Parodontitis - Dr. Claudia Schroeder

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Medizin Aktuell
Parodontitis
Die unterschätzte Gefahr
Was haben ein Herzinfarkt und eine Frühgeburt gemeinsam? Beide können durch eine chronische Entzündung im Mundraum, eine Parodontitis, verursacht
sein. ORTHOpress befragte Frau Dr. Claudia Schroeder,
Fachärztin für Oralchirurgie aus Mönchengladbach und
Pa­rodontitis-Spezialistin, zu dieser so
oft unterschätzten Erkrankung.
Frau Dr. Schroeder, was genau ist eine
Parodontitis?
Dr. Schroeder: Als Parodontitis bezeichnet
man eine entzündliche Erkrankung des
Zahnbettes, also des Zahnhalteapparates. Verursacht wird sie durch Bakterien,
die sich zunächst in Zahnbelägen vermehren. Unbehandelt greift die Entzündung
auf den gesamten Halteapparat über. Zwischen Zahnfleisch und Zähnen bilden sich
mehr oder weniger tiefe Taschen aus, die
den Angriff der Bakterien auf Wurzelhaut
und letztlich den Kieferknochen ermöglichen. Die Folge ist, dass sich die Zähne lockern und letztlich auch ausfallen. Mittlerweile gehen bei Erwachsenen mehr Zähne
durch eine Parodontitis verloren als durch
Karies. Allerdings handelt es sich bei der
Parodontitis keineswegs um eine auf die
Mundhöhle begrenzte Erkrankung. Wir
wissen heute, dass chronische Entzündungen als
systemische
Erkrankungen anzusehen sind, die
immer auch
Auswirkungen auf den
gesamten Organismus haben. So erhöht
sich z. B. bei Patienten mit Parodontitis
das Risiko für einen Herzinfarkt oder einen
Schlaganfall gegenüber Zahngesunden
um mehr als das Doppelte. Und Schwangere mit Parodontitis haben sogar ein
sechsfach erhöhtes Risiko für eine Fehlbzw. Frühgeburt. Schließlich stellt solch
eine chronische Erkrankung auch eine
chronische Überforderung des Immunsystems dar mit weitreichenden Folgen.
Diese Gefahr kann man nicht ernst genug
nehmen. Man muss sich vorstellen, dass
jemand, der an einer generalisierten Parodontitis leidet, eine entzündete Wundfläche ähnlich einer handflächengroßen
Wunde im Mund hat. Diese würde kein
Mensch belassen, sondern eben direkt
zum Arzt gehen.
Wie kann es zu so einer chronischen
Entzündung im Zahnbereich kommen?
Dr. Schroeder: Am Anfang steht eine
Störung des „Biotops“ Mundhöhle. Unerwünschte Keime gewinnen die Oberhand und zerstören die normale Mundflora. Dies ist natürlich häufig bei einer
mangelhaften Mundhygiene der Fall, aber
nicht nur. Besonders gefährdet sind Rau-
Frau Dr. Claudia Schroeder widmet sich seit vielen Jahren
der Parodonto­logie und hat sie neben der Chirurgie und der
Implantologie zu ihrem ­Spezialgebiet gemacht.
cher, bei denen sehr oft das Mikroklima
in der Mundhöhle verändert ist. Daneben
spielen eine gewisse erbliche Veranlagung, bestimmte Ernährungsgewohnheiten und einige Erkrankungen, wie z. B.
Diabetes, eine begünstigende Rolle.
Woran merkt man, ob sich im eigenen
Mund eine solche Erkrankung anbahnt?
Dr. Schroeder: Im Anfang macht die Erkrankung keine bis kaum Symptome. Das
ist das Gefährliche. Erst wenn sie bereits
weiter fortgeschritten ist, finden sich Hinweise. Anzeichen sind häufiges Zahnfleischbluten beim Zähneputzen oder
beim kräftigen Biss in den Apfel. Auch ein
schlechter Geschmack im Mund und hartnäckiger Mundgeruch können darauf hinweisen. Überempfindlichkeit gegenüber
heißen oder kalten Getränken und Speisen ist bereits ein deutliches Hinweiszeichen, dass die Zahnhälse freiliegen, und
das Anfangsstadium der Parodontitis bereits überschritten sein könnte. Am besten
ist es jedoch, es erst gar nicht soweit kommen zu lassen. Vorsorgen kann man durch
regelmäßige Besuche bei im Bereich der
Parodontologie speziell ausgebildeten
Zahnärzten. Sie können bereits erste Veränderungen wie eine sonst unerkannt
bleibende Zahnfleischentzündung, eine
sogenannte Gingivitis, sehr früh feststellen und gegebenenfalls behandeln.
