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Inhaltsverzeichnis
1 Vorwort ............................................................................................................................................. 2
2 Einleitung.......................................................................................................................................... 4
3 Hermann Hesse und sein Geburtshoroskop ...................................................................................... 7
3.1 Hesses Begegnung mit der Astrologie seiner Zeit .........................................................................7
3.2 Herrschersystem ............................................................................................................................9
3.2.1 Überblick .....................................................................................................................................9
3.2.2 Vom Wissen zur Weisheit: Die Betonung der Achse Zwillinge-Schütze ...............................10
3.2.2.1 Der Sinnsucher und Einheitsdenker: Schütze AC mit Jupiter in Haus 1 ......................... 12
3.2.2.2 Der Autor der Krise: Saturn Quadrat Aszendent und Sonne-Pluto ....................................... 15
3.2.2.2.1 “Der Steppenwolf” .............................................................................................................
3.2.2.2.2 “Das Glasperlenspiel” .........................................................................................................
3.2.2.3 Der Schriftsteller und “Seelenführer”: DC in den Zwillingen und Merkur in 7 ................. 24
3.2.2.3.1 Weisheit kann nicht mitgeteilt werden................................................................................
3.2.2.3.2 Der Psychopompus für ratsuchende Leser – jeden Tag bis zu 500 Seiten .........................
3.2.3 Denken und Gefühl: Rezeption zwischen Haus 3 und Haus 4 .................................................29
3.2.3.1 Durch das psychoanalytische Gespräch zur Identität: Von Haus 3 nach 4 ........................... 31
3.2.3.2 Der Kultautor für Identitätssuchende - von Haus 4 nach 3 .................................................. 33
3.2.3.3 Hesses Mutter: Mond - Saturn .............................................................................................. 34
3.2.3.4 Die Sehnsucht nach der Urmutter: Mond – Neptun .............................................................. 37
3.2.3.5 Der verletzte Friedenskämpfer: Mars-Neptun-Chiron........................................................... 39
3.3 Vom Geist zum Körper, von der Ordnung ins Chaos: Die Mondknoten ...................................42
4 Zusammenfassung und Ausblick .................................................................................................... 44
5 Nachwort ......................................................................................................................................... 47
6 Literatur ........................................................................................................................................... 48
6.1 Astrologie .....................................................................................................................................48
6.2 Hermann Hesse ............................................................................................................................48
7 Anhang............................................................................................................................................ 50
© 2002 Christina Dolland
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1 Vorwort
Thema dieser Arbeit ist die Interpretation des Radixhoroskops von dem Dichter und Schriftsteller
Hermann Hesse, geboren am 2. Juli 1877 in Calw (D) um 18 Uhr 30.
Ein umfassender Blick soll Hesses Leben und Werk gelten, wie sie sich in seiner Horoskopstruktur
als vorhandene Veranlagungen, zu entwickelnde Fähigkeiten und als Lebensherausforderungen
spiegeln.
Hermann Hesses Horoskop diente bei zwei astrologischen Büchern der letzten Zeit als ein Beispiel,
um astrologische Vorgehensweisen daran zu demonstrieren. Entsprechend sind die Ausführungen
zum Gesamthoroskop beides Mal sehr knapp gefasst und von der Darstellung der zu vermittelnden
Methode mehr geprägt als vom spezifischen Interesse an Hesses Leben und Werk.
In dem 2001 im Chiron Verlag erschienenen Buch von Gertrud Hamers “Die
Dispositorenverknüpfungen im Horoskop”1 geht es vor allem um den Einfluss von
Zeichenherrschern auf die ihnen unterstellten Planeten, das heißt um die Dispositorenkette im Sinne
von Thomas Ring. Erst in zweiter Linie geht es um die Häuserherrscher, wobei Gertrud Hamers mit
dem Koch´schen Häusersystem arbeitet. 2 Entsprechend erstellt sie für ihre Interpretation von Hesses
Horoskop die Dispositorenverknüpfung als Ausgangspunkt.
In meiner Arbeit über Hermann Hesses Horoskop verwende ich das Häusersystem nach Placidus
und lege den Schwerpunkt auf die Interpretation des Häuserherrschersystems nach Hermann Meyer.
Die Häuser im Horoskop sind das Individuellere im Vergleich zu den Planeten in den Zeichen, in
denen sie zum Teil sehr lange stehen können, während der Aszendent und damit die
Häuserverteilung circa alle zwei Stunden wechselt. Die Vernetzung der Häuserherrscher ergibt
deshalb ein angemesseneres Bild von der Struktur der Persönlichkeit. Der Vorteil der Interpretation
nach dem Herrschersystem ist, dass sie nicht zu einem statischen Abbild führt, sondern den Fluss
von Energien anzeigt, wie die Planeten in den einzelnen Lebensbereichen zusammenwirken, welche
Häuser durch Ursache und Wirkung miteinander verbunden sind, welche Kreisläufe es dabei gibt.
Das Häuserherrschersystem nach Hermann Meyer verwendet auch Rainer Öhlschleger in dem Buch
“Stichworte zur Horoskopdeutung”, in dem die zweite Kurzbesprechung von Hermann Hesses
Horoskop zu finden ist. 3 Er demonstriert sein selbst entworfenes Konstellationenraster anhand von
Hesses Horoskop und zählt danach stichpunktartig die Fülle von Entsprechungen der
Konstellationen zu Hesses Leben und seinen Themen auf, was einiges an Anregungen gibt.
In meiner Arbeit gehe ich von der Gesamtstruktur der Häuserherrscher- Beziehungen aus, die ich in
einer Übersichtsgrafik darstelle und danach beschreibe. Darauf aufbauend werden in den einzelnen
Kapiteln die in sich zusammenhängenden Teilstrukturen interpretiert und zu Hesses Leben und
Werk in Beziehung gesetzt.
In diese Arbeit geht neben den astrologischen Interpretationen von Hesses Leben auch ein
literaturwissenschaftlicher Ansatz mit ein, indem detailliert Hesses literarisches Werk unter dem
astrologischen Gesichtspunkt betrachtet wird. Dabei befasse ich mich unter anderem ausführlich mit
1Über Hermann Hesse S. 98-103
2Zum Unterschied zwischen Zeichen- und Häuserherrscher ein Beispiel: Steht Mars im Krebs, so ist sein
Zeichenherrscher oder Dispositor der Mond. Wenn Mars in Haus 3 steht und die Spitze des 3. Hauses zeigt noch in
die Zwillinge, dann ist der Häuserherrscher von Mars der Zwillingsmerkur.
3Erschienen bei Edition Astrodata 1996. Über Hermann Hesse S. 76-78
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dem Gedicht “Stufen” und den bekanntesten Romanen wie “Siddhartha”, “Der Steppenwolf” und
“Das Glasperlenspiel”.
Zur besseren Orientierung über Hermann Hesses Leben sind im Anhang ein tabellarischer
Lebenslauf und eine Kurzbiographie von Radio Bremen beigelegt. Ferner erstellte ich für den
Anhang kurze Inhaltsangaben seiner wichtigsten Werke, die dem Leser einen Überblick über das
Geschehen im jeweiligen Roman geben und so zum besseren Verständnis meiner manchmal aufs
Detail bezogenen astrologischen Interpretationen beitragen sollen. Das Horoskop von Hermann
Hesse mit Auswertungen nach dem Astro-Programm Sarastro befindet sich ebenfalls im Anhang.
Eingefügte astrologische Kommentare sind kursiv geschrieben, bei Zitaten sind astrologische
Einschübe meinerseits der besseren Kenntlichkeit halber zusätzlich farbig.
Bedanken möchte ich mich herzlich bei Hermann Meyer und seinem Ausbildungsteam für
psychologische Astrologie. Mein Dank gilt auch allen, die mich ermutigt haben, diese Arbeit über
Hermann Hesse zu schreiben. Bei Peter Dolland, Uta Gottschalk, Christa Sauer und Ursula Thiel
bedanke ich mich besonders für das Korrekturlesen und die guten Anregungen, die sie mir
zurückgemeldet haben.
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2 Einleitung
Hermann Hesse wurde am 2. Juli 1877 in dem Schwarzwadstädtchen Calw geboren als Kind des
Missionars Johannes Hesse und seiner Frau Marie, Tochter des Indologen und Missionars Hermann
Gundert. Die Familie des Vaters ist baltendeutscher Abstammung, die mütterliche Familie
schwäbisch-schweizerischer Herkunft. Auch für Hermann Hesse war die Theologenlaufbahn
vorgesehen: Er besuchte zunächst die Calwer Lateinschule und ab 1891 war er Seminarist im
evangelisch-theologischen Seminar in Maulbronn. Schon im nächsten Jahr entfloh er von dort.
Nach einer Mechanikerlehre bei der Turmuhrenfabrik Perrot in Calw erlernte er den Beruf des
Buchhändlers in Tübingen und Basel und veröffentlichte erste eigene Dichtungen. Sein erster
großer Erfolg war “Peter Camenzid”. Danach heiratete er 1904 die Fotografin Maria Bernoulli, zog
mit ihr in ein Bauernhaus in Gaienhofen am Bodensee und begann, als freier Schriftsteller zu leben.
Dort kamen seine drei Söhne auf die Welt. Die Ehe geriet bald in die Krise und Hesse unternahm
viele Reisen, 1911 auch nach Ostasien. 1912 übersiedelte die Familie nach Bern in die Schweiz.
Während des Ersten Weltkrieges arbeitete Hesse in Bern in der Deutschen Gefangenenfürsorge und
bezog gegen den Krieg Stellung. Die Kriegsjahre waren von persönlichen Schicksalsschlägen
gekennzeichnet wie Tod des Vaters 1916 und eine Nervenkrankheit seiner Frau. Hesse unterzog
sich bei einem Jungianer einer Psychoanalyse. 1919 veröffentlichte er “Demian” und ließ sich nach
der Trennung von der Familie in Montagnola im Tessin (CH) nieder, wurde aber erst 1924
Schweizer Staatsbürger. Seine indische Dichtung “Siddhartha” erschien 1922. 1923 heiratete er
Ruth Wenger, eine Sängerin, von der er sich 1927 wieder scheiden ließ. In diesem Jahr
veröffentlichte er sein berühmtestes Werk “Der Steppenwolf”. Eine dritte Ehe schließt Hesse 1931
mit Ninon Dolbin. Sein Alterswerk “Das Glasperlenspiel” erscheint 1943 während des Zweiten
Weltkrieges. 1946 wurde Hesse mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Er stirbt mit 85
Jahren am 9. August 1962 in Montagnola. 4
Hermann Hesses 125. Geburtstag am 2. Juli 2002 und sein 40. Todestag am 9. August 2002 wurden
in den Medien zum Anlass genommen, eine Bilanz zu ziehen. Hesse ist heute der weltweit meist
gelesene und bekannteste Autor deutscher Sprache. Seine Weltauflage umfasst über 100 Millionen
Exemplare. Die Werke keines anderen deutschsprachigen Autors des 20. Jahrhunderts wurden so
häufig übersetzt wie die Bücher von Hesse – in 54 Sprachen. Monatlich werden heute noch 35 000
seiner Bücher verkauft. Sie sind Kultbücher eines Kultautors. Auch im asiatischen Raum wie Japan,
Korea und China sind seine Werke sehr beliebt. In Japan und Korea hat Hesse heute genau so viele
Leser wie in Deutschland. In Seoul entsteht zu Hesses 125. Geburtstag das größte Hesse-Museum
der Welt.
Zahlreiche Ausstellungen auch zu Hesse als Maler begleiten weltweit das Hesse-Jahr, so in Berlin
(D), Calw (D), Maulbronn (D), Gaienhofen (D), Montagnola (CH), selbst in Südindien. Neue
Internet-Seiten wurden erstellt und die Illustrierte “Stern” widmete dem Jubilar eine mehrteilige
Serie und nennt ihn den “Guru für die Jugend der Welt”. Das ist nicht nur eine Anspielung auf die
4Zum Teil nach Internet: www.hermann-hesse.de/biographie/lebenslauf. Im Anhang ist ein ausführlicherer
tabellarischer Lebenslauf und eine Kurzbiografie von Radio Bremen beigefügt. Kurze Inhaltsangaben der
bekanntesten Romane von Hesse stehen ebenfalls im Anhang.
http://www.hhesse.de/exlink.php?link=http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/HesseHermann/index.html
www.radiobremen.de/rb2_archiv/literatur/hesse/bio1.htm
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USA der sechziger Jahre, wo die Hippies ihn zur Kultfigur mit seinem “Steppenwolf” machten und
in ihm einen Führer zum psychedelischen Erlebnis sahen. Seine Hinwendung zu Asien war für die
“Blumenkinder” Ausdruck ihrer Sehnsucht nach esoterischer Bewusstseinserweiterung und
Ganzheitlichkeit. Wie kaum ein anderer spricht Hesse Jugendliche an, indem er intensiv das
seelische Erleben von Heranwachsenden schildert und sich mit der psychologischen Bedeutung der
Kindheitserinnerungen im Erwachsenen befasst. 5
Kein Zweifel, Hesse ist immer noch aktuell und macht auch noch nach 125 Jahren von sich reden.
Es bleibt die Frage, was die große Anziehungskraft dieses schwäbischen Dichters ausmacht und
was das Geheimnis seines Erfolges ist.
In meiner Arbeit möchte ich das Horoskop von Hesse auf wichtige Konstellationen hin
untersuchen, vor allem nach der Methode des Häuser-Herrschersystems. Dabei stehen die Fragen
an: Wie hat er seine Anlagen des Geburtshoroskops ausgelebt, welche Fähigkeiten konnte er wie
entwickeln? Welche Lebensaufgaben waren angelegt, wo gab es die entscheidenden
Herausforderungen und Hindernisse auf seinem Weg?
Dabei gehe ich von einer ganz engen Verknüpfung von Hesses Werk und Leben aus, die er auch
selbst formuliert:
“All meine Erzählungen handelten von mir selbst, spiegelten meine eigenen heimlichen Träume und Wünsche, meine
eigenen bitteren Nöte. Auch solche Bücher, in denen ich einst im festen Glauben fremde Schicksale und Konflikte
darzustellen gemeint hatte, auch sie deuteten am selben Schicksal, am meinigen.”6
“Mein Thema ist das Stück Menschentum und Liebe, das Stück Triebleben und Sublimierungsleben darzustellen, das
ich aus meiner Natur heraus kenne, für dessen Richtigkeit, Aufrichtigkeit, Erlebtheit ich einstehen kann.”7
“Eine neue Dichtung beginnt für mich in dem Augenblick zu entstehen, wo eine Figur mir sichtbar wird, welche für
eine Weile Symbol und Träger meines Erlebens, meiner Gedanken, meiner Probleme werden kann. Die Erscheinung
dieser mythischen Person (P e t e r C a m e n z i n d, K n u l p, D e m i a n, S i d d h a r t h a, H a r r y H a l l e r
usw.) ist der schöpferische Augenblick, aus dem alles entsteht.”8
Hesse formuliert hier sein Verhältnis zu seinem eigenen Werk: Es bedeutet Selbstdarstellung und
Analyse von ihm selbst durchlebten Konflikten. Astrologisch entspricht das bei ihm dem Herrscher
von 1 (Jupiter) in 1: Bei seinem Auftreten steht die eigene Person im Mittelpunkt, alles dreht sich
um das Verständnis und die Analyse der eigenen Entwicklung und Befindlichkeit.
Hesses Äußerungen zu seinem Werk müssen bei dessen Verständnis und Interpretation ernst
genommen werden, sie geben einen Einblick in den Schaffensprozess des Dichters aus der
unmittelbarsten Quelle. So herrscht in der Hesse-Forschung, wie C. Karstedt berichtet, “Einigkeit
darüber, dass sich zwischen Hesses Leben und seiner Dichtung eine sehr deutliche Analogie
herstellen läßt”. In diesem Zusammenhang ist auch zu verstehen, dass in seinen Romanen viele
Hauptfiguren die Initialen ihres Autors tragen, so Hermann Heilner aus “Unterm Rad”, Harry Haller
aus “Der Steppenwolf” oder der Erzähler H.H. aus “Die Morgenlandfahrt”. 9
5Siehe z.B. www.swr.de/thema
6Hesse in einem Artikel der “Neuen Züricher Zeitung” am 20.11.1921. Nach C. Karstedt, Die Entwicklung des
Frauenbildes bei Hermann Hesse, Frankfurt 1983, S. 7
7Zitiert nach Bernhard Zeller, Hermann Hesse, rororo Bildmonographien 85, S. 7
8Aus ”Eine Arbeitsnacht”, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 11, S. 81
9C. Karstedt, Die Entwicklung des Frauenbildes bei Hermann Hesse, Frankfurt 1983, S. 7
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Einen wichtigen Einfluss auf Hesses Leben und Werk hatte seine Erfahrung der Psychoanalyse bei
einem Jungianer und bei C. G. Jung selbst in der Zeit von 1916 bis 1921. Das große Thema Hesses
ist die Selbstverwirklichung, unter der er die Eingliederung auch der widersprüchlichsten Seiten
von sich selbst in das eigene Leben versteht. Auch die durch gesellschaftliche Normen und Werte
als böse abgelehnten Eigenschaften und Triebe haben ihre Berechtigung für die menschliche
Entwicklung. Diese Grundvorstellungen entlehnt Hesse aus der Tiefenpsychologie und lässt sie ab
dem “Demian” 1919 in seine Romane mit einfließen.
Die Jung´sche Tiefenpsychologie mit heranzuziehen ist notwendig, um die Funktion von Hesses
Romanfiguren zu erkennen. Es geht ihm, wie er sagt, in seinen Romanen um “eine einzige Person
in ihren Beziehungen zur Welt und zum eigenen Ich”. 10 Die auftretenden Figuren sind also nicht als
eigenständige Personen interessant, die der Hauptgestalt im Außen entgegentreten, sondern insofern
sie ein Teil des Innern der Erzählerperson sind. Dies entspricht dem Gedanken der
Tiefenpsychologie, dass in Träumen Personen auftauchen, die Verkörperungen von Teilen des
eigenen Innern sind, die meist im Bewussten unterdrückt sind. Diese Traumpersonen wollen dem
Träumer zur Integration der unbewussten Anteile verhelfen. So begegnet zum Beispiel Sinclair im
“Demian”11 der dunklen Gestalt Franz Kromer, der ihn erpresst und ihm Angst einjagt. Hier tritt
Sinclair sein Schatten im Jung´schen Sinn entgegen. Das wird auch sprachlich angedeutet:
“In meinen Träumen lebte er (Kromer) wie mein Schatten mit, und was er mir nicht in der Wirklichkeit antat, das ließ
meine Phantasie ihn in diesen Träumen tun...ich verlor Kraft und Leben an diese Schatten.”12
Und wenn der Steppenwolf 13 Hermine trifft, so beginnt für Harry Haller seine Anima in ihm zu
sprechen:
“Vor ihrem (Hermines) Blick, aus dem meine eigene Seele mich anzuschauen schien, sank alle Wirklichkeit zusammen,
auch die Wirklichkeit meines sinnlichen Verlangens nach ihr. Verzaubert blickten wir einander an, blickte meine arme
kleine Seele mich an.” 14
Hesses Romane sind somit eine künstlerische Aufarbeitung der Erfahrungen bei seiner eigenen
Psychoanalyse und haben so ganz viel mit seinem eigenen Innenleben zu tun.
10Aus “Eine Arbeitsnacht”, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd. 11, S. 81
11Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
12Demian, st 206, 1980, S. 35
13Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
14Der Steppenwolf, st 175, 1974, S. 188
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3 Hermann Hesse und sein Geburtshoroskop
3.1 Hesses Begegnung mit der Astrologie seiner Zeit
Vorab soll hier kurz nachgeforscht werden, welches Verhältnis Hesse zur Astrologie seiner Zeit
hatte und was es an Äußerungen von ihm dazu gibt.
Hesse wurde in dem alten Schwarzwaldstädtchen Calw im engen Tal der Nagold geboren. Er kam
als zweites Kind von Marie Hesse-Gundert und Johannes Hesse, einem Deutschbalten, zur Welt,
zwei Jahre nach seiner Schwester Adele. Seine Mutter berichtet in ihrem Tagebuch über die Geburt
am 2. Juli 1877 in der Abendstunde um halb sieben15 : das sehr große, schwere, schöne Kind habe
sich gleich selbstständig dem Licht zugewendet. 16
Die Wärme und das Licht dieses Sommerabends sind etwas Wichtiges, was Hesse sein Leben lang
beeinflusst hat. Über seine Geburt schreibt er später in “Kurzgefasster Lebenslauf”:
“Ich wurde geboren gegen das Ende der Neuzeit, kurz vor der beginnenden Wiederkehr des Mittelalters, im Zeichen des
Schützen und von Jupiter freundlich bestrahlt. Meine Geburt geschah in früher Abendstunde an einem warmen Tag im
Juli, und die Temperatur jener Stunde ist es, welche ich unbewußt mein Leben lang geliebt und gesucht und, wenn sie
17
fehlte, schmerzlich entbehrt habe.”
In diesem Lebenslauf versucht Hesse “in märchenhafter und halb humoristischer Form” Freunden
einen Überblick über sein Leben zu geben. Aus dem Anfang dieses Lebenslaufs ist zu ersehen, dass
Hesse seinen Schütze-Aszendenten kannte.
