untergangs (Klingsor), willst du nicht innehalten? Willst du nicht leben? Willst du nicht fortdauern?` Klingsor trank und flüsterte mit seiner etwas heiseren Stimme zurück: `Kann man denn Schicksal wenden? Gibt es denn Freiheit des Wollens? Kannst denn du, Sterndeuter, meine Sterne anders lenken?` `Nicht lenken, nur deuten kann ich sie. Lenken kannst nur du dich selbst. Es gibt Freiheit des Wollens. Sie heißt Magie.`” 24 1922 lässt Hesse von Joseph Englert ein Horoskop von seiner späteren zweiten Frau Ruth Wenger anfertigen, die er zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht heiraten will. Er schreibt an Englert in einem Brief: “Ich bin gespannt auf das Horoskop von Ruth W(enger) und darauf, ob Sie irgendwelche Verbindungen (oder das Gegenteil) mit dem meinen sehen.”25 Seinen jungianischen Psychoanalytiker Dr. Lang “beneidet” Hesse “um die Beharrlichkeit”, mit der er “solche Studien” wie die Astrologie betreiben kann. 26 Kurz vor seinem Geburtstag 1923 schreibt Hesse noch einmal an seinen Freund Joseph Englert: “Sie prophezeihen mir viel Schönes und Gutes, lieber Freund Englert. Hoffen wir, daß es eintreffe, ehe ich verdorrt bin. Ihre Freundschaft fühle ich und bin ihr dankbar.” Danach berichtet Hesse ihm von dem Astrologie kundigen Dr. Lang, der ihm geschrieben habe, dass in diesem Jahr für ihn die Zeichen, die auf Heirat deuten, so stark sind, dass er diesem Schicksal kaum entgehen werde. Hesse, der dann tatsächlich 1924 Ruth Wenger heiraten wird widerwillig zwar auf Druck des Vaters hin -, kommentiert: “Auch ich glaube, daß es so ist, was aber nicht hindert, daß ich die neue Ehe fürchte und viel lieber vermeiden würde. Aber es gibt für jeden Menschen Lebensgebiete, auf denen er inaktiv ist und willenlos seinen Sternen folgt.” 27 In “Der Steppenwolf” 28 beschreibt der fiktive Herausgeber ein Gespräch mit Harry Haller, in dem es auch um Astrologie geht: “Und als ich nun scherzend auf diese Anspielung einging und andeutete, wie unwahrscheinlich es mir sei, daß gerade er an Astrologie glaube, da nahm er wieder den höflichen Ton an, der mich oft verletzte, und sagte:`Ganz richtig, auch an diese Wissenschaft kann ich leider nicht glauben.`” Hesses Verhältnis zur Astrologie seiner Zeit ist einmal geprägt durch die freundschaftliche Begegnung mit dem Astrologie betreibenden Josef Englert, dann durch das Interesse von seinen Psychoanalytikern an seinem Horoskop, aber auch, wie die Stelle in “Der Steppenwolf” zeigt, durch seine allgemeine Skepsis gegenüber festgelegten Gedankensystemen überhaupt. 23Hermann Hesse, Klingsors letzter Sommer, rororo 1462, 1971, S. 116 - 122 24Hermann Hesse, Klingsors letzter Sommer, rororo 1462, 1971, S. 120 25Hermann Hesse, Gesammelte Briefe, Suhrkamp 1973, Bd 2, Brief an Joseph Englert S. 8 26Hermann Hesse, Gesammelte Briefe, Suhrkamp 1973, Bd 2, Brief an Josef Lang, S. 19f 27Hermann Hesse, Gesammelte Briefe, Suhrkamp 1973, Bd 2, Brief an Joseph Englert S. 63f 28Kurze Inhaltsangabe im Anhang. © 2002 Christina Dolland Seite 9 3.2 Herrschersystem 3.2.1 Überblick Wird Hesses Horoskop 29 mit dem Herrschersystem betrachtet, fällt in der Abbildung im Anhang auf, dass es drei in sich zusammenhängende Strukturen gibt. 30 Dabei rechne ich - ausgehend von der Zehnprozent-Regel31 für die Horoskophäuser - seine Venus und seinen Mars schon zum nächsten Haus, also Mars zu Haus 3 und Venus zu Haus 8. Die mittlere Energiekette zeigt an der Spitze zwei Herrscher, Neptun und Mars, die in Rezeption stehen. Sie beherrschen sich also gegenseitig, das heißt Neptun als Herrscher von 3 (Spitze 3 in den Fischen) ist nach Haus 4 ausgewandert. Und umgekehrt ist Mars als Herrscher von 4 (Spitze 4 im Widder) nach 3 gegangen und untersteht Neptun. Die beiden Häuser 3 und 4 und auch die zwei Planeten Mars und Neptun sind so ganz eng miteinander verbunden und beeinflussen sich wechselseitig. In der Rezeption der Häuser 3 und 4 bündelt sich die Energie einiger Häuser (11, 10, 5, 8, 2) und deshalb erhalten diese zwei Häuserprinzipien (Zwillingsmerkur-Haus und Mondhaus) eine Schlüsselrolle im Horoskop. 32 Betrachtet man weiter die Struktur der Herrscherverknüpfungsketten im Anhang, so ist auf der rechten und der linken Seite jeweils ein Herrscher zu sehen, der in seinem eigenen Haus steht. Es gibt somit zwei Enddispositoren: Jupiter als Aszendentenherrscher in Haus 1 (links) und Merkur, der Herrscher von Haus 7 steht selbst in diesem Haus (rechts). Jupiter und Merkur, die auch durch eine Opposition von Haus 1 nach Haus 7 in Spannung stehen, sind so beide in ihrer Rolle als Enddispositoren stark gestellt in Hesses Horoskop. Die Anlagen dieser beiden Planetenprinzipien auszubilden ist somit für ihn zentral in seinem Leben. 33 Die Rezeption und die Merkur-Energiekette sind verbunden durch die Mitherrscherin Sonne in Haus 8, die nach Haus 7 mit Spitze in den Zwillingen ausgewandert ist, während die Jupiterenergiekette für sich steht. 29Siehe Anhang. 30Siehe Abbildung “Herrscherverknüpfung bei H. Hesse” im Anhang. 31Zehnprozent-Regel: Befindet sich ein Planet im Bereich der letzten zehn Prozent eines Hauses, wirkt er schon auf das nächste Haus und wird zu diesem gerechnet. 32Siehe Kapitel 3.2.3. 33Siehe Kapitel 3.2.2. © 2002 Christina Dolland Seite 10 3.2.2 Vom Wissen zur Weisheit: Die Betonung der Achse ZwillingeSchütze “Wissen kann man mitteilen, Weisheit aber nicht. Man kann sie finden, man kann sie leben, man kann von ihr getragen werden, man kann mit ihr Wunder tun, aber sagen und lehren kann man sie nicht.” Siddhartha “Das kluge Reden hat gar keinen Wert, gar keinen. Man kommt nur von sich selber weg.” “Nur das Denken, das wir leben, hat einen Wert.” Demian In Hesses Horoskop gibt es zwei durch Opposition verbundene Herrscher, die beide sowohl in ihrem eigenen Haus als auch in ihrem eigenen Zeichen stehen: Jupiter als Aszendentenherrscher in Haus 1 im Schützen und Merkur als Deszendentenherrscher in Haus 7 in den Zwillingen. Die Achse eins-sieben (Austausch zwischen Ich und Du, das Thema der Begegnung) und die Achse Zwillinge-Schütze erhalten so in diesem Horoskop ein besonderes Gewicht. Zudem sind Zwillinge und Schütze auch dadurch betont, dass diese Zeichen von jeweils zwei Häuserspitzen angeschnitten werden: zu Haus 1 kommt noch Haus 12 (Unbewusstes, Spirituelles, Inspiration), das vom Schützen geprägt ist. Und entsprechend hat auch das gegenüberliegende Haus 6 (Arbeit, Gesundheit, Wahrnehmen und Zeigen von Gefühlen) die Spitze in den Zwillingen, was ein Hinweis darauf ist, dass das Gewahrwerden und Ausdrücken von Gefühlen ein Hauptthema in Hesses schriftstellerischer Arbeit (Zwillingsmerkur) ist. Bei der Achse Zwillinge-Schütze geht es um intellektuelles Verständnis, Wissenserwerb und schließlich um weisheitsvolle Einsicht in die Hintergründe und den Sinn des Lebens. Stehen bei den Zwillingen im Vordergrund neutraler Umgang mit Wissen, die Vermittlung von schulischer Bildung, Informationssammlung in alle Richtungen, analytische Logik, so geht es dem Schützen um das Finden einer eigenen Philosophie, Religion oder Weltanschauung, die er dann als die gute Sache vehement vertreten kann. Der Schütze will den weiten geistigen Überblick, ein Denken in Synthese und übergreifenden Zusammenhängen. Der Pfeil des Schützen ist in die Ferne nach oben gerichtet, es geht um hohe geistige Ziele, nicht um den Kleinkram des praktischen Alltags. Der Blick in die weite Ferne führt auch zu Interesse, andere Nationen, Kulturen und Religionen kennenzulernen und Toleranz ihnen gegenüber aufzubauen, oder auch in einer weniger entwickelten Form zum Missionsdrang gegenüber den sogenannten Heiden. Das Feuerzeichen Schütze verfolgt seine Ziele mit großer Begeisterung und Optimismus. Die Achse Zwillinge-Schütze wird auch als Pfarrers-Achse bezeichnet. So wundert es nicht, dass Hesses Eltern, die beide im christlichen Missionsdienst tätig waren, sich für den kleinen Hesse als zukünftigen Beruf “Pfarrer” vorstellten und ihn deswegen mit 14 Jahren in die strenge Klosterschule Maulbronn zur Erziehung gaben. Der kleine Hermann hielt es aber dort nur ein dreiviertel Jahr aus. Er litt stark unter der starren autoritären Führung und den dortigen Konventionen. Saturn aus dem Haus 3 des Lernens bildet auch ein gradgenaues Quadrat zu seinem Aszendenten. So riss er aus, beziehungsweise trat sein “Geniereisle” an, wie es Hesses Großvater ausdrückte. Theologe wollte er nicht werden. Er wollte Dichter werden oder gar nichts, sein Motto © 2002 Christina Dolland Seite 11 war: Ich gehorche nie. 34 Mit diesen aufmüpfigen Ideen wandte er sich früh gegen das Gehorsamsideal der pietistischen Weltanschauung seiner Eltern, die besagt: Der Mensch ist sündig, er muss den Versuchungen der Welt trotzen und die Erlösung liegt nur im Jenseits. “Beuge Dich unter die gewaltige Hand Gottes”, schrieb Hesses Vater an den Sohn, als er in der Schule ausrastete. 35 Über das enge Pfarrer- und Missionardasein seiner Herkunftsfamilie (Schütze unerlöst) ist Hesse hinausgewachsen. Die individuelle Verwirklichung seiner betonten Zwillinge-Schütze-Achse sah anders aus: Er wurde zu einer Art Lebenssinn-Verkünder durch seine Bücher, die zum Weg nach Innen und zum Hören auf sich selbst auffordern. Seine Leser, die sich in seinen Büchern widergespiegelt sahen und seelischen Rat bei ihren persönlichen Problemen suchten, überschütteten ihn mit Briefen (Merkur in 7, Deszendent in den Zwillingen). Hesse hatte sie einzeln in einer Art seelsorgerischer Tätigkeit zu beantworten. Das wurde mit zunehmendem Alter für ihn sogar der Hauptteil seiner Arbeit. Hesse gelang es durch sein Leben als Dichter und Schriftsteller, seine ausgeprägte ZwillingeSchütze-Anlage auf eine neue Frequenz zu heben gegenüber dem, was seine Herkunftsfamilie für ihn vorgesehen hatte: ein Leben als Pfarrer und Theologe. Das Grundanliegen der Seelsorge, sich um die Seelen der anderen Menschen zu kümmern, dem sich seine Familie in der Missionstätigkeit auf ihre Weise verpflichtet sah, griff Hesse durch den umfangreichen Briefkontakt zu seinen ratsuchenden Lesern wieder auf. 34Kurzgefasster Lebenslauf, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 6, S.393 35Stern 27/2002 125 Jahre Hermann Hesse Teil 1, S. 160 © 2002 Christina Dolland Seite 12 3.2.2.1 Der Sinnsucher und Einheitsdenker: Schütze AC mit Jupiter in Haus 1 Jupiter, der AC-Herrscher, bleibt bei sich Zuhause – auf zweifache Weise. Er steht in seinem eigenen Zeichen Schütze und auch in seinem eigenen Haus, noch in der Nähe des Aszendenten. Jupiter hat also genau die “Heimaterde”, die er braucht, um bestens zu gedeihen. Dadurch bekommt er eine ganz besondere Stärke bei diesem Menschen und alle Möglichkeiten, sich auf seinem Boden gemäß seiner ureigenen Art zu entfalten. In Haus 1 wird das unmittelbar die Identität der Persönlichkeit beeinflussen und die Art, wie sie instinkthaft auf die Umwelt reagiert, wo sie in der Welt ihren Platz findet. Ein jupiterhaftes Auftreten hoch drei (Schütze-AC, Jupiter im Schützen, Jupiter in eins) ist zu erwarten, etwa als öffentlicher Prediger, Priester, Lebenssinn- Verkünder oder Weisheitssucher, der das Bewusstsein der Menschen mit neuen, seelisch tiefgreifenden Einsichten erweitern und verändern will. Denn Jupiter bildet mit dem Aszendenten zusammen ein Trigon zu Uranus in Haus 8, dem Haus der seelischen Transformation. Der Herrscher von 1 steht in 1, deshalb wird bei dem jupiterhaften Auftreten das eigene Ich im Mittelpunkt stehen, sich alles um die eigene Entwicklung und Befindlichkeit drehen. “Meine Aufgabe ist nicht, andern das objektiv Beste zu geben, sondern das Meine (und sei es nur ein Leid, nur eine Klage) so rein und aufrichtig wie möglich”, schreibt Hesse . 36 Die Jupiterprägung äußert sich als Suche nach dem Sinn des Lebens, als Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Kulturen und Religionen und als letztlich optimistische Lebenseinstellung. Das Schütze-Thema der Begegnung mit anderen Völkern und Kulturen zieht sich schon durch die Vergangenheit von Hesses Familie, allerdings in der eingeengten Form von christlicher Missionstätigkeit. Hesses Mutter Marie Gundert wurde in Indien geboren als Tochter des Missionars Hermann Gundert. Auch Hesses Vater Johannes arbeitete für die Mission, dies hatte ihn mit seiner Frau und deren Familie zusammengebracht. Neben der pietistisch-religiösen Enge in seinem Zuhause (unerlöster Schütze) konnte Hesse auch in seiner Jugend den Zauber der fremden, weiten Welt spüren und wurde so auch von dieser anderen Ebene des Schütze-Prinzips geprägt. Seiner Schwester Adele schrieb er darüber 1946: Viele Welten kreuzten ihre Strahlen in diesem (dem elterlichen) Hause. Hier wurde gebetet und in der Bibel gelesen, hier wurde studiert und indische Philologie getrieben, hier wurde viel gute Musik gemacht, hier wußte man von Buddha und Lao Tse, Gäste kamen aus vielen Ländern, den Hauch von Fremde und Ausland an den Kleidern, mit absonderlichen Koffern aus Leder und aus Bastgeflecht und dem Klang fremder Sprachen....Es war eine Welt mit ausgesprochen deutscher und protestantischer Prägung, aber mit Ausblicken und Beziehungen über die ganze Erde 37 hin.” Hermann Gundert, der Großvater mütterlicherseits war ihm ein Vorbild in seiner Wertschätzung anderer Kulturen und Religionen. Gundert war nicht nur schwäbischer Theologe, sondern auch ein bedeutender Indologe und Sprachgelehrter. Manchmal sprach er mit Hesses Mutter in der indischen Sprache Malayalam. Das faszinierte Hesse: “Und niemand wusste wie er so Bescheid darum, dass unsere Stadt und unser Land nur ein sehr kleiner Teil der Erde war, dass tausend Millionen anderer Menschen andere Sitten, Sprachen, Hautfarben, andere Götter, Tugenden und Laster hatten als wir.” 38 36Mein Glaube, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1971, S. 100 37Bernhard Zeller, Hermann Hesse, rororo-Monographie 85, 1971, S. 13 38Fernsehsendung : Hermann Hesse – Lebensstationen. Ein Film von Sarah Palmer, Südwest 3, 29.6.02, 0:00 – 0:30 © 2002 Christina Dolland Seite 13 Später reiste Hesse nicht nur selber nach Hinterindien (Indonesien) und Ceylon, sondern beschäftigte sich auch intensiv mit den Schriften Buddhas, dem Hinduismus, mit Lao-Tse und Konfuzius. Er wollte aber nicht das abendländische Denken aufgeben, sondern eine “magische Brücke” nach Asien bauen, indem er das europäisch Rationale mit indisch/chinesischem Einheitsdenken und einer meditativen, mystischen Lebenshaltung zu verbinden suchte. “Wir sollen und wollen nicht bekehren und bekehrt werden, sondern uns öffnen und weiten, wir erkennen östliche und westliche Weisheit nicht mehr als feindlich sich bekämpfende Mächte, sondern als Pole, zwischen denen fruchtbares Leben schwingt.”39 Im Sinne des Chinesen Lao-Tse - man denke an das Taosymbol Yin und Yang - verstand Hesse das Leben als “Fluktuieren zwischen zwei Polen” und formulierte sein Einheitsdenken so: “Beständig möchte ich mit Entzücken auf die selige Buntheit der Welt hinweisen und ebenso beständig daran erinnern, dass dieser Buntheit eine Einheit zugrunde liegt; beständig möchte ich zeigen, daß Schön und Hässlich, Hell und Dunkel, Sünde und Heiligkeit immer nur für einen Moment Gegensätze sind, daß sie immerzu ineinander übergehen.”40 Bei Hesses Sehnsucht nach Einheit, nach Aufhebung der Polaritäten in einer dahinterstehenden Ganzheit ist neben der Schützebetonung auch an seine Konstellation Mond-Neptun (Mond in den Fischen, Neptun in 4) zu denken. Michael Roscher sieht da zurecht bei Hesse einen Zusammenhang zu seinem Fischemond. Über die “Mond-Fische-Geborenen” schreibt er: Wie die Mond-Schütze-Geborenen suchen die Horoskopeigner (unbewusst) nach der Einheit der Gegensätze. Sie spüren, dass völlig verschiedene Formen die gleichen (oder