Medizin Aktuell
Quelle: www.implantologie-mg.de
Wann kann eine chirurgische Intervention sinnvoll sein?
Dr. Schroeder: Dies kann erforderlich
werden, wenn wir Gewebe wieder aufbauen können und somit je nach Situation eine Knochenregeneration erzielen
können. Oder wenn die Zahnhälse frei-
Mögliche Auswirkungen einer Parodontitis auf den Gesamtorganismus
Quelle: www.implantologie-mg.de
Wie sieht die Behandlung einer Parodontitis aus?
Dr. Schroeder: Das hängt vom Stadium
und dem Ausmaß der Erkrankung ab.
Grundlage ist eine umfangreiche Befunderhebung und Diagnostik, bei der nicht
nur z. B. Anzahl und Tiefe der Taschen mit
der Sonde erfasst werden, sondern in der
Regel auch ein Röntgenbild angefertigt
wird, um etwaige Knochenschäden beurteilen zu können. In einigen Fällen– z. B.
wenn besonders aggressive Bakterien vorliegen – kann die Bestimmung der Keime
und deren antibiotische Austestung sinnvoll sein. Die Bakterien organisieren sich
in der Mundhöhle und bilden einen sogenannten Biofilm. Dieser Biofilm ist mit
eine der Ursachen allen Übels. Dadurch
kommt es zu Schleimhautreaktionen und
zum Knochenabbau. Also muss dieser
Biofilm entfernt werden. In der Regel machen wir das in kleinen Schritten, sodass
es wirklich schmerzfrei für den Patienten
ist. Anschließend muss natürlich auch in
den tiefen Taschen der Biofilm entfernt
werden. Dies tun wir sehr schonend mit
minimalinvasiven Instrumenten. Manchmal können auch kleine chirurgische
Maßnahmen erforderlich sein. Auch hier
steht natürlich die minimalinvasive Technik im Vordergrund.
liegen und dort ein erhöhter Knochenverlust aufgrund der Gewebestruktur droht.
Auch hier kann man mit neuesten Methoden der Geweberegenerationstechnik die Knochenneubildung anregen. So
können Spezialisten oft auch in weit fortgeschrittenen Stadien die betroffenen
Zähne erhalten.
Was können Patienten – außer regelmäßig die Zähne zu putzen – selber zu
ihrer Zahngesundheit beitragen?
Dr. Schroeder: Die tägliche Mundpflege
ist die Basis, um die Entstehung von gefährlichen Zahnbelägen zu vermeiden.
Dazu genügt es allerdings nicht nur die
Zahnbürste regelmäßig zu verwenden.
Zusätzlich sollten Interdental-Bürsten
und Zahnseide zur Reinigung eingesetzt
werden, um auch schwer zugängliche
Stellen nicht zu vernachlässigen. Ergänzend kann mit einer Mundspüllösung
der bakterielle Befall reduziert werden.
Diese Mundhygienemaßnahmen müssen
individuell mit einer Fachkraft eingestellt
werden, denn Mundpflege ist so individuell wie der persönliche Fingerabdruck.
Nach der parodontalen Tiefenreinigung
ist eine lebenslange Infektionsnachsorge mit einem sogenannten Biofilm-Management unerlässlich. Denn, wie schon
erwähnt, Parodontitis ist eine chronische
Erkrankung und erfordert daher wie alle
chronischen Erkrankungen eine dauerhafte professionelle Nachsorge. Nach einer
Pardontitis-Behandlung ist sie ein Muss.
Dass regelmäßige Kontrollen beim Zahnarzt erfolgen, halte ich für selbstverständlich. Vor allem Schwangeren, Rauchern,
Diabetikern und Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen sollte die Zahngesundheit im wahrsten Sinne des Wortes eine
Herzensangelegenheit sein. In der allgemeinen Lebensweise tragen der Verzicht
auf das Rauchen und eine zahnfreundliche Ernährung wesentlich zur Zahn- und
Mundgesundheit bei. Dass dies nicht
nur den Zähnen, sondern vielmehr dem
ganzen Organismus zugute kommt, habe
ich bereits oben erläutert. Unser Ziel ist
es – ähnlich wie wir mit entsprechender
Aufklärung in den vergangenen Jahren die
Kariesfälle deutlich reduzieren konnten –
jetzt auch das Bewusstsein für die weitaus gefährlichere Parodontitis zu schärfen und ihr Auftreten einzudämmen.
Ablauf einer Parodontitis mit
zunehmendem Zahnfleischschwund,
Ausbildung von tiefen Taschen und
­beginnender Knochenzerstörung
Frau Dr. Schroeder, haben Sie herzlichen Dank für das interessante Gespräch!
Weitere Informationen
Tel.: 02161 - 20 31 3
[email protected]
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