1921 interessierte sich C. G. Jung für Hesses Horoskop im Rahmen seiner psychoanalytischen
Sitzungen bei ihm. Hesse hatte sich bei einem Freund, dem Diplomingenieur und Architekten18
Joseph Englert 1919/20 ein Radixhoroskop anfertigen lassen. 19 Dieses Horoskop ist auch unter dem
Gesichtspunkt der Geschichte der Astrologie interessant und im Anhang beigefügt 20 Seinem Freund
Joseph Englert, dem Hesse sehr dankbar war, weil er ihm während seiner Ehekrise 1920 tatkräftig
beigestanden hatte, 21 setzte Hesse in der Erzählung “Klingsors le tzter Sommer” (1920) 22 ein
Denkmal. In der Geschichte des Malers Klingsor, der depressiv und vom Tod beunruhigt,
gleichzeitig aber von der Leidenschaft zum Leben und zur Kunst besessen ist, beschreibt Hesse sich
selbst. Im Freundeskreis dieses Malers, der in seinem letzten Sommer einen rauschhaften
Durchbruch zum expressiven Künstlertum erfährt, tritt ein armenischer Magier und Sterndeuter auf,
15Siehe Horoskop von Hermann Hesse im Anhang
16Bernhard Zeller, Hermann Hesse, rororo-Monographie 85, 1971, S. 13
17Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 6, S. 391
18Martin Pfeiffer, Hesse-Kommentar zu sämtlichen Werken, st 1740, S. 188
19Stern 30/2002, 125 Jahre Hermann Hesse /Teil 4, S. 67. Siehe Brief an Joseph Englert vom 25.5.1921, Hermann
Hesse, Gesammelte Briefe, Suhrkamp 1973, Bd 1, S. 473.
20Auf dieses Horoskop wurde ich durch einen Internetkontakt bei www.hhesse.de aufmerksam. Es ist abgedruckt in
Hermann Hesse, Gesamme lte Briefe, Suhrkamp 1973, Bd 1, S. 573 – 576 und auch hier im Anhang zu finden.
21Hermann Hesse, Gesammelte Briefe, Suhrkamp 1973, Bd 1, Brief an Joseph Englert S. 451
22Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
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der dem “Julikind” Klingsor Andeutungen über seine Sterne macht. 23 Sie decken sich zum Teil mit
Aussagen Englerts im Horoskop von Hesse. Zuletzt diskutieren Klingsor und der armenische
Magier über die Freiheit zum Lebenwollen:
“...Sänger des Untergangs (Klingsor), willst du nicht innehalten? Willst du nicht leben? Willst du nicht fortdauern?`
Klingsor trank und flüsterte mit seiner etwas heiseren Stimme zurück: `Kann man denn Schicksal wenden? Gibt es denn
Freiheit des Wollens? Kannst denn du, Sterndeuter, meine Sterne anders lenken?`
`Nicht lenken, nur deuten kann ich sie. Lenken kannst nur du dich selbst. Es gibt Freiheit des Wollens. Sie heißt
Magie.`” 24
1922 lässt Hesse von Joseph Englert ein Horoskop von seiner späteren zweiten Frau Ruth Wenger
anfertigen, die er zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht heiraten will. Er schreibt an Englert in einem
Brief:
“Ich bin gespannt auf das Horoskop von Ruth W(enger) und darauf, ob Sie irgendwelche Verbindungen (oder das
Gegenteil) mit dem meinen sehen.”25
Seinen jungianischen Psychoanalytiker Dr. Lang “beneidet” Hesse “um die Beharrlichkeit”, mit der
er “solche Studien” wie die Astrologie betreiben kann. 26 Kurz vor seinem Geburtstag 1923 schreibt
Hesse noch einmal an seinen Freund Joseph Englert:
“Sie prophezeihen mir viel Schönes und Gutes, lieber Freund Englert. Hoffen wir, daß es eintreffe, ehe ich verdorrt bin.
Ihre Freundschaft fühle ich und bin ihr dankbar.”
Danach berichtet Hesse ihm von dem Astrologie kundigen Dr. Lang, der ihm geschrieben habe,
dass in diesem Jahr für ihn die Zeichen, die auf Heirat deuten, so stark sind, dass er diesem
Schicksal kaum entgehen werde. Hesse, der dann tatsächlich 1924 Ruth Wenger heiraten wird widerwillig zwar auf Druck des Vaters hin -, kommentiert:
“Auch ich glaube, daß es so ist, was aber nicht hindert, daß ich die neue Ehe fürchte und viel lieber vermeiden würde.
Aber es gibt für jeden Menschen Lebensgebiete, auf denen er inaktiv ist und willenlos seinen Sternen folgt.” 27
In “Der Steppenwolf” 28 beschreibt der fiktive Herausgeber ein Gespräch mit Harry Haller, in dem
es auch um Astrologie geht:
“Und als ich nun scherzend auf diese Anspielung einging und andeutete, wie unwahrscheinlich es mir sei, daß gerade er
an Astrologie glaube, da nahm er wieder den höflichen Ton an, der mich oft verletzte, und sagte:`Ganz richtig, auch an
diese Wissenschaft kann ich leider nicht glauben.`”
Hesses Verhältnis zur Astrologie seiner Zeit ist einmal geprägt durch die freundschaftliche
Begegnung mit dem Astrologie betreibenden Josef Englert, dann durch das Interesse von seinen
Psychoanalytikern an seinem Horoskop, aber auch, wie die Stelle in “Der Steppenwolf” zeigt, durch
seine
allgemeine
Skepsis
gegenüber
festgelegten
Gedankensystemen
überhaupt.
23Hermann Hesse, Klingsors letzter Sommer, rororo 1462, 1971, S. 116 - 122
24Hermann Hesse, Klingsors letzter Sommer, rororo 1462, 1971, S. 120
25Hermann Hesse, Gesammelte Briefe, Suhrkamp 1973, Bd 2, Brief an Joseph Englert S. 8
26Hermann Hesse, Gesammelte Briefe, Suhrkamp 1973, Bd 2, Brief an Josef Lang, S. 19f
27Hermann Hesse, Gesammelte Briefe, Suhrkamp 1973, Bd 2, Brief an Joseph Englert S. 63f
28Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
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3.2 Herrschersystem
3.2.1 Überblick
Wird Hesses Horoskop 29 mit dem Herrschersystem betrachtet, fällt in der Abbildung im Anhang
auf, dass es drei in sich zusammenhängende Strukturen gibt. 30 Dabei rechne ich - ausgehend von
der Zehnprozent-Regel31 für die Horoskophäuser - seine Venus und seinen Mars schon zum
nächsten Haus, also Mars zu Haus 3 und Venus zu Haus 8.
Die mittlere Energiekette zeigt an der Spitze zwei Herrscher, Neptun und Mars, die in Rezeption
stehen. Sie beherrschen sich also gegenseitig, das heißt Neptun als Herrscher von 3 (Spitze 3 in den
Fischen) ist nach Haus 4 ausgewandert. Und umgekehrt ist Mars als Herrscher von 4 (Spitze 4 im
Widder) nach 3 gegangen und untersteht Neptun. Die beiden Häuser 3 und 4 und auch die zwei
Planeten Mars und Neptun sind so ganz eng miteinander verbunden und beeinflussen sich
wechselseitig. In der Rezeption der Häuser 3 und 4 bündelt sich die Energie einiger Häuser (11, 10,
5, 8, 2) und deshalb erhalten diese zwei Häuserprinzipien (Zwillingsmerkur-Haus und Mondhaus)
eine Schlüsselrolle im Horoskop. 32
Betrachtet man weiter die Struktur der Herrscherverknüpfungsketten im Anhang, so ist auf der
rechten und der linken Seite jeweils ein Herrscher zu sehen, der in seinem eigenen Haus steht. Es
gibt somit zwei Enddispositoren: Jupiter als Aszendentenherrscher in Haus 1 (links) und Merkur,
der Herrscher von Haus 7 steht selbst in diesem Haus (rechts). Jupiter und Merkur, die auch durch
eine Opposition von Haus 1 nach Haus 7 in Spannung stehen, sind so beide in ihrer Rolle als
Enddispositoren stark gestellt in Hesses Horoskop. Die Anlagen dieser beiden Planetenprinzipien
auszubilden ist somit für ihn zentral in seinem Leben. 33
Die Rezeption und die Merkur-Energiekette sind verbunden durch die Mitherrscherin Sonne in
Haus 8, die nach Haus 7 mit Spitze in den Zwillingen ausgewandert ist, während die
Jupiterenergiekette für sich steht.
29Siehe Anhang.
30Siehe Abbildung “Herrscherverknüpfung bei H. Hesse” im Anhang.
31Zehnprozent-Regel: Befindet sich ein Planet im Bereich der letzten zehn Prozent eines Hauses, wirkt er schon auf
das nächste Haus und wird zu diesem gerechnet.
32Siehe Kapitel 3.2.3.
33Siehe Kapitel 3.2.2.
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Seite 10
3.2.2 Vom Wissen zur Weisheit: Die Betonung der Achse ZwillingeSchütze
“Wissen kann man mitteilen, Weisheit aber nicht. Man kann sie finden,
man kann sie leben, man kann von ihr getragen werden, man kann mit
ihr Wunder tun, aber sagen und lehren kann man sie nicht.”
Siddhartha
“Das kluge Reden hat gar keinen Wert, gar keinen. Man kommt nur von
sich selber weg.”
“Nur das Denken, das wir leben, hat einen Wert.”
Demian
In Hesses Horoskop gibt es zwei durch Opposition verbundene Herrscher, die beide sowohl in
ihrem eigenen Haus als auch in ihrem eigenen Zeichen stehen: Jupiter als Aszendentenherrscher in
Haus 1 im Schützen und Merkur als Deszendentenherrscher in Haus 7 in den Zwillingen. Die
Achse eins-sieben (Austausch zwischen Ich und Du, das Thema der Begegnung) und die Achse
Zwillinge-Schütze erhalten so in diesem Horoskop ein besonderes Gewicht.
Zudem sind Zwillinge und Schütze auch dadurch betont, dass diese Zeichen von jeweils zwei
Häuserspitzen angeschnitten werden: zu Haus 1 kommt noch Haus 12 (Unbewusstes, Spirituelles,
Inspiration), das vom Schützen geprägt ist. Und entsprechend hat auch das gegenüberliegende
Haus
6 (Arbeit, Gesundheit, Wahrnehmen und Zeigen von Gefühlen) die Spitze in den Zwillingen, was
ein Hinweis darauf ist, dass das Gewahrwerden und Ausdrücken von Gefühlen ein Hauptthema in
Hesses schriftstellerischer Arbeit (Zwillingsmerkur) ist.
Bei der Achse Zwillinge-Schütze geht es um intellektuelles Verständnis, Wissenserwerb und
schließlich um weisheitsvolle Einsicht in die Hintergründe und den Sinn des Lebens. Stehen bei den
Zwillingen im Vordergrund neutraler Umgang mit Wissen, die Vermittlung von schulischer
Bildung, Informationssammlung in alle Richtungen, analytische Logik, so geht es dem Schützen um
das Finden einer eigenen Philosophie, Religion oder Weltanschauung, die er dann als die gute
Sache vehement vertreten kann. Der Schütze will den weiten geistigen Überblick, ein Denken in
Synthese und übergreifenden Zusammenhängen. Der Pfeil des Schützen ist in die Ferne nach oben
gerichtet, es geht um hohe geistige Ziele, nicht um den Kleinkram des praktischen Alltags. Der
Blick in die weite Ferne führt auch zu Interesse, andere Nationen, Kulturen und Religionen
kennenzulernen und Toleranz ihnen gegenüber aufzubauen, oder auch in einer weniger entwickelten
Form zum Missionsdrang gegenüber den sogenannten Heiden. Das Feuerzeichen Schütze verfolgt
seine Ziele mit großer Begeisterung und Optimismus.
Die Achse Zwillinge-Schütze wird auch als Pfarrers-Achse bezeichnet. So wundert es nicht, dass
Hesses Eltern, die beide im christlichen Missionsdienst tätig waren, sich für den kleinen Hesse als
zukünftigen Beruf “Pfarrer” vorstellten und ihn deswegen mit 14 Jahren in die strenge
Klosterschule Maulbronn zur Erziehung gaben. Der kleine Hermann hielt es aber dort nur ein
dreiviertel Jahr aus. Er litt stark unter der starren autoritären Führung und den dortigen
Konventionen. Saturn aus dem Haus 3 des Lernens bildet auch ein gradgenaues Quadrat zu seinem
Aszendenten. So riss er aus, beziehungsweise trat sein “Geniereisle” an, wie es Hesses Großvater
ausdrückte. Theologe wollte er nicht werden. Er wollte Dichter werden oder gar nichts, sein Motto
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war: Ich gehorche nie. 34 Mit diesen aufmüpfigen Ideen wandte er sich früh gegen das
Gehorsamsideal der pietistischen Weltanschauung seiner Eltern, die besagt: Der Mensch ist sündig,
er muss den Versuchungen der Welt trotzen und die Erlösung liegt nur im Jenseits. “Beuge Dich
unter die gewaltige Hand Gottes”, schrieb Hesses Vater an den Sohn, als er in der Schule
ausrastete. 35
Über das enge Pfarrer- und Missionardasein seiner Herkunftsfamilie (Schütze unerlöst) ist Hesse
hinausgewachsen. Die individuelle Verwirklichung seiner betonten Zwillinge-Schütze-Achse sah
anders aus: Er wurde zu einer Art Lebenssinn-Verkünder durch seine Bücher, die zum Weg nach
Innen und zum Hören auf sich selbst auffordern. Seine Leser, die sich in seinen Büchern
widergespiegelt sahen und seelischen Rat bei ihren persönlichen Problemen suchten, überschütteten
ihn mit Briefen (Merkur in 7, Deszendent in den Zwillingen). Hesse hatte sie einzeln in einer Art
seelsorgerischer Tätigkeit zu beantworten. Das wurde mit zunehmendem Alter für ihn sogar der
Hauptteil seiner Arbeit.
Hesse gelang es durch sein Leben als Dichter und Schriftsteller, seine ausgeprägte ZwillingeSchütze-Anlage auf eine neue Frequenz zu heben gegenüber dem, was seine Herkunftsfamilie für
ihn vorgesehen hatte: ein Leben als Pfarrer und Theologe. Das Grundanliegen der Seelsorge, sich
um die Seelen der anderen Menschen zu kümmern, dem sich seine Familie in der Missionstätigkeit
auf ihre Weise verpflichtet sah, griff Hesse durch den umfangreichen Briefkontakt zu seinen
ratsuchenden Lesern wieder auf.
34Kurzgefasster Lebenslauf, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 6, S.393
35Stern 27/2002 125 Jahre Hermann Hesse Teil 1, S. 160
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3.2.2.1 Der Sinnsucher und Einheitsdenker: Schütze AC mit Jupiter in Haus 1
Jupiter, der AC-Herrscher, bleibt bei sich Zuhause – auf zweifache Weise. Er steht in seinem
eigenen Zeichen Schütze und auch in seinem eigenen Haus, noch in der Nähe des Aszendenten.
Jupiter hat also genau die “Heimaterde”, die er braucht, um bestens zu gedeihen. Dadurch bekommt
er eine ganz besondere Stärke bei diesem Menschen und alle Möglichkeiten, sich auf seinem
Boden gemäß seiner ureigenen Art zu entfalten. In Haus 1 wird das unmittelbar die Identität der
Persönlichkeit beeinflussen und die Art, wie sie instinkthaft auf die Umwelt reagiert, wo sie in der
Welt ihren Platz findet. Ein jupiterhaftes Auftreten hoch drei (Schütze-AC, Jupiter im Schützen,
Jupiter in eins) ist zu erwarten, etwa als öffentlicher Prediger, Priester, Lebenssinn- Verkünder oder
Weisheitssucher, der das Bewusstsein der Menschen mit neuen, seelisch tiefgreifenden Einsichten
erweitern und verändern will. Denn Jupiter bildet mit dem Aszendenten zusammen ein Trigon zu
Uranus in Haus 8, dem Haus der seelischen Transformation.
Der Herrscher von 1 steht in 1, deshalb wird bei dem jupiterhaften Auftreten das eigene Ich im
Mittelpunkt stehen, sich alles um die eigene Entwicklung und Befindlichkeit drehen. “Meine
Aufgabe ist nicht, andern das objektiv Beste zu geben, sondern das Meine (und sei es nur ein Leid,
nur eine Klage) so rein und aufrichtig wie möglich”, schreibt Hesse . 36
Die Jupiterprägung äußert sich als Suche nach dem Sinn des Lebens, als Aufgeschlossenheit
gegenüber anderen Kulturen und Religionen und als letztlich optimistische Lebenseinstellung. Das
Schütze-Thema der Begegnung mit anderen Völkern und Kulturen zieht sich schon durch die
Vergangenheit von Hesses Familie, allerdings in der eingeengten Form von christlicher
Missionstätigkeit. Hesses Mutter Marie Gundert wurde in Indien geboren als Tochter des
Missionars Hermann Gundert. Auch Hesses Vater Johannes arbeitete für die Mission, dies hatte ihn
mit seiner Frau und deren Familie zusammengebracht. Neben der pietistisch-religiösen Enge in
seinem Zuhause (unerlöster Schütze) konnte Hesse auch in seiner Jugend den Zauber der fremden,
weiten Welt spüren und wurde so auch von dieser anderen Ebene des Schütze-Prinzips geprägt.
Seiner Schwester Adele schrieb er darüber 1946:
Viele Welten kreuzten ihre Strahlen in diesem (dem elterlichen) Hause. Hier wurde gebetet und in der Bibel gelesen,
hier wurde studiert und indische Philologie getrieben, hier wurde viel gute Musik gemacht, hier wußte man von Buddha
und Lao Tse, Gäste kamen aus vielen Ländern, den Hauch von Fremde und Ausland an den Kleidern, mit
absonderlichen Koffern aus Leder und aus Bastgeflecht und dem Klang fremder Sprachen....Es war eine Welt mit
ausgesprochen deutscher und protestantischer Prägung, aber mit Ausblicken und Beziehungen über die ganze Erde
37
hin.”
Hermann Gundert, der Großvater mütterlicherseits war ihm ein Vorbild in seiner Wertschätzung
anderer Kulturen und Religionen. Gundert war nicht nur schwäbischer Theologe, sondern auch ein
bedeutender Indologe und Sprachgelehrter. Manchmal sprach er mit Hesses Mutter in der indischen
Sprache Malayalam. Das faszinierte Hesse:
“Und niemand wusste wie er so Bescheid darum, dass unsere Stadt und unser Land nur ein sehr kleiner Teil der Erde
war, dass tausend Millionen anderer Menschen andere Sitten, Sprachen, Hautfarben, andere Götter, Tugenden und
Laster hatten als wir.” 38
36Mein Glaube, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1971, S. 100
37Bernhard Zeller, Hermann Hesse, rororo-Monographie 85, 1971, S. 13
38Fernsehsendung : Hermann Hesse – Lebensstationen. Ein Film von Sarah Palmer, Südwest 3, 29.6.02, 0:00 – 0:30
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Später reiste Hesse nicht nur selber nach Hinterindien (Indonesien) und Ceylon, sondern
beschäftigte sich auch intensiv mit den Schriften Buddhas, dem Hinduismus, mit Lao-Tse und
Konfuzius. Er wollte aber nicht das abendländische Denken aufgeben, sondern eine “magische
Brücke” nach Asien bauen, indem er das europäisch Rationale mit indisch/chinesischem
Einheitsdenken und einer meditativen, mystischen Lebenshaltung zu verbinden suchte.
“Wir sollen und wollen nicht bekehren und bekehrt werden, sondern uns öffnen und weiten, wir erkennen östliche und
westliche Weisheit nicht mehr als feindlich sich bekämpfende Mächte, sondern als Pole, zwischen denen fruchtbares
Leben schwingt.”39
Im Sinne des Chinesen Lao-Tse - man denke an das Taosymbol Yin und Yang - verstand Hesse
das Leben als “Fluktuieren zwischen zwei Polen” und formulierte sein Einheitsdenken so:
“Beständig möchte ich mit Entzücken auf die selige Buntheit der Welt hinweisen und ebenso beständig daran erinnern,
dass dieser Buntheit eine Einheit zugrunde liegt; beständig möchte ich zeigen, daß Schön und Hässlich, Hell und
Dunkel, Sünde und Heiligkeit immer nur für einen Moment Gegensätze sind, daß sie immerzu ineinander übergehen.”40
Bei Hesses Sehnsucht nach Einheit, nach Aufhebung der Polaritäten in einer dahinterstehenden
Ganzheit ist neben der Schützebetonung auch an seine Konstellation Mond-Neptun (Mond in den
Fischen, Neptun in 4) zu denken. Michael Roscher sieht da zurecht bei Hesse einen
Zusammenhang zu seinem Fischemond. Über die “Mond-Fische-Geborenen” schreibt er:
Wie die Mond-Schütze-Geborenen suchen die Horoskopeigner (unbewusst) nach der Einheit der Gegensätze. Sie
spüren, dass völlig verschiedene Formen die gleichen (oder zumindest gleichwertige) Inhalte haben können. Keine
andere Konstellation empfindet so stark die Bedeutungslosigkeit des Vordergründigen (Beispiel: Hermann Hesse in
seinem Werk).”41
Hesse ging es um Synthese und allumfassende Zusammenhänge zwischen den Religionen, um
Wertschätzung und das Integrieren von anderen Kulturen.
