Nicht ohne meine Mikroben - Max Planck Institute for Chemical

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19. Dezember 2012
Nr.13/2012 (105)
Nicht ohne meine Mikroben
Waldmaikäfer profitieren auch nach Metamorphose von denselben bakteriellen
Symbionten, die sie schon als Larve zuvor beherbergt haben
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In Mitteleuropa sind Waldmaikäfer nach dem Feldmaikäfer die zweithäufigste Art dieser
Gattung und können besonders in Waldgebieten und auf Heideflächen erhebliche
Schäden an Laub- und Nadelbäumen anrichten. In ihrem Darm beherbergen sie
Mikroben, um ihre holzige Nahrung, zum Beispiel Lignozellulose und Xylane, verdauen
zu können. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie haben
nun durch umfassende RNA-Analysen die Mikrobiota der von Wurzeln lebenden Larven
sowie der aus den Larven hervorgegangenen, blattfressenden Käfer bestimmt.
Erstaunlicherweise verbleiben im Darm der Käfer die meisten derjenigen
Mikrobenarten, die schon in der Larve vorhanden waren − trotz Verwandlung
(Metamorphose) von der Larve zum Käfer. Darunter befinden sich Clostridien sowie
weitere, noch unbekannte Bakterienarten. Außerdem zeigte sich, dass die im Darm
lebenden Bakterienarten nur zu einem sehr geringen Teil aus der Wurzel- oder
Blattnahrung stammen. Es handelt sich demnach bei den Mikrobiota wahrscheinlich um
spezifische bakterielle Symbionten, mit denen der Waldmaikäfer schon seit langer Zeit
assoziiert ist. (PLoS ONE, 10. Dezember 2012; doi:10.1371/journal.pone.0051557)
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Nach dem Winter, spätestens im Mai und bis in den Juni hinein, können sie wieder in Massen auftreten und
erste Blatttriebe von Eichen, Ahorn und Buchen befallen: Waldmaikäfer (Melolontha hippocastani). Die
Weibchen legen einmal im Jahr bis zu 30 Eier, woraus sich die Larven (Engerlinge) während einer drei- bis
fünfjährigen Entwicklungszeit unterirdisch von Baumwurzeln ernähren.
Links: Waldmaikäferlarve, die im Boden eine Karotte anfrisst. Rechts: adulter Käfer.
Fotos: MPI für chemische Ökologie/Arias Cordero
Die Metamorphose bestimmter Insektenarten ist bis heute ein faszinierender und
immer noch nicht ganz verstandener Vorgang. Aus einer Raupe oder Larve, die sich
je nach Art unter- oder oberirdisch von Wurzeln oder Blättern ernährt, wird nach einem
Verpuppungs- und Ruhestadium ein Falter oder ein Käfer. Die walzenförmigen
Raupenkörper sind im Vergleich zu den meist bunten und filigranen Faltern eher
unspektakulär. Hinzukommt, dass Raupen- oder Käferlarvenfraß unsere land- oder
forstwirtschaftlichen Erträge jedes Jahr aufs Neue bedrohen. So ist auch der
Waldmaikäfer (Melolontha hippocastani) ein wichtiger Schädling unserer Bäume.
Im Puppenstadium wird die Nahrungszufuhr gänzlich eingestellt; es beginnt die
fundamentale Verwandlung, sprich: Metamorphose: ein radikaler innerer Umbau, bei
dem kein Larvenorgan in seiner ursprünglichen Form erhalten bleibt. Gewebe und
Organe werden abgebaut und an deren Stelle die Organe des Käfers wieder
aufgebaut. Was aber passiert nach der Metamorphose mit den überlebenswichtigen
Mikroben, die die Larven in ihrem Darm haben, um Pflanzennahrung zu verdauen?
Sind im Darm des jungen Käfers Bakterien vorhanden und wenn ja: welche?
