Weltraumteleskop MOST im Weltraum

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Weltraumteleskop MOST im Weltraum
Theresa Lüftinger
Plesetsk, 30. Juni 2003. Vom russischen Weltraumbahnhof,
800 km nordöstlich von Moskau, erhebt sich in den frühen
Morgenstunden eine ballistische Interkontinentalrakete
aus ihrer Abschussvorrichtung – atomare Abrüstung einmal anders. An Bord befinden sich keine atomaren Sprengköpfe, sondern insgesamt neun Kleinsatelliten, die in eine
Umlaufbahn in ca. 800 km Höhe – einem Low Earth Orbit
(LEO) – transferiert werden. Das kanadische Weltraumteleskop MOST (Microvariability and Oscillations of STars
– Sternmikrovariabilität und -oszillationen) ist einer dieser
Satelliten und steht am Beginn seiner äußerst erfolgreichen
Mission.
Der österreichische Astronom Werner W. Weiss ist auch vor
Ort und beobachtet den Start des Satelliten. Weiss ist Leiter
eines Forschungsteams am Institut für Astronomie der Universität Wien und verantwortlich für die österreichische
– und somit einzige nicht-kanadische – Beteiligung an der
Mission. Sein Hauptinteresse liegt bei veränderlichen Sternen, die MOST vorwiegend messen soll. „Sterne sind die
Fabriken für die Bausteine des Universums“, so Weiss. „Im
Laufe ihrer Entwicklung erzeugen sie, ausgehend von dem
einfachsten Element Wasserstoff, immer komplexere Elemente wie Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff, Gold oder
Silber. Um die Entwicklung des Universums und all dessen
Bestandteile – wie auch zum Beispiel das Leben auf der Erde
– zu verstehen, muss man die Entstehung und die Entwicklung der Sterne entschlüsseln.“
Pulsierende Sterne sind hierfür besonders gute Forschungsobjekte, da sie einen Einblick in ihr Inneres erlauben. Prozesse im Inneren des Sterns erzeugen seismische Wellen,
die durch den gesamten Stern laufen. Diese Sternbeben
verursachen Helligkeitsänderungen, deren Frequenz und
Stärke unmittelbar mit Aufbau und Struktur des Sternes zusammenhängen.
Abb. 1: Vergleich der Helligkeitsschwankungen (zurückzuführen auf Pulsationswellen im Stern) der Sonne mit dem Stern Procyon. Entgegen der
theoretischen Vorraussagen weist dieser lt. MOST-Daten keine Pulsationssignatur auf.
zahlreichen Teleskopen auf der Erde und photometrisch in
unerreicht hoher Qualität von MOST beobachtet. Die Ergebnisse werden mit Spannung erwartet!
MOST erlaubt auch die Beobachtung von extrasolaren Planetensystemen. Die Frage nach der Einzigartigkeit unseres
Sonnensystems wurde erst vor 10 Jahren mit der Entdeckung
eines Planeten um den Stern 51 Pegasi beantwortet. Seither
wurden rund 200 weitere Planeten um Sterne entdeckt, wobei allerdings (noch) keiner mit der Erde vergleichbar ist.
MOST misst die kurzzeitige Verdunkelung des Sterns, die
ein vorbeiziehender Planet verursacht. (Abb.2)
Die MOST-Beobachtungen des Sternes Procyon1), beispielsweise, haben besonders intensive und kontroversielle Diskussionen in der Wissenschaftswelt hervorgerufen (Abb. 1):
Astronomen erwarteten sich die Detektion von Oszillationssignaturen, hervorgerufen durch Pulsationswellen an der
Sternoberfläche, ähnlich wie bei der Sonne. Als mit MOST
keine derartigen Signaturen entdeckt werden konnten (publiziert in der Wissenschaftszeitschrift ‚Nature‘), führte
dies zu hitzigen Debatten in der Astronomenwelt und zur
Überarbeitung der zugrundeliegenden Theorien. Anfang
dieses Jahres wurde der Stern erneut spektroskopisch von
1)
Abb. 2:
Photometrischer Nachweis
von Exoplaneten: Zieht ein
Planet vor dem
Zentralgestirn
vorüber, kommt
es zu einer minimalen Helligkeitsänderung.