“...es gibt natürlich bloß einen Gott, bloß eine Wahrheit, die jedes Volk, jede Zeit, jeder Einzelne auf seine Art
aufnimmt, für die immer neue Formen entstehen.... Ich halte einige Sprüche des Neuen Testaments, neben einigen von
Lao Tse und einigen von Buddha und den Upanishaden, für das Wahrste, Konzentrierteste, Lebendigste, was auf Erden
erkannt und gesagt worden ist. ... Ich halte indische Weisheit nicht für besser als christliche, ich empfinde sie nur als
ein wenig spiritueller, etwas weniger intolerant, etwas weiter und freier. Das kommt davon her, daß die christliche
Wahrheit mir in der Jugend in unzulänglichen Formen aufgedrängt wurde..... Für andere Menschen führen andere Wege
zu Gott, ins Centrum der Welt.” 42
“Ich glaube, eine Religion ist so gut wie die andere. Es gibt keine, in der man nicht ein Weiser werden könnte, und
keine, die man nicht auch als dümmsten Götzendienst betreiben könnte.”43
Literarisch ist ihm eine Integration des Indischen in die abendländische Literatur in dem Roman
“Siddhartha”44 gelungen, dessen Sprache liturgisch-priesterlich ist und an indische Tempelgesänge
erinnert - so Martin Kämpchen, Religionswissenschaftler und Indienkenner in der Fernsehsendung
39Aus dem Vorwort zur japanischen Gesamtausgabe seiner Schriften, 1955, zitiert nach Hesse, Sein Leben in Bildern
und Texten, S. 133
40“Der Kurgast”. In: Lebenszeiten, S. 158ff. Zitiert nach der Radiosendung “Glaubensfragen. Hermann Hesse und die
Religionen des Ostens.” SWR 2, 7.7.02, 12:05-12:30
41Michael Roscher, Der Mond, Licht und Schatten astrologischer Mond-Konstellationen, Knaur 86158, S. 255
42Mein Glaube, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1971, S. 92f (1923)
43zitiert nach Christoph Gellner, www.hermann-hesse.de
44Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
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“Hermann Hesse – Wegbereiter eines neuen Denkens?”45 . In dieser Sendung kommt der Moderator
Dietrich Brants zusammenfassend zu dem Schluss, dass Hesse “Wegbereiter eines neuen
interkulturellen Denkens” war. Hier spiegelt sich in der Gegenwart das dreifache Schützethema von
Hesse sehr deutlich.
Im “Siddhartha” formuliert Hesse - ganz im Sinne des Schützen - seinen persönlichen Glauben mit
einem “indischen Gesicht”. 46 Die Frage nach der richtigen vollkommenen Lehre hat sich für ihn
relativiert, er setzt anstatt einem Dogma die Liebe obenan:
”Lehren sind nichts für mich. Bei mir selbst will ich lernen.” 47
“Du sollst dich nicht nach einer vollkommenen Lehre sehnen, sondern nach einer Vervollkommnung deiner selbst. Die
Gottheit ist in dir, nicht in Begriffen und Büchern.”48
“...die Liebe, o Govinda, scheint mir von allem die Hauptsache zu sein. Die Welt zu durchschauen, sie zu erklären, sie
zu verachten, mag großer Denker Sache sein. Mir aber liegt einzig daran, die Welt lieben zu können, sie nicht zu
verachten, sie und mich nicht zu hassen, sie und mich und alle Wesen mit Liebe und Bewunderung und Ehrfurcht
betrachten zu können.” 49
45Hermann Hesse – Wegbereiter eines neuen Denkens? Gespräche und Musik zu Hermann Hesse aus dem Kloster
Maulbronn. 3Sat, 15.6.02, 20:15
46Mein Glaube, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1971, S. 59
47Siddhartha. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1977, Umschlag
48Hermann Hesse, Lektüre für Minuten, st 7, S. 94
49Siddhartha. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1977, S. 132
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3.2.2.2 Der Autor der Krise: Saturn Quadrat Aszendent und Sonne-Pluto
Wie steht es aber mit dem kaum zu erschütternden Glauben an das Gute, dem großen Optimismus
bei Hesse, der dem Schützen nachgesagt wird? Hesse gilt doch als der Autor der Krise, als einer,
der die Krise regelrecht sucht als “Höllenreise durch sich selbst”, um als ewig Pubertierender sich
dann alles von der Seele schreiben zu können.
Seine Rezeptionswellen gehen immer einher mit Krisenzeiten: Nach dem Ersten und dem Zweiten
Weltkrieg erreichten sie jeweils einen Höhepunkt. Die größte Welle in den USA gab es mit der
Hippiebewegung im Vietnamkrieg, als Soldaten ihre Wehrpässe verbrannten und sich dabei auf
Hesse beriefen. Die “Blumenkinder” begeisterten sich vor allem für den Outsider Harry Haller in
“Der Steppenwolf”; die Geschichte seines Leidens am “Establishment” wurde in den sechziger
Jahren zum Kultbuch der Hippies.
Hesses Befangenheit in seinen Krisen ging manchmal soweit, dass er nicht davor zurückschreckte,
sich das Leben nehmen zu wollen. Es sind zwei Selbstmordversuche bekannt. Ein früher nach der
Maulbronner Zeit, als er von den Eltern nach Bad Boll ins Exil geschickt wurde. Als noch
Liebeskummer dazu kam, versuchte er es mit einem Revolver. Später mit ca. 49 Jahren während der
Steppenwolfzeit, kurz nach der Ehe mit seiner zweiten Frau Ruth Wenger, nahm er Schlaftabletten,
wurde aber noch rechtzeitig gefunden. 50
Die Selbstmordthematik findet sich entsprechend in fast jedem großen Roman. Der Schüler Hans
Giebenrath in “Unterm Rad” geht ins Wasser, später in “Klein und Wagner” wird detailliert ein
Selbstmord im Wasser beschrieben. Und auch Siddhartha steht am Fluss und möchte sich
umbringen. In “Der Steppenwolf” räsoniert Harry Haller, auf welche Weise er sich an seinem
fünfzigsten Geburtstag das Leben nehmen könnte. Und selbst der erfahrene Glasperlenspieler
Knecht stürzt sich zuletzt waghalsig in einen eiskalten Gebirgssee und ertrinkt, was auch an einen
verdeckten Selbstmord denken lässt. 51
Auffällig ist, dass die Vorstellung von Tod und Selbstmord in Hesses Romanen sehr oft mit dem
Wasserelement verknüpft ist. Wasser als Symbol des Auflösens, Reinigens, Regenerierens und der
Wandlung lässt vermuten, dass es ihm in seinen Romanen dabei mehr um den Tod von psychischen
Verhaltensmustern geht, damit andere Selbstanteile neu erstehen und leben können.
Astrologisch gesprochen: Skorpion-Haus 8 – Haus der seelischen Transformation, auch das
Todeshaus - zeigt in das Wasserzeichen Krebs. Saturn (bedeutet unter anderem Alter und Tod)
steht auch im Wasserzeichen Fische in weiter Konjunktion mit dem Mond, wobei der Mond sich
von Saturn entfernt. Das Ziel dieser Konstellation: Im Gefühl wünscht man, festgefahrene
Strukturen wie einengende Disziplin hinter sich zu lassen (Mond entfernt sich von Saturn), sie
sollen aufgelöst oder kreativ fließend werden (Fische). Der Widerspruch der von den Eltern
vermittelten und verinnerlichten Norm und Moral (Saturn) zu den eigenen Gefühlen (Mond) soll
aufgehoben oder zumindest erträglich werden. Unter dieser Ambivalenz litt der jugendliche Hesse
besonders ge genüber seinem Vater, was seinen Selbsthass und die Selbstmordgefährdung nährte.
50Volker Michels, Hesse-Herausgeber in der Fernsehsendung: Hermann Hesse – Wegbereiter eines neuen Denkens?
Gespräche und Musik zu Hermann Hesse aus dem Kloster Maulbronn. 3Sat, 15.6.02, 20:15
51Kurze Inhaltsangaben im Anhang.
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Der Vater muss einen gewaltigen Druck auf Hesse ausgeübt haben und viel Macht über ihn
besessen haben, das zeigt auch die viermal vorhandene Konstellation Sonne-Pluto (Sonne im
Halbquadrat zu Pluto, Pluto in Haus 5, Herrscher von 5 in 8, Mitherrscherin von 8 ist die Sonne).
In der Hemmung bedeutet diese Konstellation unterdrückte Lebensfreude, Sexualität und Vitalität.
Der Vater (Sonne) erwartet, dass man sich nach seiner Vo rstellung (Pluto) verwirklicht Es besteht
die Tendenz zur Selbstzerstörung und zum Selbstmord.
Aus der Heilanstalt Stetten, in die Hesse nach seinem Selbstmordversuch gesteckt wurde, schrieb er
an seinen Vater, den er schon provokativ mit “Herr Hesse” anredete, heftige Protestbriefe. Unter
anderem:
“Da Sie sich so auffällig opferwillig zeigen, darf ich Sie vielleicht um 7 M oder gleich um den Revolver bitten....Ihre
Verhältnisse zu mir scheinen sich immer gespannter zu gestalten, ich glaube, wenn ich Pietist und nicht Mensch wäre,
wenn ich jede Eigenschaft und Neigung an mir ins Gegenteil verkehrte, könnte ich mit Ihnen harmonieren. Aber so
kann und will ich nimmer leben und wenn ich ein Verbrechen begehe, sind nächst mir Sie schuld, Herr Hesse, der sie
mir die Freude am Leben nahmen (Sonne-Pluto)52 .”53
“Ich war das Kind frommer Eltern, welche ich zärtlich liebte, und noch zärtlicher geliebt hätte, wenn man mich nicht
schon frühzeitig mit dem vierten Gebote bekannt gemacht hätte. Gebote (Saturn) aber haben leider stets eine fatale
Wirkung (Saturn Quadrat Aszendent) auf mich gehabt, mochten sie noch so richtig und noch so gut gemeint sein ... Ich
brauchte nur das `Du sollst` zu hören, so wendete sich alles in mir um, und ich wurde verstockt.”54
In “Der Steppenwolf” 55 wird das “Brechen des Willens” als Grundlage der Erziehung dafür
verantwortlich gemacht, dass Harry Haller zwar nicht vernichtet wurde als Persönlichkeit, aber sich
selbst hasst und verachtet. 56
Da Hesses Mond und Saturn in einem Quadrat zum Aszendenten stehen, ist klar, dass einmal für
Hesse mit gewaltigen Einschränkungen durch Moral und Normen zu rechnen ist, die sein
Gefühlsleben herunterdrücken, ihn depressiv machen. Zum andern ist er herausgefordert und hat die
Lebensaufgabe, sich das Recht zu nehmen (Saturn), die vorgefundenen Strukturen (Saturn) kreativ
so zu verändern, dass seine Gefühle (Mond) darin wieder leben können.
Als ein Beispiel dazu einmal Hesses Umgang mit dem “Eigensinn”: Den kleinen Hermann fanden
die Eltern eigensinnig, was für sie ein anderes Wort für Trotz war, schließlich rannte er weg aus
Maulbronn, wollte nicht gehorchen und sich das Leben nehmen. Im Lauf seines Lebens ist es Hesse
gelungen, dieses abwertende Wort der Eltern in ein Positivum und eine Tugend zu verkehren.
Eigensinn hieß dann für ihn der Sinn des Eigenen, in sich selbst den eigenen Sinn zu finden, auf
seine innere Stimme zu hören, der zu werden, der man ist. Das hielt er für das höchste Ziel des
Menschseins. 57
“Eine Tugend gibt es, die liebe ich sehr, eine einzige. Sie heißt Eigensinn... auch der Eigensinn ist Gehorsam ... Wer
eigensinnig ist, gehorcht einem anderen Gesetz, einem einzigen, unbedingt heiligen, dem Gesetz in sich selbst, dem
`Sinn`des `Eigenen`.”58
52Die Farbe kennzeichnet Textteile, die von mir in Zitate eingefügt wurden.
53Brief vom 14.9.1892 aus Stetten, Hermann Hesse, Kindheit und Jugend vor 1900, hrg. von Ninon Hesse, st 1002, S.
268
54Kurzgefasster Lebenslauf, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, S. 391f.
55Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
56Der Steppenwolf, st 175, Frankfurt 1974, S. 15
57So Joachim Ernst Behrendt in der Fernsehsendung: Hermann Hesse – Lebensstationen. Südwest 3, 29.6.02, 0:00 –
0:30
58Eigensinn 1919, Werkausgabe Edition Suhrkamp, Bd.10, S. 454
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Ein weiteres Beispiel: Der Psalmvers “Der Strick ist zerrissen, der Vogel ist frei”, den Vater
Johannes Hesse für seinen Grabstein bestimmt hatte, sollte nach seinem Tod 1916 für seinen Sohn
eine einschneidende, wenn auch abgewandelte Bedeutung bekommen. 59 Bei Johannes Hesse meint
der Spruch vom befreiten Vogel die Seele, die durch den Tod dem irdischen Gefängnis Körper
entkommen ist. Dieser Psalmvers drückt die Jenseitsorientiertheit des Pietismus aus, die die Jugend
des kleinen Hermann geprägt hatte.
1917 träumt Hesse - was er in seinem Traumtagebuch während der Psychoanalyse festhält - von
einem jungen Adler, der sich sowohl aus seinem Ei als auch aus einem Rahmen herausarbeiten
muss, der ihn umgibt. Zum Teil ist der Adler im künstlichen Bildzustand, den er verlassen will, um
lebendig zu werden. 60 Der Traum entspricht Hesses akuter Situation damals. Seine Ehe mit Maria
Bernoulli stagniert, seine politische Meinungsfreiheit ist blockiert durch seine offizielle Tätigkeit in
der Kriegsgefangenenfürsorge. Und er will die Rolle des “allzu beliebten
Unterhaltungsschriftstellers” überwinden. 61 Das Herausabeiten aus Ei und Rahmen bedeutet hier
eine Entscheidung zum Leben, das Jasagen zum Prozess der Individuation, wie er ihn bei der
Psychoanalyse erfährt. Hesse verarbeitet seinen Traum künstlerisch im “Demian” 62 , auch Sinclair
träumt immer wieder von einem Sperber, von dem Vogel, der sich aus dem Ei kämpft. Hier steht
der Vogel als Symbol für die Abnabelung von Zuhause, das Finden des ganz individuellen
Lebenswegs, für die Geburt des eigenen Selbst. Der Vogel fliegt zu Abraxas, dem Gott, der Gut und
Böse vereint und bei dem alle Gefühle zugelassen sind und nichts unterdrückt werden muss. Mit
dem Vogelmotiv nimmt Hesse das vom Vater vermittelte Bild der Bibel auf und verwandelt es
kreativ in ein Symbol der Lebensbejahung um, so dass sein Mond, die Fülle seiner Gefühle darin
Platz finden.
In der Sonne-Pluto-Konstellation liegt Hesses reiches (Pluto) kreatives Potential (Sonne), zu dem er
fand, als er über den engen schwäbischen Pietismus seiner Familie hinauswuchs und sein Leben
nach seinen eigenen Vorstellungen als Dichter gestaltete. Er erlebte immer wieder sein Ich (Sonne)
in der Krise (Pluto). Alle seine Bücher sind eine Art Autotherapie und Selbstheilungsversuche
(Sonne-Pluto) und dienen seiner Selbstbefreiung (Uranus in 8). Die Krise (Pluto) wird für ihn zum
Mittel, produktiv zu werden (Sonne).
Viele Leser erkennen sich selbst wieder, wenn sie Hesse lesen, weil er so radikal und aufrichtig mit
sich umgeht (Pluto). Es gelingt ihm, psychische Grundmuster allgemeinmenschlicher Natur
literarisch zu verarbeiten und sie prototypisch so zu schildern, dass sehr viele Menschen eigene
Erfahrungen wiedererkennen. Volker Michels, Hesse-Herausgeber, äußert sich über seine
Leseerfahrung mit 15 Jahren so: “Woher weiß der Hesse das alles von mir”, habe er sich damals
gefragt. 63 Besonders Jugendliche sehen sich bei Hesse gespiegelt in dem Thema Ablösung von der
Familie und in der Suche nach dem eigenen Weg (Pluto). Hesse kann die Menschen so tief
emotional berühren, weil er selbst durch seine starke Wasserbetonung (Sonne, Venus im Krebs und
Mond, Mars in den Fischen) ein äußerst berührbarer, sensibler Mensch mit hohem
Einfühlungsvermögen ist. Die Konstellation Mond-Neptun befähigt ihn, in das Leid der
menschlichen Seele einzutauchen und aus dem Unbewussten (Traum-) Bilder zu gestalten, die
59Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg von Volker Michels, st 1947, S. 14
60Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg von Volker Michels, st 1947, S. 101
61Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg von Volker Michels, st 1947, S. 23
62Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
63In der Fernsehsendung: Hermann Hesse – Lebensstationen. Ein Film von Sarah Palmer, Südwest 3, 29.6.02, 0:00 –
0:30
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tiefen Sehnsüchten der Menschen nach Ganzheit entsprechen.
Dass Hesse mit seinen Romanen auf so große Resonanz stößt, liegt aber nicht nur daran, dass er so
offen seine Gefühle schildert und ohne Schonung den Leser an seinen Konflikten teilhaben lässt.
Sein Erfolg beruht auch darauf, denke ich, dass er durch die ausgeprägte Jupiterbetonung seine
selbst erlebten Lösungsansätze und aufbauende Lebenseinsichten in die künstlerische Arbeit
einzubringen weiß. Damit macht er dem Leser Mut, Mut, zu sich selbst zu stehen und weiter ein
Suchender zu bleiben, kreativ zu werden und nicht im Morast seiner Probleme zu versinken.
Eine Referentin über “Demian” im Internet schätzt ihre Begegnung mit Hesses Bilderwelt so ein:
“... beim Lesen seiner Werke habe ich oft das Gefühl, als drücke er eben genau das so simpel und schön aus, wofür mir
selbst die Worte fehlen. Die von ihm geschaffenen Bilder werden somit mit meinen eigenen, innersten Gedanken
verknüpft, wodurch die Lektüre zu einem ausserordentlich kreativen Prozess wird.” 64
Hesses tiefes Festhalten an möglichem Glück trotz aller Widrigkeiten wird in der folgenden Sentenz
besonders eindringlich ausgedrückt:
“Wenn aus bedecktem Himmel ein Sonnenstrahl in eine trübe Gasse fällt, so ist es einerlei, was er trifft: die
Flaschenscherbe am Boden, das zerfetzte Plakat an der Wand oder den blonden Flachs eines Kinderkopfes: er bringt
Licht, er bringt Zauber, er verwandelt und verklärt.” 65
Anhand von “Der Steppenwolf” und dem “Glasperlenspiel” möchte ich konkreter zeigen, wie Hesse
seine Lösungsansätze gestaltet.
3.2.2.2.1 “Der Steppenwolf”
Der Steppenwolf66 Harry Haller möchte seine Fixierung auf den Geist aufgeben – diese soll sterben
– und er sehnt sich danach, endlich Sinnlichkeit einfach genießen zu können, ohne sich zu
verurteilen. Hesse geht in diesem Roman am stärksten in die Verzweiflung über seine (mindestens)
zwei unvereinbaren Seelen - Wolf und Mensch - , die sich abgrundtief hassen.
Den Ausweg sieht Hesse aber nicht in der Flucht in die Drogen, da hat die Hippiebewegung das
magische Theater im Steppenwolf missverstanden. Timothy Leary, der mit Drogen experimentierte,
sah in Hesse wegen der Szenen im magischen Theater den “Meisterführer zum psychedelischen
Erlebnis”. 67 Hesses Motto aber war: Der kürzeste Weg durch die Welt des Schmerzes führt mitten
durch den Schmerz hindurch. 68
Das magische Theater war für Hesse nicht eine Art Opiumrausch, sondern “Bild und Hülle” für das,
was ihm “zutiefst wertvoll und wichtig ist”, 69 nämlich die Begegnung mit dem eigenen
Unbewussten, wie er es durch die Psychoanalyse kennengelernt hatte. Die Spiegel stehen
64Im Internet unter www.hhesse.de, Referat über “Demian” von “Milena”, Vorwort
65Hermann Hesse, Lektüre für Minuten, st 7, 1972, S. 190
66Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
67Gemeint ist Bewusstseinserweiterung durch Drogentrips.
68Volker Michels in der Fernsehsendung: Hermann Hesse – Wegbereiter eines neuen Denkens? Gespräche und Musik
zu Hermann Hesse aus dem Kloster Maulbronn. 3Sat, 15.6.02, 20:15
69Brief vom 4.5.1931 an R.B., Materialien zu H.Hesses “Der Steppenwolf”, st 53, 1972, S. 144
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symbolisch für Selbsterkenntnis, die Welt des Innern soll schonungslos sichtbar gemacht werden in
allen Tiefen. Für Hesse selbst ist “Der Steppenwolf” “keinesfalls das Buch eines Verzweifelten”,
“sondern das eines Gläubigen”. Es gibt Mozart und die Unsterblichen und das magische Theater. Es
werden zwar Krankheit und Krisis dargestellt, ”aber nicht eine, die zum Tode führt, nicht einen
Untergang, sondern das Gegenteil: eine Heilung.”70
Der Humor, das Lachen über sich selbst ist das, was den Steppenwolf aus der Krisis führen kann.
Dies wird schon im “Tractat vom Steppenwolf” theoretisch angedeutet, der Harry Haller in die
Hände fällt. Mit Humor ist es zu schaffen, alles bejahen zu können, also auch den Selbsthass und
den Hass auf das Bürgertum zu ertragen, das Harry wegen seiner Lauheit und Mittelmäßigkeit
ablehnt.