Dieser Frage hat sich die aus Costa Rica stammende Doktorandin Erika AriasCordero gewidmet. Dank moderner empfindlicher Nachweismethoden konnte sie sich
einen Gesamtüberblick über die im Darm von Larven und adulten Käfern vorhandenen
Bakterienarten verschaffen. In sogenannten „Kultur-unabhängigen“ Untersuchungen
wurden über 300 individuelle RNA-Sequenzabschnitte ermittelt, die verschiedenen
Taxa bekannter Mikrobenklassen zugeordnet werden konnten. Bestimmt wurden
Sequenzen ribosomaler RNA (16S rRNA) bakterieller Natur, die sich spezifisch von
der RNA der Insekten (18S rRNA) unterscheiden lässt. „Mit dieser Methode konnten
wir ziemlich sicher sein, alle im Darm vorhandenen Mikrobenklassen zu ermitteln. Ein
typischer mikrobiologischer Ansatz, bei dem zunächst hätte versucht werden müssen,
Bakterien aus dem Darm zu kultivieren, hätte dies nicht garantiert, weil wir die
Nährmedien vor allem der unentdeckten Arten noch gar nicht kennen“, so die
Wissenschaftlerin.
Insgesamt neun verschiedene Klassen an Bakterien wurden im Darm des
Waldmaikäfers gefunden: -Proteobakterien, -Proteobakterien, -Proteobakterien,
Actinobakterien,
Bacilli,
Clostridien,
Erysipelotrichi,
Negativicutes
und
Sphingobakterien. Einige Arten sind dazu in der Lage, Lignocellulose und Xylane, also
typische Holzbestandteile, zu verdauen. Interessanterweise tauchten etliche der im
Larvendarm bestimmten Bakterienklassen im Darm adulter Käfer, also nach der
Metamorphose, wieder auf − obwohl der Larvendarm in der Ruhe- und Puppenphase
vollständig leer ist. Außerdem stimmt das Darm-Mikrobiom der Larve nur minimal mit
dem Mikrobiom von Erde und Wurzelmaterial überein; mit anderen Worten: Die
meisten der in der Larve und im Käfer vorhandenen Mikroben stammen nicht aus der
aufgenommenen Nahrung. „Dies bedeutet, dass der Waldmaikäfer per se, also
wahrscheinlich schon beim Schlüpfen der Larve aus dem Ei, z.B. über anhaftende
Sekrete des Muttertiers, sozusagen eine Grundausstattung von symbiontischen
Bakterien mit sich bringt, mit denen sich diese Insektenart im Laufe der Jahrtausende
gemeinsam entwickelt hat“, so Wilhelm Boland, Direktor am Institut.
Dieses Resultat bestätigt erneut, dass vermutlich alle höheren Organismen wie
Pflanzen, Insekten und Tiere und auch wir Menschen grundsätzlich mit symbiotischen
Mikroorganismen ausgestattet sind, ohne die wir nicht leben und überleben können,
und die wir als feste Bestandteile unseres Körpers einordnen müssen.
Die Larven- und Käfer- sowie Boden-, Wurzel- und Blattproben wurden in Wäldern bei
Mannheim und Iffezheim gesammelt. Am Forschungsprojekt beteiligt waren die
Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, Freiburg, und das
Fritz-Lipmann-Institut in Jena. [JWK]
Originalveröffentlichung:
Arias-Cordero E, Ping L, Reichwald K, Delb H, Platzer M, Boland, W. (2012)
Comparative evaluation of the gut microbiota associated with the below- and aboveground life stages (larvae and beetles) of the forest cockchafer, Melolontha
hippocastani. PLoS ONE 7(12): e51557. DOI:10.1371/journal.pone.0051557
http://dx.doi.org/10.1371/journal.pone.0051557
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Wilhelm Boland, MPI chemische Ökologie, [email protected],
+49 (0)3641 57-1200
Bild- und Filmmaterial:
Angela Overmeyer M.A., +49 3641 57-2110, [email protected]
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