zumindest gleichwertige) Inhalte haben können. Keine andere Konstellation empfindet so stark die Bedeutungslosigkeit des Vordergründigen (Beispiel: Hermann Hesse in seinem Werk).”41 Hesse ging es um Synthese und allumfassende Zusammenhänge zwischen den Religionen, um Wertschätzung und das Integrieren von anderen Kulturen. “...es gibt natürlich bloß einen Gott, bloß eine Wahrheit, die jedes Volk, jede Zeit, jeder Einzelne auf seine Art aufnimmt, für die immer neue Formen entstehen.... Ich halte einige Sprüche des Neuen Testaments, neben einigen von Lao Tse und einigen von Buddha und den Upanishaden, für das Wahrste, Konzentrierteste, Lebendigste, was auf Erden erkannt und gesagt worden ist. ... Ich halte indische Weisheit nicht für besser als christliche, ich empfinde sie nur als ein wenig spiritueller, etwas weniger intolerant, etwas weiter und freier. Das kommt davon her, daß die christliche Wahrheit mir in der Jugend in unzulänglichen Formen aufgedrängt wurde..... Für andere Menschen führen andere Wege zu Gott, ins Centrum der Welt.” 42 “Ich glaube, eine Religion ist so gut wie die andere. Es gibt keine, in der man nicht ein Weiser werden könnte, und keine, die man nicht auch als dümmsten Götzendienst betreiben könnte.”43 Literarisch ist ihm eine Integration des Indischen in die abendländische Literatur in dem Roman “Siddhartha”44 gelungen, dessen Sprache liturgisch-priesterlich ist und an indische Tempelgesänge erinnert - so Martin Kämpchen, Religionswissenschaftler und Indienkenner in der Fernsehsendung 39Aus dem Vorwort zur japanischen Gesamtausgabe seiner Schriften, 1955, zitiert nach Hesse, Sein Leben in Bildern und Texten, S. 133 40“Der Kurgast”. In: Lebenszeiten, S. 158ff. Zitiert nach der Radiosendung “Glaubensfragen. Hermann Hesse und die Religionen des Ostens.” SWR 2, 7.7.02, 12:05-12:30 41Michael Roscher, Der Mond, Licht und Schatten astrologischer Mond-Konstellationen, Knaur 86158, S. 255 42Mein Glaube, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1971, S. 92f (1923) 43zitiert nach Christoph Gellner, www.hermann-hesse.de 44Kurze Inhaltsangabe im Anhang. © 2002 Christina Dolland Seite 14 “Hermann Hesse – Wegbereiter eines neuen Denkens?”45 . In dieser Sendung kommt der Moderator Dietrich Brants zusammenfassend zu dem Schluss, dass Hesse “Wegbereiter eines neuen interkulturellen Denkens” war. Hier spiegelt sich in der Gegenwart das dreifache Schützethema von Hesse sehr deutlich. Im “Siddhartha” formuliert Hesse - ganz im Sinne des Schützen - seinen persönlichen Glauben mit einem “indischen Gesicht”. 46 Die Frage nach der richtigen vollkommenen Lehre hat sich für ihn relativiert, er setzt anstatt einem Dogma die Liebe obenan: ”Lehren sind nichts für mich. Bei mir selbst will ich lernen.” 47 “Du sollst dich nicht nach einer vollkommenen Lehre sehnen, sondern nach einer Vervollkommnung deiner selbst. Die Gottheit ist in dir, nicht in Begriffen und Büchern.”48 “...die Liebe, o Govinda, scheint mir von allem die Hauptsache zu sein. Die Welt zu durchschauen, sie zu erklären, sie zu verachten, mag großer Denker Sache sein. Mir aber liegt einzig daran, die Welt lieben zu können, sie nicht zu verachten, sie und mich nicht zu hassen, sie und mich und alle Wesen mit Liebe und Bewunderung und Ehrfurcht betrachten zu können.” 49 45Hermann Hesse – Wegbereiter eines neuen Denkens? Gespräche und Musik zu Hermann Hesse aus dem Kloster Maulbronn. 3Sat, 15.6.02, 20:15 46Mein Glaube, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1971, S. 59 47Siddhartha. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1977, Umschlag 48Hermann Hesse, Lektüre für Minuten, st 7, S. 94 49Siddhartha. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1977, S. 132 © 2002 Christina Dolland Seite 15 3.2.2.2 Der Autor der Krise: Saturn Quadrat Aszendent und Sonne-Pluto Wie steht es aber mit dem kaum zu erschütternden Glauben an das Gute, dem großen Optimismus bei Hesse, der dem Schützen nachgesagt wird? Hesse gilt doch als der Autor der Krise, als einer, der die Krise regelrecht sucht als “Höllenreise durch sich selbst”, um als ewig Pubertierender sich dann alles von der Seele schreiben zu können. Seine Rezeptionswellen gehen immer einher mit Krisenzeiten: Nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg erreichten sie jeweils einen Höhepunkt. Die größte Welle in den USA gab es mit der Hippiebewegung im Vietnamkrieg, als Soldaten ihre Wehrpässe verbrannten und sich dabei auf Hesse beriefen. Die “Blumenkinder” begeisterten sich vor allem für den Outsider Harry Haller in “Der Steppenwolf”; die Geschichte seines Leidens am “Establishment” wurde in den sechziger Jahren zum Kultbuch der Hippies. Hesses Befangenheit in seinen Krisen ging manchmal soweit, dass er nicht davor zurückschreckte, sich das Leben nehmen zu wollen. Es sind zwei Selbstmordversuche bekannt. Ein früher nach der Maulbronner Zeit, als er von den Eltern nach Bad Boll ins Exil geschickt wurde. Als noch Liebeskummer dazu kam, versuchte er es mit einem Revolver. Später mit ca. 49 Jahren während der Steppenwolfzeit, kurz nach der Ehe mit seiner zweiten Frau Ruth Wenger, nahm er Schlaftabletten, wurde aber noch rechtzeitig gefunden. 50 Die Selbstmordthematik findet sich entsprechend in fast jedem großen Roman. Der Schüler Hans Giebenrath in “Unterm Rad” geht ins Wasser, später in “Klein und Wagner” wird detailliert ein Selbstmord im Wasser beschrieben. Und auch Siddhartha steht am Fluss und möchte sich umbringen. In “Der Steppenwolf” räsoniert Harry Haller, auf welche Weise er sich an seinem fünfzigsten Geburtstag das Leben nehmen könnte. Und selbst der erfahrene Glasperlenspieler Knecht stürzt sich zuletzt waghalsig in einen eiskalten Gebirgssee und ertrinkt, was auch an einen verdeckten Selbstmord denken lässt. 51 Auffällig ist, dass die Vorstellung von Tod und Selbstmord in Hesses Romanen sehr oft mit dem Wasserelement verknüpft ist. Wasser als Symbol des Auflösens, Reinigens, Regenerierens und der Wandlung lässt vermuten, dass es ihm in seinen Romanen dabei mehr um den Tod von psychischen Verhaltensmustern geht, damit andere Selbstanteile neu erstehen und leben können. Astrologisch gesprochen: Skorpion-Haus 8 – Haus der seelischen Transformation, auch das Todeshaus - zeigt in das Wasserzeichen Krebs. Saturn (bedeutet unter anderem Alter und Tod) steht auch im Wasserzeichen Fische in weiter Konjunktion mit dem Mond, wobei der Mond sich von Saturn entfernt. Das Ziel dieser Konstellation: Im Gefühl wünscht man, festgefahrene Strukturen wie einengende Disziplin hinter sich zu lassen (Mond entfernt sich von Saturn), sie sollen aufgelöst oder kreativ fließend werden (Fische). Der Widerspruch der von den Eltern vermittelten und verinnerlichten Norm und Moral (Saturn) zu den eigenen Gefühlen (Mond) soll aufgehoben oder zumindest erträglich werden. Unter dieser Ambivalenz litt der jugendliche Hesse besonders ge genüber seinem Vater, was seinen Selbsthass und die Selbstmordgefährdung nährte. 50Volker Michels, Hesse-Herausgeber in der Fernsehsendung: Hermann Hesse – Wegbereiter eines neuen Denkens? Gespräche und Musik zu Hermann Hesse aus dem Kloster Maulbronn. 3Sat, 15.6.02, 20:15 51Kurze Inhaltsangaben im Anhang. © 2002 Christina Dolland Seite 16 Der Vater muss einen gewaltigen Druck auf Hesse ausgeübt haben und viel Macht über ihn besessen haben, das zeigt auch die viermal vorhandene Konstellation Sonne-Pluto (Sonne im Halbquadrat zu Pluto, Pluto in Haus 5, Herrscher von 5 in 8, Mitherrscherin von 8 ist die Sonne). In der Hemmung bedeutet diese Konstellation unterdrückte Lebensfreude, Sexualität und Vitalität. Der Vater (Sonne) erwartet, dass man sich nach seiner Vo rstellung (Pluto) verwirklicht Es besteht die Tendenz zur Selbstzerstörung und zum Selbstmord. Aus der Heilanstalt Stetten, in die Hesse nach seinem Selbstmordversuch gesteckt wurde, schrieb er an seinen Vater, den er schon provokativ mit “Herr Hesse” anredete, heftige Protestbriefe. Unter anderem: “Da Sie sich so auffällig opferwillig zeigen, darf ich Sie vielleicht um 7 M oder gleich um den Revolver bitten....Ihre Verhältnisse zu mir scheinen sich immer gespannter zu gestalten, ich glaube, wenn ich Pietist und nicht Mensch wäre, wenn ich jede Eigenschaft und Neigung an mir ins Gegenteil verkehrte, könnte ich mit Ihnen harmonieren. Aber so kann und will ich nimmer leben und wenn ich ein Verbrechen begehe, sind nächst mir Sie schuld, Herr Hesse, der sie mir die Freude am Leben nahmen (Sonne-Pluto)52 .”53 “Ich war das Kind frommer Eltern, welche ich zärtlich liebte, und noch zärtlicher geliebt hätte, wenn man mich nicht schon frühzeitig mit dem vierten Gebote bekannt gemacht hätte. Gebote (Saturn) aber haben leider stets eine fatale Wirkung (Saturn Quadrat Aszendent) auf mich gehabt, mochten sie noch so richtig und noch so gut gemeint sein ... Ich brauchte nur das `Du sollst` zu hören, so wendete sich alles in mir um, und ich wurde verstockt.”54 In “Der Steppenwolf” 55 wird das “Brechen des Willens” als Grundlage der Erziehung dafür verantwortlich gemacht, dass Harry Haller zwar nicht vernichtet wurde als Persönlichkeit, aber sich selbst hasst und verachtet. 56 Da Hesses Mond und Saturn in einem Quadrat zum Aszendenten stehen, ist klar, dass einmal für Hesse mit gewaltigen Einschränkungen durch Moral und Normen zu rechnen ist, die sein Gefühlsleben herunterdrücken, ihn depressiv machen. Zum andern ist er herausgefordert und hat die Lebensaufgabe, sich das Recht zu nehmen (Saturn), die vorgefundenen Strukturen (Saturn) kreativ so zu verändern, dass seine Gefühle (Mond) darin wieder leben können. Als ein Beispiel dazu einmal Hesses Umgang mit dem “Eigensinn”: Den kleinen Hermann fanden die Eltern eigensinnig, was für sie ein anderes Wort für Trotz war, schließlich rannte er weg aus Maulbronn, wollte nicht gehorchen und sich das Leben nehmen. Im Lauf seines Lebens ist es Hesse gelungen, dieses abwertende Wort der Eltern in ein Positivum und eine Tugend zu verkehren. Eigensinn hieß dann für ihn der Sinn des Eigenen, in sich selbst den eigenen Sinn zu finden, auf seine innere Stimme zu hören, der zu werden, der man ist. Das hielt er für das höchste Ziel des Menschseins. 57 “Eine Tugend gibt es, die liebe ich sehr, eine einzige. Sie heißt Eigensinn... auch der Eigensinn ist Gehorsam ... Wer eigensinnig ist, gehorcht einem anderen Gesetz, einem einzigen, unbedingt heiligen, dem Gesetz in sich selbst, dem `Sinn`des `Eigenen`.”58 52Die Farbe kennzeichnet Textteile, die von mir in Zitate eingefügt wurden. 53Brief vom 14.9.1892 aus Stetten, Hermann Hesse, Kindheit und Jugend vor 1900, hrg. von Ninon Hesse, st 1002, S. 268 54Kurzgefasster Lebenslauf, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, S. 391f. 55Kurze Inhaltsangabe im Anhang. 56Der Steppenwolf, st 175, Frankfurt 1974, S. 15 57So Joachim Ernst Behrendt in der Fernsehsendung: Hermann Hesse – Lebensstationen. Südwest 3, 29.6.02, 0:00 – 0:30 58Eigensinn 1919, Werkausgabe Edition Suhrkamp, Bd.10, S. 454 © 2002 Christina Dolland Seite 17 Ein weiteres Beispiel: Der Psalmvers “Der Strick ist zerrissen, der Vogel ist frei”, den Vater Johannes Hesse für seinen Grabstein bestimmt hatte, sollte nach seinem Tod 1916 für seinen Sohn eine einschneidende, wenn auch abgewandelte Bedeutung bekommen. 59 Bei Johannes Hesse meint der Spruch vom befreiten Vogel die Seele, die durch den Tod dem irdischen Gefängnis Körper entkommen ist. Dieser Psalmvers drückt die Jenseitsorientiertheit des Pietismus aus, die die Jugend des kleinen Hermann geprägt hatte. 1917 träumt Hesse - was er in seinem Traumtagebuch während der Psychoanalyse festhält - von einem jungen Adler, der sich sowohl aus seinem Ei als auch aus einem Rahmen herausarbeiten muss, der ihn umgibt. Zum Teil ist der Adler im künstlichen Bildzustand, den er verlassen will, um lebendig zu werden. 60 Der Traum entspricht Hesses akuter Situation damals. Seine Ehe mit Maria Bernoulli stagniert, seine politische Meinungsfreiheit ist blockiert durch seine offizielle Tätigkeit in der Kriegsgefangenenfürsorge. Und er will die Rolle des “allzu beliebten Unterhaltungsschriftstellers” überwinden. 61 Das Herausabeiten aus Ei und Rahmen bedeutet hier eine Entscheidung zum Leben, das Jasagen zum Prozess der Individuation, wie er ihn bei der Psychoanalyse erfährt. Hesse verarbeitet seinen Traum künstlerisch im “Demian” 62 , auch Sinclair träumt immer wieder von einem Sperber, von dem Vogel, der sich aus dem Ei kämpft. Hier steht der Vogel als Symbol für die Abnabelung von Zuhause, das Finden des ganz individuellen Lebenswegs, für die Geburt des eigenen Selbst. Der Vogel fliegt zu Abraxas, dem Gott, der Gut und Böse vereint und bei dem alle Gefühle zugelassen sind und nichts unterdrückt werden muss. Mit dem Vogelmotiv nimmt Hesse das vom Vater vermittelte Bild der Bibel auf und verwandelt es kreativ in ein Symbol der Lebensbejahung um, so dass sein Mond, die Fülle seiner Gefühle darin Platz finden. In der Sonne-Pluto-Konstellation liegt Hesses reiches (Pluto) kreatives Potential (Sonne), zu dem er fand, als er über den engen schwäbischen Pietismus seiner Familie hinauswuchs und sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen als Dichter gestaltete. Er erlebte immer wieder sein Ich (Sonne) in der Krise (Pluto). Alle seine Bücher sind eine Art Autotherapie und Selbstheilungsversuche (Sonne-Pluto) und dienen seiner Selbstbefreiung (Uranus in 8). Die Krise (Pluto) wird für ihn zum Mittel, produktiv zu werden (Sonne). Viele Leser erkennen sich selbst wieder, wenn sie Hesse lesen, weil er so radikal und aufrichtig mit sich umgeht (Pluto). Es gelingt ihm, psychische Grundmuster allgemeinmenschlicher Natur literarisch zu verarbeiten und sie prototypisch so zu schildern, dass sehr viele Menschen eigene Erfahrungen wiedererkennen. Volker Michels, Hesse-Herausgeber, äußert sich über seine Leseerfahrung mit 15 Jahren so: “Woher weiß der Hesse das alles von mir”, habe er sich damals gefragt. 63 Besonders Jugendliche sehen sich bei Hesse gespiegelt in dem Thema Ablösung von der Familie und in der Suche nach dem eigenen Weg (Pluto). Hesse kann die Menschen so tief emotional berühren, weil er selbst durch seine starke Wasserbetonung (Sonne, Venus im Krebs und Mond, Mars in den Fischen) ein äußerst berührbarer, sensibler Mensch mit hohem Einfühlungsvermögen ist. Die Konstellation Mond-Neptun befähigt ihn, in das Leid der menschlichen Seele einzutauchen und aus dem Unbewussten (Traum-) Bilder zu gestalten, die 59Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg von Volker Michels, st 1947, S. 14 60Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg von Volker Michels, st 1947, S. 101 61Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg von Volker Michels, st 1947, S. 23 62Kurze Inhaltsangabe im Anhang. 63In der Fernsehsendung: Hermann Hesse – Lebensstationen. Ein Film von Sarah Palmer, Südwest 3, 29.6.02, 0:00 – 0:30 © 2002 Christina Dolland Seite 18 tiefen Sehnsüchten der Menschen nach Ganzheit entsprechen. Dass Hesse mit seinen Romanen auf so große Resonanz stößt, liegt aber nicht nur daran, dass er so offen seine Gefühle schildert und ohne Schonung den Leser an seinen Konflikten teilhaben lässt. Sein Erfolg beruht auch darauf, denke ich, dass er durch die ausgeprägte Jupiterbetonung seine selbst erlebten Lösungsansätze und aufbauende Lebenseinsichten in die künstlerische Arbeit einzubringen weiß. Damit macht er dem Leser Mut, Mut, zu sich selbst zu stehen und weiter ein Suchender zu bleiben, kreativ zu werden und nicht im Morast seiner Probleme zu versinken. Eine Referentin über “Demian” im Internet schätzt ihre Begegnung mit Hesses Bilderwelt so ein: “... beim Lesen seiner Werke habe ich oft das Gefühl, als drücke er eben genau das so simpel und schön aus, wofür mir selbst die Worte fehlen. Die von ihm geschaffenen Bilder werden somit mit meinen eigenen, innersten Gedanken verknüpft, wodurch die Lektüre zu einem ausserordentlich kreativen Prozess wird.” 64 Hesses tiefes Festhalten an möglichem Glück trotz aller Widrigkeiten wird in der folgenden Sentenz besonders eindringlich ausgedrückt: “Wenn aus bedecktem Himmel ein Sonnenstrahl in eine trübe Gasse fällt, so ist es einerlei, was er trifft: die Flaschenscherbe am Boden, das zerfetzte Plakat an der Wand oder den blonden Flachs eines Kinderkopfes: er bringt Licht, er bringt Zauber, er verwandelt und verklärt.” 