“...hier ist es möglich, nicht nur gleichzeitig den Heiligen und den Wüstling zu bejahen, die Pole zueinander zu biegen,
sondern auch noch den Bürger in die Bejahung einzubeziehen.” 71
Unter der “imaginären Sphäre” des Humors versteht Hesse, dass hier die bisherigen strengen
Maßstäbe (Saturn) der Be- und Verurteilung, die zu Harrys Selbstverachtung führten, aufgehoben
werden. Aus der christlich-pietistisch geprägten Unvereinbarkeit der Gegensätze von Gut und Böse
(Saturn) soll Harry herausspringen und die Dinge jenseits jeder Polarität betrachten. Damit würde
er die Bewusstseinshaltung des zwiegespaltenen Steppenwolf-Ichs sprengen, das in der Polarität
gefangen ist. Astrologisch gesehen schaltet sich mit dem Ausweg durch den Humor, wie Hesse ihn
hier definiert, das uranische Prinzip (Wassermann) ein. Der ausgelassene Maskenball vor dem
magischen Theater und die Eintrittslosung “Nur für Verrückte”72 , all dies spricht auch für eine
Wassermann-Veranstaltung.
Auch im “Demian”73 findet sich ein Wassermann-Symbol: der Vogel, der sich aus dem Ei kämpft
und erst eine Welt zerstören muss, um selbst fliegen zu können. 74 Er steht als Bild für das
Selbstständigwerden, die Befreiung vom elterlichen Einfluss und den Individuationsprozess von
Sinclair.
Wassermann steht in Hesses Horoskop zusammen mit dem Hauptherrscher Steinbock über dem 2.
Haus, in dem es um Selbstannahme und Selbstwertgefühl geht (Stier-Venus). Wenn es denn gelingt,
die Frequenz des Saturns (Steinbock) von dem Sich-Schuldgefühle-Machen-Lassen weg zur
Selbstverantwortlichkeit zu erhöhen, um dann den uranischen Sprung aus der Polarität in die Höhe
wagen zu können, dann kann der alte Saturn als strenger Herr des Hauses 2 einmal entthront und
die Sicht frei werden auf ein harmonischeres Leben mit sich selbst, ohne Selbsthass und
Verzweiflung. Da Uranus als Mitherrscher von Haus 2 nach Haus 8 ausgewandert ist, hilft die
Ausbildung der uranischen Fähigkeit in Haus 2 nun, den Tiefen der Selbstbegegnung überhaupt
standhalten zu können.
Als Harry Haller Goethe im Traum trifft, einen der sogenannten Unsterblichen, macht er ihm durch
seine heitere Art klar, dass die Unsterblichen den Spass lieben. 75 Das magische Theater wird von
dem Besitzer Pablo als “Schule des Humors” bezeichnet. “Sie lachen zu lehren, ist der Zweck
70Materialien zu H. Hesses “Der Steppenwolf”, st 53, 1972, S. 159f (1941)
71Der Steppenwolf , st 175, Frankfurt 1974, S. 61
72Der Steppenwolf , st 175, Frankfurt 1974, S. 37
73Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
74Demian, st 206, 1980, S. 91
75Der Steppenwolf , st 175, Frankfurt 1974, S. 108
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dieser ganzen Veranstaltung”, so fordert Pablo Harry auf, seine Wolfsgestalt im Spiegel
auszulöschen, indem er sie mit “Lachlust” betrachtet. 76 Sich der “alten Brille des Steppenwolfs” zu
entledigen ist notwendig für den Eintritt in das magische Theater. Doch Harry wird bald wieder
rückfällig und kehrt zu seinem früheren Pathos und seinen Schuldgefühlen zurück. Er will büßen
und bestraft werden (Saturn), am besten mit dem Tode. Seine Lust am Leiden und Bestraftwerden
wird von Mozarts Lachen und Spott relativiert (Uranus). 77 Harry wird schließlich dazu verurteilt,
“der Radiomusik des Lebens weiter” zuhören zu müssen und “den Geist hinter ihr zu verehren”. 78
Das Ende des Steppenwolfs ist kein bequemes Happy-end, aber wie Hesse sagt, “die Tür ins
Unendliche ist weit offen”79 . Der harte Konflikt von Uranus und Pluto (Uranus in Haus 8),
zwischen Bindung an alte Verhaltensmuster des zwiegespaltenen Steppenwolfs und der
Befreiungsmöglichkeit durch Herauspringen aus der Polarität bleibt weiter bestehen.
“Oh, ich begriff alles, begriff Pablo, begriff Mozart, hörte irgendwo hinter mir sein furchtbares Lachen, wußte alle
hunderttausend Figuren des Lebensspiels in meiner Tasche, ahnte erschüttert den Sinn, war gewillt, das Spiel nochmals
zu beginnen, seine Qualen nochmals zu kosten, vor seinem Unsinn nochmals zu schaudern, die Hölle meines Innern
nochmals und noch oft zu durchwandern. Einmal würde ich das Figurenspiel besser spielen. Einmal würde ich das
Lachen lernen. Pablo wartete auf mich. Mozart wartete auf mich.” 80
Das Ende des Romans bedeutet Jasagen zum Leiden, zu neuer Höllenreise zu sich selbst, zu “Stirb
und Werde” (Haus 8, Pluto), aber auch zum Lachenlernen (Uranus) als Lösung. Und im Bejahen
liegt die Heilungsmöglichkeit.
76Der Steppenwolf , st 175, Frankfurt 1974, S. 193
77 Der Steppenwolf , st 175, Frankfurt 1974, S. 233
78 Der Steppenwolf , st 175, Frankfurt 1974, S. 235
79 Materialien zu H. Hesses “Der Steppenwolf”, st 53, 1972, S. 123
80 Der Steppenwolf , st 175, Frankfurt 1974, S. 237
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3.2.2.2.2 “Das Glasperlenspiel”
In “Das Glasperlenspiel”81 entwirft Hesse die alternative Kultur der Glasperlenspieler als Gegenbild
zum vom Krieg zerrissenen Europa im Zweiten Weltkrieg. Das Glasperlenspiel vereinigt
Wissenschaft, Verehrung des Schönen und Meditation. 82 Doch zuletzt lässt Hesse einen
Topvertreter dieser Kultur, Joseph Knecht in “Todesmüdigkeit”83 alle Erfahrung über Bord werfen
wegen eines Schülers, der ihn zum Schwimmwettbewerb herausfordert. Knecht ertrinkt so im
kalten Bergsee. Er ist auf diese Weise aus seinem Glasperlensystem wieder ausgestiegen, was
zunächst einen fahlen Nachgeschmack beim Leser hinterlassen mag. Wozu also die ganze
Anstrengung des Autors, den utopischen Orden der Glasperlenspieler aufzubauen, wenn er am Ende
seinen Haupthelden den Orden verlassen und auf diese Weise zu Tode kommen lässt?
Betrachtet man die Sprache Hesses am Ende von Knechts Lebensbeschreibung genauer, ist
auffällig, dass die Situation mit vielen Worten beschrieben wird, die eine Symbolik des Neubeginns
enthalten. Es ist Morgen, die Sonne geht auf, bald wird alles mit Licht überflutet sein und “der
Himmel im Morgenlicht wogen”84 . Auch das Glasperlenspiel-System ist nichts für die Ewigkeit,
auch aus einem solchen Gedankengebäude (Pluto) muss wieder ausgebrochen werden (Uranus). Es
muss verlassen und gesprengt werden (Uranus), um neu anzufangen. Das drückt Hesse drastisch in
seinem Werk aus, indem er Knecht am Ende sterben lässt. Mit zweimal Uranus-Pluto (Uranus in
Haus 8, Skorpion über Haus 11) ist bei Hesse ein harter Zusammenprall von plutonischer
Bindungs- und uranischen Befreiungsenergien gegeben. Das 8. Haus bindet auch an den
Sippenüberbau wie Religion, Ideologie und innere Bilder als fixe Ideen, die in der eigenen
Lebendigkeit behindern. Uranus will diese Gebundenheit sprengen oder aus ihr herausspringen,
muss aber hier im 8. Haus, wo er direkt beim Unterweltherrscher Pluto sitzt, besonders radikal
vorgehen. 85 Zu lösen ist dieser Konflikt durch Entwickeln von geistiger Flexibilität, die von
Fixierungen und Ideologien befreit, und durch den eigenen, unabhängigen Weg.
Festlegen will Hesse sich nicht auf eine alleinseligmachende Anschauung, auch nicht auf seine
eigene Utopie. Das widerspräche auch dem Nomadentum, mit dem er sich identifiziert (Widder an
Spitze Haus 4). Über die sesshafte Zeit in Gaienhofen mit seiner Familie schreibt er:
“Ich weiß nicht mehr genau, was ich damals unter dem Wort Bauer verstand. Heute glaube ich jedenfalls, nichts
gewisser zu wissen, als dass ich das genaue Gegenteil eines Bauern bin, nämlich ein Nomade, ein Jäger, ein
Unseßhafter und Einzelgänger.”86
“Ich bin ein Nomade, nicht ein Bauer, ich bin ein Verehrer der Untreue, der Wandlung, der Phantasie (Neptun in
vier).”87
Hesse versteht sich als Nomade auf allen Ebenen. In Gaienhofen hält er es nicht lange bei seiner
Familie aus, immer wieder geht er auf weite Reisen. Diese Liebe zur Ferne entspricht zudem
seinem Schützethema, wobei beim Schützen auch der geistige Aspekt des Nomadentums
hervortreten kann. Was Weltanschauung und Religion betrifft wird auf Freiheit Wert gelegt, und es
muss die Möglichkeit gegeben sein, sich immer wieder neue Ziele vorzunehmen und nicht
81Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
82Das Glasperlenspiel, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd. 9, S. 348
83Das Glasperlenspiel, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd. 9, S. 463
84Das Glasperlenspiel, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd. 9, S. 465
85Ausbildungsunterlagen Christine Kobbe, Anmerkungen zu Uranus in Haus 8 bis 12
86Fernsehsendung: Hermann Hesse – Lebensstationen. Ein Film von Sarah Palmer, Südwest 3, 29.6.02, 0:00 – 0:30
87Fernsehsendung: Hermann Hesse: Ein langer Sommer, Film von Werner Weik (1987), ausgestraht von 3sat am
8.6.02, 22:35
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stehenzubleiben. Das verträgt sich schwer mit dem Aufbau einer geistigen Heimat, der Bindung an
eine Weltanschaung oder Gruppe, ebenso wie die Konstellation Uranus in 8. Auch im Seelischen
fühlt sich Hesse als Nomade mit dreimal Mond-Neptun (Mond in den Fischen, Neptun in 4,
Herrscher von 4 in den Fischen). Im Innern fühlt er sich als ungeborgener, heimatloser Mensch, der
nicht sesshaft werden kann oder will.
In “Joseph Knechts hinterlassene Schriften”, ein Teil des Werks “ Das Glasperlenspiel”, findet sich
das vielleicht berühmteste Gedicht von Hesse: “Stufen”88 . Es wirft auch ein Licht auf das Ende von
seiner Hauptfigur Knecht und trägt zum Verständnis der letzten Seiten von Knechts
Lebensbeschreibung bei.
Im Gedicht “Stufen“ fasst Hesse, wie er selbst sagt, seine vom Osten beeinflusste Weltanschauung
in einer eigenen Sichtweise der Reinkarnationslehre zusammen. Darüber hinaus präsentiert er dem
Leser seine Philosophie von Lebenshilfe : Es ist der Zauber jeden neuen Anfangs, der zu leben hilft.
Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zumAbschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andere, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Hier in diesem Gedicht “Stufen” findet sich, astrologisch ausgedrückt, eine eindrucksvolle Vision,
wie Uranus und Jupiter glücklich zusammenspielen könnten (Uranus Trigon zu Jupiter und Sextil
zu Merkur und MC). Uranus ist der Befreier von allem alten, überholten Ballast (“...nimm
Abschied und gesunde!”). In Haus 8 mit Mond als Herrscher geht es Uranus um eine immer wieder
neue Befreiung durch seelische Transformation und das Loslassen von gewohnten Gefühlsmustern
(“lähmender Gewöhnung sich entraffen”). Mond als Herrscher von Haus 8 zeigt, dass es sich dabei
88Das Glasperlenspiel, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd. 9, S. 483
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vor allem um emotionale Fixierungen (“...wie an einer Heimat hängen”) handelt, die zu überwinden
sind.
Wenn Uranus auf diese Weise in Haus 8 wirken kann, dann hilft er Jupiter, sich auf die Weite des
Lebendigen einzulassen - immer wieder neu -, um so den Blickwinkel und das Bewusstsein zu
erweitern. (“Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten”).
Allerdings wird diese Vision von einem saturnalen Standpunkt aus präsentiert (Saturnquadrat zum
Aszendenten). Die saturnische, schmerzliche Seite des Abschiedsnehmens ist zum einen durchaus
noch spürbar: Jede Blüte welkt, jeder altert, das Herz ist noch krank und soll durch
Abschiednehmen und den Zauber des Neuanfangs gesunden. Dann ist der saturnische Imperativ des
“Du sollst!” unüberhörbar in “Es muß das Herz ...” und in “Wir sollen heiter Raum um Raum
durchschreiten”.
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3.2.2.3 Der Schriftsteller und “Seelenführer”: DC in den Zwillingen und Merkur in 7
3.2.2.3.1 Weisheit kann nicht mitgeteilt werden
Oftmals hat Hesse die Unsagbarkeit und das Nicht-Lehren-Können von Weisheit beschworen.
Trotzdem vermittelt er als Schriftsteller die eigenen Einsichten und Erlebnisse über Worte,
intellektuelle Analyse und Geschichten. Dabei zeigt sich die Opposition von Jupiter zu Merkur.
Merkur ist ein “würdiger” Gegner oder auch eine aus gleichende Ergänzung zu Jupiter, er ist
ebenfalls in den Zwillingen stark gestellt und herrscht in seinem eigenen Haus 7.
Im Gedicht “Bücher”89 wird dieser Widerspruch, über Weisheit zu schreiben, die im Grunde nicht
lehrbar ist, besonders deutlich. Hesse formuliert das Gedicht mit schönen Reim-Worten, die den
Leser ansprechen sollen. Gleichzeitig fordert er aber eine Abkehr vom reinen Bücherwissen, die
Selbstfindung muss eigens geleistet werden und kann sich nicht allein durch Weisheit aus Büchern
vollziehen.
Bücher
Alle Bücher dieser Welt
Bringen dir kein Glück,
Doch sie weisen dich geheim
In dich selbst zurück.
Dort ist alles, was du brauchst,
Sonne, Stern und Mond,
Denn das Licht, danach du frugst,
In dir selber wohnt.
Weisheit, die du lang gesucht
In den Bücherein,
Leuchtet jetzt aus jedem BlattDenn nun ist sie dein.
Die Opposition zwischen Jupiter und Merkur besagt, dass hier zwei Planetenprinzipien in
Spannung, als Gegensätzliches erlebt werden, die selbst jeweils ihre eigene Natur besonders klar
verkörpern aufgrund ihrer “Heimatstellung”.
Auf der einen Seite gibt es den Sucher nach Weisheit, der Einblick in den Sinn des Lebens haben
und danach leben beziehungsweise damit überleben will. Auf der anderen Seite steht der
Schriftsteller in der Öffentlichkeit, der von seinen Lesern über das geschriebene Wort (Merkur)
wahrgenommen wird. Haus 7 in den Zwillingen bedeutet bei Hesse: der Leser ist der Partner. Viele,
besonders junge Menschen fühlen sich von Hesse ganz persönlich angesprochen. Hesse versorgt so
89Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd.1, S. 63
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sein öffentliches Publikum mit geistreichen Sentenzen und konfrontiert es in seinen Werken mit der
künstlerischen Verarbeitung seiner eigenen Probleme.
Auf der Merkurseite der Opposition steht auch der Hesse, dessen Arbeitsalltag durch den
Schriftstellerberuf geprägt ist: Spitze Haus 6 ist auch in den Zwillingen. Er muss sich auf praktischvernünftige Weise (Haus 6) das Schreiben im Alltag organisieren, um seine Existenz zu sichern und
sein Geld zu verdienen. Dies gelang Hesse erstmals 1904 mit “Peter Camenzind”, seinem ersten
größeren Roman. Mit dem dadurch verdienten Geld konnte er sich und seine Familie in Gaienhofen
erstmals ernähren. Auch in seinen ersten, meistens nicht so erfolgreichen Versuchen, im
Berufsleben Fuß zu fassen als Mechanikerlehrling und später als Buchhändler, lebte er die
merkuriale Seite seiner betonten Zwillinge-Schütze-Achse aus.
Die Konstellation Jupiter-Merkur findet sich in Hesses Horoskop zusätzlich noch in der Form, dass
der Herrscher des neunten Hauses der Jungfrau-Merkur ist. Die Jupiterthemen Philosophie,
Kulturgeschichte und Religion werden bei dieser Konstellation verstandesmäßig und analytisch
erfasst, viel Fleiß wird darauf verwendet, sich auf diesen Gebieten weiterzubilden. So erstellt sich
während seiner Buchhändlerzeit Hesse selbst einen eigenen Studier- und Leseplan, um sich weiter
zum Dichter zu entwickeln. Er begann, ein großer Leser zu werden, vor allem die Bibliothek des
gelehrten Großvaters bot ihm viel Stoff. Goethe und die Romantiker standen auf dem Programm,
aber auch Grimmelshausen, Zola und Ibsen, die griechische Mythologie mit Homer und “überhaupt
geistesgeschichtliche Studien”. 90 Diese autodidaktische Weiterbildung im Sinne von JungfrauMerkur als Herrscher von Haus 9 half ihm, seine Juge ndkrise mit den Selbstmordgedanken aus
eigener Anstrengung zu überwinden.
In der Jungfrau und Haus 9 liegt auch die “empty-space-Stelle” seines Spannungsdreiecks: Jupiter
in Opposition zu Merkur, beide im Quadrat zu Saturn und Mond. 91 Den Planeten im Brennpunkt,
Saturn und Mond (in Haus 3 in den Fischen) liegt gegenüber die Jungfrau und Haus 9. Dieser
unbesetzte Raum muss ganz bewusst auf positive Weise entwickelt werden, um die Spannung des
Dreiecks zu entschärfen und ein Gleichgewicht zu finden. 92
3.2.2.3.2 Der Psychopompus für ratsuchende Leser – jeden Tag bis zu 500 Seiten
Hesse begegnet seinen zahlreichen Lesern über eine üppige Korrespondenz. Er wird für viele zum
Lieblingsautor, an den man sich persönlich mit seinen Problemen wenden kann. Im Laufe seines
Lebens hat Hesse ca. 35 000 Briefe beantwortet. Es wurde zunehmend eine Last für ihn, oft reichte
die Zeit nicht mehr für Eigenes, weil er den ganzen Tag Briefe zu beantworten hatte.
“Die Lage ist folgende: Jeden Tag bekomme ich ein Bündel von Briefen, je nach den Tagen einhundert oder
fünfhundert Seiten, wobei schon die erste Lektüre auch einen jüngeren Mann als ich anstrengen würde. Es ist ein
ununterbrochener Strom von Bitten und Problemen, die meine Stube, meine Augen, meinen Kopf und mein Herz füllen
(Mond-Neptun) und die mir eine leidende, orientierungslose aber auch dumme und gemeine Menschheit zeigen.”
“Ich habe Ihren Brief nicht vergessen. Ich habe zwei seit vielen Jahren ermüdete und fast immer schmerzende Augen
(Mond-Saturn), zwei von Athritis und Gicht verkrümmte Hände (Saturn Quadrat Merkur) , die sich nur ungern dazu
schicken, einen Brief nach dem andern zu schreiben oder zu tippen. Die Augen würden sich lieber mit Blumen,
90Bernhard Zeller, Hermann Hesse, rororo-Monographie 85, 1963, S. 29ff
91Siehe Anhang unter Aspektfiguren.
92Tracy Marks, Die Kunst der Horoskop – Synthese, Hamburg 1993, S. 48
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Kätzchen oder mit den Versen eines Dichters beschäftigen als mit jedem Brief. Auch die Hände wüssten angenehmere
Zeitvertreibe zu finden.”93
Merkur in 7 ist Teil eines Spannungs- oder Leistungsdreiecks mit Jupiter in Opposition. Zu Saturn
und Mond in Haus drei hat Merkur ein Quadrat. 94
Hesses Sohn Bruno berichtet in der Fernsehsendung “Ein langer Sommer” (1987): Die vielen Briefe
waren schon eine schwere Last (Saturn/Mond Quadrat Merkur) für meinen Vater, aber andererseits
war es ihm ein Bedürfnis, die vielen Briefe zu bekommen und zu beantworten (Mond in drei). Als
Bruno Hesse gefragt wird, warum sein Vater diese Art Sozialarbeit (Mond in den Fischen) leistete,
ist seine Antwort: Er fühlte sich verpflichtet (Saturn), sich als bekannter Schriftsteller (Merkur in
sieben), auch um die Welt, die politische Lage zu kümmern und sich dazu zu äußern. Er nahm das
sehr ernst (Saturn). 95
Für seinen Verleger Siegfried Unseld bedeuten die Briefe Hesses Kanäle der Kommunikation, die
er in späteren Jahren noch hatte.