Hauptstern im Sternbild „Kleiner Hund“
Theresa Lüftinger, Institut für Astronomie der Universität Wien
Aus der Forschung
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Mit der Beobachtung des Exoplaneten HD 209458b²), beispielweise, konnten sogar Helligkeitsschwankungen gemessen werden, die einer Lichtveränderung, verursacht durch
ein Insekt beim Vorüberflug an einer Straßenlaterne beobachtet aus 1000 km Entfernung, entsprechen würden. Mit
der Beobachtung dieses Systems können sogar Aussagen
über die Zusammensetzung der Oberfläche des Planeten
getroffen werden³).
haben. Das Datenvolumen, das vom Satelliten gewonnen
werden kann, wird dadurch fast verdoppelt.
Ein anderes spektakuläres Planetensystem, das mit MOST
beobachtet werden konnte, befindet sich um den Stern Tau
Bootis: hier läuft ein Planet so eng um seinen Zentralstern
herum, dass er, wie erwartet (ähnlich wie der Mond um die
Erde) gebunden um den Stern rotiert (ihm immer dieselbe
Seite zuwendet). Womit jedoch niemand rechnete, was aber
im System um Tau Bootis mit MOST entdeckt wurde, ist,
dass der Planet auch den mehr als 1000 mal massiveren
Stern zwingt, synchron mit seinem Orbit zu laufen. Die beste Erklärung dafür ist, dass die Magnetfelder des Sternes
und des Planeten äußerst eng miteinander verflochten sind
und so auch Flecken und sogenannte ‚Flares‘ in der Sternatmosphäre hervorgerufen werden. Tatsächlich wurde für
diesen Stern zum allerersten Mal in einem extrasolaren Planetensystem ein Magnetfeld nachgewiesen, und mit MOST
gezeigt, wie viel man über einen extrasolaren Planeten aus
der Untersuchung seines Einflusses auf den Zentralstern
lernen kann.
Die Herzstücke von MOST sind das Spiegelteleskop mit
einem Durchmesser von 15 cm und ein 1024 x 1024-Pixelgroßer CCD-Detektor – ein Mikrochip, vergleichbar mit jenen in Digitalenkameras. Eine Matrix aus 36 Linsen4), die
sich vor dem Detektor befindet, hält die Abbildung eines
Sternes stabil auf dem Detektor und sorgt dafür, dass ein
eventuelles Schwanken des Satelliten die Aufnahmequalität nicht verschlechtert. MOST kann Helligkeitsschwankungen von bis zu einem Millionstel der Sternhelligkeit
messen, was mit einem Auge, das das Flackern einer Kerze
in einer Entfernung von einem Kilometer erkennen kann,
vergleichbar ist.
Um eine durchgehende Beobachtung zu gewährleisten, befindet sich MOST auf einem sonnensynchronen, polaren
Orbit. Seine Umlaufbahn verläuft im Gegensatz zu vielen
Satelliten nicht entlang des Äquators, sondern annähernd
über den Nord- und Südpol und folgt ständig der Tag- und
Nachtgrenze. Die Kommunikation zum Satelliten übernehmen drei Bodenstationen, zwei in Kanada (Vancouver und
Toronto) und eine in Österreich (am Institut für Astronomie
in Wien, Abb. 3). Die österreichische Bodenstation ist dabei
von besonderem Wert. Durch ihren Standort ist es möglich,
den Datenspeicher des Satelliten auch dann zu leeren, wenn
die beiden Stationen in Kanada keinen Kontakt zu MOST
2)
3)
4)
Abb. 3: Antenne der MOST- Bodenstation am Institut
für Astronomie in Wien.
Nach dreieinhalb Jahren im Weltraum liefert MOST noch
immer Beobachtungen in ausgezeichneter Qualität. Um das
Gebiet der Satellitenastronomie auch Interessierten außerhalb universitärer Einrichtungen näher zu bringen, hat das
Forschungsteam rund um Werner W. Weiss ein Projekt mit
dem Namen „Das Universum im Koffer – M.O.S.T. für alle“
gestartet. Es soll allen, die sich für beobachtende Astronomie interessieren und mit Satellitendaten arbeiten wollen,
genau diese Möglichkeit geben. Vor allem Schulen sollen angesprochen und motiviert werden, sich, mit Unterstützung
des österreichischen Forschungsteams, am Projekt zu beteiligen, um Naturwissenschaft einmal anders zu erleben.
Nähere Informationen dazu und zu MOST gibt es unter
http://universum-im-koffer.at
Jupiterähnlicher Planet, Abstand vom Zentralgestirn: 6,75 Millionen Kilometer, Umlaufzeit: 3,5 Tage
Man vergleicht das Spektrum, das während des Vorbeiziehens des Planeten aufgenommen wird, mit dem nach dem Transit. So können stellare
und planetare Komponeten unterschieden und Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung der Planetenatmosphäre gezogen werden.
sogenannte „Fabry-Linsen“
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