65 Anhand von “Der Steppenwolf” und dem “Glasperlenspiel” möchte ich konkreter zeigen, wie Hesse seine Lösungsansätze gestaltet. 3.2.2.2.1 “Der Steppenwolf” Der Steppenwolf66 Harry Haller möchte seine Fixierung auf den Geist aufgeben – diese soll sterben – und er sehnt sich danach, endlich Sinnlichkeit einfach genießen zu können, ohne sich zu verurteilen. Hesse geht in diesem Roman am stärksten in die Verzweiflung über seine (mindestens) zwei unvereinbaren Seelen - Wolf und Mensch - , die sich abgrundtief hassen. Den Ausweg sieht Hesse aber nicht in der Flucht in die Drogen, da hat die Hippiebewegung das magische Theater im Steppenwolf missverstanden. Timothy Leary, der mit Drogen experimentierte, sah in Hesse wegen der Szenen im magischen Theater den “Meisterführer zum psychedelischen Erlebnis”. 67 Hesses Motto aber war: Der kürzeste Weg durch die Welt des Schmerzes führt mitten durch den Schmerz hindurch. 68 Das magische Theater war für Hesse nicht eine Art Opiumrausch, sondern “Bild und Hülle” für das, was ihm “zutiefst wertvoll und wichtig ist”, 69 nämlich die Begegnung mit dem eigenen Unbewussten, wie er es durch die Psychoanalyse kennengelernt hatte. Die Spiegel stehen 64Im Internet unter www.hhesse.de, Referat über “Demian” von “Milena”, Vorwort 65Hermann Hesse, Lektüre für Minuten, st 7, 1972, S. 190 66Kurze Inhaltsangabe im Anhang. 67Gemeint ist Bewusstseinserweiterung durch Drogentrips. 68Volker Michels in der Fernsehsendung: Hermann Hesse – Wegbereiter eines neuen Denkens? Gespräche und Musik zu Hermann Hesse aus dem Kloster Maulbronn. 3Sat, 15.6.02, 20:15 69Brief vom 4.5.1931 an R.B., Materialien zu H.Hesses “Der Steppenwolf”, st 53, 1972, S. 144 © 2002 Christina Dolland Seite 19 symbolisch für Selbsterkenntnis, die Welt des Innern soll schonungslos sichtbar gemacht werden in allen Tiefen. Für Hesse selbst ist “Der Steppenwolf” “keinesfalls das Buch eines Verzweifelten”, “sondern das eines Gläubigen”. Es gibt Mozart und die Unsterblichen und das magische Theater. Es werden zwar Krankheit und Krisis dargestellt, ”aber nicht eine, die zum Tode führt, nicht einen Untergang, sondern das Gegenteil: eine Heilung.”70 Der Humor, das Lachen über sich selbst ist das, was den Steppenwolf aus der Krisis führen kann. Dies wird schon im “Tractat vom Steppenwolf” theoretisch angedeutet, der Harry Haller in die Hände fällt. Mit Humor ist es zu schaffen, alles bejahen zu können, also auch den Selbsthass und den Hass auf das Bürgertum zu ertragen, das Harry wegen seiner Lauheit und Mittelmäßigkeit ablehnt. “...hier ist es möglich, nicht nur gleichzeitig den Heiligen und den Wüstling zu bejahen, die Pole zueinander zu biegen, sondern auch noch den Bürger in die Bejahung einzubeziehen.” 71 Unter der “imaginären Sphäre” des Humors versteht Hesse, dass hier die bisherigen strengen Maßstäbe (Saturn) der Be- und Verurteilung, die zu Harrys Selbstverachtung führten, aufgehoben werden. Aus der christlich-pietistisch geprägten Unvereinbarkeit der Gegensätze von Gut und Böse (Saturn) soll Harry herausspringen und die Dinge jenseits jeder Polarität betrachten. Damit würde er die Bewusstseinshaltung des zwiegespaltenen Steppenwolf-Ichs sprengen, das in der Polarität gefangen ist. Astrologisch gesehen schaltet sich mit dem Ausweg durch den Humor, wie Hesse ihn hier definiert, das uranische Prinzip (Wassermann) ein. Der ausgelassene Maskenball vor dem magischen Theater und die Eintrittslosung “Nur für Verrückte”72 , all dies spricht auch für eine Wassermann-Veranstaltung. Auch im “Demian”73 findet sich ein Wassermann-Symbol: der Vogel, der sich aus dem Ei kämpft und erst eine Welt zerstören muss, um selbst fliegen zu können. 74 Er steht als Bild für das Selbstständigwerden, die Befreiung vom elterlichen Einfluss und den Individuationsprozess von Sinclair. Wassermann steht in Hesses Horoskop zusammen mit dem Hauptherrscher Steinbock über dem 2. Haus, in dem es um Selbstannahme und Selbstwertgefühl geht (Stier-Venus). Wenn es denn gelingt, die Frequenz des Saturns (Steinbock) von dem Sich-Schuldgefühle-Machen-Lassen weg zur Selbstverantwortlichkeit zu erhöhen, um dann den uranischen Sprung aus der Polarität in die Höhe wagen zu können, dann kann der alte Saturn als strenger Herr des Hauses 2 einmal entthront und die Sicht frei werden auf ein harmonischeres Leben mit sich selbst, ohne Selbsthass und Verzweiflung. Da Uranus als Mitherrscher von Haus 2 nach Haus 8 ausgewandert ist, hilft die Ausbildung der uranischen Fähigkeit in Haus 2 nun, den Tiefen der Selbstbegegnung überhaupt standhalten zu können. Als Harry Haller Goethe im Traum trifft, einen der sogenannten Unsterblichen, macht er ihm durch seine heitere Art klar, dass die Unsterblichen den Spass lieben. 75 Das magische Theater wird von dem Besitzer Pablo als “Schule des Humors” bezeichnet. “Sie lachen zu lehren, ist der Zweck 70Materialien zu H. Hesses “Der Steppenwolf”, st 53, 1972, S. 159f (1941) 71Der Steppenwolf , st 175, Frankfurt 1974, S. 61 72Der Steppenwolf , st 175, Frankfurt 1974, S. 37 73Kurze Inhaltsangabe im Anhang. 74Demian, st 206, 1980, S. 91 75Der Steppenwolf , st 175, Frankfurt 1974, S. 108 © 2002 Christina Dolland Seite 20 dieser ganzen Veranstaltung”, so fordert Pablo Harry auf, seine Wolfsgestalt im Spiegel auszulöschen, indem er sie mit “Lachlust” betrachtet. 76 Sich der “alten Brille des Steppenwolfs” zu entledigen ist notwendig für den Eintritt in das magische Theater. Doch Harry wird bald wieder rückfällig und kehrt zu seinem früheren Pathos und seinen Schuldgefühlen zurück. Er will büßen und bestraft werden (Saturn), am besten mit dem Tode. Seine Lust am Leiden und Bestraftwerden wird von Mozarts Lachen und Spott relativiert (Uranus). 77 Harry wird schließlich dazu verurteilt, “der Radiomusik des Lebens weiter” zuhören zu müssen und “den Geist hinter ihr zu verehren”. 78 Das Ende des Steppenwolfs ist kein bequemes Happy-end, aber wie Hesse sagt, “die Tür ins Unendliche ist weit offen”79 . Der harte Konflikt von Uranus und Pluto (Uranus in Haus 8), zwischen Bindung an alte Verhaltensmuster des zwiegespaltenen Steppenwolfs und der Befreiungsmöglichkeit durch Herauspringen aus der Polarität bleibt weiter bestehen. “Oh, ich begriff alles, begriff Pablo, begriff Mozart, hörte irgendwo hinter mir sein furchtbares Lachen, wußte alle hunderttausend Figuren des Lebensspiels in meiner Tasche, ahnte erschüttert den Sinn, war gewillt, das Spiel nochmals zu beginnen, seine Qualen nochmals zu kosten, vor seinem Unsinn nochmals zu schaudern, die Hölle meines Innern nochmals und noch oft zu durchwandern. Einmal würde ich das Figurenspiel besser spielen. Einmal würde ich das Lachen lernen. Pablo wartete auf mich. Mozart wartete auf mich.” 80 Das Ende des Romans bedeutet Jasagen zum Leiden, zu neuer Höllenreise zu sich selbst, zu “Stirb und Werde” (Haus 8, Pluto), aber auch zum Lachenlernen (Uranus) als Lösung. Und im Bejahen liegt die Heilungsmöglichkeit. 76Der Steppenwolf , st 175, Frankfurt 1974, S. 193 77 Der Steppenwolf , st 175, Frankfurt 1974, S. 233 78 Der Steppenwolf , st 175, Frankfurt 1974, S. 235 79 Materialien zu H. Hesses “Der Steppenwolf”, st 53, 1972, S. 123 80 Der Steppenwolf , st 175, Frankfurt 1974, S. 237 © 2002 Christina Dolland Seite 21 3.2.2.2.2 “Das Glasperlenspiel” In “Das Glasperlenspiel”81 entwirft Hesse die alternative Kultur der Glasperlenspieler als Gegenbild zum vom Krieg zerrissenen Europa im Zweiten Weltkrieg. Das Glasperlenspiel vereinigt Wissenschaft, Verehrung des Schönen und Meditation. 82 Doch zuletzt lässt Hesse einen Topvertreter dieser Kultur, Joseph Knecht in “Todesmüdigkeit”83 alle Erfahrung über Bord werfen wegen eines Schülers, der ihn zum Schwimmwettbewerb herausfordert. Knecht ertrinkt so im kalten Bergsee. Er ist auf diese Weise aus seinem Glasperlensystem wieder ausgestiegen, was zunächst einen fahlen Nachgeschmack beim Leser hinterlassen mag. Wozu also die ganze Anstrengung des Autors, den utopischen Orden der Glasperlenspieler aufzubauen, wenn er am Ende seinen Haupthelden den Orden verlassen und auf diese Weise zu Tode kommen lässt? Betrachtet man die Sprache Hesses am Ende von Knechts Lebensbeschreibung genauer, ist auffällig, dass die Situation mit vielen Worten beschrieben wird, die eine Symbolik des Neubeginns enthalten. Es ist Morgen, die Sonne geht auf, bald wird alles mit Licht überflutet sein und “der Himmel im Morgenlicht wogen”84 . Auch das Glasperlenspiel-System ist nichts für die Ewigkeit, auch aus einem solchen Gedankengebäude (Pluto) muss wieder ausgebrochen werden (Uranus). Es muss verlassen und gesprengt werden (Uranus), um neu anzufangen. Das drückt Hesse drastisch in seinem Werk aus, indem er Knecht am Ende sterben lässt. Mit zweimal Uranus-Pluto (Uranus in Haus 8, Skorpion über Haus 11) ist bei Hesse ein harter Zusammenprall von plutonischer Bindungs- und uranischen Befreiungsenergien gegeben. Das 8. Haus bindet auch an den Sippenüberbau wie Religion, Ideologie und innere Bilder als fixe Ideen, die in der eigenen Lebendigkeit behindern. Uranus will diese Gebundenheit sprengen oder aus ihr herausspringen, muss aber hier im 8. Haus, wo er direkt beim Unterweltherrscher Pluto sitzt, besonders radikal vorgehen. 85 Zu lösen ist dieser Konflikt durch Entwickeln von geistiger Flexibilität, die von Fixierungen und Ideologien befreit, und durch den eigenen, unabhängigen Weg. Festlegen will Hesse sich nicht auf eine alleinseligmachende Anschauung, auch nicht auf seine eigene Utopie. Das widerspräche auch dem Nomadentum, mit dem er sich identifiziert (Widder an Spitze Haus 4). Über die sesshafte Zeit in Gaienhofen mit seiner Familie schreibt er: “Ich weiß nicht mehr genau, was ich damals unter dem Wort Bauer verstand. Heute glaube ich jedenfalls, nichts gewisser zu wissen, als dass ich das genaue Gegenteil eines Bauern bin, nämlich ein Nomade, ein Jäger, ein Unseßhafter und Einzelgänger.”86 “Ich bin ein Nomade, nicht ein Bauer, ich bin ein Verehrer der Untreue, der Wandlung, der Phantasie (Neptun in vier).”87 Hesse versteht sich als Nomade auf allen Ebenen. In Gaienhofen hält er es nicht lange bei seiner Familie aus, immer wieder geht er auf weite Reisen. Diese Liebe zur Ferne entspricht zudem seinem Schützethema, wobei beim Schützen auch der geistige Aspekt des Nomadentums hervortreten kann. Was Weltanschauung und Religion betrifft wird auf Freiheit Wert gelegt, und es muss die Möglichkeit gegeben sein, sich immer wieder neue Ziele vorzunehmen und nicht 81Kurze Inhaltsangabe im Anhang. 82Das Glasperlenspiel, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd. 9, S. 348 83Das Glasperlenspiel, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd. 9, S. 463 84Das Glasperlenspiel, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd. 9, S. 465 85Ausbildungsunterlagen Christine Kobbe, Anmerkungen zu Uranus in Haus 8 bis 12 86Fernsehsendung: Hermann Hesse – Lebensstationen. Ein Film von Sarah Palmer, Südwest 3, 29.6.02, 0:00 – 0:30 87Fernsehsendung: Hermann Hesse: Ein langer Sommer, Film von Werner Weik (1987), ausgestraht von 3sat am 8.6.02, 22:35 © 2002 Christina Dolland Seite 22 stehenzubleiben. Das verträgt sich schwer mit dem Aufbau einer geistigen Heimat, der Bindung an eine Weltanschaung oder Gruppe, ebenso wie die Konstellation Uranus in 8. Auch im Seelischen fühlt sich Hesse als Nomade mit dreimal Mond-Neptun (Mond in den Fischen, Neptun in 4, Herrscher von 4 in den Fischen). Im Innern fühlt er sich als ungeborgener, heimatloser Mensch, der nicht sesshaft werden kann oder will. In “Joseph Knechts hinterlassene Schriften”, ein Teil des Werks “ Das Glasperlenspiel”, findet sich das vielleicht berühmteste Gedicht von Hesse: “Stufen”88 . Es wirft auch ein Licht auf das Ende von seiner Hauptfigur Knecht und trägt zum Verständnis der letzten Seiten von Knechts Lebensbeschreibung bei. Im Gedicht “Stufen“ fasst Hesse, wie er selbst sagt, seine vom Osten beeinflusste Weltanschauung in einer eigenen Sichtweise der Reinkarnationslehre zusammen. Darüber hinaus präsentiert er dem Leser seine Philosophie von Lebenshilfe : Es ist der Zauber jeden neuen Anfangs, der zu leben hilft. Stufen Wie jede Blüte welkt und jede Jugend Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe Bereit zumAbschied sein und Neubeginne, Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern In andere, neue Bindungen zu geben. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft zu leben. Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, An keinem wie an einer Heimat hängen, Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, Er will uns Stuf´um Stufe heben, weiten. Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen, Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde Uns neuen Räumen jung entgegensenden, Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden... Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde! Hier in diesem Gedicht “Stufen” findet sich, astrologisch ausgedrückt, eine eindrucksvolle Vision, wie Uranus und Jupiter glücklich zusammenspielen könnten (Uranus Trigon zu Jupiter und Sextil zu Merkur und MC). Uranus ist der Befreier von allem alten, überholten Ballast (“...nimm Abschied und gesunde!”). In Haus 8 mit Mond als Herrscher geht es Uranus um eine immer wieder neue Befreiung durch seelische Transformation und das Loslassen von gewohnten Gefühlsmustern (“lähmender Gewöhnung sich entraffen”). Mond als Herrscher von Haus 8 zeigt, dass es sich dabei 88Das Glasperlenspiel, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd. 9, S. 483 © 2002 Christina Dolland Seite 23 vor allem um emotionale Fixierungen (“...wie an einer Heimat hängen”) handelt, die zu überwinden sind. Wenn Uranus auf diese Weise in Haus 8 wirken kann, dann hilft er Jupiter, sich auf die Weite des Lebendigen einzulassen - immer wieder neu -, um so den Blickwinkel und das Bewusstsein zu erweitern. (“Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten”). Allerdings wird diese Vision von einem saturnalen Standpunkt aus präsentiert (Saturnquadrat zum Aszendenten). Die saturnische, schmerzliche Seite des Abschiedsnehmens ist zum einen durchaus noch spürbar: Jede Blüte welkt, jeder altert, das Herz ist noch krank und soll durch Abschiednehmen und den Zauber des Neuanfangs gesunden. Dann ist der saturnische Imperativ des “Du sollst!” unüberhörbar in “Es muß das Herz ...” und in “Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten”. © 2002 Christina Dolland Seite 24 3.2.2.3 Der Schriftsteller und “Seelenführer”: DC in den Zwillingen und Merkur in 7 3.2.2.3.1 Weisheit kann nicht mitgeteilt werden Oftmals hat Hesse die Unsagbarkeit und das Nicht-Lehren-Können von Weisheit beschworen. Trotzdem vermittelt er als Schriftsteller die eigenen Einsichten und Erlebnisse über Worte, intellektuelle Analyse und Geschichten. Dabei zeigt sich die Opposition von Jupiter zu Merkur. Merkur ist ein “würdiger” Gegner oder auch eine aus gleichende Ergänzung zu Jupiter, er ist ebenfalls in den Zwillingen stark gestellt und herrscht in seinem eigenen Haus 7. Im Gedicht “Bücher”89 wird dieser Widerspruch, über Weisheit zu schreiben, die im Grunde nicht lehrbar ist, besonders deutlich. Hesse formuliert das Gedicht mit schönen Reim-Worten, die den Leser ansprechen sollen. Gleichzeitig fordert er aber eine Abkehr vom reinen Bücherwissen, die Selbstfindung muss eigens geleistet werden und kann sich nicht allein durch Weisheit aus Büchern vollziehen. Bücher Alle Bücher dieser Welt Bringen dir kein Glück, Doch sie weisen dich geheim In dich selbst zurück. Dort ist alles, was du brauchst, Sonne, Stern und Mond, Denn das Licht, danach du frugst, In dir selber wohnt. Weisheit, die du lang gesucht In den Bücherein, Leuchtet jetzt aus jedem BlattDenn nun ist sie dein. Die Opposition zwischen Jupiter und Merkur besagt, dass hier zwei Planetenprinzipien in Spannung, als Gegensätzliches erlebt werden, die selbst jeweils ihre eigene Natur besonders klar verkörpern aufgrund ihrer “Heimatstellung”. Auf der einen Seite gibt es den Sucher nach Weisheit, der Einblick in den Sinn des Lebens haben und danach leben beziehungsweise damit überleben will. Auf der anderen Seite steht der Schriftsteller in der Öffentlichkeit, der von seinen Lesern über das geschriebene Wort (Merkur) wahrgenommen wird. Haus 7 in den Zwillingen bedeutet bei Hesse: der Leser ist der Partner. Viele, besonders junge Menschen fühlen sich von Hesse ganz persönlich angesprochen. Hesse versorgt so 89Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd.1, S. 63 © 2002 Christina Dolland Seite 25 sein öffentliches Publikum mit geistreichen Sentenzen und konfrontiert es in seinen Werken mit der künstlerischen Verarbeitung seiner eigenen Probleme. Auf der Merkurseite der Opposition steht auch der Hesse, dessen Arbeitsalltag durch den Schriftstellerberuf geprägt ist: Spitze Haus 6 ist auch in den Zwillingen. Er muss sich auf praktischvernünftige Weise (Haus 6) das Schreiben im Alltag organisieren, um seine Existenz zu sichern und sein Geld zu verdienen. Dies gelang Hesse erstmals 1904 mit “Peter Camenzind”, seinem ersten größeren Roman. Mit dem dadurch verdienten Geld konnte er sich und seine Familie in Gaienhofen erstmals ernähren. Auch in seinen ersten, meistens nicht so erfolgreichen Versuchen, im Berufsleben Fuß zu fassen als Mechanikerlehrling und später als Buchhändler, lebte er die merkuriale Seite seiner betonten Zwillinge-Schütze-Achse aus. Die Konstellation Jupiter-Merkur findet sich in Hesses Horoskop zusätzlich noch in der Form, dass der Herrscher des neunten Hauses der Jungfrau-Merkur ist. Die Jupiterthemen Philosophie, Kulturgeschichte und Religion werden bei dieser Konstellation verstandesmäßig und analytisch erfasst, viel Fleiß wird darauf verwendet, sich auf diesen Gebieten weiterzubilden. So erstellt sich während seiner Buchhändlerzeit Hesse selbst einen eigenen Studier- und Leseplan, um sich weiter zum Dichter zu entwickeln. Er begann, ein großer Leser zu werden, vor allem die Bibliothek des gelehrten Großvaters bot ihm viel Stoff. Goethe und die Romantiker standen auf dem Programm, aber auch Grimmelshausen, Zola und Ibsen, die griechische Mythologie mit Homer und “überhaupt geistesgeschichtliche Studien”. 90 Diese autodidaktische Weiterbildung im Sinne von JungfrauMerkur als Herrscher von Haus 9 half ihm, seine Juge ndkrise mit den Selbstmordgedanken aus eigener Anstrengung zu überwinden. In der Jungfrau und Haus 9 liegt auch die “empty-space-Stelle” seines Spannungsdreiecks: Jupiter in Opposition zu Merkur, beide im Quadrat zu Saturn und Mond. 91 Den Planeten im Brennpunkt, Saturn und Mond (in Haus 3 in den Fischen) liegt gegenüber die Jungfrau und Haus 9. Dieser unbesetzte Raum muss ganz bewusst auf positive Weise entwickelt werden, um die Spannung des Dreiecks zu entschärfen und ein Gleichgewicht zu finden. 92 3.2.2.3.2 Der Psychopompus für ratsuchende Leser – jeden Tag bis zu 500 Seiten Hesse begegnet seinen zahlreichen Lesern über eine üppige Korrespondenz. Er wird für viele zum Lieblingsautor, an den man sich persönlich mit seinen Problemen wenden kann. Im Laufe seines Lebens hat Hesse ca. 35 000 Briefe beantwortet. Es wurde zunehmend eine Last für ihn, oft reichte die Zeit nicht mehr für Eigenes, weil er den ganzen Tag Briefe zu beantworten hatte. “Die Lage ist folgende: Jeden Tag bekomme ich ein Bündel von Briefen, je nach den Tagen einhundert oder fünfhundert Seiten, wobei schon die erste Lektüre auch einen jüngeren Mann als ich anstrengen würde. Es ist ein ununterbrochener Strom von Bitten und Problemen, die meine Stube, meine Augen, meinen Kopf und mein Herz füllen (Mond-Neptun) und die mir eine leidende, orientierungslose aber auch dumme und gemeine Menschheit zeigen.” “Ich habe Ihren Brief nicht vergessen. Ich habe zwei seit vielen Jahren ermüdete und fast immer schmerzende Augen (Mond-Saturn), zwei von Athritis und Gicht verkrümmte Hände (Saturn Quadrat Merkur) , die sich nur ungern dazu schicken, einen Brief nach dem andern zu schreiben oder zu tippen. Die Augen würden sich lieber mit Blumen, 90Bernhard Zeller, Hermann Hesse, rororo-Monographie 85, 1963, S. 29ff 91Siehe Anhang unter Aspektfiguren. 92Tracy Marks, Die Kunst der Horoskop – Synthese, Hamburg 1993, S. 48 © 2002 Christina Dolland Seite 26 Kätzchen oder mit den Versen eines Dichters beschäftigen als mit jedem Brief. Auch die Hände wüssten angenehmere Zeitvertreibe zu finden.”93 Merkur in 7 ist Teil eines Spannungs- oder Leistungsdreiecks mit Jupiter in Opposition. Zu Saturn und Mond in Haus drei hat Merkur ein Quadrat. 94 Hesses Sohn Bruno berichtet in der Fernsehsendung “Ein langer Sommer” (1987): Die vielen Briefe waren schon eine schwere Last (Saturn/Mond Quadrat Merkur) für meinen Vater, aber andererseits war es ihm ein Bedürfnis, die vielen Briefe zu bekommen und zu beantworten (Mond in drei). Als Bruno Hesse gefragt wird, warum sein Vater diese Art Sozialarbeit (Mond in den Fischen) leistete, ist seine Antwort: Er fühlte sich verpflichtet (Saturn), sich als bekannter Schriftsteller (Merkur in sieben), auch um die Welt, die politische Lage zu kümmern und sich dazu zu äußern. Er nahm das sehr ernst (Saturn). 95 Für seinen Verleger Siegfried Unseld bedeuten die Briefe Hesses Kanäle der Kommunikation, die er in späteren Jahren noch hatte. Hesse sah sich emotional verpflichtet (Mond-Saturn), auf die zahlreichen Leserbriefe persönlicher Art zu antworten und dies als einen Teil seiner Lebensaufgabe zu sehen (Spannungsdreieck). Er musste im Umgang mit den Gefühlen der Briefschreiber (Mond) Disziplin aufbringen und Verantwortung übernehmen (Saturn), die sich aus seiner schriftstellerischen Arbeit (Merkur) und aus seiner Sinnsuche (Jupiter) heraus ergaben. Er trat dabei gegenüber seinen Briefpartnern als Seelenführer, als eine Art Psychopompos zu den Tiefen des eigenen Seeleninnern auf. 96 “Der Hesse, den Sie anrufen, den Sie lesen, den Sie bald lieben, bald anklagen, ist ein Bild Ihres eigenen Ich, er existiert für Sie genau soweit, als er Ihnen ähnlich und nahverwandt erscheint.Von diesem Hesse möchten Sie sich bestätigt wissen, Sie möchten hie und da ein Wort von ihm hören, an ihn richten Sie je und je auch Äußerungen Ihres Unwillens, mit der Absicht ihm weh zu tun oder ihm Verachtung zu zeigen. Aber dieser Hesse ist Ihr Spiegel, und was Sie ihm zurufen, sollten Sie sich selbst zurufen, das Gute wie das Böse.”97 “Meine Dichtung und Person hat Ihnen eine Zeitlang gedient und Sie eine Weile gefördert. Das ist kein Grund, sie nicht beiseite zu legen und sich von ihr abzuwenden, sobald Ihre Entwicklung es verlangt.”98 “Die Erleuchtung kann Ihnen nicht von außen kommen, die kann Ihnen auch nicht von mir kommen, Sie können Sie nur in Ihnen selbst finden. Niemals werden Sie dem Meister begegnen, der Ihnen die Mühe abnimmt zu suchen. Wenn einer tief über die innere Stimme nachdenkt, wird er einen Weg finden, genau wie ich ihn immer wieder suchen und finden muss - Tag für Tag.”99 Diese Worte aus Hesses Briefen lassen deutlich erkennen, dass sein Eingehen auf die Briefpartner als Führung im Sinne von Zu-Etwas-Hinführen zu verstehen ist. Der ratsuchende Leser soll zur eigenen inne ren Stimme finden, und Hesse nimmt sich dabei als eigene Person zurück. Dies ist ganz 93Zitate nach der Fernsehsendung: Hermann Hesse : Ein langer Sommer, Film von Werner Weik (1987), ausgestraht von 3sat am 8.6.02, 22:35 94Siehe Anhang unter Aspektfiguren. 95Nach der Fernsehsendung: Hermann Hesse : Ein langer Sommer, Film von Werner Weik (1987), ausgestraht von 3sat am 8.6.02, 22:35 96Als Psychopompus wird in der griechischen Mythologie der Hermes-Merkur bezeichnet, der die Seelen in die Unterwelt führt. 97Hermann Hesse, Ausgewählte Briefe, zusammengestellt von Hermann und Ninon Hesse, st 211, 1974, S. 46, Brief “An einen ratsuchenden Leser” etwa 1930/31 98Hermann Hesse, Ausgewählte Briefe, zusammengestellt von Hermann und Ninon Hesse, st 211, 1974, S. 44, Brief an F. v. W., Waldenburg, etwa 1930 99Zitiert nach der Fernsehsendung: Hermann Hesse : Ein langer Sommer, Film von Werner Weik (1987), ausgestraht von 3sat am 8.6.02, 22:35 © 2002 Christina Dolland Seite 27 im Sinne des vermittelnden Merkurs, der selbst neutral ist. In Haus 7 steht auch die Sonne, die aus dem Pluto entsprechenden Haus 8 kommt. Als Mitherrscherin von Haus 8 ist ihr tiefstes Anliegen, hinter allen Ideologien und Programmen die Lebendigkeit im “Stirb und Werde” zu spüren, Regenerations- und Heilungskräfte für das Ich, eine Selbsttherapie zu finden. Mit Sonne im Krebs spielen dabei der heilsame Umgang mit emotionsgeladenen Kindheitserinnerungen und Geborgenheitswünschen eine große Rolle. Das Arbeiten an der Ausbildung dieser Fähigkeiten - vor allem durch seine selbst erlebte Psychoanalyse - kommt nun Haus 7, dem Haus der Begegnung zugute. So konnte Hesse die Rolle eines Seelenführers für seine ratsuchenden Leser übernehmen. Da Haus 8 ein Zentrum des Energieflusses der Häuser ist (vier Häuser hängen an Haus 8), hat die Mitherrscherin Sonne noch Venus und Uranus “im Rucksack” und transportiert auch diese Energien nach 7 ins Haus der Begegnung. Uranus als Mitherrscher von Haus 2 bringt die Befreiungsmöglichkeiten mit, die in einer Selbstannahme liegen jenseits der Moralvorstellungen von Gut und Böse. Waage-Venus herrscht über Haus 10, das ist das öffentliche Auftreten als Künstler, einmal mit der schönen Literatur, dann aber auch als Maler. Das Malen hat Hesse als Ausdrucksform bei der Psychoanalyse gelernt und als Hilfe in schweren Krisenzeiten sehr geschätzt (Waage-Venus als Herrscherin von Haus 10 in Haus 8). In einem Brief mit selbst gemaltem Bildchen schrieb er an eine Studentin: “...das Zeichnen und Malen ist meine Art von Ausruhen. Das Bildchen soll Ihnen zeigen, dass die Unschuld der Natur, das Schwingen von ein paar Farben, auch inmitten eines schweren und problematischen Lebens zu jeder Stunde wieder Glauben und Freiheit in uns schaffen kann.”100 Die Stier-Venus kommt aus dem Haus der Kreativität (5), das heißt ein im selbstverwirklichenden Handeln gelebtes 5. Haus führt zu mehr Selbstannahme und Bewusstsein des eigenen Werts. Venus bringt “im Rucksack” Pluto nach Haus 8 mit. Pluto als Herrscher von Haus 11 schenkt dem Kreativitätshaus 5 einen Reichtum an Originalität, Genie, an Außergewöhnlichem, das einengende Grenzen der Normalität sprengen kann. Doch Skorpion über diesem Haus bedeutet auch die oft empfundene Einsamkeit (Skorpion) unter Freunden (Haus 11). Sie stachelt Hesse an, kreativ zu werden durch das Gestalten schöner Malereien und Literatur (Spitze von 5 im Stier). Und das dient dann seiner Tiefenerforschung des eigenen Ichs (Stier-Venus als Herrscherin von 5 in Haus 8) und dazu, sich aus Verstrickungen mit seiner Herkunftsfamilie, insbesondere dem Vater (Pluto in 5) zu befreien. Hesse entwickelte durch sein Werk und seine Korrespondenz eine intensive Begegnungsfähigkeit auf künstlerischer Ebene und in kollektivem Rahmen, im persönlichen Bereich schätzte er sich aber als einsam ein, was besonders in seinem Gedicht “Im Nebel” (Mond-Neptun) zum Ausdruck kommt: ”...Voll von Freunden war mir die Welt, / Als noch mein Leben licht war; / Nun da der Nebel fällt, / ist keiner mehr sichtbar...Leben ist Einsamsein. / Kein Mensch kennt den andern, / Jeder ist allein.”101 “Das ist ja überhaupt mein Fehler im Leben: ich bleibe immer allein und kann nie die weite Leere durchstoßen, die mich von den andern Menschen trennt.”102 “Mein Dichten ist persönlich, ist intensiv, ist oft für mich selbst beglückend, aber mein Leben ist es nicht, mein Leben 100Aus einem Brief an eine Studentin in Duisburg, 1930. Nach www.hermann-hesse.de /Malerei 101Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd.1, S. 27 102Brief vom 25. Januar 1925 an Emmy Ball-Hennings. Zitiert nach: Ninon Hesse. Lieber, lieber Vogel. Briefe an Hermann Hesse, ausgewählt und erläutert von Gisela Kleine, st 3373, S. 17 © 2002 Christina Dolland Seite 28 ist nichts als Arbeitsbereitschaft, und die Opfer, die ich bringe durch Leben in großer Einsamkeit etc, bringe ich eigentlich längst nicht mehr dem Leben, sondern nur noch der Dichtung. Der Wert und die Intensität meines Lebens liegt in den Stunden, wo ich dichterisch produktiv bin, also wo ich gerade das Unzulängliche und Verzweifelte meines Lebens ausspreche.”103 Wie öfters bei Berühmtheiten, die starke kollektive Wirkungen erzielen, spielt auch bei Hesse die Konstellation Venus-Pluto eine Rolle. So zum Beispiel auch bei Catherine Deneuve und Marlene Dietrich. 104 Venus-Pluto findet sich in Hesses Horoskop in fünffacher Weise – als Venus in Haus 8 und als Sextilaspekt von Venus zu Pluto. Die Stier-Venus ist angesprochen durch Mitherrscher von Haus 2 in Haus 8 und durch Pluto im Stier, die Waage-Venus durch Mitherrscher von Haus 8 in Haus 7. Zudem geht die Richtung der Mondknotenachse von Haus 8 nach Haus 2, was die Achse Stier-Skorpion anspricht. Pluto wirkt zu stark und erdrückend auf Venus. Venus-Pluto bedeutet: Die körperliche Nähe zum andern Geschlecht ist aufregend, faszinierend, aber auch gefährlich und bedrohlich. Das wird schon von den Eltern vorgelebt, die ihre Schwierigkeiten mit der Sexualität inszenieren. (Bei Hesse ist an die körper- und sexualfeindliche Haltung des Pietismus zu denken.) Echte Intimität wird so in der Pubertät vermieden, aber die Sehnsucht nach der absoluten Liebe ist da, auch Todeswünsche, der Wunsch nach Auflösung. Es gibt eine tiefe Verunsicherung des Selbstwertgefühls, der primäre Narzismus ist gestört, man kann sich selbst nicht mit Libido besetzen. Der Angst-Lust-EkelKreislauf ist stark ausgeprägt. 105 Der Steppenwolf Harry Haller lässt grüßen. Im Magazin “Stern” wird etwas effektheischend beschrieben, wie es Hesse davor graut, die Heirat mit seiner zweiten Frau Ruth Wenger zu vollziehen, obwohl er sie liebt - “ auch als Weib”, wie er an ihren Vater schreibt. “Und während Ruth und ihre Mutter die Hochzeit vorbereiten, schreibt Hesse `letzte` Grüße: Im Herzen bin ich ein Samana und gehöre in den Wald. Ein paar Tage vor der Hochzeit funkt Hesses Körper SOS: Fieber. Er liegt mit 40 ½ Grad im Bett....Und am 11.Januar 1924 kann er mit Mühe aufstehen und, etwas klapprig auf den Beinen, die ziemlich dumme Komödie der Civiltrauung über sich ergehen lassen. Aber eine Ehe findet eigentlich nicht statt. Hesse nimmt sich ein möbliertes Zimmer, und seine Frau fährt erstmal zu den Eltern...Das Endspiel ist schon zwei Monate nach der Trauung eingeläutet. In dieser Verfassung beginnt Hesse seinen `Steppenwolf` zu schreiben.... Abends geht er allein in seine Kneipe und sitzt in stumpfsinniger Andacht vor seinem Weinglas (Mond im Fisch, Neptun in 4). Er trinkt....Und am Morgen, im Spiegel, sieht er rote Augenlider und graues Haar. Alles alt und welk. Und 106 sein Leben kommt ihm vor wie eine zerplatzte Papiertüte.” Eine Möglichkeit, die Konstellation Venus-Pluto zu erlösen oder auf eine höhere Frequenz zu bringen, besteht darin, “seine Venus zu vergesellschaften”, was heißt, seine Begegnungsfähigkeit in einem kollektiven Rahmen auszuleben auf künstlerischer oder diplomatischer Ebene. Dadurch ist Popularität und öffentliche Anerkennung zu erreichen. Man muss sich dann nicht mehr auf direkte Nähe mit und auf die Abhängigkeit von einem konkreten Partner einlassen, der das eigene Selbstwertgefühl ständig bestärken soll. Das große erotisch- magische Potential und die Intensität in Beziehungen, die in Venus-Pluto liegen, werden so auf gesellschaftlicher kollektiver Ebene 103Hermann Hesse, Ausgewählte Briefe, zusammengestellt von Hermann und Ninon Hesse, st 211, 1974, S. 29, Brief vom 9.8. 