Hesse sah sich emotional verpflichtet (Mond-Saturn), auf die zahlreichen Leserbriefe persönlicher
Art zu antworten und dies als einen Teil seiner Lebensaufgabe zu sehen (Spannungsdreieck). Er
musste im Umgang mit den Gefühlen der Briefschreiber (Mond) Disziplin aufbringen und
Verantwortung übernehmen (Saturn), die sich aus seiner schriftstellerischen Arbeit (Merkur) und
aus seiner Sinnsuche (Jupiter) heraus ergaben. Er trat dabei gegenüber seinen Briefpartnern als
Seelenführer, als eine Art Psychopompos zu den Tiefen des eigenen Seeleninnern auf. 96
“Der Hesse, den Sie anrufen, den Sie lesen, den Sie bald lieben, bald anklagen, ist ein Bild Ihres eigenen Ich, er existiert
für Sie genau soweit, als er Ihnen ähnlich und nahverwandt erscheint.Von diesem Hesse möchten Sie sich bestätigt
wissen, Sie möchten hie und da ein Wort von ihm hören, an ihn richten Sie je und je auch Äußerungen Ihres Unwillens,
mit der Absicht ihm weh zu tun oder ihm Verachtung zu zeigen.
Aber dieser Hesse ist Ihr Spiegel, und was Sie ihm zurufen, sollten Sie sich selbst zurufen, das Gute wie das Böse.”97
“Meine Dichtung und Person hat Ihnen eine Zeitlang gedient und Sie eine Weile gefördert. Das ist kein Grund, sie nicht
beiseite zu legen und sich von ihr abzuwenden, sobald Ihre Entwicklung es verlangt.”98
“Die Erleuchtung kann Ihnen nicht von außen kommen, die kann Ihnen auch nicht von mir kommen, Sie können Sie nur
in Ihnen selbst finden. Niemals werden Sie dem Meister begegnen, der Ihnen die Mühe abnimmt zu suchen. Wenn einer
tief über die innere Stimme nachdenkt, wird er einen Weg finden, genau wie ich ihn immer wieder suchen und finden
muss - Tag für Tag.”99
Diese Worte aus Hesses Briefen lassen deutlich erkennen, dass sein Eingehen auf die Briefpartner
als Führung im Sinne von Zu-Etwas-Hinführen zu verstehen ist. Der ratsuchende Leser soll zur
eigenen inne ren Stimme finden, und Hesse nimmt sich dabei als eigene Person zurück. Dies ist ganz
93Zitate nach der Fernsehsendung: Hermann Hesse : Ein langer Sommer, Film von Werner Weik (1987), ausgestraht
von 3sat am 8.6.02, 22:35
94Siehe Anhang unter Aspektfiguren.
95Nach der Fernsehsendung: Hermann Hesse : Ein langer Sommer, Film von Werner Weik (1987), ausgestraht von 3sat
am 8.6.02, 22:35
96Als Psychopompus wird in der griechischen Mythologie der Hermes-Merkur bezeichnet, der die Seelen in die
Unterwelt führt.
97Hermann Hesse, Ausgewählte Briefe, zusammengestellt von Hermann und Ninon Hesse, st 211, 1974, S. 46, Brief
“An einen ratsuchenden Leser” etwa 1930/31
98Hermann Hesse, Ausgewählte Briefe, zusammengestellt von Hermann und Ninon Hesse, st 211, 1974, S. 44, Brief an
F. v. W., Waldenburg, etwa 1930
99Zitiert nach der Fernsehsendung: Hermann Hesse : Ein langer Sommer, Film von Werner Weik (1987), ausgestraht
von 3sat am 8.6.02, 22:35
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im Sinne des vermittelnden Merkurs, der selbst neutral ist.
In Haus 7 steht auch die Sonne, die aus dem Pluto entsprechenden Haus 8 kommt. Als
Mitherrscherin von Haus 8 ist ihr tiefstes Anliegen, hinter allen Ideologien und Programmen die
Lebendigkeit im “Stirb und Werde” zu spüren, Regenerations- und Heilungskräfte für das Ich, eine
Selbsttherapie zu finden. Mit Sonne im Krebs spielen dabei der heilsame Umgang mit
emotionsgeladenen Kindheitserinnerungen und Geborgenheitswünschen eine große Rolle. Das
Arbeiten an der Ausbildung dieser Fähigkeiten - vor allem durch seine selbst erlebte Psychoanalyse
- kommt nun Haus 7, dem Haus der Begegnung zugute. So konnte Hesse die Rolle eines
Seelenführers für seine ratsuchenden Leser übernehmen.
Da Haus 8 ein Zentrum des Energieflusses der Häuser ist (vier Häuser hängen an Haus 8), hat die
Mitherrscherin Sonne noch Venus und Uranus “im Rucksack” und transportiert auch diese Energien
nach 7 ins Haus der Begegnung. Uranus als Mitherrscher von Haus 2 bringt die
Befreiungsmöglichkeiten mit, die in einer Selbstannahme liegen jenseits der Moralvorstellungen
von Gut und Böse. Waage-Venus herrscht über Haus 10, das ist das öffentliche Auftreten als
Künstler, einmal mit der schönen Literatur, dann aber auch als Maler. Das Malen hat Hesse als
Ausdrucksform bei der Psychoanalyse gelernt und als Hilfe in schweren Krisenzeiten sehr geschätzt
(Waage-Venus als Herrscherin von Haus 10 in Haus 8). In einem Brief mit selbst gemaltem
Bildchen schrieb er an eine Studentin:
“...das Zeichnen und Malen ist meine Art von Ausruhen. Das Bildchen soll Ihnen zeigen, dass die Unschuld der Natur,
das Schwingen von ein paar Farben, auch inmitten eines schweren und problematischen Lebens zu jeder Stunde wieder
Glauben und Freiheit in uns schaffen kann.”100
Die Stier-Venus kommt aus dem Haus der Kreativität (5), das heißt ein im selbstverwirklichenden
Handeln gelebtes 5. Haus führt zu mehr Selbstannahme und Bewusstsein des eigenen Werts. Venus
bringt “im Rucksack” Pluto nach Haus 8 mit. Pluto als Herrscher von Haus 11 schenkt dem
Kreativitätshaus 5 einen Reichtum an Originalität, Genie, an Außergewöhnlichem, das einengende
Grenzen der Normalität sprengen kann. Doch Skorpion über diesem Haus bedeutet auch die oft
empfundene Einsamkeit (Skorpion) unter Freunden (Haus 11). Sie stachelt Hesse an, kreativ zu
werden durch das Gestalten schöner Malereien und Literatur (Spitze von 5 im Stier). Und das dient
dann seiner Tiefenerforschung des eigenen Ichs (Stier-Venus als Herrscherin von 5 in Haus 8) und
dazu, sich aus Verstrickungen mit seiner Herkunftsfamilie, insbesondere dem Vater (Pluto in 5) zu
befreien.
Hesse entwickelte durch sein Werk und seine Korrespondenz eine intensive Begegnungsfähigkeit
auf künstlerischer Ebene und in kollektivem Rahmen, im persönlichen Bereich schätzte er sich aber
als einsam ein, was besonders in seinem Gedicht “Im Nebel” (Mond-Neptun) zum Ausdruck
kommt: ”...Voll von Freunden war mir die Welt, / Als noch mein Leben licht war; / Nun da der
Nebel fällt, / ist keiner mehr sichtbar...Leben ist Einsamsein. / Kein Mensch kennt den andern, /
Jeder ist allein.”101
“Das ist ja überhaupt mein Fehler im Leben: ich bleibe immer allein und kann nie die weite Leere durchstoßen, die
mich von den andern Menschen trennt.”102
“Mein Dichten ist persönlich, ist intensiv, ist oft für mich selbst beglückend, aber mein Leben ist es nicht, mein Leben
100Aus einem Brief an eine Studentin in Duisburg, 1930. Nach www.hermann-hesse.de /Malerei
101Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd.1, S. 27
102Brief vom 25. Januar 1925 an Emmy Ball-Hennings. Zitiert nach: Ninon Hesse. Lieber, lieber Vogel. Briefe an
Hermann Hesse, ausgewählt und erläutert von Gisela Kleine, st 3373, S. 17
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ist nichts als Arbeitsbereitschaft, und die Opfer, die ich bringe durch Leben in großer Einsamkeit etc, bringe ich
eigentlich längst nicht mehr dem Leben, sondern nur noch der Dichtung. Der Wert und die Intensität meines Lebens
liegt in den Stunden, wo ich dichterisch produktiv bin, also wo ich gerade das Unzulängliche und Verzweifelte meines
Lebens ausspreche.”103
Wie öfters bei Berühmtheiten, die starke kollektive Wirkungen erzielen, spielt auch bei Hesse die
Konstellation Venus-Pluto eine Rolle. So zum Beispiel auch bei Catherine Deneuve und Marlene
Dietrich. 104 Venus-Pluto findet sich in Hesses Horoskop in fünffacher Weise – als Venus in Haus 8
und als Sextilaspekt von Venus zu Pluto. Die Stier-Venus ist angesprochen durch Mitherrscher von
Haus 2 in Haus 8 und durch Pluto im Stier, die Waage-Venus durch Mitherrscher von Haus 8 in
Haus 7. Zudem geht die Richtung der Mondknotenachse von Haus 8 nach Haus 2, was die Achse
Stier-Skorpion anspricht.
Pluto wirkt zu stark und erdrückend auf Venus. Venus-Pluto bedeutet: Die körperliche Nähe zum
andern Geschlecht ist aufregend, faszinierend, aber auch gefährlich und bedrohlich. Das wird schon
von den Eltern vorgelebt, die ihre Schwierigkeiten mit der Sexualität inszenieren. (Bei Hesse ist an
die körper- und sexualfeindliche Haltung des Pietismus zu denken.) Echte Intimität wird so in der
Pubertät vermieden, aber die Sehnsucht nach der absoluten Liebe ist da, auch Todeswünsche, der
Wunsch nach Auflösung. Es gibt eine tiefe Verunsicherung des Selbstwertgefühls, der primäre
Narzismus ist gestört, man kann sich selbst nicht mit Libido besetzen. Der Angst-Lust-EkelKreislauf ist stark ausgeprägt. 105 Der Steppenwolf Harry Haller lässt grüßen.
Im Magazin “Stern” wird etwas effektheischend beschrieben, wie es Hesse davor graut, die Heirat
mit seiner zweiten Frau Ruth Wenger zu vollziehen, obwohl er sie liebt - “ auch als Weib”, wie er
an ihren Vater schreibt.
“Und während Ruth und ihre Mutter die Hochzeit vorbereiten, schreibt Hesse `letzte` Grüße: Im Herzen bin ich ein
Samana und gehöre in den Wald.
Ein paar Tage vor der Hochzeit funkt Hesses Körper SOS: Fieber. Er liegt mit 40 ½ Grad im Bett....Und am 11.Januar
1924 kann er mit Mühe aufstehen und, etwas klapprig auf den Beinen, die ziemlich dumme Komödie der Civiltrauung
über sich ergehen lassen.
Aber eine Ehe findet eigentlich nicht statt. Hesse nimmt sich ein möbliertes Zimmer, und seine Frau fährt erstmal zu
den Eltern...Das Endspiel ist schon zwei Monate nach der Trauung eingeläutet. In dieser Verfassung beginnt Hesse
seinen `Steppenwolf` zu schreiben....
Abends geht er allein in seine Kneipe und sitzt in stumpfsinniger Andacht vor seinem Weinglas (Mond im Fisch,
Neptun in 4). Er trinkt....Und am Morgen, im Spiegel, sieht er rote Augenlider und graues Haar. Alles alt und welk. Und
106
sein Leben kommt ihm vor wie eine zerplatzte Papiertüte.”
Eine Möglichkeit, die Konstellation Venus-Pluto zu erlösen oder auf eine höhere Frequenz zu
bringen, besteht darin, “seine Venus zu vergesellschaften”, was heißt, seine Begegnungsfähigkeit in
einem kollektiven Rahmen auszuleben auf künstlerischer oder diplomatischer Ebene. Dadurch ist
Popularität und öffentliche Anerkennung zu erreichen. Man muss sich dann nicht mehr auf direkte
Nähe mit und auf die Abhängigkeit von einem konkreten Partner einlassen, der das eigene
Selbstwertgefühl ständig bestärken soll. Das große erotisch- magische Potential und die Intensität in
Beziehungen, die in Venus-Pluto liegen, werden so auf gesellschaftlicher kollektiver Ebene
103Hermann Hesse, Ausgewählte Briefe, zusammengestellt von Hermann und Ninon Hesse, st 211, 1974, S. 29, Brief
vom 9.8. 1929 an T.G. M.
104Seminar über Pluto bei Christine Kobbe, Ausbildung in Psychologischer Astrologie bei Hermann Meyer
105Nach dem Seminar über Pluto bei Christine Kobbe, siehe oben.
106 Stern 30/2002: 125 Jahre Hermann Hesse/Teil 4, S. 68
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ausgelebt.
107 Seminar über Pluto bei Christine Kobbe
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3.2.3 Denken und Gefühl: Rezeption zwischen Haus 3 und Haus 4
Bis jetzt haben wir vor allem die geistig- intellektuelle Seite von Hesses Horoskop angeschaut: Den
feurigen Aszendentenherrscher Jupiter im Schützen, der mit dem luftigen Merkur am Deszendenten
in den Zwillingen durch Opposition verbunden ist, die betonte Zwillinge-Schütze-Achse.
Auf der anderen Seite hat Hesse eine deutliche Wasserbetonung im Horoskop: einmal Sonne und
Venus im Krebs, dann Mars, Mond und Saturn in den Fischen, also vier persönliche Planeten,
darunter die Hauptlichter Sonne und Mond im Wasserelement. Das bedeutet eine hohe Sensibilität
und Verletzlichkeit dieses Menschen, er verliert sich leicht in Gefühlen. Den anderen wird mit
großer Einfühlsamkeit begegnet, es besteht aber auch die Gefahr, sich nicht abgrenzen zu können
und die Atmosphäre der Umgebung wie ein Schwamm aufzusaugen. Das gilt besonders für Mond
in den Fischen, was Michael Roscher mit “das unbegrenzte Empfinden” beschreibt. 108 Stimmungen
und Impulse aus der Außenwelt kommen völlig ungefiltert in das eigene Innere, jedes Gefühl, jeder
Gedanke, ob positiv oder negativ. Ein angespanntes Klima oder wortlos erahnte Antipathie werden
schlecht ertragen. Bedürfisse von andern werden so gefühlt, als wären sie die eigenen. So ist es
mühevoll, die wirklich eigenen Gefühle wahrzunehmen, bei sich zu bleiben und sich geborgen und
nicht heimatlos zu fühlen. Die Anforderungen der Welt werden als hart empfunden, man flieht
lieber in die Einsamkeit oder in eine Traumwelt. Die Sehnsucht nach dem Einssein mit dem
Göttlichen, nach dem verlorenen Paradies ist groß. Hier ist Suchtgefahr (Alkohol, Drogen) gegeben,
aber auch die Hinwendung zu sozialem Engagement und zu helfenden Berufen.
Mit der Fähigkeit von Mond-Neptun (Mond in den Fischen, Neptun in 4), tief in Stimmungen,
Gefühle und Sehnsüchte bei sich und Menschen seiner Umgebung eintauchen zu können, war es
Hesse möglich, eine phantasie- und gefühlvolle Bildersprache (Mond in den Fischen und Haus 3)
zu entwickeln, die seine Leser emotional stark berührt und sich mit seinen Bildern identifizieren
lässt.
Das stark vertretene Wasserelement machte Hesse fähig, sich intensiv der Welt seiner Gefühle
hinzugeben, hielt ihn aber auch in seiner Gefühlsproblematik gefangen. Sein betonter Jupiter, bei
dem es um geistige Fähigkeiten in Form von weisheitsvoller Einsicht in die Hintergründe und den
tieferen Sinn der eigenen Erlebnisse geht, bildete für Hesse sicher ein hilfreiches Gegengewicht zu
seinem vielen Wasser. Aus seinem Jupiter und seinem Merkur – beide stark gestellt - nahm er
Kraft, schriftstellerisch in seinen Werken die eigenen seelischen Erlebnisse in einen öffentlichen
Rahmen zu stellen, sie künstlerisch mit Hilfe der Tiefenpsychologie (Jupiter Trigon zu Uranus in
Haus 8) zu bearbeiten und eine neue ganzheitliche Sichtweise darauf zu bekommen.
Bei Hesse kommen so die tiefe Erlebnisfähigkeit des Wassers und der im Hintergrund über allem
thronende Aszendentenherrscher Jupiter zusammen, der als geistige Kraft nach Einsicht und
Verstehen strebt.
Die enorme intellektuelle Ausdrucksfähigkeit des Schriftstellers kommt durch Merkur in den
Zwillingen hinzu. Zwillingshaus 3 erweist sich zudem als stärkstes Haus im Horoskop, in dem die
meisten Energieketten (sechs von zwölf) enden. 109 Ein solcher Mensch kann sehr gut mit Worten
108Michael Roscher, Der Mond, Licht und Schatten astrologischer Mond-Konstellationen, Knaur 86158, 1997, S. 243
109Siehe Anhang: Stärke der Häuser. Diese Aufstellung beruht auf Karen M. Hamaker-Zondag, Häuserherrscher und
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umgehen und besitzt ein außerordentlich großes Wissen und besondere kommunikative
Fähigkeiten. Es bedeutet auch ein deutlich ausgeprägtes Bedürfnis nach Austausch, Diskussionen
und Informationen auch in Form von Lektüre. 110 Zeitlebens las Hesse viel und schrieb zahlreiche
Rezensionen zur Weltliteratur.
Betrachtet man nun den mittleren Teil der Herrscherverknüpfungstafel, 111 so stehen am Ende der
Energiekette, wo sich die Energie bündelt, zwei Häuser, die wechselseitig miteinander verbunden
sind, das heißt in Rezeption stehen: das Mondhaus 4 und das Zwillings-Merkurhaus 3. Auch hier ist
die Wasserqualität (Mond) mit ihrem Gefühlsreichtum eng mit der intellektuell-wendigen Fähigkeit
Merkurs zum Selbstausdruck verbunden. Dreimal ist die Mond-Merkur-Konstellation zu finden,
deren Thematik durch die Rezeption verstärkt wird: Herrscher von 3 in 4, Herrscher von 4 in 3 und
der Mond steht in Haus 3. Nimmt man den Mond als Saturn nahestehenden Planeten mit in das
Spannungsdreieck mit Merkur und Jupiter hinein, so kommt noch Mond Quadrat Merkur hinzu:
also viermal Mond-Merkur. Im Quadrat Mond-Merkur liegt die Herausforderung, das vom
sensiblen Fische-Mond alles Gefühlte, Erlittene und Ersehnte auch darzustellen und mit Gedanken
und Worten in die Welt hinauszugeben (Merkur am DC). Das Zusammenspiel von Denken und
Gefühl ist bei Mond-Merkur das Thema: ein emotionalisiertes, gefühlvolles Denken einerseits
(Herrscher von 3 nach 4), ein vom Intellekt gedeutetes, in Gedanken ausgedrücktes Gefühl
andererseits (Herrscher von 4 nach 3). Sehr schön beschreibt dieses Wechselspiel bei Hesse eine
Studentin (Jelena Bilobrk) im “Stern”:
“Er formulierte die Sätze, er entwickelte die Bilder, die auch ich empfand ... Für mich war er ein Denker für Träumer
112
und ein Träumer für Denker”.
Häuserbeziehungen, Kailash 1999, Kapitel 3: Das stärkste Haus.
110Karen M. Hamaker-Zondag, Häuserherrscher und Häuserbeziehungen, Kailash 1999, S. 53f
111Siehe Anhang
112Stern 27/2002 125 Jahre Hermann Hesse Teil 1, S. 150
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3.2.3.1 Durch das psychoanalytische Gespräch zur Identität: Von Haus 3 nach 4
Wenn der Herrscher von Haus 3 nach Haus 4 wandert, ist die Bewegung von außen nach innen: von
der Selbstdarstellung im Äußeren zur Introversion in den Innenraum des 4. Hauses, wo der
Quadrant des Seelischen beginnt.
Die Konstellation Neptun als Herrscher über das Haus 3 des Lernens zusammen mit Saturn in
diesem Haus machte Hesse während seiner Schulzeit besonders zu schaffen. Durch die Strenge und
enge Konventionalität der Lehrer und des Schulsystems (Saturn) fühlte sich das phantasiebegabte
Kind (Fische über 3) unterdrückt und verunsichert (Neptun). So schildert Hesse es auch in seinem
die Maulbronner Zeit verarbeitenden Roman “Unterm Rad”. Über Hermann Heilner, den
künstlerisch begabten Jungen, wird gesagt:
“Für Heilner gab es nichts Abstraktes, nichts, was er sich nicht hätte vorstellen und mit Phantasiefarben bemalen
können. Wo das nicht anging, ließ er alles mit Unlust liegen. Die Mathematik war ihm eine mit hinterlistigen Rätseln
beladene Sphinx, deren kühler, böser Blick ihre Opfer bannte, und er wich dem Ungeheuer in großem Bogen aus.”113
Mehr als einmal hat Hesse die Flucht (Neptun) vor der Schule angetreten, real als Davonlaufen in
Maulbronn und als Flucht in den Misserfolg, das Außenseitertum und Selbstmordgedanken.
Deshalb hatten ihn ja auch seine Eltern in die Nervenheilanstalt Stetten “verbannt” (Neptun). Die
Enttäuschung und Wut der pietistisch geprägten Eltern (Neptun geht nach 4 und Spitze 4 ist im
Widder) über den missratenen Sohn verinnerlichte Hesse zu einem großen Teil, was bei ihm noch
mehr Depression und Selbstmordsehnsucht auslöste, ein schädlicher Kreislauf.
“Kurz, mehr als vier Jahre lang ging alles unweigerlich schief, was man mit mir unternehmen wollte, keine Schule
wollte mich behalten, in keiner Lehre hielt ich lange aus. Jeder Versuch, einen brauchbaren Menschen aus mir zu
machen, endete mit Mißerfolg, mehrmals mit Schande und Skandal, mit Flucht oder mit Ausweisung....” 114
Später lebte Hesse diese Konstellation als schöpferische Auseinandersetzung mit dem Unbewussten
und versuchte das Denken in Polaritäten (Haus 3, Zwillinge) wie Gut und Böse zu überwinden, das
seine Gefühle so gegängelt hatte. Nach dem Tod seines Vaters und wegen seinem familiärem Chaos
in Gaienhofen mit seiner ersten Frau, Maria Bernoulli, begann er 1916 eine Psychoanalyse bei dem
Jungianer Dr. Lang. Den “Demian”, 115 den er kurz danach schrieb, bezeichnete Hesse als “Frucht
der Psychoanalyse”. Im “Demian” findet Sinclair den Gott Abraxas, der Gut und Böse umfasst.
Über den Umgang mit seinen Gefühlen lehrt ihn Pistorius, der Züge von Dr. Lang trägt und für ihn
neben Demian auch ein Führer zu sich selbst ist:
“Man darf nichts fürchten und nichts für verboten halten, was die Seele in uns wünscht....Sie sollen diese Einfälle, die
ihren guten Sinn haben, nicht dadurch schädlich machen, dass Sie sie vertreiben und an ihnen herummoralisieren....Man
kann...seine Triebe und sogenannten Anfechtungen mit Achtung und Liebe behandeln. Dann zeigen sie ihren Sinn, und
sie haben alle Sinn.” 116
Später setzte er seine psychoanalytische Behandlung bei C. G. Jung selbst fort und sagte darüber:
“Es geht bis aufs Blut und tut weh. Aber es fördert.”117
Durch die Gespräche mit dem Tiefenpsychologen, in denen seelische Prozesse in Worte gefasst
(Mond in 3), insbesondere Träume und Imaginationen (Neptun) gedeutet werden, bekam Hesse
einen tieferen Zugang zur Bildersprache des Traumes, zu im kollektiven Unbewussten vorhandenen
Archetypen, die sich auch im Mythen- und Märchenschatz der Menschheit ausdrücken (Neptun).
113Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd.2, S. 80
114Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd.6, S. 395 ( Kurzgefasster Lebenslauf)
115Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
116Demian, st 206, 1980, S. 111f
117 Stern 30/2002, 125 Jahre Hermann Hesse /Teil 4, S.67, Brief an Hans Reinhart, Mai 1921
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Hesse führte auch 1917 ein Traumtagebuch (Fische über 3) und notierte seine Einfälle dazu. 118 Die
psychoanalytischen Gespräche halfen ihm in seiner Lebenskrise, indem er seine Kindheitserlebnisse
verarbeiten konnte (Mond als Herrscher von 8 in 3) und brachten ihn auf seinem Weg zur eigenen
Identität weiter (Herrscher von 3 nach 4). In dem Aufsatz “Künstler und Psychoanalyse” beschrieb
er 1918, welchen Nutzen für ihn die Psychoanalyse gehabt hatte:
“Wer den Weg der Analyse, das Suchen seelischer Urgründe aus Erinnerungen, Träumen und Assoziationen, ernsthaft
eine Strecke weit gegangen ist, dem bleibt als bleibender Gewinn, das was man etwa das innigere Verhältnis zum e i g e
n e n U n b e w u ß t e n nennen kann. Er erlebt ein wärmeres, fruchtbareres, leidenschaftlicheres Hin und Her
zwischen Bewußtem und Unbewußtem; er nimmt von dem, was sonst unterschwellig bleibt und sich nur in
unbeachteten Träumen abspielt, vieles mit ans Licht herüber.” 119
118Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg. von Volker Michels, st 1947, 1993, S. 101 - 114
119Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd.10, S. 50f
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3.2.3.2 Der Kultautor für Identitätssuchende - von Haus 4 nach 3
Zur Rezeption der Häuser 3 und 4 gehört auch die Gegenbewegung vom seelischen Innenraum in
Haus 4 in die Extraversion des 3. Hauses: Gefühle werden expressiv dargestellt. Die neu
gewonnene Identität, der neue Gefühlszugang durch die psychoanalytische Arbeit beflügelte Hesse
nun, unter dem Pseudonym “Emil Sinclair” und mit einem fast nicht mehr wiederzuerkennenden
Stil den “Demian“120 zu schreiben und zu veröffentlichen. Er sprach damit 1919 eine neue
Lesergeneration an, die vielen jungen, desorientierten Heimkehrer aus dem verlorenen Krieg. Und
er bekam als 42-jähriger den Fontane-Preis für Erstlingsautoren, den er später wieder zurückgab.
Fast erst nach einem Jahr wurde der eigentliche Autor entdeckt. Ein Urteil aus der damaligen Presse
1920:
“Hermann Hesse ist der einzige aus seiner Generation, der es fertig bekommen hat, an der Schwelle der vierziger Jahre
ein neues Reis anzusetzen und zu einer zweiten feurigen Jugend emporzublühn (Mars)... Der zarte Hesse der
Kleinstadtgeschichten und des Knulp ist nicht mehr. Wie seine Aquarelle vom Luganer See vor Freude schreien: so
brennen und brannten (Mars) seine neuen Erzählungen.... Hesses Stern, der früher milde strahlte, rotiert jetzt wie eine
rote Sonne (Mars) am Himmel der deutschen Dichtung.”121
Widder an Spitze Haus 4 wurde jetzt nicht mehr als Aggression der Eltern oder als Autoaggression
(Mond-Mars) erlebt, sondern als eigene Durchsetzung und kraftvolle Energie des Neuanfangs in
seiner Schriftstellerlaufbahn. Mit 41 ½ Jahren, als “Demian” 1919 veröffentlicht wurde, hatte sich
auch Hesses Merkur am Deszendenten direkt ausgelöst. 122 Dieses Buch gilt als eine Zäsur zwischen
dem Frühwerk und dem Schaffen Hesses in seiner zweiten Lebenshälfte. 123 Im “Demian” fand
Hesse den Stil, der auch seine späteren Werke prägte, und sein grundlegendes Thema : “Weg nach
innen”. So legte er in dieser Zeit den Grundstein für seine weltweite Popularität als Kultautor für
Identitätssuchende von damals bis heute.
Mars transportiert auch die Energie des Neptuns aus 4 wieder mit nach 3. Hesses Themen in seinen
Werken sind ausgesprochen neptunisch: Außenseitertum, Sehnsucht nach Auflösung durch
Selbstmord im Wasser, Mystik, Meditation, Einheitsdenken, Liebe zu allem Dasein, Bejahen von
allem, was ist. Durch die Tiefenpsychologie fand er den Zugang zu den Archetypen des kollektiven
Unbewussten (Neptun), die er durch seine phantasievolle Sprache für seine Hauptfiguren lebendig
werden ließ.
Die Bewegungsrichtungen der Rezeption sind damit angeschaut. Bleibt noch, einen Blick auf die
beteiligten Planeten zu richten. In Haus 3 steht der Mond in weiter Konjunktion mit Saturn. Saturn,
Mond und Mars stehen alle in den Fischen. Neptun bildet mit Chiron eine weite Konjunktion,
beide stehen im Stier. Auf drei markante Konstellationen möchte ich noch eingehen: Mond-Saturn,
Mond-Neptun und Mars-Neptun mit Chiron.
120Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
121“Der Bücherwurm”, Dachau, Dezember 1920, zitiert nach Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg von
Volker Michels, st 1947, 1993, S. 185
122Siehe Anhang: Rhythmische Auslösungen (nicht bei hhesse.de dabei)
123Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg von Volker Michels, st 1947, 1993, S. 43
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3.2.3.3 Hesses Mutter: Mond - Saturn
Mond und Saturn bilden eine weite Konjunktion, beide in den Fischen und in Haus 3. Die beiden
Planeten stehen im Brennpunkt des Spannungsdreiecks mit Aszendent/Jupiter und
Merkur/Deszendent. 124 Die gegensätzlichen Planeten Mond und Saturn, die auf engem Raum
beieinanderstehen, bringen durch ihre Quadrate wesentlich die Spannung in die Aspektfigur und
von ihnen geht ein großer Antrieb aus für die geistige Sinnsuche (Jupiter) und für die Arbeit als
Schriftsteller (Merkur).
Die familiäre Situation ist bei Mond-Saturn gekennzeichnet durch gehemmte Emotionalität, Strenge
in der Erziehung und Kälte im Gefühl, auch Verlust oder frühe Trennung von der Mutter sind
möglich. Gefühlsausdruck ist nur nach dem Maßstab und der Erwartung der Umwelt erlaubt. Die
seelische Eigenart des Kindes wird gehemmt, weil nur gute, anständige (Saturn) Gefühle erlaubt
sind und gezeigt werden dürfen. Hesse beschreibt das im “Demian”125 mit den “zwei Welten”, die
lichte des Elternhauses und die dunkle alles Verbotenen, der Sinclair sich näher fühlt:
“Meine Schwestern gehörten ebenfalls zur hellen Welt. Sie waren, wie mir oft schien, im Wesen näher bei Vater und
Mutter, sie waren besser, gesitteter, fehlerloser als ich. Sie hatten Mängel, sie hatten Unarten, aber mir schien, das ging
nicht sehr tief, das war nicht wie bei mir, wo die Berührung mit dem Bösen oft so schwer und peinigend wurde, wo die
dunkle Welt viel näher stand.”126 .
Da der Mond auch für das Erleben der eigenen Mutter steht, stellt sich bei dieser Konstellation die
Frage nach dem Einfluss von Marie Hesse auf ihren Sohn. Was hat sie ihm für ein Frauenbild
vermittelt, welche Belastungen gab es aus ihrer eigenen Familiengeschichte, die das Klima in
Hesses Zuhause prägten?
Marie Hesse wurde 1842 in Indien auf einer Missionstation geboren. Ihr Vater, Hermann Gundert,
Missionar, war sehr streng zu ihr und ihre Mutter war eine hochreligiöse, asketische Calvinistin. Als
Marie vier Jahre alt war, wurde sie in Deutschland bei einer Pflegefamilie zurückgelassen und sah
ihre Eltern, die wieder nach Indien zurückkehrten, erst wieder mit 15. Marie beschrieb in ihrem
Tagebuch, wie sehr sie sich dadurch von den Eltern verstoßen und verlassen fühlte. 127 Diesen harten
Frust-Brocken (Mond-Saturn) gab Marie Hesse an den Sohn Hermann weiter. Er wurde 1890 zu
Pflegeltern nach Göppingen gebracht, weil die Erziehung des Dreizehnjährigen zu schwierig
geworden war. “Wiederholungszwang” nennt man das in der Psychologie: Die Problematik mit den
eigenen Eltern hat die Tendenz, in der Beziehung zu den eigenen Kindern wieder aufzutauchen.
Hesse litt sehr unter der Trennung von der Mutter (Mond-Saturn), besonders in der Anfangszeit.
Eine weitere Parallele: Auch Marie Hesse wurde ins Internat gesteckt, wo sie sich unter den
strengen Vorschriften sehr unwohl fühlte. Als sie einer Freundin half, die eine Liebelei begonnen
hatte, wurde sie von ihren Eltern aus dem Internat genommen mit der Begründung, damit sie “nicht
in einer so hohen Pension vollends vom Weltgeist fortgerissen werde.”128 Hier wird die Tradition
der strengen religiösen Erziehung, der dann auch Hermann Hesse unterworfen wurde, nochmals
deutlich in ihrer Körper- und Sexualitätsfeindlichkeit. Auf Maries eigene Bedürfnisse wurde keine
Rücksicht genommen. Doch sie rebellierte, verliebte sich in einen jungen Engländer auf ihrem Weg
nach Indien. Ihr Vater verurteilte ihre Liebesgeschichte zutiefst, was Marie verbitterte. Die Briefe
124Siehe im Anhang: Aspektfiguren
125Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
126Demian, st 206, 1980, S. 11f
127Die Lebensgeschichte von Marie Hesse ist beschrieben bei C. Karstedt, Die Entwicklung des Frauenbildes bei
Hermann Hesse, Frankfurt 1983, S. 22 ff. Sie beruft sich dabei auf Adele Gundert (Hrsg.), Marie Hesse. Ein
Lebensbild in Briefen und Tagebüchern. Frankfurt/ Main 1977
128Zitiert nach C. Karstedt, S. 23. Siehe vorherige Anmerkung.
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ihres Freundes, der sie heiraten wollte, wurden vom Vater einbehalten, der Freund wurde als
“impulsiver Weltmann” abgestempelt. Marie “wollte von keiner Liebe mehr hören”, da ihr “die eine
versagt war.”129 In dieser zerrissenen, lebensmüden psychischen Verfassung begann Marie, sich
dem Einfluss ihrer Eltern zu unterwerfen und sich Gott zuzuwenden. Das war die Stunde ihrer
Bekehrung zu einer überpersönlichen Hingabe an den Missionsgedanken zusammen mit den Eltern.
Aber auch über ein Jahr später rang sie noch mit sich, weil sie den Mann nicht vergessen konnte.
Die starke Persönlichkeit der jungen emotionalen Frau wurde so gebrochen, insbesondere ihr
Verhältnis zu ihrer eigenen Sinnlichkeit. Was dann folgte, waren Vernunftehen, die von den Eltern
vermittelt wurden, auch die mit Johannes Hesse, Hermanns Vater. Zwar hatte Marie durch ihre
Sekretärinnenarbeit bei ihrem Vater in seinem Calwer Verlagsverein und durch Lehraufträge (bei
Hesse: Mond in drei) ein Tabu für Frauen dieser Zeit durchbrochen und eine gewisse
Selbstständigkeit erreicht, aber ihre Eltern konnten sich mit ihren Heiratswünschen gegen Maries
eigene Vorstellungen durchsetzen. Marie hatte ihre Liebe und ihren Willen “Gott geopfert”. ”Ich
darf nicht meinen eigenen Weg aussuchen”, schrieb sie in ihr Tagebuch, als sie den Missionarssohn
Charlews Isenberg heiraten musste (1865), 130 der 1870 schon in Indien starb.
Es wird so klar, dass auch in der Vernunftehe mit Johannes Hesse 1874 Sinnlichkeit und ein auf
eigenes Glück gerichtetes Gefühlsleben sehr untergeordnet und mit dem Geruch des Bösen,
Weltlichen behaftet war, was hehrer Geistigkeit und Religiosität entgegenstand. Den Bruch mit
ihrer impulsiven Emotionalität und Sexualität, der Marie Hesse von den Eltern aufgenötigt wurde,
spürte der kleine Hermann mit dem sensiblen Fische-Mond in ihrem Umgang mit ihm, als Mangel
an Wärme, Zuwendung und Geborgenheit (Mond – Saturn). Diesen ungelösten emotionalen
Komplex, der durch die pietistische Strenge überdeckt wurde, gab seine Mutter an ihn weiter als
psychisches Familienerbe. Mit zweimal Pluto-Uranus (Uranus in 8 und Skorpion über 11) in
Hesses Horoskop ist auch daran zu denken, dass die unterdrückte Rebellion der Eltern – hier der
Mutter (Haus 8 im Krebs) – unbewusst auf das Kind übertragen wird. Das Kind muss dann die
verdrängten Auflehnungs- und Rebellionstendenzen zum Ausdruck bringen und wird zu einem
Problemkind. 131 Seine eigene Verzweiflung als Kind beschreibt Hesse in “Kinderseele”:
“Man nahm redliche und leidenschaftliche Anläufe zum Guten,....ja, immer und immer wieder erhob man sich, glühend
und fromm, um sich Gott zu widmen und den idealen, reinen, edlen Pfad zur Höhe zu gehen,....und immer wieder blieb
es nur ein Anlauf, ein Versuch, ein kurzer Flatterflug!....Gab es das in Gottes Welt, daß ein Mensch, ein Knabe
gleichzeitig alle hohen und alle bösen Triebe in sich hatte und leiden und verzweifeln mußte?” 132
Nun war er dran, die Dualität von Sinnlichkeit und Geist, die Verachtung des Körperlichen als
Thema seiner Familie aufzugreifen und zu lösen. Und er sollte jetzt auch die Frage nach dem
eigenen Weg aufnehmen, den sich die Mutter in dem wesentlichen Punkt der selbstbestimmten
Sexualität versagen musste. Gegen das Auseinanderdividieren von Sinnlichkeit und Geist lehnte
Hesse sich auf und versuchte, die Naturseite des Menschen, die sinnlichen Trieben wieder achten zu
lernen. Erst nach der Psychoanalyse war er fähig, seine Frauengestalten auch mit Sexualität zu
schildern (Maria und Hermine im Steppenwolf zum Beispiel).
Mond-Saturn bedeutet auch die starke Mutterbindung, die Abnabelung von der Mutter ist schwierig
und verzögert. Für eine Mutterproblematik spricht auch in Hesses Horoskop die Sonne im Krebs.
Die Warmherzigkeit der Mutter, die sie aber nur gebrochen leben konnte, ihre Zwiespältigkeit
führte bei Hesse zu einer Idealisierung der beschützenden Mutterliebe (Mond – Neptun), die er dann
von seinen Partnerinnen erwartete, was naturgemäß Verwicklungen mit sich bringt. Seine erste
129Zitiert nach C. Karstedt, S. 24. Siehe vorherige Anmerkung.
130Zitiert nach C. Karstedt, S. 25. Siehe vorherige Anmerkung.
131Ausbildungsunterlagen Hermann Meyer, Lektion Pluto-Uranus
132Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd. 5, S. 171f
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Ehefrau, Maria Bernoulli war neun Jahre älter als er und hatte auffallende Ähnlichkeit mit Marie
Hesse. Er heiratete sie zwei Jahre nach dem Tod seiner Mutter (1902). Maria Bernoulli war sehr
empfindsam, auf Ruhe bedacht und wurde später psychisch ernsthaft krank (Mond – Neptun), was
schließlich
zur
Auflösung
der
Ehe
führte.
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3.2.3.4 Die Sehnsucht nach der Urmutter: Mond – Neptun
Die Enttäuschung über die reale Mond-Saturn-Mutter führt zur Verherrlichung des Mutterprinzips,
zur Suche nach dem kosmischen Urmütterlichen, das die ideale Geborgenheit verspricht durch eine
überpersönliche Macht. C. G. Jung nannte diesen Archetyp die “Große Mutter”. In ihm sind
sämtliche Facetten des Weiblichen enthalten: Mutter, Madonna, Geliebte, “femme fatal”, Hexe,
Todesbringerin und weise Frau. Dieser Archetyp vereinigt Gegensätze wie Geburt und Tod, Freude
und Schmerz. 133 Für die Anbindung an das Kosmische steht Neptun, und so ist diese Sehnsucht
nach dem Urmütterlichen ein Kennzeichen der Konstellation Mond-Neptun. In Hesses Horoskop
kommt sie dreimal vor: Mond in den Fischen, Neptun in 4, Herrscher von Haus 4 in den Fischen.
In Hesses Werken entstehen aufgrund seiner Idealisierung des Mütterlichen und durch die
praktische Begegnung mit der Tiefenpsychologie und den Jung´schen Archetypen symbolhafte
Urmuttergestalten. Er haucht dem Jung´schen Archetyp durch seine Dichtung Leben ein. Die
Personen, die in seinen Romanen auftreten, sind letztlich nicht entscheidend als äußerliche
Gegenüber der Hauptgestalt, sondern verkörpern Teilpersönlichkeiten oder Archetypen der
erfahrenen Innenwelt, die wie in einem Traum der Hauptfigur agieren. Dies auf faszinierende Weise
in seinen Werken zu gestalten, das ist die Stärke von Hesse.
Da ist einmal im “Demian”134 Frau Eva, die Mutter von Demian, die schon durch ihren Namen auf
die Urfrau und Urmutter weist. Sie ist Sinclairs Traumbild, seine Geliebte, Mutter, Göttin, sein
Schicksal insofern, dass sie - neben Demian - Sinclair wieder ein Stück tiefer in sich selbst
hineinführt. Sie ist nicht eine reale Partnerin für Sinclair, sondern bringt ihn in Kontakt mit dem
Archetypus der Urmutter:
“Demian, was hast du für eine herrliche Mutter! Frau Eva! Der Name paßt vollkommen zu ihr, sie ist wie die Mutter
aller Wesen.”135
“Manchmal glaubte ich bestimmt zu fühlen, daß es nicht ihre Person sei (Frau Eva), nach der mein Wesen hingezogen
strebte, sondern sie sei nur ein Sinnbild meines Innern und wolle mich nur tiefer in mich selbst hineinführen. Oft hörte
ich Worte von ihr, die mir klangen wie Antworten meines Unbewußten auf brennende Fragen, die mich bewegten.
Dann wieder gab es Augenblicke, in denen ich neben ihr vor sinnlichem Verlangen brannte und Gegenstände küßte, die
sie berührt hatte. Und allmählich schoben sich sinnliche und unsinnliche Liebe, Wirklichkeit und Symbol
übereinander.”136
Das seelische Erleben im Innenraum von Sinclair vermischt sich hier mit aufkeimender
Sinnlichkeit, die jetzt nach der Psychoanalyse von Hesse, zwar noch etwas schüchtern, integriert
und bejaht werden kann – jedenfalls im Bild der Urmutter.