1929 an T.G. M. 104Seminar über Pluto bei Christine Kobbe, Ausbildung in Psychologischer Astrologie bei Hermann Meyer 105Nach dem Seminar über Pluto bei Christine Kobbe, siehe oben. 106 Stern 30/2002: 125 Jahre Hermann Hesse/Teil 4, S. 68 © 2002 Christina Dolland Seite 29 ausgelebt. 107 Seminar über Pluto bei Christine Kobbe © 2002 Christina Dolland 107 Seite 30 3.2.3 Denken und Gefühl: Rezeption zwischen Haus 3 und Haus 4 Bis jetzt haben wir vor allem die geistig- intellektuelle Seite von Hesses Horoskop angeschaut: Den feurigen Aszendentenherrscher Jupiter im Schützen, der mit dem luftigen Merkur am Deszendenten in den Zwillingen durch Opposition verbunden ist, die betonte Zwillinge-Schütze-Achse. Auf der anderen Seite hat Hesse eine deutliche Wasserbetonung im Horoskop: einmal Sonne und Venus im Krebs, dann Mars, Mond und Saturn in den Fischen, also vier persönliche Planeten, darunter die Hauptlichter Sonne und Mond im Wasserelement. Das bedeutet eine hohe Sensibilität und Verletzlichkeit dieses Menschen, er verliert sich leicht in Gefühlen. Den anderen wird mit großer Einfühlsamkeit begegnet, es besteht aber auch die Gefahr, sich nicht abgrenzen zu können und die Atmosphäre der Umgebung wie ein Schwamm aufzusaugen. Das gilt besonders für Mond in den Fischen, was Michael Roscher mit “das unbegrenzte Empfinden” beschreibt. 108 Stimmungen und Impulse aus der Außenwelt kommen völlig ungefiltert in das eigene Innere, jedes Gefühl, jeder Gedanke, ob positiv oder negativ. Ein angespanntes Klima oder wortlos erahnte Antipathie werden schlecht ertragen. Bedürfisse von andern werden so gefühlt, als wären sie die eigenen. So ist es mühevoll, die wirklich eigenen Gefühle wahrzunehmen, bei sich zu bleiben und sich geborgen und nicht heimatlos zu fühlen. Die Anforderungen der Welt werden als hart empfunden, man flieht lieber in die Einsamkeit oder in eine Traumwelt. Die Sehnsucht nach dem Einssein mit dem Göttlichen, nach dem verlorenen Paradies ist groß. Hier ist Suchtgefahr (Alkohol, Drogen) gegeben, aber auch die Hinwendung zu sozialem Engagement und zu helfenden Berufen. Mit der Fähigkeit von Mond-Neptun (Mond in den Fischen, Neptun in 4), tief in Stimmungen, Gefühle und Sehnsüchte bei sich und Menschen seiner Umgebung eintauchen zu können, war es Hesse möglich, eine phantasie- und gefühlvolle Bildersprache (Mond in den Fischen und Haus 3) zu entwickeln, die seine Leser emotional stark berührt und sich mit seinen Bildern identifizieren lässt. Das stark vertretene Wasserelement machte Hesse fähig, sich intensiv der Welt seiner Gefühle hinzugeben, hielt ihn aber auch in seiner Gefühlsproblematik gefangen. Sein betonter Jupiter, bei dem es um geistige Fähigkeiten in Form von weisheitsvoller Einsicht in die Hintergründe und den tieferen Sinn der eigenen Erlebnisse geht, bildete für Hesse sicher ein hilfreiches Gegengewicht zu seinem vielen Wasser. Aus seinem Jupiter und seinem Merkur – beide stark gestellt - nahm er Kraft, schriftstellerisch in seinen Werken die eigenen seelischen Erlebnisse in einen öffentlichen Rahmen zu stellen, sie künstlerisch mit Hilfe der Tiefenpsychologie (Jupiter Trigon zu Uranus in Haus 8) zu bearbeiten und eine neue ganzheitliche Sichtweise darauf zu bekommen. Bei Hesse kommen so die tiefe Erlebnisfähigkeit des Wassers und der im Hintergrund über allem thronende Aszendentenherrscher Jupiter zusammen, der als geistige Kraft nach Einsicht und Verstehen strebt. Die enorme intellektuelle Ausdrucksfähigkeit des Schriftstellers kommt durch Merkur in den Zwillingen hinzu. Zwillingshaus 3 erweist sich zudem als stärkstes Haus im Horoskop, in dem die meisten Energieketten (sechs von zwölf) enden. 109 Ein solcher Mensch kann sehr gut mit Worten 108Michael Roscher, Der Mond, Licht und Schatten astrologischer Mond-Konstellationen, Knaur 86158, 1997, S. 243 109Siehe Anhang: Stärke der Häuser. Diese Aufstellung beruht auf Karen M. Hamaker-Zondag, Häuserherrscher und © 2002 Christina Dolland Seite 31 umgehen und besitzt ein außerordentlich großes Wissen und besondere kommunikative Fähigkeiten. Es bedeutet auch ein deutlich ausgeprägtes Bedürfnis nach Austausch, Diskussionen und Informationen auch in Form von Lektüre. 110 Zeitlebens las Hesse viel und schrieb zahlreiche Rezensionen zur Weltliteratur. Betrachtet man nun den mittleren Teil der Herrscherverknüpfungstafel, 111 so stehen am Ende der Energiekette, wo sich die Energie bündelt, zwei Häuser, die wechselseitig miteinander verbunden sind, das heißt in Rezeption stehen: das Mondhaus 4 und das Zwillings-Merkurhaus 3. Auch hier ist die Wasserqualität (Mond) mit ihrem Gefühlsreichtum eng mit der intellektuell-wendigen Fähigkeit Merkurs zum Selbstausdruck verbunden. Dreimal ist die Mond-Merkur-Konstellation zu finden, deren Thematik durch die Rezeption verstärkt wird: Herrscher von 3 in 4, Herrscher von 4 in 3 und der Mond steht in Haus 3. Nimmt man den Mond als Saturn nahestehenden Planeten mit in das Spannungsdreieck mit Merkur und Jupiter hinein, so kommt noch Mond Quadrat Merkur hinzu: also viermal Mond-Merkur. Im Quadrat Mond-Merkur liegt die Herausforderung, das vom sensiblen Fische-Mond alles Gefühlte, Erlittene und Ersehnte auch darzustellen und mit Gedanken und Worten in die Welt hinauszugeben (Merkur am DC). Das Zusammenspiel von Denken und Gefühl ist bei Mond-Merkur das Thema: ein emotionalisiertes, gefühlvolles Denken einerseits (Herrscher von 3 nach 4), ein vom Intellekt gedeutetes, in Gedanken ausgedrücktes Gefühl andererseits (Herrscher von 4 nach 3). Sehr schön beschreibt dieses Wechselspiel bei Hesse eine Studentin (Jelena Bilobrk) im “Stern”: “Er formulierte die Sätze, er entwickelte die Bilder, die auch ich empfand ... Für mich war er ein Denker für Träumer 112 und ein Träumer für Denker”. Häuserbeziehungen, Kailash 1999, Kapitel 3: Das stärkste Haus. 110Karen M. Hamaker-Zondag, Häuserherrscher und Häuserbeziehungen, Kailash 1999, S. 53f 111Siehe Anhang 112Stern 27/2002 125 Jahre Hermann Hesse Teil 1, S. 150 © 2002 Christina Dolland Seite 32 3.2.3.1 Durch das psychoanalytische Gespräch zur Identität: Von Haus 3 nach 4 Wenn der Herrscher von Haus 3 nach Haus 4 wandert, ist die Bewegung von außen nach innen: von der Selbstdarstellung im Äußeren zur Introversion in den Innenraum des 4. Hauses, wo der Quadrant des Seelischen beginnt. Die Konstellation Neptun als Herrscher über das Haus 3 des Lernens zusammen mit Saturn in diesem Haus machte Hesse während seiner Schulzeit besonders zu schaffen. Durch die Strenge und enge Konventionalität der Lehrer und des Schulsystems (Saturn) fühlte sich das phantasiebegabte Kind (Fische über 3) unterdrückt und verunsichert (Neptun). So schildert Hesse es auch in seinem die Maulbronner Zeit verarbeitenden Roman “Unterm Rad”. Über Hermann Heilner, den künstlerisch begabten Jungen, wird gesagt: “Für Heilner gab es nichts Abstraktes, nichts, was er sich nicht hätte vorstellen und mit Phantasiefarben bemalen können. Wo das nicht anging, ließ er alles mit Unlust liegen. Die Mathematik war ihm eine mit hinterlistigen Rätseln beladene Sphinx, deren kühler, böser Blick ihre Opfer bannte, und er wich dem Ungeheuer in großem Bogen aus.”113 Mehr als einmal hat Hesse die Flucht (Neptun) vor der Schule angetreten, real als Davonlaufen in Maulbronn und als Flucht in den Misserfolg, das Außenseitertum und Selbstmordgedanken. Deshalb hatten ihn ja auch seine Eltern in die Nervenheilanstalt Stetten “verbannt” (Neptun). Die Enttäuschung und Wut der pietistisch geprägten Eltern (Neptun geht nach 4 und Spitze 4 ist im Widder) über den missratenen Sohn verinnerlichte Hesse zu einem großen Teil, was bei ihm noch mehr Depression und Selbstmordsehnsucht auslöste, ein schädlicher Kreislauf. “Kurz, mehr als vier Jahre lang ging alles unweigerlich schief, was man mit mir unternehmen wollte, keine Schule wollte mich behalten, in keiner Lehre hielt ich lange aus. Jeder Versuch, einen brauchbaren Menschen aus mir zu machen, endete mit Mißerfolg, mehrmals mit Schande und Skandal, mit Flucht oder mit Ausweisung....” 114 Später lebte Hesse diese Konstellation als schöpferische Auseinandersetzung mit dem Unbewussten und versuchte das Denken in Polaritäten (Haus 3, Zwillinge) wie Gut und Böse zu überwinden, das seine Gefühle so gegängelt hatte. Nach dem Tod seines Vaters und wegen seinem familiärem Chaos in Gaienhofen mit seiner ersten Frau, Maria Bernoulli, begann er 1916 eine Psychoanalyse bei dem Jungianer Dr. Lang. Den “Demian”, 115 den er kurz danach schrieb, bezeichnete Hesse als “Frucht der Psychoanalyse”. Im “Demian” findet Sinclair den Gott Abraxas, der Gut und Böse umfasst. Über den Umgang mit seinen Gefühlen lehrt ihn Pistorius, der Züge von Dr. Lang trägt und für ihn neben Demian auch ein Führer zu sich selbst ist: “Man darf nichts fürchten und nichts für verboten halten, was die Seele in uns wünscht....Sie sollen diese Einfälle, die ihren guten Sinn haben, nicht dadurch schädlich machen, dass Sie sie vertreiben und an ihnen herummoralisieren....Man kann...seine Triebe und sogenannten Anfechtungen mit Achtung und Liebe behandeln. Dann zeigen sie ihren Sinn, und sie haben alle Sinn.” 116 Später setzte er seine psychoanalytische Behandlung bei C. G. Jung selbst fort und sagte darüber: “Es geht bis aufs Blut und tut weh. Aber es fördert.”117 Durch die Gespräche mit dem Tiefenpsychologen, in denen seelische Prozesse in Worte gefasst (Mond in 3), insbesondere Träume und Imaginationen (Neptun) gedeutet werden, bekam Hesse einen tieferen Zugang zur Bildersprache des Traumes, zu im kollektiven Unbewussten vorhandenen Archetypen, die sich auch im Mythen- und Märchenschatz der Menschheit ausdrücken (Neptun). 113Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd.2, S. 80 114Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd.6, S. 395 ( Kurzgefasster Lebenslauf) 115Kurze Inhaltsangabe im Anhang. 116Demian, st 206, 1980, S. 111f 117 Stern 30/2002, 125 Jahre Hermann Hesse /Teil 4, S.67, Brief an Hans Reinhart, Mai 1921 © 2002 Christina Dolland Seite 33 Hesse führte auch 1917 ein Traumtagebuch (Fische über 3) und notierte seine Einfälle dazu. 118 Die psychoanalytischen Gespräche halfen ihm in seiner Lebenskrise, indem er seine Kindheitserlebnisse verarbeiten konnte (Mond als Herrscher von 8 in 3) und brachten ihn auf seinem Weg zur eigenen Identität weiter (Herrscher von 3 nach 4). In dem Aufsatz “Künstler und Psychoanalyse” beschrieb er 1918, welchen Nutzen für ihn die Psychoanalyse gehabt hatte: “Wer den Weg der Analyse, das Suchen seelischer Urgründe aus Erinnerungen, Träumen und Assoziationen, ernsthaft eine Strecke weit gegangen ist, dem bleibt als bleibender Gewinn, das was man etwa das innigere Verhältnis zum e i g e n e n U n b e w u ß t e n nennen kann. Er erlebt ein wärmeres, fruchtbareres, leidenschaftlicheres Hin und Her zwischen Bewußtem und Unbewußtem; er nimmt von dem, was sonst unterschwellig bleibt und sich nur in unbeachteten Träumen abspielt, vieles mit ans Licht herüber.” 119 118Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg. von Volker Michels, st 1947, 1993, S. 101 - 114 119Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd.10, S. 50f © 2002 Christina Dolland Seite 34 3.2.3.2 Der Kultautor für Identitätssuchende - von Haus 4 nach 3 Zur Rezeption der Häuser 3 und 4 gehört auch die Gegenbewegung vom seelischen Innenraum in Haus 4 in die Extraversion des 3. Hauses: Gefühle werden expressiv dargestellt. Die neu gewonnene Identität, der neue Gefühlszugang durch die psychoanalytische Arbeit beflügelte Hesse nun, unter dem Pseudonym “Emil Sinclair” und mit einem fast nicht mehr wiederzuerkennenden Stil den “Demian“120 zu schreiben und zu veröffentlichen. Er sprach damit 1919 eine neue Lesergeneration an, die vielen jungen, desorientierten Heimkehrer aus dem verlorenen Krieg. Und er bekam als 42-jähriger den Fontane-Preis für Erstlingsautoren, den er später wieder zurückgab. Fast erst nach einem Jahr wurde der eigentliche Autor entdeckt. Ein Urteil aus der damaligen Presse 1920: “Hermann Hesse ist der einzige aus seiner Generation, der es fertig bekommen hat, an der Schwelle der vierziger Jahre ein neues Reis anzusetzen und zu einer zweiten feurigen Jugend emporzublühn (Mars)... Der zarte Hesse der Kleinstadtgeschichten und des Knulp ist nicht mehr. Wie seine Aquarelle vom Luganer See vor Freude schreien: so brennen und brannten (Mars) seine neuen Erzählungen.... Hesses Stern, der früher milde strahlte, rotiert jetzt wie eine rote Sonne (Mars) am Himmel der deutschen Dichtung.”121 Widder an Spitze Haus 4 wurde jetzt nicht mehr als Aggression der Eltern oder als Autoaggression (Mond-Mars) erlebt, sondern als eigene Durchsetzung und kraftvolle Energie des Neuanfangs in seiner Schriftstellerlaufbahn. Mit 41 ½ Jahren, als “Demian” 1919 veröffentlicht wurde, hatte sich auch Hesses Merkur am Deszendenten direkt ausgelöst. 122 Dieses Buch gilt als eine Zäsur zwischen dem Frühwerk und dem Schaffen Hesses in seiner zweiten Lebenshälfte. 123 Im “Demian” fand Hesse den Stil, der auch seine späteren Werke prägte, und sein grundlegendes Thema : “Weg nach innen”. So legte er in dieser Zeit den Grundstein für seine weltweite Popularität als Kultautor für Identitätssuchende von damals bis heute. Mars transportiert auch die Energie des Neptuns aus 4 wieder mit nach 3. Hesses Themen in seinen Werken sind ausgesprochen neptunisch: Außenseitertum, Sehnsucht nach Auflösung durch Selbstmord im Wasser, Mystik, Meditation, Einheitsdenken, Liebe zu allem Dasein, Bejahen von allem, was ist. Durch die Tiefenpsychologie fand er den Zugang zu den Archetypen des kollektiven Unbewussten (Neptun), die er durch seine phantasievolle Sprache für seine Hauptfiguren lebendig werden ließ. Die Bewegungsrichtungen der Rezeption sind damit angeschaut. Bleibt noch, einen Blick auf die beteiligten Planeten zu richten. In Haus 3 steht der Mond in weiter Konjunktion mit Saturn. Saturn, Mond und Mars stehen alle in den Fischen. Neptun bildet mit Chiron eine weite Konjunktion, beide stehen im Stier. Auf drei markante Konstellationen möchte ich noch eingehen: Mond-Saturn, Mond-Neptun und Mars-Neptun mit Chiron. 120Kurze Inhaltsangabe im Anhang. 121“Der Bücherwurm”, Dachau, Dezember 1920, zitiert nach Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg von Volker Michels, st 1947, 1993, S. 185 122Siehe Anhang: Rhythmische Auslösungen (nicht bei hhesse.de dabei) 123Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg von Volker Michels, st 1947, 1993, S. 43 © 2002 Christina Dolland Seite 35 3.2.3.3 Hesses Mutter: Mond - Saturn Mond und Saturn bilden eine weite Konjunktion, beide in den Fischen und in Haus 3. Die beiden Planeten stehen im Brennpunkt des Spannungsdreiecks mit Aszendent/Jupiter und Merkur/Deszendent. 124 Die gegensätzlichen Planeten Mond und Saturn, die auf engem Raum beieinanderstehen, bringen durch ihre Quadrate wesentlich die Spannung in die Aspektfigur und von ihnen geht ein großer Antrieb aus für die geistige Sinnsuche (Jupiter) und für die Arbeit als Schriftsteller (Merkur). Die familiäre Situation ist bei Mond-Saturn gekennzeichnet durch gehemmte Emotionalität, Strenge in der Erziehung und Kälte im Gefühl, auch Verlust oder frühe Trennung von der Mutter sind möglich. Gefühlsausdruck ist nur nach dem Maßstab und der Erwartung der Umwelt erlaubt. Die seelische Eigenart des Kindes wird gehemmt, weil nur gute, anständige (Saturn) Gefühle erlaubt sind und gezeigt werden dürfen. Hesse beschreibt das im “Demian”125 mit den “zwei Welten”, die lichte des Elternhauses und die dunkle alles Verbotenen, der Sinclair sich näher fühlt: “Meine Schwestern gehörten ebenfalls zur hellen Welt. Sie waren, wie mir oft schien, im Wesen näher bei Vater und Mutter, sie waren besser, gesitteter, fehlerloser als ich. Sie hatten Mängel, sie hatten Unarten, aber mir schien, das ging nicht sehr tief, das war nicht wie bei mir, wo die Berührung mit dem Bösen oft so schwer und peinigend wurde, wo die dunkle Welt viel näher stand.”126 . Da der Mond auch für das Erleben der eigenen Mutter steht, stellt sich bei dieser Konstellation die Frage nach dem Einfluss von Marie Hesse auf ihren Sohn. Was hat sie ihm für ein Frauenbild vermittelt, welche Belastungen gab es aus ihrer eigenen Familiengeschichte, die das Klima in Hesses Zuhause prägten? Marie Hesse wurde 1842 in Indien auf einer Missionstation geboren. Ihr Vater, Hermann Gundert, Missionar, war sehr streng zu ihr und ihre Mutter war eine hochreligiöse, asketische Calvinistin. Als Marie vier Jahre alt war, wurde sie in Deutschland bei einer Pflegefamilie zurückgelassen und sah ihre Eltern, die wieder nach Indien zurückkehrten, erst wieder mit 15. Marie beschrieb in ihrem Tagebuch, wie sehr sie sich dadurch von den Eltern verstoßen und verlassen fühlte. 127 Diesen harten Frust-Brocken (Mond-Saturn) gab Marie Hesse an den Sohn Hermann weiter. Er wurde 1890 zu Pflegeltern nach Göppingen gebracht, weil die Erziehung des Dreizehnjährigen zu schwierig geworden war. “Wiederholungszwang” nennt man das in der Psychologie: Die Problematik mit den eigenen Eltern hat die Tendenz, in der Beziehung zu den eigenen Kindern wieder aufzutauchen. Hesse litt sehr unter der Trennung von der Mutter (Mond-Saturn), besonders in der Anfangszeit. Eine weitere Parallele: Auch Marie Hesse wurde ins Internat gesteckt, wo sie sich unter den strengen Vorschriften sehr unwohl fühlte. Als sie einer Freundin half, die eine Liebelei begonnen hatte, wurde sie von ihren Eltern aus dem Internat genommen mit der Begründung, damit sie “nicht in einer so hohen Pension vollends vom Weltgeist fortgerissen werde.”128 Hier wird die Tradition der strengen religiösen Erziehung, der dann auch Hermann Hesse unterworfen wurde, nochmals deutlich in ihrer Körper- und Sexualitätsfeindlichkeit. Auf Maries eigene Bedürfnisse wurde keine Rücksicht genommen. Doch sie rebellierte, verliebte sich in einen jungen Engländer auf ihrem Weg nach Indien. Ihr Vater verurteilte ihre Liebesgeschichte zutiefst, was Marie verbitterte. Die Briefe 124Siehe im Anhang: Aspektfiguren 125Kurze Inhaltsangabe im Anhang. 126Demian, st 206, 1980, S. 11f 127Die Lebensgeschichte von Marie Hesse ist beschrieben bei C. Karstedt, Die Entwicklung des Frauenbildes bei Hermann Hesse, Frankfurt 1983, S. 22 ff. Sie beruft sich dabei auf Adele Gundert (Hrsg.), Marie Hesse. Ein Lebensbild in Briefen und Tagebüchern. Frankfurt/ Main 1977 128Zitiert nach C. Karstedt, S. 23. Siehe vorherige Anmerkung. © 2002 Christina Dolland Seite 36 ihres Freundes, der sie heiraten wollte, wurden vom Vater einbehalten, der Freund wurde als “impulsiver Weltmann” abgestempelt. Marie “wollte von keiner Liebe mehr hören”, da ihr “die eine versagt war.”129 In dieser zerrissenen, lebensmüden psychischen Verfassung begann Marie, sich dem Einfluss ihrer Eltern zu unterwerfen und sich Gott zuzuwenden. Das war die Stunde ihrer Bekehrung zu einer überpersönlichen Hingabe an den Missionsgedanken zusammen mit den Eltern. Aber auch über ein Jahr später rang sie noch mit sich, weil sie den Mann nicht vergessen konnte. Die starke Persönlichkeit der jungen emotionalen Frau wurde so gebrochen, insbesondere ihr Verhältnis zu ihrer eigenen Sinnlichkeit. Was dann folgte, waren Vernunftehen, die von den Eltern vermittelt wurden, auch die mit Johannes Hesse, Hermanns Vater. Zwar hatte Marie durch ihre Sekretärinnenarbeit bei ihrem Vater in seinem Calwer Verlagsverein und durch Lehraufträge (bei Hesse: Mond in drei) ein Tabu für Frauen dieser Zeit durchbrochen und eine gewisse Selbstständigkeit erreicht, aber ihre Eltern konnten sich mit ihren Heiratswünschen gegen Maries eigene Vorstellungen durchsetzen. Marie hatte ihre Liebe und ihren Willen “Gott geopfert”. ”Ich darf nicht meinen eigenen Weg aussuchen”, schrieb sie in ihr Tagebuch, als sie den Missionarssohn Charlews Isenberg heiraten musste (1865), 130 der 1870 schon in Indien starb. Es wird so klar, dass auch in der Vernunftehe mit Johannes Hesse 1874 Sinnlichkeit und ein auf eigenes Glück gerichtetes Gefühlsleben sehr untergeordnet und mit dem Geruch des Bösen, Weltlichen behaftet war, was hehrer Geistigkeit und Religiosität entgegenstand. Den Bruch mit ihrer impulsiven Emotionalität und Sexualität, der Marie Hesse von den Eltern aufgenötigt wurde, spürte der kleine Hermann mit dem sensiblen Fische-Mond in ihrem Umgang mit ihm, als Mangel an Wärme, Zuwendung und Geborgenheit (Mond – Saturn). Diesen ungelösten emotionalen Komplex, der durch die pietistische Strenge überdeckt wurde, gab seine Mutter an ihn weiter als psychisches Familienerbe. Mit zweimal Pluto-Uranus (Uranus in 8 und Skorpion über 11) in Hesses Horoskop ist auch daran zu denken, dass die unterdrückte Rebellion der Eltern – hier der Mutter (Haus 8 im Krebs) – unbewusst auf das Kind übertragen wird. Das Kind muss dann die verdrängten Auflehnungs- und Rebellionstendenzen zum Ausdruck bringen und wird zu einem Problemkind. 131 Seine eigene Verzweiflung als Kind beschreibt Hesse in “Kinderseele”: “Man nahm redliche und leidenschaftliche Anläufe zum Guten,....ja, immer und immer wieder erhob man sich, glühend und fromm, um sich Gott zu widmen und den idealen, reinen, edlen Pfad zur Höhe zu gehen,....und immer wieder blieb es nur ein Anlauf, ein Versuch, ein kurzer Flatterflug!....Gab es das in Gottes Welt, daß ein Mensch, ein Knabe gleichzeitig alle hohen und alle bösen Triebe in sich hatte und leiden und verzweifeln mußte?” 132 Nun war er dran, die Dualität von Sinnlichkeit und Geist, die Verachtung des Körperlichen als Thema seiner Familie aufzugreifen und zu lösen. Und er sollte jetzt auch die Frage nach dem eigenen Weg aufnehmen, den sich die Mutter in dem wesentlichen Punkt der selbstbestimmten Sexualität versagen musste. Gegen das Auseinanderdividieren von Sinnlichkeit und Geist lehnte Hesse sich auf und versuchte, die Naturseite des Menschen, die sinnlichen Trieben wieder achten zu lernen. Erst nach der Psychoanalyse war er fähig, seine Frauengestalten auch mit Sexualität zu schildern (Maria und Hermine im Steppenwolf zum Beispiel). Mond-Saturn bedeutet auch die starke Mutterbindung, die Abnabelung von der Mutter ist schwierig und verzögert. Für eine Mutterproblematik spricht auch in Hesses Horoskop die Sonne im Krebs. Die Warmherzigkeit der Mutter, die sie aber nur gebrochen leben konnte, ihre Zwiespältigkeit führte bei Hesse zu einer Idealisierung der beschützenden Mutterliebe (Mond – Neptun), die er dann von seinen Partnerinnen erwartete, was naturgemäß Verwicklungen mit sich bringt. Seine erste 129Zitiert nach C. Karstedt, S. 24. Siehe vorherige Anmerkung. 130Zitiert nach C. Karstedt, S. 25. Siehe vorherige Anmerkung. 131Ausbildungsunterlagen Hermann Meyer, Lektion Pluto-Uranus 132Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd. 5, S. 171f © 2002 Christina Dolland Seite 37 Ehefrau, Maria Bernoulli war neun Jahre älter als er und hatte auffallende Ähnlichkeit mit Marie Hesse. Er heiratete sie zwei Jahre nach dem Tod seiner Mutter (1902). Maria Bernoulli war sehr empfindsam, auf Ruhe bedacht und wurde später psychisch ernsthaft krank (Mond – Neptun), was schließlich zur Auflösung der Ehe führte. © 2002 Christina Dolland Seite 38 3.2.3.4 Die Sehnsucht nach der Urmutter: Mond – Neptun Die Enttäuschung über die reale Mond-Saturn-Mutter führt zur Verherrlichung des Mutterprinzips, zur Suche nach dem kosmischen Urmütterlichen, das die ideale Geborgenheit verspricht durch eine überpersönliche Macht. C. G. Jung nannte diesen Archetyp die “Große Mutter”. In ihm sind sämtliche Facetten des Weiblichen enthalten: Mutter, Madonna, Geliebte, “femme fatal”, Hexe, Todesbringerin und weise Frau. Dieser Archetyp vereinigt Gegensätze wie Geburt und Tod, Freude und Schmerz. 133 Für die Anbindung an das Kosmische steht Neptun, und so ist diese Sehnsucht nach dem Urmütterlichen ein Kennzeichen der Konstellation Mond-Neptun. In Hesses Horoskop kommt sie dreimal vor: Mond in den Fischen, Neptun in 4, Herrscher von Haus 4 in den Fischen. In Hesses Werken entstehen aufgrund seiner Idealisierung des Mütterlichen und durch die praktische Begegnung mit der Tiefenpsychologie und den Jung´schen Archetypen symbolhafte Urmuttergestalten. Er haucht dem Jung´schen Archetyp durch seine Dichtung Leben ein. Die Personen, die in seinen Romanen auftreten, sind letztlich nicht entscheidend als äußerliche Gegenüber der Hauptgestalt, sondern verkörpern Teilpersönlichkeiten oder Archetypen der erfahrenen Innenwelt, die wie in einem Traum der Hauptfigur agieren. Dies auf faszinierende Weise in seinen Werken zu gestalten, das ist die Stärke von Hesse. Da ist einmal im “Demian”134 Frau Eva, die Mutter von Demian, die schon durch ihren Namen auf die Urfrau und Urmutter weist. Sie ist Sinclairs Traumbild, seine Geliebte, Mutter, Göttin, sein Schicksal insofern, dass sie - neben Demian - Sinclair wieder ein Stück tiefer in sich selbst hineinführt. Sie ist nicht eine reale Partnerin für Sinclair, sondern bringt ihn in Kontakt mit dem Archetypus der Urmutter: “Demian, was hast du für eine herrliche Mutter! Frau Eva! Der Name paßt vollkommen zu ihr, sie ist wie die Mutter aller Wesen.”135 “Manchmal glaubte ich bestimmt zu fühlen, daß es nicht ihre Person sei (Frau Eva), nach der mein Wesen hingezogen strebte, sondern sie sei nur ein Sinnbild meines Innern und wolle mich nur tiefer in mich selbst hineinführen. Oft hörte ich Worte von ihr, die mir klangen wie Antworten meines Unbewußten auf brennende Fragen, die mich bewegten. Dann wieder gab es Augenblicke, in denen ich neben ihr vor sinnlichem Verlangen brannte und Gegenstände küßte, die sie berührt hatte. Und allmählich schoben sich sinnliche und unsinnliche Liebe, Wirklichkeit und Symbol übereinander.”136 Das seelische Erleben im Innenraum von Sinclair vermischt sich hier mit aufkeimender Sinnlichkeit, die jetzt nach der Psychoanalyse von Hesse, zwar noch etwas schüchtern, integriert und bejaht werden kann – jedenfalls im Bild der Urmutter. In dem späteren Roman “Narziß und Goldmund”137 ist es der liebste Traum des Künstlers Goldmund, eine Figur der Eva-Mutter zu gestalten. Narziß, seinem Freund, der ihn als Vertreter des Geistigen im Roman ergänzt, erklärt Goldmund am Ende des Romans, dass es die Mutter ist, die ihm hilft, am Ende seines Lebens gern zu sterben. “Ich lag und in meiner Brust tat es brennend weh, und ich wehrte mich und schrie, aber da hörte ich eine Stimme lachen – eine Stimme, die ich seit meiner Kindheit nicht mehr gehört hatte. Es war die Stimme meiner Mutter, eine tiefe Frauenstimme, voll von Wollust und Liebe. Und da sah ich denn, daß sie es war und mich auf dem Schoß hatte und daß sie mir die Brust geöffnet und ihre Finger tief in der Brust zwischen meinen Rippen hatte, um mir das Herz herauszulösen. Als ich das gesehen und verstanden hatte, tat es nicht mehr weh...Sie war die Zigeunerin Lise, sie war 133Erich Neumann, Die große Mutter, Freiburg 1981, S. 81 134Kurze Inhaltsangabe im Anhang. 135Demian, st 206, 1980, S. 142 136Demian, st 206, 1980, S. 148 137Kurze Inhaltsangabe im Anhang. © 2002 Christina Dolland Seite 39 die schöne Madonna des Meisters Niklaus, sie war das Leben, die Liebe, die Wollust, sie war auch die Angst, der Hunger, der Trieb. Jetzt ist sie der Tod...sie hat mich zum Sterben verführt...Ich sterbe gern, sie macht es mir leicht.” 138 Hesse gestaltet hier einen Tod mit mütterlichem Antlitz, ganz im Sinne der “Großen Mutter”, die Geburt und Tod, Freude und Schmerz umfasst. Ein Affront gegen den patriarchalisch verstandenen Tod als Sensenmann in abstossendem Gerippekostüm! Die sanfte Hand Neptuns hat hier den unerbittlichen Saturn als Sensenmann verdrängt. 138 Narziß und Goldmund, st 274, 1981, S. 318ff © 2002 Christina Dolland Seite 40 3.2.3.5 Der verletzte Friedenskämpfer: Mars-Neptun-Chiron Die Konstellation Mars-Neptun ist angesprochen durch Mars in den Fischen und die Stellung des Neptun in dem vom Widder beherrschten Haus 4. In der Rezeption von Haus 3 und 4 sind Mars und Neptun die beiden Planeten, über die die Energie hin und hergetragen wird, deshalb stehen sie auch in besonders engem Zusammenhang. Eine der Bedeutungen von Mars-Neptun möchte ich hier herausgreifen, weil sie für Hesse folgenreich war: sich für den Frieden einsetzen, das pazifistische Denken. Hesse war nicht, wie oft gedacht wird, 139 von Anfang an Pazifist. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs, als er schon zwei Jahre - seit September 1912 - in der Schweiz lebte, meldete er sich freiwillig zum Wehrdienst, wurde aber aufgrund seiner Kurzsichtigkeit vorerst abgelehnt. Wie die meisten Intellektuellen seiner Zeit begrüßte er den Kriegsbeginn: “Die moralischen Werte des Krieges schätze ich im ganzen sehr hoch ein. Aus dem blöden Kapitalistenfrieden herausgerissen zu werden tat vielen gut, gerade auch Deutschland, und für einen echten Künstler, scheint mir, wird ein Volk von Männern wertvoller, das dem Tod gegenübergestanden hat und die Unmittelbarkeit und Frische des Lagerlebens kennt...Da unsere Atmosphäre einigermaßen faul war, kann der Wechsel immerhin Gutes bringen.”140 Hesse merkte jedoch im Gegensatz zu vielen anderen sehr bald, dass er einer Illusion (Neptun) aufgesessen war, was die positiven Auswirkungen des Krieges (Mars) betraf. Das lehrte ihn seine Arbeit in der Kriegsgefangenenfürsorge: “Ich habe ein kleines Erlebnis des ersten Kriegsjahres nie vergessen. Ich war zu Besuch in einem großen Lazarett, auf der Suche nach einer Möglichkeit, mich irgendwie als Freiwilliger sinnvoll in die veränderte Welt einzupassen, was mir damals noch möglich erschien. In jenem Verwundetenspital lernte ich ein altes Fräulein kennen, das früher in guten Verhältnissen privatisiert hatte und jetzt in diesem Lazarett Pflegerinnendienste tat. Sie erzählte mir in rührender Begeisterung, wie froh und stolz sie sei, dass sie diese große Zeit noch habe erleben dürfen. Ich fand es begreiflich, denn für diese Dame hatte es des Krieges bedurft, um aus ihrem trägen, rein egoistischen Altjungfernleben ein tätiges und wertvolleres Leben zu machen. Aber als sie mir ihr Glück mitteilte, in einem Korridor voll verbundener und krummgeschossener Soldaten, zwischen Sälen, die voll von Amputierten und Sterbenden lagen, da drehte sich mir das Herz um. So sehr ich die Begeisterung dieser Tante begriff, ich konnte sie nicht teilen, ich konnte sie nicht gutheißen. Wenn auf je zehn Verwundete eine solche begeisterte Pflegerin kam, dann war das Glück dieser Damen etwas teuer bezahlt.” 