In dem späteren Roman “Narziß und Goldmund”137 ist es der liebste Traum des Künstlers
Goldmund, eine Figur der Eva-Mutter zu gestalten. Narziß, seinem Freund, der ihn als Vertreter des
Geistigen im Roman ergänzt, erklärt Goldmund am Ende des Romans, dass es die Mutter ist, die
ihm hilft, am Ende seines Lebens gern zu sterben.
“Ich lag und in meiner Brust tat es brennend weh, und ich wehrte mich und schrie, aber da hörte ich eine Stimme lachen
– eine Stimme, die ich seit meiner Kindheit nicht mehr gehört hatte. Es war die Stimme meiner Mutter, eine tiefe
Frauenstimme, voll von Wollust und Liebe. Und da sah ich denn, daß sie es war und mich auf dem Schoß hatte und daß
sie mir die Brust geöffnet und ihre Finger tief in der Brust zwischen meinen Rippen hatte, um mir das Herz
herauszulösen. Als ich das gesehen und verstanden hatte, tat es nicht mehr weh...Sie war die Zigeunerin Lise, sie war
133Erich Neumann, Die große Mutter, Freiburg 1981, S. 81
134Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
135Demian, st 206, 1980, S. 142
136Demian, st 206, 1980, S. 148
137Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
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die schöne Madonna des Meisters Niklaus, sie war das Leben, die Liebe, die Wollust, sie war auch die Angst, der
Hunger, der Trieb. Jetzt ist sie der Tod...sie hat mich zum Sterben verführt...Ich sterbe gern, sie macht es mir leicht.” 138
Hesse gestaltet hier einen Tod mit mütterlichem Antlitz, ganz im Sinne der “Großen Mutter”, die
Geburt und Tod, Freude und Schmerz umfasst. Ein Affront gegen den patriarchalisch verstandenen
Tod als Sensenmann in abstossendem Gerippekostüm! Die sanfte Hand Neptuns hat hier den
unerbittlichen
Saturn
als
Sensenmann
verdrängt.
138 Narziß und Goldmund, st 274, 1981, S. 318ff
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3.2.3.5 Der verletzte Friedenskämpfer: Mars-Neptun-Chiron
Die Konstellation Mars-Neptun ist angesprochen durch Mars in den Fischen und die Stellung des
Neptun in dem vom Widder beherrschten Haus 4. In der Rezeption von Haus 3 und 4 sind Mars und
Neptun die beiden Planeten, über die die Energie hin und hergetragen wird, deshalb stehen sie auch
in besonders engem Zusammenhang. Eine der Bedeutungen von Mars-Neptun möchte ich hier
herausgreifen, weil sie für Hesse folgenreich war: sich für den Frieden einsetzen, das pazifistische
Denken.
Hesse war nicht, wie oft gedacht wird, 139 von Anfang an Pazifist. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs,
als er schon zwei Jahre - seit September 1912 - in der Schweiz lebte, meldete er sich freiwillig zum
Wehrdienst, wurde aber aufgrund seiner Kurzsichtigkeit vorerst abgelehnt. Wie die meisten
Intellektuellen seiner Zeit begrüßte er den Kriegsbeginn:
“Die moralischen Werte des Krieges schätze ich im ganzen sehr hoch ein. Aus dem blöden Kapitalistenfrieden
herausgerissen zu werden tat vielen gut, gerade auch Deutschland, und für einen echten Künstler, scheint mir, wird ein
Volk von Männern wertvoller, das dem Tod gegenübergestanden hat und die Unmittelbarkeit und Frische des
Lagerlebens kennt...Da unsere Atmosphäre einigermaßen faul war, kann der Wechsel immerhin Gutes bringen.”140
Hesse merkte jedoch im Gegensatz zu vielen anderen sehr bald, dass er einer Illusion (Neptun)
aufgesessen war, was die positiven Auswirkungen des Krieges (Mars) betraf. Das lehrte ihn seine
Arbeit in der Kriegsgefangenenfürsorge:
“Ich habe ein kleines Erlebnis des ersten Kriegsjahres nie vergessen. Ich war zu Besuch in einem großen Lazarett, auf
der Suche nach einer Möglichkeit, mich irgendwie als Freiwilliger sinnvoll in die veränderte Welt einzupassen, was mir
damals noch möglich erschien. In jenem Verwundetenspital lernte ich ein altes Fräulein kennen, das früher in guten
Verhältnissen privatisiert hatte und jetzt in diesem Lazarett Pflegerinnendienste tat. Sie erzählte mir in rührender
Begeisterung, wie froh und stolz sie sei, dass sie diese große Zeit noch habe erleben dürfen. Ich fand es begreiflich,
denn für diese Dame hatte es des Krieges bedurft, um aus ihrem trägen, rein egoistischen Altjungfernleben ein tätiges
und wertvolleres Leben zu machen. Aber als sie mir ihr Glück mitteilte, in einem Korridor voll verbundener und
krummgeschossener Soldaten, zwischen Sälen, die voll von Amputierten und Sterbenden lagen, da drehte sich mir das
Herz um. So sehr ich die Begeisterung dieser Tante begriff, ich konnte sie nicht teilen, ich konnte sie nicht gutheißen.
Wenn auf je zehn Verwundete eine solche begeisterte Pflegerin kam, dann war das Glück dieser Damen etwas teuer
bezahlt.” 141
Im November 1914 veröffentlichte Hesse dann den berühmt gewordenen Aufsatz “O Freunde, nicht
diese Töne”, in dem er sich gegen den Boykott von Literatur und Musik der jeweiligen “Feinde”
sowohl in Deutschland als auch im Ausland wandte. Die Überwindung des Krieges bezeichnete er
hier als “edelstes Ziel und die letzte Konsequenz abendländisch-christlicher Gesinnung” und endete
mit: “Daß Liebe höher sei als Haß, Verständnis höher als Zorn, Friede edler als Krieg, das muß ja
eben dieser unselige Weltkrieg uns tiefer einbrennen, als wir es je gefühlt. Wo wäre sonst sein
Nutzen?”142
139Vergleiche zum Beispiel die im Anhang angefügte Kurzbiografie von Radio Bremen.
www.radiobremen.de/rb2_archiv/literatur/hesse/bio1.htm
140Brief an Volkmar Andreä, Bern 26.12.1914. Nach: O. Hoppe, H. Hesse, Der Steppenwolf, Werk und Rezeption,
Stuttgart 1977, S. 33f
141 Kurzgefasster Lebenslauf, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 6, S. 398
142 “Neue Zürcher Zeitung”, 3.11.1914. Nach: O. Hoppe, H. Hesse, Der Steppenwolf, Werk und Rezeption, Stuttgart
1977, S. 28ff
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Hesse selber fand diesen Aufsatz eine “ziemlich schüchtern geäußerte Klage”. 143 Doch die Reaktion
in Deutschland war ein Aufruhr. Der Artikel wurde mindestens 20- mal nachgedruckt, aber mit
empörten Kommentaren. 144 Hesse wurde beschimpft als “vaterlandsloser Gesell”, als “Verräter”, als
“Gesinnungslump” und “Drückeberger”145 , der sich als Feigling in der Schweiz eingenistet habe
und die anderen für ihn an die Front gehen ließe. Und der Verkauf seiner Werke ging in
Deutschland drastisch zurück. Seine tiefe Betroffenheit über die ablehnenden Reaktionen in
Deutschland, das er immer noch als Heimat empfand, trug zu seiner persönlichen Krise während der
Kriegsjahre bei. Hesse fühlte sich zutiefst verletzt (Chiron Konjunktion Neptun in Haus 4). Er
verstand sich trotz allem als Patriot: Widder an Spitze 4. Haus 4 umfasst auch die eigene Heimat,
das “Vaterland”, die Verbindung zur Heimat und zu den eigenen Wurzeln. Seine Art der
Vaterlandsliebe war nur eine etwas andere als die aktuell in der Kriegsbegeisterung gefragte. Hesse
konnte die Vorwürfe nicht akzeptieren, schließlich arbeitete er hart in der
Kriegsgefangenenfürsorge (Neptun-Mars), leitete die “Bücherzentrale für deutsche
Kriegsgefangene in Bern“ mit. In zahllosen Briefen forderte er da auf, Bücher für die Gefangenen
zu stiften. Er engagierte sich bis an seine Grenzen, sogar mit teilweise eigener Finanzierung, um
Bibliotheken für die Kriegsgefangenen aufzubauen (Mars in drei mit Spitze in den Fischen).
Auch auf diplomatischer Ebene (fünfmal Venus-Pluto)146 half Hesse, für die Situation kranker
Kriegsgefangener etwas in Bewegung zu bringen. Auf Anregung Romain Rollands war es 1915 bei
Hesse in Bern zu einem Treffen deutscher und französischer Politiker gekommen. Das Ergebnis war
ein Abkommen über die Hospitalisierung verwundeter Kriegsgefangener verschiedener
Nationalitäten in der neutralen Schweiz. 147
In “Der Steppenwolf” (1927) 148 sah Hesse dann sehr klar die Gefahr eines neuen Krieges
heraufziehen. Harry Haller, der wie Hesse als “vaterlandsloser Geselle” Verleumdete (Neptun in 4),
sagt zu einem Professor: “es stünde besser um unser Land und um die Welt, wenn wenigstens die
paar denkfähigen Menschen sich zu Vernunft und Friedensliebe bekennten, statt blind und besessen
auf einen neuen Krieg loszusteuern.”149
Während der Nazizeit geriet Hesse, der sich nie auf eine politische Partei festlegen wollte, erneut
zwischen die Fronten. Er gehörte nicht zu den Dichtern, deren Werke verbrannt wurden. Sein Haus
in Montagnola war aber für viele Emigranten wie Thomas Mann, Berthold Brecht und Martin
Buber zum Beispiel die erste Raststation nach dem Aufbruch und der Flucht aus Deutschland.
Hesse rezensierte auch verbotene Autoren, weswegen er als “Kulturbolschewist” und
“Volkverräter” angegriffen wurde. Andererseits kreideten ihm die Emigranten an, dass er zu
zurückhaltend in seinem Schweizer Tessin säße und nicht direkt gegen das Hitler-Regime anginge.
Wieder war Hesse schwer gekränkt (Neptun-Chiron). 150 Auch nach dem Krieg folgten im gleichen
Tenor schwere Auseinandersetzungen mit Hans Habe, einem jüdischen Emigranten, wegen
Urheberrechten, die Hesse schwer belasteten. Er fühlte sich als “Opfer des Nervenkrieges, den die
Welt gegen alles Menschliche führt.”151
143 Kurzgefasster Lebenslauf, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 6, S. 398
144Stern 29/2002, 125 Jahre Hermann Hesse /Teil 3, S. 72f
145Bernhard Zeller, Hermann Hesse, rororo-Monographie 85, 1963, S. 74
146Vergleiche Kap. 3.2.2.3.2 Der Psychopompus für ratsuchende Leser, S. 28
147Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg von Volker Michels, st 1947, 1993, S. 79
148Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
149Der Steppenwolf, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 7, S. 268
150Stern 30/2002, 125 Jahre Hermann Hesse /Teil 4, S. 74
151Stern 31/2002, 125 Jahre Hermann Hesse /Teil 5, S. 88f
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Neptun-Chiron-Konjunktion in Haus 4 mit Mars als Herrscher, das war auch schon die frühe
Verletzung (Chiron) durch den eifrigen Missionsdrang (Mars) und die Jenseitszugewandtheit
(Neptun) seiner Familie, die ihre christliche Religion als allein selig machende den nichtwissenden
Heiden überstülpen wollte - und dem kleinen Hermann auch (Mars-Neptun unerlöst). Seine
Antwort und sein Schutz war, Programme und festgelegte Systeme aller Art zeitlebens abzulehnen.
Auch Uranus in Haus 8 kann zum Ziel die Befreiung von Ideologien und Programmen haben. Diese
Prägungen ließen ihn fern von poltischen Parteien bleiben: “Mir liegt alles Politische nicht, sonst
wäre ich längst Revolutionär (Uranus in 8 könnte auch bedeuten: die Ideologie der Revolution).”152
Hesses Ansatz war ein anderer, er wollte beim einzelnen Menschen, beim Bau der Persönlichkeit
beginnen, um die Zukunft zu gestalten:
“Zwischen Marx und mir ist, abgesehen von den viel größeren Dimensionen von Marx, der Unterschied der: Marx will
die Welt ändern, ich aber den einzelnen Menschen. Er wendet sich an Massen, ich an Individuen.” 153
Die Konsequenz seiner Zurückhaltung gegenüber Parteien war, dass er mit Einsamsein und einer
großen Verletzbarkeit bezahlte, weil er als einzelner und als Außenseiter für die verschiedendsten
Parteien Angriffsfläche bot (Chiron-Neptun).
Seine Vorstellung von Frieden formulierte er 1918 in “Krieg und Frieden” nicht politisch, sondern
als spirituelle und philosophische Größe. Nicht auf ein Programm komme es an, sondern auf die
Weiterentwicklung jedes einzelnen:
“Ich glaube an die Herbeiführung des Weltfriedens auf rationellem Wege, durch Predigt, Organisation und Propaganda,
so wenig wie an die Entdeckung des Steins der Weisen durch Chemikerkongresse.
Woher aber wird doch einst vielleicht die wahre Friedfertigkeit auf Erden kommen? Nicht von Geboten und nicht aus
materiellen Erfahrungen. Sie kommt, wie jeder Menschenfortschritt aus der Erkenntnis. Alle Erkenntnis aber, wenn
man darunter etwas Lebendiges und nicht Akademisches versteht, hat nur einen Gegenstand.... Es ist die Erkenntnis des
Lebendigen in uns, in jedem von uns, in mir und dir, des geheimen Zaubers, der geheimen Göttlichkeit (Neptun), die
jeder von uns in sich trägt. Es ist die Erkenntnis von der Möglichkeit, von diesem innersten Punkte aus alle
Gegensatzpaare zu jeder Stunde aufzuheben (Uranus) , alles Weiß in Schwarz, alles Böse in Gut, alle Nacht in Tag zu
verwandeln... Wo jene höchste Erkenntnis da ist wie bei Jesus, bei Buddha, bei Plato, bei Laotse, da wird eine Schwelle
überschritten, hinter der die Wunder beginnen. Da hört Krieg und Feindschaft auf. Man kann davon im Neuen
Testament und in den Reden Gautamas lesen, und wer will, kann auch darüber lachen und es `Verinnerlichungsrummel`
heißen. Wer es erlebt, dem wird der Feind zum Bruder, der Tod zur Geburt, die Schmach zur Ehre, Unglück zu
Schicksal...
Ich sage Selbstverständlichkeiten. Aber wie jeder totgeschossene Soldat die ewige Wiederholung eines Irrtums ist, so
154
wird auch die Wahrheit, in tausend Formen, ewig und immer wiederholt werden müssen.”
Frieden kann es für Hesse nur geben, wenn der Mensch als einzelner den Weg nach Innen zu seiner
Seele geht, das Befangensein in der Polarität wie Gut und Böse überwindet (Uranus) und die
Allverbundenheit und den
göttlichen Funken in jedem Menschen entdeckt (Neptun).
152Stern 31/2002, 125 Jahre Hermann Hesse /Teil 5, S. 92
153Hermann Hesse, Lektüre für Minuten, st 7, S. 23
154 Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 10, S. 435 - 439
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3.3 Vom Geist zum Körper, von der Ordnung ins Chaos: Die
Mondknoten
Die karmische Entwicklungsrichtung geht bei Hesse von der Jungfrau zu den Fischen und von Haus
8 nach Haus 2.
Die Orientierung der analytischen Jungfrau an Alltagsangelegenheiten, Nützlichkeit, Ordnung und
Vernunft soll aufgebrochen werden, um sich für die größeren kosmischen Gesetze (Neptun) zu
öffnen. Das bedeutet, alles Be- und Verurteilen sein zu lassen und sich schließlich dem Fließenden
des Lebens (Chaos) anvertrauen zu können. Dafür müssen erst Ängste und Verdrängungen
aufgelöst werden. Das Ziel ist neues Urvertrauen durch eine Verbundenheit mit dem ganzen
Universum.
Im “Siddhartha”155 wird das Schauen in den Fluss zum Symbol für das unmittelbare Eintauchen in
den Fluss des Lebens. Auf die Frage seines Freundes Govinda nach einer Lehre, einem Glauben,
der ihm hilft zu leben, antwortet Siddhartha, dass er Lehrern und Lehren gelernt hat zu misstrauen
und am meisten vom Flusse vor seiner Hütte und dem einfachen Fährmann Vasudeva gelernt
hat. 156 Zusammen mit Vasudeva lernt Siddhartha, dem Fluss zuzuhören und zu lauschen:
“Siddhartha bemühte sich, besser zu hören. Das Bild des Vaters, sein eigenes Bild, das Bild des Sohnes flossen
ineinander, auch Kamalas Bild erschien und zerfloß, und das Bild Govindas, und andere Bilder, und flossen ineinander
über, wurden alle zum Fluß, strebten alle als Fluß dem Ziele zu....” 157
Die Achse zwei-acht mit nördlichem Mondknoten in Haus 2 zeigt ein Ungleichgewicht zwischen
Geist (Haus 8 im dritten Quadranten) und Körper (Haus 2 im ersten Quadranten). Es geht hier
darum, sich im eigenen Körper und den materiellen Werten neu zu verwurzeln, um der vorhandenen
Tendenz, geistig mit Welterklärungsmodellen abzuheben, entgegenzuwirken. Um es bildhaft zu
sagen: Bei dieser Konstellation hat der “Lebensbaum” eine zu große Krone und zu wenig Wurzeln.
Damit jedoch ein Baum stark ist und nicht so leicht umgehauen werden kann, braucht er ein festes
Wurzelwerk. Über die Bewertungen der anderen oder der Gesellschaft soll man hinaus wachsen und
eigene Wertvorstellungen entwickeln, indem man zunächst zur Substanz seiner selbst zurückgeht,
sich selbst wahrnimmt in seinem Körper und darauf ein Selbstwertgefühl aufbaut als Grundlage des
Lebens.
Von seiner Familie her bekam Hesse als Erbe die Überbetonung des Geistigen und Religiösen, alles
Weltliche und was mit dem Körper zu tun hatte, wurde als minderwertig angesehen, wie es die
christliche Religion verlangte.
Beides, den Weg von der Ordnung in das Chaos zu gehen und den Wert des Körperlichen zu
erkennen, hat Hesse bei seiner Psychoanalyse gelernt. In seinem Tagebuch schreibt er darüber:
“Ich verlange von mir Zurückgehen hinter die Gegensatzpaare (Saturn), Annehmen des Chaos (Fische). Dies ist
dasselbe, was die Psychoanalyse verlangt, woher ich es ja zum Teil auch habe: Wir sollen, wenigstens für ein einziges
Mal, alle Werturteile (Saturn) weglassen und uns selber ansehen, so wie wir sind (Haus zwei: Selbstannahme) oder wie
die Äußerungen des Unbewußten uns zeigen (Neptun), ohne Moral (Saturn), ohne Edelmut und all den schönen Schein
(Schütze - Jupiter), in unsren nackten Trieben und Wünschen (Haus zwei: vom eigenen Körper, der eigenen Substanz
155Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
156Siddhartha, Bibliothek Suhrkamp, 1977, S. 113
157Siddhartha, Bibliothek Suhrkamp, 1977, S. 122
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ausgehen), unsern Ängsten und Beschwerden (Neptun). “158
In “Der Steppenwolf” 159 sind es die Fraue n (Animabilder), vor allem Maria, die Harry Haller das
Genießen von Sinnlichkeit und Sexualität vermitteln, ihn auch tanzen lehren und die kleinen
Luxusgüter im Leben zu schätzen (Stier-Venus, Haus 2):
“Schon bei jenem ersten schüchternen Tanz mit ihr (Maria) hatte ich das empfunden, hatte diesen Duft einer genialen,
entzückend hochkultivierten Sinnlichkeit gewittert und war von ihr bezaubert gewesen....
Ich lernte vor allem, daß diese kleinen Spielzeuge, Mode und Luxussachen nicht bloß Tand und Kitsch sind..., sondern
berechtigt, schön, mannigfaltig, eine kleine oder vielmehr große Welt von Dingen, welche alle den einzigen Zweck
haben, der Liebe zu dienen, die Sinne zu verfeinern, die tote Umwelt zu beleben und zauberhaft mit neuen
Liebesorganen zu begaben, vom Puder und Parfüm bis zum Tanzschuh, vom Fingerring bis zur Zigarettendose, von der
Gürtelschnalle bis zur Handtasche.”160
Hesses Lilithstellung in Haus 2 deutet zusätzlich darauf, dass die Abspaltung des Körperlichen
überwunden werden soll. Es geht nach Kocku von Stuckrad bei Lilith in Haus 2 darum, die
“Heiligkeit des Körperlichen” 161 wiederzuentdecken. Der Körper ist nicht ein zufälliges und
unwichtiges Gefäß für die Seele, sondern “ein heiliger Ort”, in dem die kosmischen Zyklen von
Werden und Vergehen stattfinden, die Prozesse der Natur, die der Göttin unterstehen. Lilith wird
hier bei Stuckrad als eine der Manifestationen der antiken matriarchalischen großen Göttin
gedeutet, die “ebenso erotisch, kriegerisch, mütterlich, herausfordernd wie mitleidsvoll” sein 162
konnte. Dieses Lilithbild als Verkörperung der matriarchalischen Göttin erinnert stark an die
Schilderung der Urmutter in “Narziß und Goldmund”. 163 Lilith im Trigon zu Merkur und zum MC
(großes Luft-Trigon) und in Opposition zu Uranus in Haus 8 legt durch diese Anbindung nahe, dass
bei Hesses dichterischer Gestaltung von Archetypen, besonders der weiblichen, auch Liliths
Einfluss aus Haus 2 mitgewirkt hat.