141 Im November 1914 veröffentlichte Hesse dann den berühmt gewordenen Aufsatz “O Freunde, nicht diese Töne”, in dem er sich gegen den Boykott von Literatur und Musik der jeweiligen “Feinde” sowohl in Deutschland als auch im Ausland wandte. Die Überwindung des Krieges bezeichnete er hier als “edelstes Ziel und die letzte Konsequenz abendländisch-christlicher Gesinnung” und endete mit: “Daß Liebe höher sei als Haß, Verständnis höher als Zorn, Friede edler als Krieg, das muß ja eben dieser unselige Weltkrieg uns tiefer einbrennen, als wir es je gefühlt. Wo wäre sonst sein Nutzen?”142 139Vergleiche zum Beispiel die im Anhang angefügte Kurzbiografie von Radio Bremen. www.radiobremen.de/rb2_archiv/literatur/hesse/bio1.htm 140Brief an Volkmar Andreä, Bern 26.12.1914. Nach: O. Hoppe, H. Hesse, Der Steppenwolf, Werk und Rezeption, Stuttgart 1977, S. 33f 141 Kurzgefasster Lebenslauf, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 6, S. 398 142 “Neue Zürcher Zeitung”, 3.11.1914. Nach: O. Hoppe, H. Hesse, Der Steppenwolf, Werk und Rezeption, Stuttgart 1977, S. 28ff © 2002 Christina Dolland Seite 41 Hesse selber fand diesen Aufsatz eine “ziemlich schüchtern geäußerte Klage”. 143 Doch die Reaktion in Deutschland war ein Aufruhr. Der Artikel wurde mindestens 20- mal nachgedruckt, aber mit empörten Kommentaren. 144 Hesse wurde beschimpft als “vaterlandsloser Gesell”, als “Verräter”, als “Gesinnungslump” und “Drückeberger”145 , der sich als Feigling in der Schweiz eingenistet habe und die anderen für ihn an die Front gehen ließe. Und der Verkauf seiner Werke ging in Deutschland drastisch zurück. Seine tiefe Betroffenheit über die ablehnenden Reaktionen in Deutschland, das er immer noch als Heimat empfand, trug zu seiner persönlichen Krise während der Kriegsjahre bei. Hesse fühlte sich zutiefst verletzt (Chiron Konjunktion Neptun in Haus 4). Er verstand sich trotz allem als Patriot: Widder an Spitze 4. Haus 4 umfasst auch die eigene Heimat, das “Vaterland”, die Verbindung zur Heimat und zu den eigenen Wurzeln. Seine Art der Vaterlandsliebe war nur eine etwas andere als die aktuell in der Kriegsbegeisterung gefragte. Hesse konnte die Vorwürfe nicht akzeptieren, schließlich arbeitete er hart in der Kriegsgefangenenfürsorge (Neptun-Mars), leitete die “Bücherzentrale für deutsche Kriegsgefangene in Bern“ mit. In zahllosen Briefen forderte er da auf, Bücher für die Gefangenen zu stiften. Er engagierte sich bis an seine Grenzen, sogar mit teilweise eigener Finanzierung, um Bibliotheken für die Kriegsgefangenen aufzubauen (Mars in drei mit Spitze in den Fischen). Auch auf diplomatischer Ebene (fünfmal Venus-Pluto)146 half Hesse, für die Situation kranker Kriegsgefangener etwas in Bewegung zu bringen. Auf Anregung Romain Rollands war es 1915 bei Hesse in Bern zu einem Treffen deutscher und französischer Politiker gekommen. Das Ergebnis war ein Abkommen über die Hospitalisierung verwundeter Kriegsgefangener verschiedener Nationalitäten in der neutralen Schweiz. 147 In “Der Steppenwolf” (1927) 148 sah Hesse dann sehr klar die Gefahr eines neuen Krieges heraufziehen. Harry Haller, der wie Hesse als “vaterlandsloser Geselle” Verleumdete (Neptun in 4), sagt zu einem Professor: “es stünde besser um unser Land und um die Welt, wenn wenigstens die paar denkfähigen Menschen sich zu Vernunft und Friedensliebe bekennten, statt blind und besessen auf einen neuen Krieg loszusteuern.”149 Während der Nazizeit geriet Hesse, der sich nie auf eine politische Partei festlegen wollte, erneut zwischen die Fronten. Er gehörte nicht zu den Dichtern, deren Werke verbrannt wurden. Sein Haus in Montagnola war aber für viele Emigranten wie Thomas Mann, Berthold Brecht und Martin Buber zum Beispiel die erste Raststation nach dem Aufbruch und der Flucht aus Deutschland. Hesse rezensierte auch verbotene Autoren, weswegen er als “Kulturbolschewist” und “Volkverräter” angegriffen wurde. Andererseits kreideten ihm die Emigranten an, dass er zu zurückhaltend in seinem Schweizer Tessin säße und nicht direkt gegen das Hitler-Regime anginge. Wieder war Hesse schwer gekränkt (Neptun-Chiron). 150 Auch nach dem Krieg folgten im gleichen Tenor schwere Auseinandersetzungen mit Hans Habe, einem jüdischen Emigranten, wegen Urheberrechten, die Hesse schwer belasteten. Er fühlte sich als “Opfer des Nervenkrieges, den die Welt gegen alles Menschliche führt.”151 143 Kurzgefasster Lebenslauf, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 6, S. 398 144Stern 29/2002, 125 Jahre Hermann Hesse /Teil 3, S. 72f 145Bernhard Zeller, Hermann Hesse, rororo-Monographie 85, 1963, S. 74 146Vergleiche Kap. 3.2.2.3.2 Der Psychopompus für ratsuchende Leser, S. 28 147Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg von Volker Michels, st 1947, 1993, S. 79 148Kurze Inhaltsangabe im Anhang. 149Der Steppenwolf, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 7, S. 268 150Stern 30/2002, 125 Jahre Hermann Hesse /Teil 4, S. 74 151Stern 31/2002, 125 Jahre Hermann Hesse /Teil 5, S. 88f © 2002 Christina Dolland Seite 42 Neptun-Chiron-Konjunktion in Haus 4 mit Mars als Herrscher, das war auch schon die frühe Verletzung (Chiron) durch den eifrigen Missionsdrang (Mars) und die Jenseitszugewandtheit (Neptun) seiner Familie, die ihre christliche Religion als allein selig machende den nichtwissenden Heiden überstülpen wollte - und dem kleinen Hermann auch (Mars-Neptun unerlöst). Seine Antwort und sein Schutz war, Programme und festgelegte Systeme aller Art zeitlebens abzulehnen. Auch Uranus in Haus 8 kann zum Ziel die Befreiung von Ideologien und Programmen haben. Diese Prägungen ließen ihn fern von poltischen Parteien bleiben: “Mir liegt alles Politische nicht, sonst wäre ich längst Revolutionär (Uranus in 8 könnte auch bedeuten: die Ideologie der Revolution).”152 Hesses Ansatz war ein anderer, er wollte beim einzelnen Menschen, beim Bau der Persönlichkeit beginnen, um die Zukunft zu gestalten: “Zwischen Marx und mir ist, abgesehen von den viel größeren Dimensionen von Marx, der Unterschied der: Marx will die Welt ändern, ich aber den einzelnen Menschen. Er wendet sich an Massen, ich an Individuen.” 153 Die Konsequenz seiner Zurückhaltung gegenüber Parteien war, dass er mit Einsamsein und einer großen Verletzbarkeit bezahlte, weil er als einzelner und als Außenseiter für die verschiedendsten Parteien Angriffsfläche bot (Chiron-Neptun). Seine Vorstellung von Frieden formulierte er 1918 in “Krieg und Frieden” nicht politisch, sondern als spirituelle und philosophische Größe. Nicht auf ein Programm komme es an, sondern auf die Weiterentwicklung jedes einzelnen: “Ich glaube an die Herbeiführung des Weltfriedens auf rationellem Wege, durch Predigt, Organisation und Propaganda, so wenig wie an die Entdeckung des Steins der Weisen durch Chemikerkongresse. Woher aber wird doch einst vielleicht die wahre Friedfertigkeit auf Erden kommen? Nicht von Geboten und nicht aus materiellen Erfahrungen. Sie kommt, wie jeder Menschenfortschritt aus der Erkenntnis. Alle Erkenntnis aber, wenn man darunter etwas Lebendiges und nicht Akademisches versteht, hat nur einen Gegenstand.... Es ist die Erkenntnis des Lebendigen in uns, in jedem von uns, in mir und dir, des geheimen Zaubers, der geheimen Göttlichkeit (Neptun), die jeder von uns in sich trägt. Es ist die Erkenntnis von der Möglichkeit, von diesem innersten Punkte aus alle Gegensatzpaare zu jeder Stunde aufzuheben (Uranus) , alles Weiß in Schwarz, alles Böse in Gut, alle Nacht in Tag zu verwandeln... Wo jene höchste Erkenntnis da ist wie bei Jesus, bei Buddha, bei Plato, bei Laotse, da wird eine Schwelle überschritten, hinter der die Wunder beginnen. Da hört Krieg und Feindschaft auf. Man kann davon im Neuen Testament und in den Reden Gautamas lesen, und wer will, kann auch darüber lachen und es `Verinnerlichungsrummel` heißen. Wer es erlebt, dem wird der Feind zum Bruder, der Tod zur Geburt, die Schmach zur Ehre, Unglück zu Schicksal... Ich sage Selbstverständlichkeiten. Aber wie jeder totgeschossene Soldat die ewige Wiederholung eines Irrtums ist, so 154 wird auch die Wahrheit, in tausend Formen, ewig und immer wiederholt werden müssen.” Frieden kann es für Hesse nur geben, wenn der Mensch als einzelner den Weg nach Innen zu seiner Seele geht, das Befangensein in der Polarität wie Gut und Böse überwindet (Uranus) und die Allverbundenheit und den göttlichen Funken in jedem Menschen entdeckt (Neptun). 152Stern 31/2002, 125 Jahre Hermann Hesse /Teil 5, S. 92 153Hermann Hesse, Lektüre für Minuten, st 7, S. 23 154 Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 10, S. 435 - 439 © 2002 Christina Dolland Seite 43 3.3 Vom Geist zum Körper, von der Ordnung ins Chaos: Die Mondknoten Die karmische Entwicklungsrichtung geht bei Hesse von der Jungfrau zu den Fischen und von Haus 8 nach Haus 2. Die Orientierung der analytischen Jungfrau an Alltagsangelegenheiten, Nützlichkeit, Ordnung und Vernunft soll aufgebrochen werden, um sich für die größeren kosmischen Gesetze (Neptun) zu öffnen. Das bedeutet, alles Be- und Verurteilen sein zu lassen und sich schließlich dem Fließenden des Lebens (Chaos) anvertrauen zu können. Dafür müssen erst Ängste und Verdrängungen aufgelöst werden. Das Ziel ist neues Urvertrauen durch eine Verbundenheit mit dem ganzen Universum. Im “Siddhartha”155 wird das Schauen in den Fluss zum Symbol für das unmittelbare Eintauchen in den Fluss des Lebens. Auf die Frage seines Freundes Govinda nach einer Lehre, einem Glauben, der ihm hilft zu leben, antwortet Siddhartha, dass er Lehrern und Lehren gelernt hat zu misstrauen und am meisten vom Flusse vor seiner Hütte und dem einfachen Fährmann Vasudeva gelernt hat. 156 Zusammen mit Vasudeva lernt Siddhartha, dem Fluss zuzuhören und zu lauschen: “Siddhartha bemühte sich, besser zu hören. Das Bild des Vaters, sein eigenes Bild, das Bild des Sohnes flossen ineinander, auch Kamalas Bild erschien und zerfloß, und das Bild Govindas, und andere Bilder, und flossen ineinander über, wurden alle zum Fluß, strebten alle als Fluß dem Ziele zu....” 157 Die Achse zwei-acht mit nördlichem Mondknoten in Haus 2 zeigt ein Ungleichgewicht zwischen Geist (Haus 8 im dritten Quadranten) und Körper (Haus 2 im ersten Quadranten). Es geht hier darum, sich im eigenen Körper und den materiellen Werten neu zu verwurzeln, um der vorhandenen Tendenz, geistig mit Welterklärungsmodellen abzuheben, entgegenzuwirken. Um es bildhaft zu sagen: Bei dieser Konstellation hat der “Lebensbaum” eine zu große Krone und zu wenig Wurzeln. Damit jedoch ein Baum stark ist und nicht so leicht umgehauen werden kann, braucht er ein festes Wurzelwerk. Über die Bewertungen der anderen oder der Gesellschaft soll man hinaus wachsen und eigene Wertvorstellungen entwickeln, indem man zunächst zur Substanz seiner selbst zurückgeht, sich selbst wahrnimmt in seinem Körper und darauf ein Selbstwertgefühl aufbaut als Grundlage des Lebens. Von seiner Familie her bekam Hesse als Erbe die Überbetonung des Geistigen und Religiösen, alles Weltliche und was mit dem Körper zu tun hatte, wurde als minderwertig angesehen, wie es die christliche Religion verlangte. Beides, den Weg von der Ordnung in das Chaos zu gehen und den Wert des Körperlichen zu erkennen, hat Hesse bei seiner Psychoanalyse gelernt. In seinem Tagebuch schreibt er darüber: “Ich verlange von mir Zurückgehen hinter die Gegensatzpaare (Saturn), Annehmen des Chaos (Fische). Dies ist dasselbe, was die Psychoanalyse verlangt, woher ich es ja zum Teil auch habe: Wir sollen, wenigstens für ein einziges Mal, alle Werturteile (Saturn) weglassen und uns selber ansehen, so wie wir sind (Haus zwei: Selbstannahme) oder wie die Äußerungen des Unbewußten uns zeigen (Neptun), ohne Moral (Saturn), ohne Edelmut und all den schönen Schein (Schütze - Jupiter), in unsren nackten Trieben und Wünschen (Haus zwei: vom eigenen Körper, der eigenen Substanz 155Kurze Inhaltsangabe im Anhang. 156Siddhartha, Bibliothek Suhrkamp, 1977, S. 113 157Siddhartha, Bibliothek Suhrkamp, 1977, S. 122 © 2002 Christina Dolland Seite 44 ausgehen), unsern Ängsten und Beschwerden (Neptun). “158 In “Der Steppenwolf” 159 sind es die Fraue n (Animabilder), vor allem Maria, die Harry Haller das Genießen von Sinnlichkeit und Sexualität vermitteln, ihn auch tanzen lehren und die kleinen Luxusgüter im Leben zu schätzen (Stier-Venus, Haus 2): “Schon bei jenem ersten schüchternen Tanz mit ihr (Maria) hatte ich das empfunden, hatte diesen Duft einer genialen, entzückend hochkultivierten Sinnlichkeit gewittert und war von ihr bezaubert gewesen.... Ich lernte vor allem, daß diese kleinen Spielzeuge, Mode und Luxussachen nicht bloß Tand und Kitsch sind..., sondern berechtigt, schön, mannigfaltig, eine kleine oder vielmehr große Welt von Dingen, welche alle den einzigen Zweck haben, der Liebe zu dienen, die Sinne zu verfeinern, die tote Umwelt zu beleben und zauberhaft mit neuen Liebesorganen zu begaben, vom Puder und Parfüm bis zum Tanzschuh, vom Fingerring bis zur Zigarettendose, von der Gürtelschnalle bis zur Handtasche.”160 Hesses Lilithstellung in Haus 2 deutet zusätzlich darauf, dass die Abspaltung des Körperlichen überwunden werden soll. Es geht nach Kocku von Stuckrad bei Lilith in Haus 2 darum, die “Heiligkeit des Körperlichen” 161 wiederzuentdecken. Der Körper ist nicht ein zufälliges und unwichtiges Gefäß für die Seele, sondern “ein heiliger Ort”, in dem die kosmischen Zyklen von Werden und Vergehen stattfinden, die Prozesse der Natur, die der Göttin unterstehen. Lilith wird hier bei Stuckrad als eine der Manifestationen der antiken matriarchalischen großen Göttin gedeutet, die “ebenso erotisch, kriegerisch, mütterlich, herausfordernd wie mitleidsvoll” sein 162 konnte. Dieses Lilithbild als Verkörperung der matriarchalischen Göttin erinnert stark an die Schilderung der Urmutter in “Narziß und Goldmund”. 163 Lilith im Trigon zu Merkur und zum MC (großes Luft-Trigon) und in Opposition zu Uranus in Haus 8 legt durch diese Anbindung nahe, dass bei Hesses dichterischer Gestaltung von Archetypen, besonders der weiblichen, auch Liliths Einfluss aus Haus 2 mitgewirkt hat. 158 Aus dem Tagebuch 1920/21 159Kurze Inhaltsangabe im Anhang. 160Der Steppenwolf, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 7, S. 157 161Kocku von Stuckrad, Lilith, Im Licht des Schwarzen Mondes zur Kraft der Göttin, Braunschweig 1997, S. 110 162Kocku von Stuckrad, Lilith, Im Licht des Schwarzen Mondes zur Kraft der Göttin, Braunschweig 1997, S. 30 163Siehe Kapitel: Mond – Neptun © 2002 Christina Dolland Seite 45 4 Zusammenfassung und Ausblick Nachdem die drei Teilstrukturen der Herrscherverknüpfungstafel ausführlich in Kapitel drei angeschaut worden sind, ergibt sich folgendes Bild über den Zusammenhang zwischen Hesses Radixhoroskop und seinem Leben und Werk: Der Aszendentenherrscher Jupiter im Schützen und im eigenen Haus befähigt Hesse, sein Leben lang um weisheitsvolle Einsicht in die Hintergründe des Lebens und um interkulturelle Verständigung der Religionen und Philosophien in Ost und West zu ringen. Dieser besonders stark gestellte Jupiter in Haus 1 macht ihn zu einem Schriftsteller des synthetischen Denkens, der hinter allen Polaritäten die dahinterstehende Einheit sieht. Mit Herrscher von 1 in 1 geht er von seiner eigenen Person aus und stellt seine psychischen Entwicklungsprozesse durch sein literarisches Werk in einen öffentlichen Rahmen, indem er seine Erfahrungen künstlerisch verarbeitet. Dabei unterstützt ihn seine tiefenpsychologische Therapie nach C. G. Jung. Sein schriftstellerisches Können, seine enorme intellektuelle Ausdruckskraft konnte er aufgrund des ebenfalls sehr stark gestellten Merkurs am Deszendenten (im eigenen Haus in den Zwillingen) so hoch entwickeln. Seine AC-DC-Achse (Zwillinge-Schütze) lebte er nicht, wie von seiner Missionarsfamilie ursprünglich vorgesehen, als evangelischer Theologe, sondern als Dichter und Schriftsteller, der mit seinen Büchern die Leser aufforderte, ihre eigene Stimme im Innern wahrzunehmen und so ihrem Lebenssinn näher zu kommen. Merkur und Jupiter, zueinander in Opposition und Teil eines Spannungsdreiecks zu Mond/Saturn in seinem stärksten Haus, dem Haus 3, legten ihm die gewaltige Last auf, als Briefe schreibender “Seelenführer” (Merkur am DC) auf die persönlichen Probleme seiner zahlreich ratsuchenden Leser einzugehen. Seine mehrfache Venus-Pluto-Konstellation lebte er als Fähigkeit zur intensiven Begegnung mit seinen Lesern auf künstlerischer Ebene. Durch die Wasserbetonung in seinem Horoskop, insbesondere durch die Mond-NeptunKonstellation, ganz in Gefühle, Sehnsüchte und Stimmungen eintauchen zu können, war es Hesse möglich, eine phantasievolle, emotional ansprechende Bildsprache zu entwickeln, die Leser aus verschiedensten Kulturen tief berühren kann, weil sie aus der Verbindung zum kollektiven Unbewussten schöpft (Neptun Herrscher über 3). Die Rezeption zwischen Haus 4 und 3 (Mond-Merkur) zeigt, wie eng Denken und Gefühl sich bei Hesse verbindet in der Herausforderung, mit seinem höchst empfindsamen Fischemond in die Welt hinauszutreten und das Gefühlte auch darzustellen im literarischen Werk. Durch seine psychoanalytischen Gespräche (1919 bis 1921), in denen er lernte, seelische Prozesse in Worte zu fassen und Träume und Imaginationen zu deuten, gelang ihm ein Durchbruch zur eigenen Identitätsfindung. Das beflügelte ihn wiederum als Künstler und Schriftsteller, neu anzufangen und im “Demian” den Stil zu finden, der seine Weltberühmtheit begründet. Sein Thema “Weg nach Innen” spricht Menschen an, die auf der Suche nach sich selbst durch Krisen gehen. Hesse wird zum Kultautor mit neptunischen Themen wie Außenseitertum, mystisches Einheitsdenken und Liebe zu allem Dasein. Hesses Themen und Entwicklung ergeben sich aus der Auseinandersetzung mit seinen Eltern. Saturn Quadrat Aszendent verweist auf die Einschränkungen durch Moral und Normen, die Zuhause und in der Schule seinen Widerspruch herausfordern (Flucht aus Maulbronn) und ihn depressiv machen. Mit Mond Konjunktion Saturn in den Fischen hat er die Aufgabe, die vorgefundenen Strukturen kreativ so zu verändern, dass seine Gefühle wieder darin Platz finden © 2002 Christina Dolland Seite 46 können. Der “Eigensinn” wird zur Tugend. Sonne-Pluto zeigt die Tendenz zur Selbstzerstörung bei Hesse und das Aufbegehren gegen die große Macht und die religiösen Vorstellungen seines Vaters. Erst als er seine tiefen Krisen nutzt, um produktiv zu werden (Herrscher von 5 in 8), kann er Plutos reiches kreatives Potential in Haus 5 künstlerisch entfalten und als freier Schriftsteller und genialer Dichter (Pluto als Herrscher von 11 in 5) seinen eigenen Weg verwirklichen. Seine streng pietistisch und sexualitätsfeindlich erzogene Mutter (Mond-Saturn) gab den sie als junge Frau frustrierenden Konflikt zwischen irdischer Sinnenfreude und hehrer Geistigkeit im Elternhaus als Familienthema an Hermann Hesse weiter, ebenso wie ihre unterdrückte Rebellion (Uranus-Pluto). Die Polarität von Sinnlichkeit und Geist, das Wiedergewinnen der Achtung vor der Naturseite des Menschen ist ein großes Thema für Hesse. Darauf verweist auch die Richtung der Mondknotenachse von Haus 8 nach Haus 2 und die Position der Lilith in Haus 2. Hesses Lösungsansätze für seine psychischen Krisen, die er in seinen Werken darstellt, haben uranischen Charakter (Uranus in Haus 8 Trigon Jupiter): der Humor der Unsterblichen im magischen Theater, die aus der Polarität herauspringen können (“Der Steppenwolf”), das Traumbild vom Vogel, der sich aus dem Ei kämpft (“Demian”) und die Relativierung seiner eigenen Glasperlenspiel- Utopie, deren Gedankengebäude letztlich wieder gesprengt werden muss. Das harte Zusammentreffen von plutonischer Bindungs- und uranischer Befreiungsenergie durch Uranus in Haus 8 führt bei Hesse zu einer Konzentration auf die Entwicklung des Individuums und zur Weigerung, sich selbst auf eine Weltanschauung, Religion oder politische Partei je festzulegen. Seine Botschaft zielt auf eine Stärkung der inneren Stimme in jedem Einzelnen gegen Autoritätshörigkeit und für geistige Flexibilität, die auf selbstständigem Denken und einem Zugang zu den eigenen Gefühlen aufbaut. In der Wandlungsfähigkeit und in jedem Neuanfang liegt der Zauber und die Kraft zu leben (Gedicht: Stufen). Hesse identifiziert sich mit dem Nomadentum (Widder an Spitze 4). Auch seine Schützebetonung verstärkt den Drang nach individueller Freiheit und zu immer neuen geistigen Zielen. Mit Mond-Neptun ist er auch seelisch ein Heimatloser und mit Chiron- Neptun-Konjunktion bezahlt er als Außenseiter den Preis, dass er von allen Seiten angreifbar und leicht verletzbar ist – was sich vor allem in den Reaktionen auf seine politischen Äußerungen zeigte. Der Ansatz, bei der psychischen Entwicklung von einzelnen Menschen zu beginnen, um Änderung in der Welt zu bewirken und die Zukunft zu gestalten, lässt Hesse zu einem Kultautor von Alternativbewegungen wie “New Age” werden, die sich der Suche nach Selbsterkenntnis verschrieben haben. Das Thema der Individuation mit seinen uranischen Lösungsansätzen bei Hesse steht für die Wassermann-Löwe-Achse, für das jetzt beginnende Wassermann-Zeitalter. Hesses bilderreiche gefühlvolle Vision von Selbstfindung in seinen Werken kann auch heute und in Zukunft Wege aus der Enge von konventionellen Normen und erstarrter Autoritätsgläubigkeit weisen. Die für das Fische-Jungfrau-Zeitalter typische harte Dualität von Körper und Materie (Jungfrau) einerseits und Geist (Fische) andererseits versucht Hesse durch seine Bilder- und Symbolsprache in eine gleichberechtigte Polarität mit dahinterstehender Einheit zu verwandeln. Hesses Hilfe bei der Identitätssuche kann sein: Wenn ich auf meine innere Stimme anfange zu hören und auch meine Schattenseiten integrieren lerne, dann ist es immer weniger notwendig, anderen das Böse zuzuschieben, es auf Juden, Moslems oder Ausländer zu projizieren und sie als Gruppen zu verachten. Der Weg zur eigenen Ganzheit, zum eigenen Selbst ermöglicht erst, den anderen als gleichwertig anzuschauen und letztlich eine Weltgemeinschaft unter Gleichwertigen zu entwickeln – die Utopie des Wassermannzeitalters. Die Zeitqualität mit Pluto im Schützen bringt Tendenzen zum religiösen und weltanschaulichen Fanatismus in der Welt zutage mit kriegerischen Folgen. Bei Hesse sind heilsame Gegenentwürfe dazu zu finden. Seine hoch entwickelte Schützeenergie führte ihn zum Denken in Synthese, zur Ideologiefreiheit, zu interkultureller © 2002 Christina Dolland Seite 47 Öffnung und Brückenbildung zu anderen Religionen und Kulturen. Auch für Friedensbewegte, die sich nicht einer Partei anschließen wollen, können Hesses politische Äußerungen und Erfahrungen wichtig sein. Astrologisch gesehen ist mit der Besprechung des Häuserherrschersystems in Hesses Radixhoroskop die Grundlage gelegt, auch Hesses Leben im einzelnen anhand von Auslösungen und Transiten durchzugehen und die Partnerhoroskope zu den Eltern und seinen drei Frauen anzuschauen. Wird Lilith mit zur Horoskopbetrachtung hinzugezogen, ergibt sich auch eine weitere Aspektfigur, auf die ich Rahmen dieser Arbeit nur hinweisen möchte, da hier die Deutung nach dem Herrschersystem im Vordergrund stand. Es ergibt sich mit Lilith, wenn Aszendent und Deszendent, IC und MC mit dazu genommen werden, ein großes Sextil in Hesses Horoskop. Das große Sextil besteht aus sechs Sextilen, die zusammengenommen im Horoskopkreis eine Sechseckfigur ergeben. Das große Sextil, auch Sextilkranz genannt, gilt als harmonische Aspektfigur. Das Besondere ist, dass in dieser Figur einige andere harmonische Aspektfiguren enthalten sind wie große Trigone, mystische Rechtecke und Drachen. 164 Es wäre lohnenswert, Liliths Wirkung in Hesses Horoskop noch genauer zu beleuchten zusammen mit einer Interpretation des großen Sextils. Auffallend sind auch die Fülle an Biquintilen und Quintilen in Hesses Horoskop und speziell ein Quintil-Biquintil- Dreieck zwischen Venus, Aszendent und aufsteigendem Mondknoten. 165 Quintile zeigen sehr spezielle Talente an, die möglicherweise in früheren Leben erworben wurden und oft die “Aura des Magischen“ besitzen, zum Beispiel ist an Magie der Farben (Hesse als Maler), an Magie der Gedanken oder Worte (Hesse als Dichter, seine “magische Brücke” nach Asien) zu denken. 166 Beide Aspektfiguren, die nicht sehr häufig vorkommen, verweisen noch einmal auf die besonderen Fähigkeiten des Dichters Hermann Hesse und auf die Faszination, die von ihm ausgeht. 164 Siehe Anhang unter Aspektfiguren. 165 Siehe Anhang unter Aspektfiguren. 166 Wilfried Schütz, Ausbildungsunterlagen zur Aspektlehre © 2002 Christina Dolland Seite 48 5 Nachwort Hermann Hesses Bücher sind für mich seit langem treue Begleiter meines Lebens. Sie haben mich in meinem Bemühen um Selbstfindung und Selbsterkenntnis wesentlich gefördert und mir neue Horizonte in meiner Weltsicht und auch berufliche Möglichkeiten eröffnet. Es begann, als mir in der zehnten Klasse eine Mitschülerin empfahl, Hesses “Demian” doch mal zu lesen. Damals in der Schule mochte ich kein Deutsch, und vor allem Gedichte fand ich blanken Unsinn. Dagegen lobte ich mir die Naturwissenschaften und vor allem die Mathematik. Sie war mir wegen der unbestechlichen und eindeutigen Logik viel lieber. Damit kam ich gut zurecht und fühlte mich getröstet, dass es doch wenigstens auf diesem Gebiet eine Sicherheit gab. Gedichte und Geschichten hatten dagegen etwas Nebelhaftes, es gab so viele Möglichkeiten, sie zu interpretieren. Dann entdeckte ich beim Lesen von Demian, wie sehr ich mich in meinen Gefühlen, meinen Konflikten mit den Eltern und meiner Sehnsucht nach Ganzheit widergespiegelt sah in der Art von Hesses Worten. Er drückte auf wundersame Weise das aus, was ich auch empfand, aber nicht hätte so aufschreiben können. Das faszinierte mich damals, und mein Interesse für Dichtung und schließlich auch für den Deutschunterricht war geweckt. Später führte das dazu, dass ich mich nicht zwischen naturwissenschaftlicher und sprachlicher Richtung entscheiden wollte und daraufhin Germanistik, Philosophie und Mathematik fürs Lehramt am Gymnasium studierte. Beim Examen in Germanistik gab ich Hesse als Schriftsteller an. Besonders beeindruckten mich die Interpretationen aus tiefenpsychologischer Sicht. Hesse hatte Kontakt mit C. G. Jung und sich selbst bei einem Schüler Jungs 1916 analysieren lassen. Das beeinflusste sein weiteres Wirken als Schriftsteller nachhaltig. Der Frage, wie es zu verstehen ist, dass Hesse den “Demian” als “Frucht der Psychoanalyse” bezeichnet, ging ich auch in meinem Referendariat nach. Ich schrieb meine zweite Staatsexamensarbeit über das Thema: “Das Problem der Selbstfindung in Hesses Demian, unter Berücksichtigung der Autorbiographie und psychoanalytischer Grundbegriffe” und hielt darüber eine Unterrichtseinheit im Leistungskurs der Klasse 12. Da ich bei diesem Thema persönlich besonders engagiert war und mich gut mit meinem Interesse für Psychologie und meiner Vorliebe für Hesse bei den Schülern einbringen konnte, waren diese Unterrichtsstunden erfolgreich und eine Freude für mich in einer sonst schwierigen Zeit. Später gab ich auch einige Volkshochschulkurse zu Hesse und seinem Verhältnis zur Tiefenpsychologie von C.G. Jung. Dabei dienten auch andere Werke von Hesse als Grundlage, so “Der Steppenwolf”, “Narziß und Goldmund”, “Siddhartha” und “Die Märchen”. Nach meiner astrologischen Ausbildung bei Hermann Meyer sah ich mich nun herausgefordert, auch astrologisch nachzuvollziehen, welche Einflüsse und Energien auf Hesse gewirkt haben. Dem wollte ich in der vorliegenden Arbeit nachgehen und so mein längerfristiges Thema mit Hesse wieder aufgreifen. Es galt für mich ein weiteres Mal - astrologisch ausgedrückt -, auf Hesses Jupiter zu bauen, der gradgenau im Schützen auf meinem MC und auf meinem nördlichen Mondknoten zu stehen kommt. © 2002 Christina Dolland Seite 49 6 Literatur 6.1 Astrologie Ausbildungsunterlage n vom Institut für psychologische Astrologie unter der Leitung von Hermann Meyer Hamaker-Zondag, Karen M. Häuserherrscher und Häuserbeziehungen, München 1999 Hamers, Gertrud. Lebensskripte, Die Dispositorenverknüpfungen im Horoskop, Tübingen 2001. Über Hermann Hesse: S. 98-103 Marks, Tracy. Die Kunst der Horoskop – Synthese, Hamburg 1993 Meyer, Hermann. Das astrologische Herrschersystem, München 1996 Öhlschleger, Rainer. Stichworte zur Horoskopdeutung, Edition Astrodata 1996. Über Hermann Hesse: S.74-78 Roscher, Michael. Der Mond, Licht und Schatten astrologischer Mond-Konstellationen, Knaur 86158, 1997 Roscher, Michael und Völkel, Werner. Das Buch der Häuserherrscher, Freiburg im Breisgau 2000 Stuckrad, Kocku von. Lilith, Im Licht des Schwarzen Mondes zur Kraft der Göttin, Braunschweig 1997 Zehl, Hermine-Marie/Kobbe, Christine. Wendepunkte im Leben, München 1997 6.2 Hermann Hesse Fernsehsendungen: Hermann Hesse : Ein langer Sommer, Film von Werner Weik (1987), ausgestraht von 3sat am 8.6.02, 22:35 Hermann Hesse – Lebensstationen. Ein Film von Sarah Palmer, Südwest 3, 29.6.02, 0:00 – 0:30 Hermann Hesse – Wegbereiter eines neuen Denkens? Gespräche und Musik zu Hermann Hesse aus dem Kloster Maulbronn. 3Sat, 15.6.02, 20:15 Hesse, Hermann. Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 1 – 12 Hesse, Hermann. Ausgewählte Briefe, zusammengestellt von Hermann und Ninon Hesse, st 211,1974 © 2002 Christina Dolland Seite 50 Hesse, Hermann. Demian, st 206, 1980 Hesse, Hermann. Der Steppenwolf, st 175, 1974 Hesse, Hermann. Gesammelte Briefe, Suhrkamp 1973, Bd 1 Hesse, Hermann. Kindheit und Jugend vor 1900, hrg. von Ninon Hesse, st 1002 Hesse, Hermann. Klingsors letzter Sommer, rororo 1462, 1971 Hesse, Hermann. Lektüre für Minuten, st 7, 1972 Hesse, Hermann. Mein Glaube, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1971 Hesse, Hermann. Narziß und Goldmund, st 274, 1981 Hesse, Hermann. Siddhartha. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1977 Hoppe, Otfried. H. Hesse, Der Steppenwolf, Werk und Rezeption, Stuttgart 1977 Internet: www.dhm.de/lemo/html/biografien/HesseHermann/index.html www.hhesse.de www.radiobremen.de www.swr.de Karstedt, Claudia. Die Entwicklung des Frauenbildes bei Hermann Hesse, Frankfurt 1983 Materialien zu Hermann Hesses “Der Steppenwolf”, st 53, 1972 Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg. von Volker Michels, st 1947, 1993 Neumann, Erich. Die große Mutter, Freiburg 1981 Pfeiffer, Martin. Hesse-Kommentar zu sämtlichen Werken, st 1740 Radiosendung “Glaubensfragen. Hermann Hesse und die Religionen des Ostens.” SWR 2, 7.7.02, 12:05-12:30 Stern 27/2002 bis 30/2002, 125 Jahre Hermann Hesse /Teil 1 bis 4 Zeller, Bernhard. Hermann Hesse, rororo-Monographie 85, 1971 © 2002 Christina Dolland Seite 51 7 Anhang Übersicht 1.) Horoskopgrafik von Hermann Hesse 2.) Auswertung nach dem Sarastro-Astroprogamm: Stärke der Häuser 3.) Grafik: Herrscherverknüpfung bei Hermann Hesse 4.) Aspektfiguren Spannungsdreieck Das große Sextil Das Quintil-Biquintil-Dreieck 5.) Das von Joseph Englert 1919/20 (?) erstellte Horoskop Hesses 6.) Tabellarischer Lebenslauf von Hermann Hesse http://www.hhesse.de/exlink.php?link=http://www.dhm.de/lemo/html/bi ografien/HesseHermann/index.html 7.) Hermann Hesse: Kurzbiografie von Radio Bremen: www.radiobremen.de/rb2_archiv/literatur/hesse/bio1.htm 8.) Kurze Inhaltsangaben zu den bekanntesten Werken von H. Hesse Unterm Rad (1906) Seite 1 Demian (1919) Seite 1 Klingsors letzter Sommer (1920) Seite 2 Siddhartha (1922) Seite 2 Der Steppenwolf (1927) Seite 3 Narziß und Goldmund (1930) Seite 4 Das Glasperlenspiel (1943) Seite 5 9.) Kurze Einführung in astrologische Grundbegriffe und Methoden © 2002 Christina Dolland