158 Aus dem Tagebuch 1920/21
159Kurze Inhaltsangabe im Anhang.
160Der Steppenwolf, Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 7, S. 157
161Kocku von Stuckrad, Lilith, Im Licht des Schwarzen Mondes zur Kraft der Göttin, Braunschweig 1997, S. 110
162Kocku von Stuckrad, Lilith, Im Licht des Schwarzen Mondes zur Kraft der Göttin, Braunschweig 1997, S. 30
163Siehe Kapitel: Mond – Neptun
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4 Zusammenfassung und Ausblick
Nachdem die drei Teilstrukturen der Herrscherverknüpfungstafel ausführlich in Kapitel drei
angeschaut worden sind, ergibt sich folgendes Bild über den Zusammenhang zwischen Hesses
Radixhoroskop und seinem Leben und Werk:
Der Aszendentenherrscher Jupiter im Schützen und im eigenen Haus befähigt Hesse, sein Leben
lang um weisheitsvolle Einsicht in die Hintergründe des Lebens und um interkulturelle
Verständigung der Religionen und Philosophien in Ost und West zu ringen. Dieser besonders stark
gestellte Jupiter in Haus 1 macht ihn zu einem Schriftsteller des synthetischen Denkens, der hinter
allen Polaritäten die dahinterstehende Einheit sieht. Mit Herrscher von 1 in 1 geht er von seiner
eigenen Person aus und stellt seine psychischen Entwicklungsprozesse durch sein literarisches
Werk in einen öffentlichen Rahmen, indem er seine Erfahrungen künstlerisch verarbeitet. Dabei
unterstützt ihn seine tiefenpsychologische Therapie nach C. G. Jung.
Sein schriftstellerisches Können, seine enorme intellektuelle Ausdruckskraft konnte er aufgrund des
ebenfalls sehr stark gestellten Merkurs am Deszendenten (im eigenen Haus in den Zwillingen) so
hoch entwickeln. Seine AC-DC-Achse (Zwillinge-Schütze) lebte er nicht, wie von seiner
Missionarsfamilie ursprünglich vorgesehen, als evangelischer Theologe, sondern als Dichter und
Schriftsteller, der mit seinen Büchern die Leser aufforderte, ihre eigene Stimme im Innern
wahrzunehmen und so ihrem Lebenssinn näher zu kommen. Merkur und Jupiter, zueinander in
Opposition und Teil eines Spannungsdreiecks zu Mond/Saturn in seinem stärksten Haus, dem Haus
3, legten ihm die gewaltige Last auf, als Briefe schreibender “Seelenführer” (Merkur am DC) auf
die persönlichen Probleme seiner zahlreich ratsuchenden Leser einzugehen. Seine mehrfache
Venus-Pluto-Konstellation lebte er als Fähigkeit zur intensiven Begegnung mit seinen Lesern auf
künstlerischer Ebene.
Durch die Wasserbetonung in seinem Horoskop, insbesondere durch die Mond-NeptunKonstellation, ganz in Gefühle, Sehnsüchte und Stimmungen eintauchen zu können, war es Hesse
möglich, eine phantasievolle, emotional ansprechende Bildsprache zu entwickeln, die Leser aus
verschiedensten Kulturen tief berühren kann, weil sie aus der Verbindung zum kollektiven
Unbewussten schöpft (Neptun Herrscher über 3).
Die Rezeption zwischen Haus 4 und 3 (Mond-Merkur) zeigt, wie eng Denken und Gefühl sich bei
Hesse verbindet in der Herausforderung, mit seinem höchst empfindsamen Fischemond in die Welt
hinauszutreten und das Gefühlte auch darzustellen im literarischen Werk. Durch seine
psychoanalytischen Gespräche (1919 bis 1921), in denen er lernte, seelische Prozesse in Worte zu
fassen und Träume und Imaginationen zu deuten, gelang ihm ein Durchbruch zur eigenen
Identitätsfindung. Das beflügelte ihn wiederum als Künstler und Schriftsteller, neu anzufangen und
im “Demian” den Stil zu finden, der seine Weltberühmtheit begründet. Sein Thema “Weg nach
Innen” spricht Menschen an, die auf der Suche nach sich selbst durch Krisen gehen. Hesse wird
zum Kultautor mit neptunischen Themen wie Außenseitertum, mystisches Einheitsdenken und
Liebe zu allem Dasein.
Hesses Themen und Entwicklung ergeben sich aus der Auseinandersetzung mit seinen Eltern.
Saturn Quadrat Aszendent verweist auf die Einschränkungen durch Moral und Normen, die
Zuhause und in der Schule seinen Widerspruch herausfordern (Flucht aus Maulbronn) und ihn
depressiv machen. Mit Mond Konjunktion Saturn in den Fischen hat er die Aufgabe, die
vorgefundenen Strukturen kreativ so zu verändern, dass seine Gefühle wieder darin Platz finden
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können. Der “Eigensinn” wird zur Tugend. Sonne-Pluto zeigt die Tendenz zur Selbstzerstörung bei
Hesse und das Aufbegehren gegen die große Macht und die religiösen Vorstellungen seines Vaters.
Erst als er seine tiefen Krisen nutzt, um produktiv zu werden (Herrscher von 5 in 8), kann er Plutos
reiches kreatives Potential in Haus 5 künstlerisch entfalten und als freier Schriftsteller und genialer
Dichter (Pluto als Herrscher von 11 in 5) seinen eigenen Weg verwirklichen.
Seine streng pietistisch und sexualitätsfeindlich erzogene Mutter (Mond-Saturn) gab den sie als
junge Frau frustrierenden Konflikt zwischen irdischer Sinnenfreude und hehrer Geistigkeit im
Elternhaus als Familienthema an Hermann Hesse weiter, ebenso wie ihre unterdrückte Rebellion
(Uranus-Pluto). Die Polarität von Sinnlichkeit und Geist, das Wiedergewinnen der Achtung vor der
Naturseite des Menschen ist ein großes Thema für Hesse. Darauf verweist auch die Richtung der
Mondknotenachse von Haus 8 nach Haus 2 und die Position der Lilith in Haus 2.
Hesses Lösungsansätze für seine psychischen Krisen, die er in seinen Werken darstellt, haben
uranischen Charakter (Uranus in Haus 8 Trigon Jupiter): der Humor der Unsterblichen im
magischen Theater, die aus der Polarität herauspringen können (“Der Steppenwolf”), das
Traumbild vom Vogel, der sich aus dem Ei kämpft (“Demian”) und die Relativierung seiner
eigenen Glasperlenspiel- Utopie, deren Gedankengebäude letztlich wieder gesprengt werden muss.
Das harte Zusammentreffen von plutonischer Bindungs- und uranischer Befreiungsenergie durch
Uranus in Haus 8 führt bei Hesse zu einer Konzentration auf die Entwicklung des Individuums und
zur Weigerung, sich selbst auf eine Weltanschauung, Religion oder politische Partei je festzulegen.
Seine Botschaft zielt auf eine Stärkung der inneren Stimme in jedem Einzelnen gegen
Autoritätshörigkeit und für geistige Flexibilität, die auf selbstständigem Denken und einem Zugang
zu den eigenen Gefühlen aufbaut. In der Wandlungsfähigkeit und in jedem Neuanfang liegt der
Zauber und die Kraft zu leben (Gedicht: Stufen). Hesse identifiziert sich mit dem Nomadentum
(Widder an Spitze 4). Auch seine Schützebetonung verstärkt den Drang nach individueller Freiheit
und zu immer neuen geistigen Zielen. Mit Mond-Neptun ist er auch seelisch ein Heimatloser und
mit Chiron- Neptun-Konjunktion bezahlt er als Außenseiter den Preis, dass er von allen Seiten
angreifbar und leicht verletzbar ist – was sich vor allem in den Reaktionen auf seine politischen
Äußerungen zeigte.
Der Ansatz, bei der psychischen Entwicklung von einzelnen Menschen zu beginnen, um Änderung
in der Welt zu bewirken und die Zukunft zu gestalten, lässt Hesse zu einem Kultautor von
Alternativbewegungen wie “New Age” werden, die sich der Suche nach Selbsterkenntnis
verschrieben haben. Das Thema der Individuation mit seinen uranischen Lösungsansätzen bei Hesse
steht für die Wassermann-Löwe-Achse, für das jetzt beginnende Wassermann-Zeitalter. Hesses
bilderreiche gefühlvolle Vision von Selbstfindung in seinen Werken kann auch heute und in
Zukunft Wege aus der Enge von konventionellen Normen und erstarrter Autoritätsgläubigkeit
weisen. Die für das Fische-Jungfrau-Zeitalter typische harte Dualität von Körper und Materie
(Jungfrau) einerseits und Geist (Fische) andererseits versucht Hesse durch seine Bilder- und
Symbolsprache in eine gleichberechtigte Polarität mit dahinterstehender Einheit zu verwandeln.
Hesses Hilfe bei der Identitätssuche kann sein: Wenn ich auf meine innere Stimme anfange zu
hören und auch meine Schattenseiten integrieren lerne, dann ist es immer weniger notwendig,
anderen das Böse zuzuschieben, es auf Juden, Moslems oder Ausländer zu projizieren und sie als
Gruppen zu verachten. Der Weg zur eigenen Ganzheit, zum eigenen Selbst ermöglicht erst, den
anderen als gleichwertig anzuschauen und letztlich eine Weltgemeinschaft unter Gleichwertigen zu
entwickeln – die Utopie des Wassermannzeitalters. Die Zeitqualität mit Pluto im Schützen bringt
Tendenzen zum religiösen und weltanschaulichen Fanatismus in der Welt zutage mit kriegerischen
Folgen. Bei Hesse sind heilsame Gegenentwürfe dazu zu finden. Seine hoch entwickelte
Schützeenergie führte ihn zum Denken in Synthese, zur Ideologiefreiheit, zu interkultureller
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Öffnung und Brückenbildung zu anderen Religionen und Kulturen. Auch für Friedensbewegte, die
sich nicht einer Partei anschließen wollen, können Hesses politische Äußerungen und Erfahrungen
wichtig sein.
Astrologisch gesehen ist mit der Besprechung des Häuserherrschersystems in Hesses
Radixhoroskop die Grundlage gelegt, auch Hesses Leben im einzelnen anhand von Auslösungen
und Transiten durchzugehen und die Partnerhoroskope zu den Eltern und seinen drei Frauen
anzuschauen.
Wird Lilith mit zur Horoskopbetrachtung hinzugezogen, ergibt sich auch eine weitere Aspektfigur,
auf die ich Rahmen dieser Arbeit nur hinweisen möchte, da hier die Deutung nach dem
Herrschersystem im Vordergrund stand. Es ergibt sich mit Lilith, wenn Aszendent und Deszendent,
IC und MC mit dazu genommen werden, ein großes Sextil in Hesses Horoskop. Das große Sextil
besteht aus sechs Sextilen, die zusammengenommen im Horoskopkreis eine Sechseckfigur ergeben.
Das große Sextil, auch Sextilkranz genannt, gilt als harmonische Aspektfigur. Das Besondere ist,
dass in dieser Figur einige andere harmonische Aspektfiguren enthalten sind wie große Trigone,
mystische Rechtecke und Drachen. 164 Es wäre lohnenswert, Liliths Wirkung in Hesses Horoskop
noch genauer zu beleuchten zusammen mit einer Interpretation des großen Sextils.
Auffallend sind auch die Fülle an Biquintilen und Quintilen in Hesses Horoskop und speziell ein
Quintil-Biquintil- Dreieck zwischen Venus, Aszendent und aufsteigendem Mondknoten. 165 Quintile
zeigen sehr spezielle Talente an, die möglicherweise in früheren Leben erworben wurden und oft
die “Aura des Magischen“ besitzen, zum Beispiel ist an Magie der Farben (Hesse als Maler), an
Magie der Gedanken oder Worte (Hesse als Dichter, seine “magische Brücke” nach Asien) zu
denken. 166 Beide Aspektfiguren, die nicht sehr häufig vorkommen, verweisen noch einmal auf die
besonderen Fähigkeiten des Dichters Hermann Hesse und auf die Faszination, die von ihm ausgeht.
164 Siehe Anhang unter Aspektfiguren.
165 Siehe Anhang unter Aspektfiguren.
166 Wilfried Schütz, Ausbildungsunterlagen zur Aspektlehre
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5 Nachwort
Hermann Hesses Bücher sind für mich seit langem treue Begleiter meines Lebens. Sie haben mich
in meinem Bemühen um Selbstfindung und Selbsterkenntnis wesentlich gefördert und mir neue
Horizonte in meiner Weltsicht und auch berufliche Möglichkeiten eröffnet.
Es begann, als mir in der zehnten Klasse eine Mitschülerin empfahl, Hesses “Demian” doch mal zu
lesen. Damals in der Schule mochte ich kein Deutsch, und vor allem Gedichte fand ich blanken
Unsinn. Dagegen lobte ich mir die Naturwissenschaften und vor allem die Mathematik. Sie war mir
wegen der unbestechlichen und eindeutigen Logik viel lieber. Damit kam ich gut zurecht und fühlte
mich getröstet, dass es doch wenigstens auf diesem Gebiet eine Sicherheit gab. Gedichte und
Geschichten hatten dagegen etwas Nebelhaftes, es gab so viele Möglichkeiten, sie zu interpretieren.
Dann entdeckte ich beim Lesen von Demian, wie sehr ich mich in meinen Gefühlen, meinen
Konflikten mit den Eltern und meiner Sehnsucht nach Ganzheit widergespiegelt sah in der Art von
Hesses Worten. Er drückte auf wundersame Weise das aus, was ich auch empfand, aber nicht hätte
so aufschreiben können. Das faszinierte mich damals, und mein Interesse für Dichtung und
schließlich auch für den Deutschunterricht war geweckt.
Später führte das dazu, dass ich mich nicht zwischen naturwissenschaftlicher und sprachlicher
Richtung entscheiden wollte und daraufhin Germanistik, Philosophie und Mathematik fürs Lehramt
am Gymnasium studierte. Beim Examen in Germanistik gab ich Hesse als Schriftsteller an.
Besonders beeindruckten mich die Interpretationen aus tiefenpsychologischer Sicht. Hesse hatte
Kontakt mit C. G. Jung und sich selbst bei einem Schüler Jungs 1916 analysieren lassen. Das
beeinflusste sein weiteres Wirken als Schriftsteller nachhaltig. Der Frage, wie es zu verstehen ist,
dass Hesse den “Demian” als “Frucht der Psychoanalyse” bezeichnet, ging ich auch in meinem
Referendariat nach. Ich schrieb meine zweite Staatsexamensarbeit über das Thema: “Das Problem
der Selbstfindung in Hesses Demian, unter Berücksichtigung der Autorbiographie und
psychoanalytischer Grundbegriffe” und hielt darüber eine Unterrichtseinheit im Leistungskurs der
Klasse 12. Da ich bei diesem Thema persönlich besonders engagiert war und mich gut mit meinem
Interesse für Psychologie und meiner Vorliebe für Hesse bei den Schülern einbringen konnte, waren
diese Unterrichtsstunden erfolgreich und eine Freude für mich in einer sonst schwierigen Zeit.
Später gab ich auch einige Volkshochschulkurse zu Hesse und seinem Verhältnis zur
Tiefenpsychologie von C.G. Jung. Dabei dienten auch andere Werke von Hesse als Grundlage, so
“Der Steppenwolf”, “Narziß und Goldmund”, “Siddhartha” und “Die Märchen”.
Nach meiner astrologischen Ausbildung bei Hermann Meyer sah ich mich nun herausgefordert,
auch astrologisch nachzuvollziehen, welche Einflüsse und Energien auf Hesse gewirkt haben. Dem
wollte ich in der vorliegenden Arbeit nachgehen und so mein längerfristiges Thema mit Hesse
wieder aufgreifen. Es galt für mich ein weiteres Mal - astrologisch ausgedrückt -, auf Hesses Jupiter
zu bauen, der gradgenau im Schützen auf meinem MC und auf meinem nördlichen Mondknoten zu
stehen
kommt.
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6 Literatur
6.1 Astrologie
Ausbildungsunterlage n vom Institut für psychologische Astrologie unter der Leitung von Hermann
Meyer
Hamaker-Zondag, Karen M. Häuserherrscher und Häuserbeziehungen, München 1999
Hamers, Gertrud. Lebensskripte, Die Dispositorenverknüpfungen im Horoskop, Tübingen 2001.
Über Hermann Hesse: S. 98-103
Marks, Tracy. Die Kunst der Horoskop – Synthese, Hamburg 1993
Meyer, Hermann. Das astrologische Herrschersystem, München 1996
Öhlschleger, Rainer. Stichworte zur Horoskopdeutung, Edition Astrodata 1996.
Über Hermann Hesse: S.74-78
Roscher, Michael. Der Mond, Licht und Schatten astrologischer Mond-Konstellationen,
Knaur 86158, 1997
Roscher, Michael und Völkel, Werner. Das Buch der Häuserherrscher, Freiburg im Breisgau 2000
Stuckrad, Kocku von. Lilith, Im Licht des Schwarzen Mondes zur Kraft der Göttin, Braunschweig
1997
Zehl, Hermine-Marie/Kobbe, Christine. Wendepunkte im Leben, München 1997
6.2 Hermann Hesse
Fernsehsendungen:
Hermann Hesse : Ein langer Sommer, Film von Werner Weik (1987), ausgestraht von 3sat am
8.6.02, 22:35
Hermann Hesse – Lebensstationen. Ein Film von Sarah Palmer, Südwest 3, 29.6.02, 0:00 – 0:30
Hermann Hesse – Wegbereiter eines neuen Denkens? Gespräche und Musik zu Hermann Hesse aus
dem Kloster Maulbronn. 3Sat, 15.6.02, 20:15
Hesse, Hermann. Werkausgabe Edition Suhrkamp, 1970, Bd 1 – 12
Hesse, Hermann. Ausgewählte Briefe, zusammengestellt von Hermann und Ninon Hesse,
st 211,1974
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Hesse, Hermann. Demian, st 206, 1980
Hesse, Hermann. Der Steppenwolf, st 175, 1974
Hesse, Hermann. Gesammelte Briefe, Suhrkamp 1973, Bd 1
Hesse, Hermann. Kindheit und Jugend vor 1900, hrg. von Ninon Hesse, st 1002
Hesse, Hermann. Klingsors letzter Sommer, rororo 1462, 1971
Hesse, Hermann. Lektüre für Minuten, st 7, 1972
Hesse, Hermann. Mein Glaube, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1971
Hesse, Hermann. Narziß und Goldmund, st 274, 1981
Hesse, Hermann. Siddhartha. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1977
Hoppe, Otfried. H. Hesse, Der Steppenwolf, Werk und Rezeption, Stuttgart 1977
Internet:
www.dhm.de/lemo/html/biografien/HesseHermann/index.html
www.hhesse.de
www.radiobremen.de
www.swr.de
Karstedt, Claudia. Die Entwicklung des Frauenbildes bei Hermann Hesse, Frankfurt 1983
Materialien zu Hermann Hesses “Der Steppenwolf”, st 53, 1972
Materialien zu Hermann Hesse “Demian”, hrg. von Volker Michels, st 1947, 1993
Neumann, Erich. Die große Mutter, Freiburg 1981
Pfeiffer, Martin. Hesse-Kommentar zu sämtlichen Werken, st 1740
Radiosendung “Glaubensfragen. Hermann Hesse und die Religionen des Ostens.” SWR 2, 7.7.02,
12:05-12:30
Stern 27/2002 bis 30/2002, 125 Jahre Hermann Hesse /Teil 1 bis 4
Zeller, Bernhard. Hermann Hesse, rororo-Monographie 85, 1971
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7 Anhang
Übersicht
1.) Horoskopgrafik von Hermann Hesse
2.) Auswertung nach dem Sarastro-Astroprogamm:
Stärke der Häuser
3.) Grafik: Herrscherverknüpfung bei Hermann Hesse
4.) Aspektfiguren
Spannungsdreieck
Das große Sextil
Das Quintil-Biquintil-Dreieck
5.) Das von Joseph Englert 1919/20 (?) erstellte Horoskop Hesses
6.) Tabellarischer Lebenslauf von Hermann Hesse
http://www.hhesse.de/exlink.php?link=http://www.dhm.de/lemo/html/bi
ografien/HesseHermann/index.html
7.) Hermann Hesse: Kurzbiografie von Radio Bremen:
www.radiobremen.de/rb2_archiv/literatur/hesse/bio1.htm
8.) Kurze Inhaltsangaben zu den bekanntesten Werken von H. Hesse
Unterm Rad (1906) Seite 1
Demian (1919) Seite 1
Klingsors letzter Sommer (1920) Seite 2
Siddhartha (1922) Seite 2
Der Steppenwolf (1927) Seite 3
Narziß und Goldmund (1930) Seite 4
Das Glasperlenspiel (1943) Seite 5
9.) Kurze Einführung in astrologische Grundbegriffe und Methoden
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